01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-30
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000530011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900053001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900053001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-05
- Tag1900-05-30
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Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Annahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. vei den Filialen und Annahmestellen je eine halb» Stunde früher. Anreisen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 271. Mittwoch den 30. Mai 1900. 91. Jahrgang. Militärische oder radicale Diktatur in Frankreich. Während der zwei Jahre hindurch Frankreich unausge setzt in Athem haltenden Dreyfus-Asfaire spielten die politi- sirenden Militärs eine große Roll«. Da waren Generäle, die Brandreden gegen die damals schnell wechselnden Ministerien hielten, da waren andere Generäle, di« man nicht mit Unrecht in dem Berdachte hatte, mit den monarchistischen Feinden der Republik zu conspiriren, da waren Majore und Hauptleute, die auss Schnellste die Presse — und zwar meist die der Regierung feindliche Presse — über alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Entschlüsse des Kriegsministeriums auf dem Laufenden hielten und gelegentlich auch kein Unrecht darin sahen, sogar geheime Dokumente den Zeitungen auszuliefern. Optimistische Gemüther hatten nun die Hoffnung gehegt, daß diese die französische Armee schändenden Zustände mit der Beendigung des Dreyfus-Processes gleichfalls ein Ende finden würden; diese Hoffnung erschien um so begründeter, als an der Energie des Kriegsministers Galli fet kein Zweifel gehegt werden durfte. Aber die Erwartung sollte zu Schanden werden. General Gallifet hat in öffentlicher Senatssitzung zugestehen müssen, daß noch in jüngster Zeit ein Officier geheime Doku mente in die Oeffentlichkeit gebracht habe. General Gallifet ist, wie nicht geleugnet werden kann, auch in diesem Falle energisch verfahren, denn er hat den schuldigen Officier kurzer Hand davongejagt. Er hat ferner erklärt, daß er derartige Zustände, die leider nicht vereinzelt seien, nicht mehr dulden werde. Allen Respect vor der Energie und Ehrlichkeit des fran zösischen Kriegsministers, aber es ist doch sehr die Frage, ob es ihm gelingen wird, seinen löblichen Vorsatz durchzuführen. Ge rade der Fall, um den es sich hier handelt, beweist, daß ein tief eingewurzeltes Uebel vorhanden ist. Einmal hat der be treffende Officier, als er von dem Kriegsminister zur Rede ge stellt wurde, geantwortet, er habe einen politischen Act ausge führt, er hat also offenbar geglaubt, etwas durchaus be rechtigtes zu thun, und er hat mit dieser Antwort zu erkennen gegeben, daß es sich hier nicht um einen einzelnen pflichtver gessenen Officier handelt, sondern daß die Ueberzeugung von einem wohlbegründeten Rechte auf politische Pfuscherei tief im französischen Officiercorps wurzelt. Zum zweiten hat ein hoher Militär, der General Lambert, in der offenen Senats sitzung dem Kriegsminister die Worte entgegengeschleudert, der schuldige Officier habe recht gehandelt. Man sieht daraus, daß die Verwechselung militärischer und politischer Obliegenheiten nicht blos bei jüngeren Officieren, sondern auch bei hochgestellten Generälen obwaltet; beiläufig bemerkt, ist es ein Zeichen beschämender Disciplinlosigkit, wenn