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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.06.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-23
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000623023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900062302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900062302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-06
- Tag1900-06-23
- Monat1900-06
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Presse fahr« fort, Mißtraue» gegen Deutschland« Absichtenin China zu säen, und daß sich an dieser Hetzarbeit »euerdiug- sogar bedeutende russische Publicisten brtbciligen. Dem gegenüber sei hervorzuheben, daß die russische Regie rung wiederholt der Presse den Wunsch au«sprechen ließ, daß sie sich jeglicher haltloser und ungerechtfertigter Angriff» auf Deutschland« Tbätigkeit in China enthalten solle. Dieser Befehl scheine in Bergessenheit geratben zu sein. So viel stehe fest, Deutschland werde Rußland in China keine Hinder nisse in den Weg legen. Die Zukunft werde deutlich zeigen, daß Deutschland den russischen Bestrebunaen ia China nicht «nlgegentritt, sondern daS beste Einvernehmen smit Rußland in Ostasien wahren wird. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. Juni. Preußische klerikale Blätter, die es augenscheinlich nicht verwinden können, daß in Sachsen die sog. Knie- beugung-sraae durch eine hochherzige Entschließung Sr. Majestät de« Könw« Albert in der befriedigendsten und dankenSwerthesten Weise gelöst worden ist, fahren fort, über den „roleranticandal" sich zu ereifern, der sich auf Schloß Wechselburg zugetragen. Wir haben bereit« zu Anfang dieser Woche festgrstellt, um waS es sich bei diesem Vorsalle handelt. Der Besitzer de« Schlosses, Graf Schönburg, der im Jahre 1869 zur katholischen Kirche übergetreten ist, hat einen Privatcaplan angestellt, der für die Angehörigen de« Grafen und die in dessen Dienste stehenden Katholiken Gottesdienst abhalten darf, aber nicht befugt ist, öffentlich al« Geistlicher zu wirken. Die ihm durch seine private Stellung gezogenen Wirkung-grenzcn hat aber der Herr trotz aller Vermahnungen und Verweisungen auf daS Gesetz vom 26. August 1876, betreffend die staatliche Oberaufsicht über di» katholische Kirche in Sachsen, wieder holt überschritten, so daß die königliche KreiShauptmannschafl Leipzig sich endlich genöthigt sah, am Vorabend von Fron leichnam den Grafen Schönburg bemerklich zu machen, daß er 1) bei einer Strafe von 100 für jede Person zu dem in seinem Schlosse stattfindenden HauögotteSdiensle nur Mitglieder seiner Familie und Angehörige seine» Haus standes zulassen und 2) bei 1000 Strafe die vorzuneh- menden gottesdienstlichen Handlungen nicht an Orten ab halten oder Orte berühren lassen dürfe, von wo aus sie einem größeren oder kleineren Kreise nicht zur Theilnahme berech tigter Personen sichtbar sein könnten. Darüber erbosen sich, wie gesagt, klerikale preußische Blätter; die »Köln. Vvlk-ztg.", die e« gar zu gern sähe, wenn die evangelischen Sachsen in den Geruch grober Intoleranz und grober Undankbarkeit gegen ihren toleranten hochherzigen katholischen König kämen, wirft der königlichen KreiShauptmannschafl Leipzig vor, sie ziehe au« der Umgrenzung der Wirksamkeit des Wechsel bürger Privatcaplan» „abgeschmackte" Consequenzen, und ruft aus: „Co wird im letzten Jahre des 19. oder im ersten Jahre de« L0. Jahrhunderts im Stammlande der Reformation Toleranz geübt und dem Bolle die Religion erhalten I Freie NeligionS- übung? Pahl Nachdem jahrhundertelang der katholische Gottes dienst in der Umgebung dcS Schlosse« Wechselburg unterbrochen <!) worden ist, hat sich endlich eine Freistätte für Las alte Bckennlnitz geöffnet, und selbstverständlich machen di« Umwohner von dieser Gelegenheit Gebrauch. So