im Parlamente rin General dem Kriegsminister gegenübertritt. Ein Einzelner, er mag noch so schneidig sein, wird nie die Gesinnung des gesammten Officiercorps umwandeln können, denn auch der energischste Wille wird stumpf durch den passiven Widerstand einer geschlossenen Masse. Deshalb wird im fran zösischen Officiercorps trotz aller scharfen Erklärungen des Kriegsministers ruhig weiter politisirt werden. Wenn aber im Heere Politik getrieben wird, so kann es nur geschehen, um die militärische Diktatur vorzubereiten. Denn zu welchem Zwecke sollten sich sonst die Officiere mit Interessen beschäftigen, die ihnen an sich fernliegen? Ob der eine oder andere Civilist Prä sident oder Minister ist, kann den Officieren schließlich ziemlich gleichgiltig sein. Wenn aber einer von ihnen an der Spitze des Staates steht, dann, so argumentiren sie, wird der Säbel das Land regieren und es wird dem gesammten Officiercorps an materiellen und ideellen Vortheilen nicht fehlen. Die Geschichte des großen Soldatenkaisers giebt dieser Argumentation ja auch Recht. Wie die Dinge «inmal in Frankreich liegen, so giebt es gegen die drohende militärische Diktatur nur ein Mittel: die Diktatur des entschiedenen Radikalismus. Daß der Minister präsident nach mancherlei Schwankungen zu dieser Erkenntniß gekommen ist, hat seine Rede beim Wiederzusammentritte der Deputirtenkammer dargethan; sein Programm war ein voll kommen radikales, vor allen Dingen in den beiden Haupt punkten: der Bekämpfung des Klerikalismus und der Durch führung der Einkommensteuer. Mit der ersten Maßregel ver feindet sich die bestehende Regierung endgiltig mit der katho lischen Kirche, die aus freilich recht egoistischen Motiven ihren Frieden mit der Republik zu machen getrachtet hatte. Mit der zweiten Maßregel erbittert der Ministerpräsident die groß« Classe der eine Specialität Frankreichs bildenden „Seö^dreier- rentiers". Diese guten Leute sind so lange Republikaner, als ihr Geldbeutel wohl dabei fährt. Wenn aber an ihre Casse An sprüche zu Gunsten der Entlastung des in Frankreich durch die indirekten Steuern unglaublich gedrückten Proletariats gemacht werden, so ist «S um ihr« Zuneigung für „Gleichheit und Brüderlichkeit" schlimm bestellt. So sieht sich daS gegenwärtige Ministerium mehr und mehr darauf angewiesen, seinen Rückhalt allein bei dem entschiedenen Radikalismus zu suchen. Es versteht sich von selbst, daß eS sich damit auch mehr und mehr von diesem Radikalismus ab hängig macht, der bestrebt sein wird, seine Auffassungen in jeder Beziehung zur Durchführung zu bringen; oder, mit anderen Worten, der ebenso rücksichtslos bemüht sein wird, seine Dik tatur zu errichten, wie di« Nationalisten die militärische Diktatur aufrichten möchten. So ist für absehbare Zeit die Herrschaft ekneS allein die Stabilität der Zustände sichernden gemäßigten Republi- kanismuS ausgeschlossen. Frankreich pendelt zwischen der Dik tatur des Säbels und der Diktatur de« Knüttel« hin und her, und welches von beiden MoMnstrumentm der dritten Republik schließlich den Schädel einschlagen wird, vermag Niemand vor her zu sagen. Der Krieg in Südafrika. -p. Noch sind die Engländer, welche rasch auf dem Wege nach Pretoria vordringen, nicht in Johannesburg cinmarschirt, aber sie stehen in bedenklicher Nähe der Stadt. Wir müssen folgende Meldungen verzeichnen: * Pretoria, 29. Mai. (Telegramm.) Heute ist nachstehender Kriegsbericht