wa« kann natürlich nicht geduldet werden." SolcheEzclamationen sollen natürlich bei dem Unkundigen den Eindruck erwecken, als ob die Ausübung des öffent lichen katholischen Gottesdienstes in Sachsen der härtesten Bedrückung unterworfen sei und als ob dem „Stammlande der Reformation" im Punkte der Toleranz ein Makel anbafte. Daß die Beobachtung der Gesetze von der Leipziger Kreis- banptmaanschaft mit Recht zu den „wichtigen öffentlichen Interessen" gezählt wird und daß die vom Wechselburger Schloßcaplan ausgehende Störung des confessionellen Friedens von der KreiSbauptmannschat't mit Recht al« „ernste Unzuträg lichkeit" angesehen wird, stellt daS klerikale Blatt selbst verständlich in Abrede. Da eS aber zugleich den Anschein hervor ruft, als ob durch dir obrigkeitliche Behandlung der HauS- andacht deS Grafen Schönburg die Toleranz des Pro testantismus im Allgemeinen sich eines Vergeben« schuldig gemacht hätte, so sei in die Erinnerung zurückgerufen, wie im katholischen Spanien der öffentliche Gottes dienst der Nichtkatholiken verfassungsmäßig behandelt wird. Zn Spanien ist die religiöse Freiheit zum ersten Male durch die Verfassung von 1896 sanctionirt worden. Indessen sind laut Art. 11 der spanischen Verfassung keine andere öffentliche Ceremonie oder Kundgebung gestattet als jene der StaatSreligion, d. b. de- KatholiciSmuS. Wa« diese Bestimmung bedeutet, darüber äußert sich Profeffor Torre- CamboS in seinem „Staat-recht des Königreichs Spanien" unter Anderem folgendermaßen: „In der Praxi- haben sich Zweifel und Schwankungen ergeben nicht bezüglich de- Wortes Ceremonie», deren richtiger Sinn nicht dunkel sein kann, sondern bezüglich der Worte öffentliche Kund gebung. wenn man ihnen ihre» richtige» Sin» beileg», so muß man sagen, daß Alle-, waS in und auf der öffentlichen Straße die religiöjen Meinungen, den Glauben oder di« Ansichten der bisst- denltschen Secten kundgiebt, oder ia gleicher Weis« die ihrem CultuS eignenden Act« zur Wahrnehmung bringt, v«rbot«n ist und von de» Behörden nicht g«statt«t oder geduldet werdrn kann . .. Demgemäß ist jede öffentlich« Kundgebung der von der katholischen Religion abweichenden Lullen und Serien außerhalb ihre» Tempels oder Kirchhofs verboten. Unter öffentlicher Kundgebung ist jeder auf der öffentlichen Straß« oder an der äußeren Mau«r deS Tempel oder Friedhof« geübte Act zu verstehen, welcher die Ceremoni«», Riten, Gebräuche und Sitten de« dissidentifchen CultuS wahrnehmen läßt, sei eS mittels Processionen, Inschriften, Fahnen, Abzeichen, Anzeigen und Placaten ... Die innerhalb der Tempel und Friedhöfe stattfindenden Versammlungen der Dissidenten genießen ebenso, wie die der Katholiken, die verfassungsmäßige Unverletzlich keit, vorausgesetzt, daß in denselben keine au-gesprochen« Ueber- tretung wider die Verordnungen und Verfügungen der Polizei vor kommt." So viel „Toleranz" gewährt da« katholische Spanien den Nichtkatholiken für ihren öffentlichen Gottesdienst! Ob eS in Spanien möglich ist, daß ein Nichtkatbolik Haus andachten abhalten darf, wissen wir nicht. Wird sich die deutsche klerikale Presse über die spanische „Toleranz" ebenso entrüsten, wie über den sächsischen „Toleranzscandal"? Wir glauben eS nicht; denn der Klerikali-mu- ist wohl stet- und überall bereit, zu fordern, aber stelS und überall abgeneigt, Anderen zu gewähren, wa« er für sich fordert. In den Wählerkreisen deS VentrnmS herrscht hier und da Unzufriedenheit mit der Haltung der Fraction oder wenigstens eines Tbeiles derselben. Besonders könne» die „strammsten" Ultramontanen nicht darüber hinaus, daß die lex Heinze nicht ohne Schuld der Fraction „schauderhaft verstümmelt" und die Flottenvorlage ohne stärkere Ver stümmelung angenommen worden ist. Dieser Unzufriedenheit giebt der „Aachener BolkSfreund" besonder- scharfen Aus druck. In seiner