veröffentlicht worden: Tie britische» Truppen haben am Sonnabend »en Baal stutz überschritten. General Lcmmer hatte ein heftiges Gefecht am Klip River zu bestehen, in dem 5 BnrghcrS schwer verwundet und 2 gcsaugeu genommen wurden. Die Burghers fochten schwach an Zahl; auf englischer Seite standen etwa 5000 Mauu. Gestern tam es bei Banweh- kornst, 15 Meilen südlich von Johannesburg, zu einem Gefechte mit einer starke» britischen Streitmacht, die vom Klip River ans durchgebrochen war. * Kapstadt, 28. Mat. („Reuter s Bureau".) Hier ver lautet gerüchtweise, General Arench habe die Verbin dungen der Boere» »wischen Heidelberg und BokSbnrg, wenige Meile» von Johannesburg, ab ge schnitten. * Kapstadt, 28. Mai. („Reuters Bureau".) Der Oranje-Krctftaat ist heute formell anneetirt worden. DaS sind sehr betrübliche Nachrichten, und namentlich die auS Pretoria läßt keinen Zweifel, daß man sich dort deS schweren Ernstes der Lage, d. h. der Thatsache, daß die Uebermacht der Engländer eine erdrückende geworden, vollauf bewußt ist. „Die Burghers fochten schwach an Zahl" — das charakterisirt die furchtbare Gefahr, welche der fast verzweifelt stehenden Sache der Verbündeten droht. Von allen Seiten rücken die englischen Heeressäulen auf Johannesburg-Pretoria heran und zwingen dadurch die ohmhin schwachen boerischen Streitkräfte, sich in machtlose, außer Fühlung mit einander stehende Haufen zu zersplittern, die leicht bei Seite gedrängt und abgeschnitten werden können. Auch von Westen her sind britische Divisionen unterwegs, wie folgende Meldung zeigt: * Pretoria, .28. Mai. („Reutcr'S Bureau".) Die kn-lauder besetzten heute Vormittag Zeerust. Sine starke Streitmacht marschirt ans vtchtenbnrg. Zeerust liegt auf der Straße, welche sich von Mafeking nordöstlich, Lichtenbnrz auf der, welche sich südöstlich um den ang hingestreckten Witwaler Bergrücken auf Johannesburg und Pretoria hin herumzieht. Gelingt eS, denselben voll- tändig zu umgehen, so kommen die englischen Truppen nahe an die verwundbarsten Puncte der beiden Städte heran. Unter diesen Umständen ist eS begreiflich, wenn sich in Pretoria eine Friedenspartei bildet und auf rasche Beendigung deS so gut wie aussichtslos erscheinenden un gleichen Kampfes dringt. Es wird uns berichtet: * London, 29. Mai. (Telegramm.) „Daily RewS" melden ans Lonrcnco MarqncS vom 28. d. M.. General Botha ist in Pretoria cingetroffcn, um mit dem Präsidrnten Krüger über die SriedenSbcdingungen zu berathen. — Die „Times" melden aus Pretoria vom 28. d. M.: General Botha bcrieth vor einigen Tagen mit der Regier«»» in Pretoria und rteth nach drücklich zur Kapitulation. Der Präsident »eS Oranjr-KreistaatcS Stets» ist gleichfalls für den Frieden, nur Krüger ist für die Fortsetzung des Krieges. I» Pretoria herrscht jedoch das Gefühl vor, Latz Sie Friedcnspartei jeden Augenblick die Oberhand gewinne» könne. * Pretoria, 29. Mai. (Telegramm.) Auf Anordnung deS Präsidenten werden Ser gestrige, der heutige und der morgige Tag als Tage der Einkehr, der Bntze und des Gebets um Befreiung von der Unterjochung und nm Erhaltung der Uuabhäugigkeit be gangen. (Rentcrmeldnng.) Nach der letzteren Nachricht ist eS also die mächtige Gestalt Krüger'S, die als ragender Fels inmitten der verderben drohenden Sturmflutb noch unerschüttert dasteht. Er bat einen gewaltigen Einfluß auf sein mit Vertrauen zu ihm aufblickcndeS Volk, das in ihm seine nationale Unabhängig keit