letzten Nummer müssen die CentrumS-Ab- aeortnele» Hesse-Paderborn und der badische Decan I)r. Lender herhalten. Er weist nach, daß Hesse während der ganzen Session auch nicht ein einziges Mal im Reichstag war, und verlangt kurzer Hand, daß Hesse sein Mandat niederleze, oder aber e- ihm ge nommen werde. Scharf geht er mit dem Decan Lenker in« Gericht. Er behauptet, daß derselbe nur zur Ab stimmung über die Flottenvorlage nach Berlin gekommen sei. Selbstverständlich habe er für die Vorlage gestimmt, wie er überhaupt seit dem Jahre 1893 nur nach Berlin komme, um für Heeres- oder Marinefordcruuzen zu stimmen. Sogar bei der Berathung der lex Hein;e habe er gefehlt. Der „Volks freund" fährt dann fort: „Daß eS bei einem geistlichen Herrn einen doppelt peinlichen Eindruck machen muß, wenn er sozusagen nur im Reichstag erscheint, um Vorlagen des Militari-mu- und MarinismuS zuzustimmen, durchweiche der Nation furchtbare Opfer auferlegt werden, bedarf kaum der Erwähnung." Zum Schluß erkält noch der Präsident Graf Ballestrem feinen Hieb. DaS Blatt schreibt nämlich: „WaS die lex Heinze angeht, so sei hier zum Schluffe nur constatirt, daß dieselbe, da die ouS den „Conservativen", dem Centrum rc. bestehende Mehrheit fest zujominenhielt, keineswegs ab bröckelte und sozusagen vor dem Abschlüsse der Materie stand, zweifellos angenommen worden wäre, wenn der Präsident Gras Ballestrem sich nicht „berufen" gefühlt hätte, dem Ganzen eine „Schwenkung" zu geben, so daß die Position der Mehrheit schwer erschüttert, ja unhaltbar wurde. Daß er hierbei in Neberein- stimmung mit Mitgliedern der Regierung handelte, war in RrichStagskreisrn allgemeine Annahme. Die „Kölnische Zeitung" wußte sehr wohl, wa- sie that, als sie nach dem Schlüsse des Reichs tag« dem Grasen Ballestrem überschwängliche Lobsprüche ertheilte." Ten CentrumSfübrrrn wird hiernach nicht» Anderes übrig bleiben, als die Anwendung deS alten Mittels, daS schon so oft geholfen hat, wenn in den Wäblerkreisen Unzufriedenheit mit dem politischen Verhalten der Fraction rege wurde: ein neuer Ansturm gegen daS Iesuitengesetz oder eine ähnliche Action, die conservative und demokratische, welfischc, polnische und sonstige Spielarten de« einen und untheilbaren Ultramontani-muS rasch wieder um die alte Fahne sammelt. Ganz überraschend kommt au« Lissabon di« Nachricht von dem Rücktritt des portugiesischen Ministerium- Luciano de Castro, dessen Ersetzung durch rin Cabinet Hintze Ribeiro al« wahrscheinlich bezeichnet wird. Luciano de Castro ist Progressist, Hintze Ribeiro Führer der Negene- radore«, das könnte zu der Annahme verleiten, daß eine politische Umwälzung, ein völliger Systemwechsel vor sich gegangen sei. Aber da« kann leicht ein Trugschluß sein. Rege- navoreS und Progressisten sind kaum von einander zu unter scheiden, ihre Scheidung ist weit mehr persönlicher al» sach licher Natur, für die letzten Kammerwadlen im November 1899 hatten sie untereinander ein Wahlabkommen getroffen, da« den Fortbestand der bi« dahin bestehenden Parteiver- hältniffe sicherte und die EntschließungSfreiheit der Wähler schaften eigentlich aufhob. Tiefere Gründe und Anlaß der so plötzlich ringetretenen CabinetSkrise sind noch unbekannt, eine Abschätzung ihrer Potitischen Tragweite ist daher vorerst unthunlich. Hintze Ribeiro, der an Luciano de Castro'S Stelle treten soll, war dessen Vorgänger gewesen. Im Jahre 1892 batte er da» Cabinet Diaz Ferreira verdrängt, fünf Jahre darauf wußte er Luciano de Castro weichen, der sich seither an der Macht behauptet hat, freilich nicht ohne inzwischen, im August 1898, eine theilwrise Umgestaltung seines Cabinet» vornehmen zu müssen. Den dauernden Schandfleck d«S CabinetS Luciano de Castro bildet da» Abkomme» mit Eng land, wodurch diesem di« Landung englischer Truppen i'n Beira ermöglicht wurde, ein