repräsentirt sieht und eS ist nicht ausgeschlossen, daß er eS zum letzten Widerstande in den unzugänglichen Schluchten der Zoutpansberge mit fortreißt, wo ein jahrelanger Wider stand zerstreuter Freischaaren möglich ist Deutsches Reich. L2 Berlin, 29. Mai. (Ein socialdemokratischer W ahlsieg und seine Ursach en.) In Meiningen ist, wie bereits gemeldet, ein durchaus ländlicher Kreis bei einer nothwendigen Ersatzwahl aneinenSocialdem okraten verloren gegangen. Es zieht damit der 6. Socialdemokrat in den meiningenschen Landtag ein, und daS ist durchaus kein Zufall, sondern die Folge der durch den Bund der Land wirt he und sein Organ, die „Deutsche Taaesztg.", betriebenen Bodenauflockerung. WaS dem unter schwierigen Boden verhältnissen bei hohen Steuern sich recht und schlecht durch ringenden Meininger Bauer in Versammlungen und in der Bundespresse an Vertrauen zu dem guten Willen der Be hörden und an Achtung vor der unerläßlichen Autorität der Negierung genommen worden ist, reichte gerade au-, den Boden für die mit doppelter Pflugschaar tiefer und rücksichtsloser rinsetzende Socialdrmokratir empfänglich zu machen. Wenn «in so angesehener Mann wie der Landwirth Krug in der Stichwahl einem Socialdemvkraken unterliegt, so hat sich eine politische Fahnenflucht unter den Landwirthen im Kreise vollzogen, die entweder al- eine Ab sage an den Bund überhaupt aufaefaßt oder wohl richtiger dahin verstanden werden muß, daß den vom Bund der Land- wirth« unter seinen Mitgliedern und Beruf-grnossen erzeugten radikalen Stimmungen und Strömungen der Socialdemokrat seinem ganzen Wesen und seinem Auftreten nach besser ent sprach. Wie dir Saat, so die Ernte! In welcher Weise die „Deutsche Tage-ztg." säet und «ine „sachliche" Politik treibt, dafür giebt sie in ihrer Nr. 244 vom 27. Mai durch folgende Notiz einen Beweis: Berlin, 26. Mai. Bei der LandtagSersatzwahl in Nürnberg gab ein mit der aristokratischen Candidatur deS Freiherrn von Hallerstein unzufriedener socialdemokratischer Wahlmann folgenden Wahlzettel ab: „Einst wählten die Genossen den Arbeiter Grillenberger, den Mann mit der schwieligen Faust, dann den Bourgeois Oertel, den zu Tode gehetzten, heute den Gutsbesitzer vr. Baron Haller von Hallerstein. Wer lacht da — ihr Proletarier? Wer wird von Euch da- nächste Mal gewählt? Vielleicht Graf Könitz?" Die „Deutsche TageSztg.", daS Organ für deutsche Art, fügt hinzu: „Nein, der gewiß nicht; aber vielleicht Prinz Alexander zu Hohenlohe." ES ist nur gut, daß über das, was deutsche Art ist, die Meinungen sehr, sehr vieler Leute von denen der „Deutschen TageSztg." grundsätzlich ab weichen. -4- Berlin, 29. Mai. (Socialdemokratie und Ge werkschaften.) Die Streitfrage, ob die Gewerkschaften als solche socialdemokratische Politik treiben sollen oder nicht, wird für unsere Socialdemokratie von Tag zu Tag „brennender". Während am letzten Freitag Bebel diese Frage verneint und verlangt hat, nicht als Gewerkschafter, sondern als Politiker solle der Arbeiter „Classenpolitik", d. h. social demokratische Politik, treiben, hat sich an dem darauffolgenden Tage der Congreß der durch Vertrauensmänner ceutralisirten Gewerkschaften Deutschlands im entgegengesetzten Sinne ausgesprochen. Der genannte Cou- greß hat seinen Standpunkt in langen Resolutionen fest gelegt, deren charakteristische Sätze folgendermaßen lauten: „Eine Trennung der gewerkschaftlichen Bewegung von der bewußten socialistischen