Handel, der in der boeren- freundlichen Bevölkerung Portugals tiefe Erbitterung hervor rief. Ob der Sturz deS Ministeriums hiermit oder mit anderen Vorgängen zuzammenhäugt, dürfte erst in den nächsten Tagen bekannt werden. Tie Ankündigung, daß Fürst Ferdinand von Bul garien in wenigen Wochen dem Enltan abermals einen Besuch abstattcn werde, bat die bulgarisch-patriotischen Kreise sehr enttäuscht. Die Oppositionsblätter erklären, daß jeder Besuch de» Fürsten in Konstantinopel eine Demütigung Bulgariens bedeute, so lange letzteres nicht zum Königreich ausgernsen sei. Denn vor der mubamedanischen Welt werde durch die türkische Presse, durch daS Beamtenthum und durch die Priesterschast ein solcher Besuch nur als die schuldige Huldigung deS Vasallen des Sultans dargestellt, und in dem jetzigen Falle entspreche dies auch vollkommen den That- sachen. Fürst Ferdinand habe vor erst einigen Monaten durch seine Osficiösen versichern lassen, er stehe jetzt so gut beim Zaren, daß dieser noch im Laufe diese- Sommer- die Erhebung Bulgariens zum Königreich durchsetzen und den Sultan gleichzeitig zu weitgehenden Zugeständnissen in Makedonien zwingen werde. Jetzt aber müsse der Fürst nach Konstantinopel gehen und dort demüthigst die Versicherung geben, daß er mit seinem bisherigen Vasallcnverkältniß sehr zufrieden sei und in Make donien nichls weiter begehre. In dieser Weise be- urtheilen jedoch nicht nur die Oppvsilionsblätter, sondern die überwiegende Mehrheit der Bulgaren die Lage und thatsäch- lich ist die Besnchsreise dem Fürsten von Petersburg au« in sebr bestimmter Form vorgeschrieben worden. Der Zar wünscht, daß angesichts der augenblicklich so gespannten diplomatischen Lage am Balkan Alle- ruhig bleibe und Fürst Ferdinand seine ehrgeizigen Pläne auf eine spätere Zeit aufschiebe. Ob fick jedoch die bulgarische „Patrioten partei" ebenfalls dem Gebot fügen wird, muß in diesem Augenblick noch etwas bezweifelt werden. Durch die Bevölkerungen dcS spauische» Amerika geht derzeit eine Bewegung, welche den Keim zu weilreichenren Folgen in sich schließt. Der Verlauf deS Krieges zwischen Spanien und de» Vereinigten Staaten, der den Zusammen bruch deö Restes der militärischen und maritimen Bedeutung des ersteren Staates besiegelte, sowie daS Schauspiel, welches der enge Zusammenschluß Großbritanniens und seiner Colonien beim Ausbruch deö sükafrikanischen Conflictes den Augen der Welt darbet, haben auf die öffentliche Meinung der spanisch-amerikanischen Republiken einen nachhaltigen Eindruck hervorgebracht. An die Stelle der eifersüchtigen Furcht vor Spanien, welche bis dahin eine unübersteigliche Scheidewand zwischen Spanien und seinen ehemaligen amerikanischen Colonien aufgerichtet hatte, ist nunmehr das neuerwachle Gefühl der Rassengemeinschast, der Inter- essensolidarität deS spanischen gegenüber dem angelsächsischen Volkselement getreten. Die Amerikaner spanischen Stammes sehen in Spanien nickt mehr den Tyrannen, den Unterdrücker ihre» politischen SelbstbestimmungSrcchtS, sondern nur noch da- Opfer anglo-amerikanischen EroberungSdrangeS, das Vorbild dessen, waö ihrer selbst harren dürfte, wenn sie nicht bei Zeilen ihrer inneren Zwietracht Halt gebieten. Warum sollte, waS England und seine Colonien im Augenblick der Krise zusammenführte, nicht auch für Spanien und die spanischen Amerikaner zum Ausgangspunkt einer politischen Annäherung werden können? Die Politiker, welche diese Frage aufwersen, sind nicht bei der bloßen Theorie stehen geblreben, sondern haben bereits den Plan eines engen BundeSverhältnisseS zwischen Spanien und Portugal, sowie allen spanischen und portugiesischen Pflanzstaaten Mittel- und Südamerikas zur öffentlichen Erörterung gestellt. In voriger Woche trat in Madrid ein vor bereitender Ausschuß zusammen, in welchem der Premier minister den Vorsitz führte und an dessen Verhandlungen sich auch die übrigen Minister betheiligten. Eine große An zahl politischer Noiabilitäten griff in die Debatte rin, die Ziele der Union und ihr künftige« Programm wurden von Sagasta und anderen in sehr lichtvoller Weise dargelegt. Im October soll «in großer Congreß nach Madrid ein berufen werden, dessen Beschickung von allen Staaten Mittel- und Südamerika« in bestimmter Aussicht steht. DaS treibende Motiv der lateinischen Republiken Amerika« bei ihrer Annäherung an da- Mutterland ist die Sorge vor der übermächtigen anglo-amerikanischen Fluthwelle, welche, wie die Ereignisse der neueste,, Z«it beweise», auch vvl den natürlichen Grenzen nicht Halt macht und die Monroe- doctrin ein«r Auslegung unterwirft, welche kaum noch ander» al» willkürlich genannt werden kann. Als nächste Aufgabe d«r Union ist die Schaffung einer obersten schiedsrichterlichen Instanz zwischen ihren Mitgliedern beabsichtigt, aber e-unter liegt keinem Zweifel, daß diese Maßregel nur den ersten Schritt auf der Bahn zu einer engeren organischen Gemein schaft der spanisch-portugiesischen StaatSweseu in Europa und Amerika bilden wird. Der Krieg in Südafrika. Laut Telegramm auS Pretoria machte die Armee unter Marschall Nadert- am Montag nach Ablauf der Waffenruhe eine» allgemeinen Vorstoß und griff General Botha an, der mit 8000 Boeren eine fast unangreifbare Stellung auf einem Höhenzuge zwölf Meilen von Pretoria inne hatte. Die Schlacht Wütbete bi- Mittwoch. Die Boeren leisteten hartnäckigen Widerstand, aber die britischen Truppen nahmen Stellung um Stellung. Die Boeren wurden auf jedem Puncte mit beträchtlichen Verlusten geschlagen, allein sie kämpften entschlossen, bis die Nachhut in daS Gefecht eingriff. Bei Bronkhortspruit entbrannte am Mittwoch ein heißer Kampf. Hamilton'S Cavallerie und Hutton'S berittene Infanterie umgingen die Stellung der Boeren, worauf ein allgemeiner Rückzug begann. Donker- brook war der Schauplatz eine« weiteren Treffen-, da« mit der Vertreibung der Boeren au« den verschanzten Stellungen endete. Eine große Anzahl Boeren wurde gefangen ge nommen. Der Verlust der Briten beträgt 120 Tobte und Verwundete. Die Boeren sind nunmehr in vollem Rückzüge in der Richtung auf Middelburg. General Buller meldet aus Kaatbosch vom 22. Juni: Die Infanterie ist, nachdem sie 22 Meilen mqrschirt war, heute hier eingetroffen. Die Cavallerie hat Standerton besetzt, ohne Widerstand zu finde». Der Feind ist gestern abgerückt, nachdem er die Eisenbab »brücke in die Luft gesprengt und noch weiteren Schaden angerichtet hatte. Lord Kitchener ist kürzlich nur um Haaresbreite einer Gefangennahme durch die Boeren unter Commandant Christian de Wet ent gangen. Kitchener scheint in großer Sorglosigkeit sich zur Nachtruhe in einem Eisenbabnwagen auf der Station KopjeS- Siding, nur 2 Meilen von Rhenoster-River entfernt, nieder gelegt zu haben, wahrscheinlich ohne zu wissen, daß De Wet in bedrohlicher Nähe war. Gegen 3 Uhr Morgens er öffneten die Boeren plötzlick ein scharfes Gewehr- und Geschützfeuer, und dieser Angriff fand den englische» General vollständig unvorbereitet; er sckeint sogar ohne aus reichende Bedeckung gewesen zu sein, denn eS heißt in dem Telegramm, daß er sich selbst sein Pferd satteln mußte und dann Hals über Kopf nach Rhenoster-River gallopirte, wo eine britische Abtheilung Infanterie und Artillerie mit sechs Geschützen zu seiner Verfügung stand. Obwohl die Boeren nur 900 Mann stark waren und nur drei Geschütze mit sich führten, konnten die Engländer nicht verhindern, daß sie eine kleine Eisenbahnbrücke, die gerade wieder heraestellt worden war, auf- Neue sprengten und den Zug des Lord Kitchener mittels Dynamits von den Schienen warfen und gründlich zerstörten. Wenn sich die Affäre wirklich so verhält, so ist Lord Kitchener