Bewegung ist unmöglich, ohne den Kampf um die Besserung der Lage der Arbeiter auf dem Boden der heutigen Ordnung aussichtslos zu machen. Die Bemühungen. ., die den Zusammenhang der gewerkschaftlichen Bewegung mit der Socialdemokratie zu lockern oder zu zerbrechen bestrebt sind, sind al- arbeiterfeindlich zu betrachten. . . Eine allmähliche Ver einigung beider Organisationen ist schon au» Gründen der Sparsamkeit mit den Arbeitergroschen sehr wünschen-- werth . . . Die durch Vertrauensmänner centralisirten Ge werkschaften Deutschlands sehen eine wesentliche Auf gabe für ihre Taktik also in der Agitation fürdie socialistische Arbeiterbewegung." — Der Antrag, diesen Gewerkschaften den Namen „Föderation der socialistischen Gewerkschaften Deutschlands" zu geben.wurde im Einverständniß mit der GesckäftScommission, die eS (zweifellos in bauernfänge rischer Absicht) für besser hält, wenn man die bisherige Benennung beibehält, zurückgezogen. Bekanntlich steht der Buchdrucker verband auf dem Standpuncte, daß die Gewerkschaft als solche nicht socialdemokratische Politik zu macken habe, und wird deswegen auf daS Heftigste von Len „Genossen" befehdet. Durch Bebel'S Rede und obigen Congreßbeschluß ist die Er örterung dieses wichtigen Themas in das breiteste Fahrwasser gebracht. Da der Streitpunct seiner Natur nach die Menge der Arbeiter ungleich direkter und tiefer berührt als die Bernsteinfrage, die für die Masse „Caviar" war, muß der weiteren Entwickelung des Streites mit Interesse entgegen gesehen werden. Berlin, 29. Mai. (Die untere Grenze der WaarenhauSbesteuerung.) Die „Kreuzztg." redet der Regierung gut zu, doch bezüglich der unteren Grenze der WaarenhauSbesteuerung nachzugeben. DaS Abgeordnetenhaus habe sich in manchen Fragen in der zweiten und dritten Lesung auf einen gemäßigteren Standpunct gestellt als die Commission, und deswegen solle die Regierung ihrer seits auch nachgiebig sein und sich damit ein verstanden erklären, daß die Steuer nicht erst bei einem Geschäfl-umsatz von 500 000 sondern schon bei einem solchen von 300 000 ins Leben trete. Es will un» scheinen, als ob gerade hier von der Regierung eine Nachgiebigkeit bezüglich der Hauptfrage verlangt würde. Der socialpolitische Zweck de- Gesetzes besteht darin, die Waarenhäuser nicht mS Uazemessene wachse» zu lassen und dadurch die mittleren und kleineren Betriebe vor der völligen Verdrängung zu bewahren. Bei einem Umsatz von weniger al- einer halben Million aber kann man nicht Wohl von einem Riesenbetriebe, der die mittleren und kleineren Ge schäfte verschlinge, sprechen. Es empfiehlt sich auch umso mehr, nicht unter die von der Regierung festgesetzte Mindest grenze hcrunterzugehen, als die Regierung da- Gesetz zunächst al- einen Versuch ansieht. Durch diesen Versuch wird auch bei der Grenze von 500 000 ^4 schon eine erhebliche Zahl von Waarenbäusern getroffen, sodaß also die Möglichkeit, die praktische Wirkung de- Gesetze- zu erproben, vollauf gegeben ist. Nicht- steht entgegen, wenn erst ein befriedigender Erfolg vorhanden ist, den Versuch au-zudehnen. (-) Berlin, 29. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser unternahm gestern Nachmittag einen Spazierritt. Die Abend- täfel fand im Schloß Bellevue statt. Heute früh 8 Uhr nahm der Kaiser eine Parade über tue zweite Garde- Infanterie-Brigade auf dem Tempelhofer Felde ab. Die Kaiserin erschien in einem offenen Vierspänner mit Vor reitern. Ein großes Gefolge, darunter dir fremdländischen Officiere, hielt zur Seite. Der Kaiser zog den Degen und übernahm da» Eommando über di« Brigade, die er exercirt«. Bon 10 Uhr ab ließ der Kaiser «in« Gesecht-Übung unter Verwendung von Artillerie und Cavallerie folgen. Hierbei kamen auch Flaggensignale zur Anwendung, di« die Mann schaften vom Dache eine» Hause« gaben. Nach der Kritik und einem Parademärsche setzte sich der Kaiser an die Spitze de- Garde-FUstlier-NegimentS und führte e« zur Easerne, wo er im Kreise der Officiere da- Frühstück einnahm. D Berlin, 29. Mai. (Telegramm.) In Gegenwart der Kaiserin wurde heute vormittag im Kgl. Schloss« die Generalversammlung de« G»an,eltsch-Kirchltche« Hilf»- »ereins abgehaltrn. Die Kaiserin ließ sich eine Anzahl Delegirte vorstellen und erkundigte sich eingehend über den Fortgang einzelner in Angriff genommener Arbeiten. D Berlin, 29. Mai. (Telegramm.) Ueber die Acn- drrung jüdischer Familiennamen schreibt di« „Berliner Corresp.": ES sind neuerdings wiederholt darüber Vorstellungen erhoben worden, daß Anträgen auf Aenderung jüdischer Familiennamen ohne ausreichende Veranlassung oder doch ohne gebührende Rücksichtnahme auf die Bedenkep, Weich aus der Wahl des anzunehmenden Namen- herzuleitcn waren, von Seiten einzelner Behörden stattgegeben worden sei. Um die wünschenSwerthe Einheitlichkeit in der Behandlung von Anträgen der gedachten Art sicherzustellen, hat sich der Minister deS Inneren veranlaßt gesehen, in Ergänzung der Vorschriften des Circularerlasses vom 9. August 1867 durch Circularerlaß an die zuständigen Behörden zu bestimmen, Laß künftig Gesuchen, welche auf die Genehmigung der Namens Änderung von Personen jüdischen Glauben- oder jüdischer Her kunft, bezw. auf die Bestätigung deS von einem zum Christen- thum übergetretenen Juden bei der Taufe angenommenen Familiennamens gerichtet sind, nicht ohne die vorher ein zuholende Ermächtigung deS Minister« Folge gegeben werde. (-) Berlin, 29. Mai. (Telegramm.) Nach einem Telegramm aus San Francisco berichtet ein gestern kort eingetroffener Schooner: Auf den Karolinen seien seit ihrer Abtretung an Deutschland Friede und Wohlstand ein- zekehrt. Der Gouverneur walte mit Gerechtigkeit seines Amtes. Die Raubzüge der Häuptlinge einer Insel auf die anderen Inseln hätten aufgehört. Einem japanischen Schooner, der mit Waffen und Munition zum Verkaufe an die Eingeborenen an der Küste von Ponape erschienen sei, sei eine Frist von 24 Stunden zur Abfahrt, bei Strafe der Beschlagnahme, gegeben worden. Der Schooner fei ver schwunden und habe seitdem nicht mehr versucht, Waffen und Munition zu landen. — Der Staatssekretär de- ReichS-Marine-AmtS Vice- Admiral Tirpitz hat sich heute zur Besichtigung der Werft und der Garnison-Anstalten nach Kiel begeben. (-) Hamburg, 29. Mai. (Telegramm.) Die Conferenz über die Einrichtung eine- einheitlichen wetter telegraphischen Dienstes im Interesse der deutschen Zandwirthschaft hat heute Vormittag unter dem Vorsitze des Admiralitatsraths Neumeyer in den Räumen der Seewarte begonnen und dauert voraussichtlich drei Tage. Unter den 42 Theilnehmern befinden sich Vertreter deS Reichsamtes Les Innern, des preußischen CultuSministeriumS, deS RrichS- MarioeamteS u. s. w. * Finsterwalde,. 