entweder sehr unvorsichtig gewesen, sei» Nacht lager in so exponirter Stellung aufzuschlagen, oder die Boeren sind wieder einmal ganz überraschend von einer Seite aufgetaucht, wo sie nicht erwartet wurden. Wenn die Engländer es auch absolut nicht wahr haben wollen, daß der eigentliche Krieg noch lange nicht vorbei ist, so werde» sie sich doch allmählich davon überzeugen müssen, daß die lästigen und . störenden Ueberraschungeu eine- Guerilla-FeldzugeS auf die Dauer vielleicht schwerer zu ertragen sind, als glatte Operationen auf größerem Fuße. Die Boeren befinden sich ja jetzt erst in ihrem eigentlichen Elemente, und wenn sie ebensoviel Ausdauer als Unter nehmungslust zeigen und ihnen ihre Munition und die Leben-mittel nicht zu bald au-gehen, so werden die Engländer unzweifelhaft noch manche hart« Nuß zu knacken haben. ES ist übrigens kennzeichnend für den Cliqueugeist in der euglischen Armee, der sich auch aus Civilkreise und natürlich ganz besonder- auf die heimische Presse au-dchnt, daß diese Gefahr der Gefangennahme, welcher der wegen seiner Strenge und Unparteilichkeit vielfach geradezu verhaßte Generalstabs chef de- Feldmarschall« Roberts mit knapper Noth entgangen ist, zu manche» höhnischen und spöttischen Bemerkungen in den Zeitungen Veranlassung giebt. Gewiss« Kreise würden eS vielleicht mit geheimer Schadenfreude willkommen geheißen haben, wenn der siegreiche Sirdar der egyptischen Armee, der von UnterrockSpolitik und GünstlingSwirthschaft nicht- wissen will, auch einmal tüchtig in die Patsche gekommen wäre. IX. Mit dem ersten Zuge, der am anderen Morgen in der Rich tung nach Crowhurst London verließ, fuhren Erich und Diana der Hermach zu. Ersterer zeigt« mehr Aengstlichkekt in Bezug auf das Wohlergehen Nancy's, als seine Schwester, welche durch die Versicherung Philipp Heathcote'», über Nancy wachen zu wollen, vollständig beruhigt war. Die Geschwister athmeten schon erleichtert auf, als sie am Ausgange >dos Bahnhof«» den Ponywagen ihrer wartend fanden und der Diener, der den Wagenschlag öffnete, rin ebenso gleichmütige» Gesicht wie sonst zeigte. Er schien demnach kein« besondere Botschaft für ste zu haben. -Äst zu Hause Alles en Ordnung, Paul?" fragte Erich, al» er Diana beim Einsteigen behilflich war. „Ja, gnädiger Herr!" „Nicht» Beunruhigende» vorgefallrn, wie in der vorher gehenden Nacht?" „Nein, gnädiger Herr!" „Von dem Menschen, der meine Schwester vorgestern Abend so erschreckt hat, hat man vermuthlich nicht» weiter gehört?" „Nicht da» Geringste", sagte der Mann, dem Blick Erich'» ausweichend. Er sowohl als der ganz« Haushalt waren sehr geneigt, die ganze Erzählung Diana'» von dem nächtlichen Ueberfall für «in Märchen zu halten. Diese Ansicht war durch die spöttischen Bemerkungen Keziah'» hervorgerufen worden, sie war bemüht gewesen, dir Sache in einem möglichst lächerlichen Lichte er scheinen zu lassen. Corwhurst lag, al» man «» erreicht«, ruhig uckd friedlich da, die Vorhänge an den Fenstern waren dicht zugezogen, um der heißen Mittagssonne den Eintritt zu verwehren. Al» Diana eilig die Hall« durchschritt, trat ihr Nancy entgegen, um sie zu begrüßen. Ein Helle» Seidenkleid, dessen Schlepp« über den glänzenden eichenen Fußboden rauschte, umhüllt« di« klein« schmächtige Figur de» jungen Mädchen». Nach der ersten flüchtigen Begrüßung fragte sie eifrig: „Habt Ihr mir den Spißenbesatz mikg-bracht?" „Spitzenbesatz?" fragte Diana überrascht. „Nun ja. Gleich nachdem ich heute Morgen die Depesche mit der Nachricht, daß Erich wohlauf sei, empfing, telegraphirte ich zurück und bat Euch, mir den Besatz mttzubringen. Habt Ihr denn meine Botschaft nicht empfangen?" Diana schüttelte den Kopf. „Deine Depesche wird erst angelangt sein, nachdem wir da» Hotel bereit» verlassen hatten; aber selbst wem» st« früher ge kommen wäre, würde doch kein« Zeit zur Besorgung de» Be satzes übrig geblieben sein, da wir uns beeilen mußten, den Zug zu erreichen." Nancy wendete sich mit verdrießlichem Antlitz ab. „Hast Du Dich sehr vereinsamt gefühlt, während ich fort war?" fragte Diana in liebevollem Tone. „Nein, nicht sehr, Du bist ja gar nicht lange fort gewesen." „Ich würde Dir schon gestern Abend ein« Depesche gesendet haben, um Dir mitzuiheilen, daß Erich nicht das Geringste zu gestoßen sei, aber ich wußte, daß Du die Nachricht doch erst heute Morgen empfangen würdest — ich war in solcher Sorge, daß Du Dich um Erich ängstigen würdest." „Nein", erwiderte Nancy gleichmüthig. „ich war nicht so be unruhigt wie Du, denn Erich hatte ja selbst gesagt, daß es nicht» Ernstes sei. Aber zu welchem Zwecke hat er denn eigentlich jene erste Depesche gesendet?" „Die Depesche war gar nicht von Erich", erwiderte Diana in ernstem Ton«. „Wir wissen nicht, wer sie aufgegeben hat. ES ist irgend etwa» Geheimnißvolles damit verknüpft. waS ich nicht verstehe, aber wa» wir ganz entschieden ergründen müssen." „Ah. etwa» Geheimnißvolle». da» ist ja wundervoll!" lachte Nancy, für welche dieser Gedanke einen ganz besonderen Reiz hatte. Doch da» Gespräch wurde jetzt durch den Eintritt Erichs unterbrochen, der sich inzwischen erkundigt hatte, ob irgend etwa» Bemerkenswerte» vorgefallen sei. „Weißt Du", sagte Nancy, indem sie 'sich lebhaft zu ihm wendet«, „mir ist heut« Nacht etwa» ganz Drollige» passirt! Ich konnte nicht schlafen, «» war so furchtbar heiß, und so stand ich etwa um «in Uhr auf und trat an» Fenster, und — denke Dir nur — wa» ich sah! Ein Hund ging unter meinem Fenster wie «ine Schildwache auf unck ab. Ich rief ihn an, und da blickt« «r zu mir auf und wedelte mit dem Schwänze, ober weitrr nahm er durchau» keine Notiz von mir, «r fuhr ruhig fort, auf und ab zu gehen, al» ob «r nur zu dissem Zweck da wäre. E» war rin großer Neufundländer — wa» giebt'», Diana?" „Nicht»", erwiderte dir Angere-det«, sorgfältig ihre Hand schuhe. die ste soeben abgestrekft hatte, glättend. „Fahr« fort, Nancy!" „Ich wußte nicht, wa» ich davon denken sollte, denn «» war keiner von unseren Hunden, schließlich dachte ich, daß er sich vielleicht hierher verlaufen hätte und nicht recht -wisse, wohin er sich wenden soll«, und so legte ich mich denn wieder nieder und schlief ein oder zwei Stunden. E» war ungefähr vier Uhr, al» mich die Neugier veranlaßte, noch einmal an» Fenster zu treten und richtig — der Hund war «och da und ging tn dem selben gemessenen Schritt wie vorher unter meinem Fenster auf und nieder. Wohl eine Stunde lang beobachtete ich ihn und dann ereignete sich etwas höchst Sonderbares: ein mir voll kommen fremder Mann erschien plötzlich unter meinem Fenster und schritt quer über die Terrasse dem Park zu. gefolgt von dem Neufundländer, der dicht hinter ihm «inhertrottete. War da» nicht sonderbar?" „Sehr sonderbar!" erwiderte Erich. „Ich glaube, daß ich den Mann wieder erkennen würde", fuhr Nancy nachdenklich fort, obgleich ich sein Gesicht nicht deut lich sehen konnte, da er den Hut herabgezogen hatte. Er hatte eine hohe, stattliche Figur und machte durchaus den Eindruck eines Gentleman." , Erich und Nancy ergingen sich in Mutmaßungen, wer der geheimnißvolle Fremd« gewesen sein könne, und Diana nahm diese Gelegenheit wahr, sich in ihr Zimmer zurückzuziehen, welches ste noch in derselben Unordnung sand, wie sie c» am Tage vorher verlassen hatte. So hatte Philipp Heathcote also sein Versprechen erfüllt, er hatte für die Sicherheit deS Hauses Sorge getragen, e» war sein Hund gewesen, den Nancy unter ihren Fenstern auf und ab schreiten gesehen hatte. Diana war nicht davon überrascht, ihr vertrauen zu dem Manne, der ihr doch ein Fremder war, war ein unumschränkte»; ste wunderte sich selbst darüber, und ihr Herz schlug höher, al» sie