29. Mai. Der Ausstand in den hiesigen Tabakfabriken, der bereits sechs Wochen an dauert, wird immer noch mit Beharrlichkeit fortgesetzt, so daß ein Ende vorläufig noch nicht abzusehen ist. Sämmtliche von unserem Bürgermeister Klix und dem Gewerbeinspector unseres Bezirks unternommenen Einigungsversuche zwischen Fabrikanten und Tabakarbeitern sind bisher erfolglos geblieben. Bis jetzt wurden im Ganzen ungefähr 10 000 unter die Ausständigen vertheilt. Die Fabrikanten sind fest entschlossen, auf Lohn erhöhung nicht einzugehen. Sämmtliche Mitglieder des Fabri kantenvereins haben sich hierzu verpflichtet, Zuwiderhandlungen werden mit 200 eA Geldstrafe geahndet. * Kassel, 29. Mai. Geh. Ober-Regierungsrath v. Bremer langjähriger Vertreter deS Regierungspräsidenten, ist im Alter von 65 Jahren verstorben. * Elberfeld, 28. Mai. Der Bezirksverein derFärberei - besitzer des WupperihalS hatte kürzlich beschlossen, diejenigen Färbereiarbeiter in Barmen, die früher ausständig gewesen sind, aber inzwischen die Arbeit wieder ausgenommen haben zu entlassen, wenn der Ausstand der Elberfelder Färberei arbeiter bis Ende Mai nicht erledigt sei. Die Elberfelder Färbereibesitzer haben sich jetzt dahin geeinigt, beim Bezirks verein die Aufhebung dieses Beschlusses zu beantragen. * Köln, 29. Mai. Die Angestellten der hiesigen städti schen Straßenbahn traten in eine Lohnbewegung ein Eine beute Nacht abgehaltene Versammlung beschloß, der städtischen Verwaltung zahlreiche Forderungen, darunter Gc haltSerhöhung, elfstündige Arbeitszeit und PensionScasse, zu überreichen. Die Antwort darauf ist bis zum 1. Juni Abends zu erwidern. * Frankfurt a. M., 28. Mai. Am ersten und zweiten Psingstfeiertag findet hier der II. Congreß christlicher Gewerkvereine Deutschlands statt. Die Vormittage sollen zu Specialconferenzen der einzelnen Berufe, die Nach mittage zu gemeinsamen Berathungen über Taktik und Aus bau der christlichen GewerkvereinSbewegung benutzt werden. Dabei sollen Referate und DiScussionr» an folgende Themata anknüpfrn: 1) Stand und Entwickelung der christlichen Gewerkschaften; 2) Ausbau (Eentralisatioo) der Bewegung; 3) Unterstützunaswesen in den christlichen Gewerkvereincu; 4) Taktik bei Lohnbewegungen; 5) Verkürzung der ArbeitS- zeit. Der christliche Gewerkvrrein Frankfurt a. M. hat die Vorbereitung de- Congresse« übernommen. (-) Offenburg, 29. Mai. (Telegramm.) Nach amt licher Feststellung wurden bei der am 25. d. M. stattgefundenen Reich-tagSrrsatzwahl im 7. badischen Wahlkreise (Offen bürg) im Ganzen 18 603 Stimmen abgegeben. Davon er hielten Bürgermeister I. I. Schüler-Ebringen (Etr.) 9534 und Geheimer Ober-Regierung-rath vr. Reinhard (natl.) 9069 Stimmen. Ersterer ist mithin gewählt. * München, 27. Mai. Gegen den „Freien Landesboten", der jüngst wegen eines „Frische Fische gefällig?" betitelten Ar- kikelS Uber den Lorpedo-Depeschenwechsel zwischen dem Prinz regenten und dem Kaiser confiScirt wurde, ist das Verfahren wegen Majestätsbeleidigung eingeleitet. Es wird also eine Beleidigung de« Kaiser« in dem Artikel erblickt. * Mülhausen, 28. Mai. Die durch die MandatSniederlegunz de« ReichstagSabgeordneten Bueb im zweiten elsaß-lothringi schen Wahlkreise (Kreil Mülhausen) erforderliche Ersatzwahl ist, wie die amtliche „Straßb. Torr." meldet, am Donnerstag, S. Juli, vorzunehmen. Oesterreich. Ungar«. Tie Rede G»luchsw-kt'-. * Wir«, 29. Mai. (Telegramm.) In einer Vc- sprecknng der gestrigen Delega Non-red e de« Minister» de- Au«wärtia«a Grafen Gdluchowski bezeichnen die
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