sich vergegenwärtigte, wie er sein versprechen, Nancy zu schützen, gehalten hatte. Einige Minuten lang schritt sie, in träumerische Gedanken versunken, in ihrem Zimmer auf und nieder, erst durch Keziah'» Eintritt, welch« kam, um nachzufragen, ob da» gnädige Fräulein ihrer Dienste bedürfe, wurde sie au» ihren Träumen aufgeschreckt. „Ich muß in Prior» Holm vorsprechen und Mr. Heathcote danken", sagte Erich, al- er nach dem Frühstück mit Diana allein war. ,Er Hal Mühe genug unseretwegen gehabt, und e» ist nicht mehr al» billig, daß wir ihm beweisen, daß wir die» auch anerkennen. Unangenehm bleibt «» immerhin, daß gerade er :» ist, dem wir zu Dank verpflichtet sind, jeder Andere wäre mir lieber!" Al» Erich demgemäß in Prior» Holm vorsprach, hörte er, daß Philipp nicht zu Hause sei. er athmrte- erleichtert auf, denn nur mit Widerstreben hatte er sich der Notwendigkeit, diesen Besuch zu machen, gefügt. Nachdem er einige Wort« mit Blei- stift auf eine Karte geschrieben, die er dem Diener übergab, ging er langsamen Schrittes unter den hohen alten Bäumen dem Ausgange zu. „Welch ein trübseliger Ort!" murmelt« Erich, sich noch ein mal umwendend und «inen Blick auf da» düstere Gebäude mit den hohen Bogenfenstern werfend, „wie geschaffen für einen Einsiedler! Um keinen Preis der Welt möchte ich allein in einem solchen Hause leben!" Erich sowohl, als Diana thaten alles Erdenkliche, um das Äeheimniß bezüglich der Depesche aufzuklären, jedoch vergebens. schien unmöglich, den Absender derselben ausfindig zu machen, hatten die Geschwister doch nicht den geringsten An halt. Diana oevmuthete, daß man einen Einbruch in Erow- h>:rst geplant hatte, der aber zwei Mal vereitelt worden war; das erste Mal durch ihren unvermutheten Eintritt in das eichene Zimmer, und das zweite Mal dadurch, daß sie die Unter redung der beiden Verbündeten unter der großen Eeder mit angehört hatte. „Ich glaube', sagte Diana, als sie die Angelegenheit mit Erich besprach. ,daß die Depesche von Jemandem aufgegeben ist, der mit den Leuten, die den Einbruch geplant haben, unter einer Decke steckt, und zwar haben sie zu diesem Auikunftt« mittel gegriffen, um mich aus dem Wege zu räumen und da durch frenn Spielraum zu gewinnen." „Du kcninst Recht haben", erwidert« Erich, „aber wir konnten die Leute wissen, daß ich in London war?" „DaS haben sie vielleicht von einem der Diener erfahren, ick bin sogar seh. -^neiat zu argwöhnen, daß ste einen Bundes genossen >m Hause haben", erklärte Diana; „außerdem konnte auch daS Ziel Deiner Reise sehr leicht auf dem Bahnhofe ent deckt werden. Der Verkehr ist hier ein so geringer, daß man dergleichen mit Leichtigkeit auskundschaften kann. Ich wünschte Wahl", fügte sie nach kurzem Nachdenken hinzu, „daß ich unsere sämmttichen weiblichen Angestellten entlassen und lauter neue Dienstboten dafür annehmen könnte; ich würde mich viel freier fühlen, viel beruhigter sein. Aber daS ist ja -natürlich un möglich!' „Ja. ganz unmöglich, denn die meisten derselben sind schon Jahr« lang in Crowhurst, und et würde keinen guten Ein druck machen, wenn wir di« Leut« ohne triftigen Grund ent lassen würden. E» bleibt uns nichts Andere» übrig, al» die Augen nach allen Richtungen hin offen zu halten. Mehr können wir nicht thun!" Damit war die Sache für Erich, der Alle» stet» von der leichtesten und bequemsten Seite nahm, abgethan — nicht so für Diana. Die Angelegenheit beunruhigt« sie mähr, al» sie zugestehen mochte. Einen Verbündeten hatte sie im Haus« — da» war der alte Fergu», der Diana als rin« Ausnahme ihre» ganzen Geschlechts betrachtete und bewundernd zu ihr aufsah. Diana hatte bezüglich der geheimnißvollen Einbrecher manche Unterredung mit ihm und zog ihn sogar betreff» der -Depesche in» vertrauen. (Fortsetz«»- folgt.)
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