Delete Search...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.07.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-06
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000706011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900070601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900070601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-07
- Tag1900-07-06
- Monat1900-07
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Bezugs-Preis t» der Hanptexpedition oder den im Stadt, bezirk und den Vororten errichteten Aus- oabestellen abgrholt: vierteljährlich ^4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Haus b.b0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliährlich ^4 6.—. Direkte tätlich« Kreuzbandieudung tu- Au-land: monatlich 7.Ü0. Die Morgen-Au-gabr erscheint um '/.? Uhr, die Abend-Au-gabe Wochentag- um b Uhr. Redaction und Erpe-Morr: Johannisgafse 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemmt Lortt«. Untversitüt-strahe S (Paulinum), Laut» Lösche, Latharinrnstr, 14, Hart, und üönigsplatz 7. Morgen-Ansgabe. Anzeiger. Atttlsvlatt -es königlichen Land- und Ämlsgerichtes Leipzig, -es Nalhes nn- N-lizei-Ämles -er Lta-L Leipzig. Nnzeigen-Pr^iS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclamen unter demRedactionSstrich (4go- spalten) S0>^, vor den Familironachrichte« (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis« Verzeichnis. Tabellarischer und Zifferasatz nach höherem Tarif. »s—c»» E^rtra-Veilaaen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbrsörderung ^tl 70.—. Iinnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag- 4 Uhr. vei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeige» sind stet« an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 338. Freitag den 6. Juli 1900. 94. Jahrgang. -- Rußland in Äßen. 8—v. Daß der englische Conflict mit Trani« Vaal Rußland den Anstoß geben würde, aus der Verlegenheit d°s Rivalen für sich nach Kräften einen Nutzen zu ziehen, war klar. «Und in der That dringen seit dem Beginn des Krieges aus den verschiedensten Ländern, wo Rußland und England eine gemeinsame Interessen sphäre haben, Nachrichten, welche davon zeugen, daß Rußland diesen günstigen Moment wohl auszunützen versteht. In Persien, der Türkei, Afghanistan, Korea und China, überall in Asien, wo Rußland eine Eroberungspolitik treibt, hat es theilS politische und wirtschaftliche Errungenschaften bereits erzielt, theils eine Minirarbeit begonnen, welche ein Ereigniß von großer Trag weite vorzubereiten pflegt. Werden nun diese Eroberungs schritte Rußlands nicht zu einer kriegerischen Verwickelung führen, tvas durch die dauernde Spannung in Ostasien nicht ausgeschloffen ist, so wird jedenfalls Rußland aus der Verlegen heit Englands einen mächtigen Schritt weiter auf dem Wege der Beherrschung Asiens machen. Die wirtschaftlichen und politischen Errungenschaften, welche Rußland in Persien letzthin erzielt hat, sind von weitestgehender Natur. Der Wettkampf zwischen Rußland und England um den Einfluß in Persien dauert schon seit mehr als einem Jahr zehnt. Nach der Reise des verstorbenen Schah in Europa im Jahre 1889 gelang es der englischen Regierung, manche Vorrechte in Persien zu erlangen. Sie bestanden aus Concessionen für eine Bank, für die Ausbeutung aller zu er schließenden Minen, eine Fahrstraße vom Karunfluß nach Tehe ran und Isfahan, die freie Schifffahrt auf dem Karun und eine Tabaksregie. Rußland faßte diese Conceffionen an England ass wirtschaftliche Kriegserklärung auf und ergriff seine Maß regeln. Die Tabaksregie brachte Rußland dadurch zu Falle, daß es die Geistlichkeit gegen sie aufhetzte, so daß im Lande ein un- geheur:: Protest wachgerufen wurde. Zu gleicher Zeit schloß es einen Vertrag mit Persien, der diesem weitere Concessions- ertheilungrn auf Verkehrswege für lOJahre untersagte, außerdem beschloß es den Bau der Straße Rescht-Teheran. Nach einigen Jahren waren somit alle englischen Unternehmungen, mit Aus nahme der Imperial Bank of Persia verschwunden und der Einfluß Rußlands noch mehr befestigt. Auch der Imperial Bank schuf Rußland ein Gegengewicht in Form einer Filiale der Mos kauer Internationalen Handelsbank. Aber erst in der allerletzten Zeit hat Rußland die erfolgreichste Action in Persien unternommen und sich politisch und wirthschaftlich in Persien vollkommen festgesetzt. Es hat dem geldbedürstigen Persien eine Anleihe gewährt und sich dafür die Zolleinnahmen von ganz Persien verschreiben lassen. Die Zolleinnahmen der Häfen des persischen Golfs und der Provinz Fars waren bereits an Eng^ land für eine vor Jahren gewährte Anleihe vergeben. Rußland setzte es durch, daß diese Anleihe von der neuen russischen zurück gezahlt wurde, so daß Rußland jetzt der alleinige Gläubiger Persiens ist. Als Gegenleistung erhielt Ruß land die ausschließliche Conceffion für Eisenbahnen auf zehn Jahre. Hierin liegt der Mittelpunkt der russischen Bestrebungen in Persien. Seit Jahr und Tag ist nämlich Rußland bemüht, das russische Eisenbahnnetz mit dem persischen Golf durch eine Eisenbahnlinie, welche Persien durchqueren soll, zu verbinden. Man sprach denn auch immer von einer Linie Täbris - Teheran-Bender-Abbas, welche Rußland den Aus gang in den persischen Golf eröffnen solle. Jetzt scheint nun dieses Project wirklich seiner Erfüllung entgegenzugehen. Die russische Regierung hat um die Tracirung und den Bau der Eisenbahnlinie Dfchulfo-Täbris-Homandan (mit einer Zweit linie nach Teheran) bis Popuhan und Bender-AbbaS in Angriff genommen. Diese Richtung hat Rußland gewählt, weil sie in ökonomischer und strategischer Hinsicht die wichtigsten Puncte des Landes umfaßt. Diese Eisenbahnlinie verhilft nun Rußland dazu, einen Ausgang zu den südlichen Gewässern zu erreichen, um den Weltweg nach Indien und dem Orient zu beherrschen. Einen Ausweg nach dem Indischen Ocean zu schaffen, war Ruß land auch anderweitig bemüht, und dies war ja auch der Sinn der abessinischen Politik, welche Rußland nur deshalb ausgenommen hat, um am Rothen Meere in den Besitz einer Kohlenstation zu gelangen. So lange aber der Suezcanal sich in englischen Händen befindet, ist die Festsetzung am Rothen Meere für Rußland von nur geringem Werthe und bleibt hinter dem gegenwärtig erzielten Erfolge am persischen Golf bedeutend zurück. Auf denselben Wettkampf gegen England und die Eroberung des Weges nach Indien ist die Thätigkeit Rußlands in der asiatifchen Türkei gerichtet. Und auch hier hat Rußland einen nennenswerthen Erfolg erzielt. Durch das Abkommen mit der Türkei über den Eifenbahnbau hat es ganz Kleinasien dem eng lischen Einfluß entzogen und seine Macht im Gebiete des Schwarzen Meeres bedeutend befestigt. Durch diese Er rungenschaften in Kleinasien hat aber andererseits auch Rußland seinem Vordringen in Persien vorgearbeitet. Sind somit die Bestrebungen Rußlands in Persien und der Türkei nur indirekt gegen England gerichtet, so hat es an anderen Orten Unternehmungen eingeleitet, welche Englands Macht direct bedrohen. An der afghanischen Grenze hat Rußland Truppen concentrirt und eine bewaffnete Macht aufgestellt, welche trotz aller Bctheuerungen, daß es sich hier nur um ein harmloses Manöver handelt, Rußland in jedem Augen blick befähigen, eine Action gegen England zu unternehmen. Denn ein Krieg gegen Afghanistan bedeutet einen Krieg gegen England. Afghanistan ist an sich für Rußland werthlos, es hat nur Bedeutung als das Ein - fallsthor nach Indien. Hier kämpften Ruß land und England in aller Stille seit Jahren mit einander und sind unablässig bestrebt, ihre territoriale Machtsphäre in jenen Gebieten auszudehnen. Hat nun Ruß land durch die Forschungsexpeditionen nach dem Pamirplateau seine Grenzen bis weit in Afghanistan hinein erweitert, so hat England in den neunziger Jahren den Afghanen Tschitral, Wachan, Jassin und noch andere strittige Gebiete ent rissen. Durch die Eisenbahnlinie von Merw nach Kuschkist Rußland nur noch 150 Werst von Herat entfernt, während England seinen Posten im Süden bei Kandahar hat, welches mit Indien durch eine Eisenbahnlinie verbunden ist. Indem Rußland sich allmählich zum Einfall in Afghanistan vorbereitet, hat es andererseits Hoffnungen, auf friedlichem Wege diesen Pufferstaat in feine Einflußsphäre zu ziehen. Es unterhält und unterstützt Kronprätendenten in Afghanistan, welche im Falle des Ablebens des greisem Emirs Abdurrahman, der unter dem Banne Englands steht, Rußlands Bestrebungen begünstigen dürften. Ein an diplomatischen Ränken und Ueberraschungen reiches Spiel hat aber Rußland in Ostasien, diesem Wetterwinkel der europäischen Politik, begonnen. Nachdem Rußland in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts seinen territorialen Besitz in Ostasien durch die Eroberung des Amurgebietes und Wladiwostoks ins Ungeheure ausgedehnt hatte, trat in der Er oberungspolitik Rußlands für einige Zeit ein Stillstand ein. Erst nach dem chinesisch-japanischen Kriege, als sich die Ohn macht und der innere Zerfall Chinas offenbarten, wandt« sich Rußlands Eroberungspolitik wiederum Ostasien und China zu. Hier galt es in erster Reihe, die Rivalität Ja pans lähm zu legen, und so setzte es Rußland durch die Hilfe Deutschlands und Frankreichs durch, daß der Vertrag von Nagasaki, nach welchem Korea an Japan abgetreten werden sollte, annullirt wurde. Dieser „asiatische Dreibund" verhalf Rußland zu einer weiteren Eroberungspolitik in Ostasien, indem Japan davon zurück gehalten worden ist, auf dem asiatischen Continent Fuß zu fassen. Seitdem hat nun Rußland auf dem Wege der Be herrschung Ostasiens und der Aufteilung Chinas manchen Schritt weiter gemacht. Es gelangte in den Besitz von Port Arthur, so daß es jetzt einen freien Ausweg nach dem Stillen Ocean hat. Alsdann hat es durch die Conceffion auf die ostchinesische Eisen bah.n, an welcher jetzt eifrig gearbeitet wird, in der Mandschurei festen Boden gefaßt. Durch ein diplomatisches Ränkespiel hat es auch verstanden, die koreanische Regierung seinen Bestrebungen willig zu machen und den Einfluß Japans zu untergraben, ein Ränkespiel, welches es jetzt mit ebenso viel Geschick wie Rücksichtslosigkeit am Pekinger Hofe treibt. Die Machenschaften, welche Rußland eine Zeit lang auf der Balkanhalbinsel betrieb und welche seiner Zeit durch die bekannten Enthüllungen des Dragomanen Jakobsen bloßgelegt wurden, scheint Rußland jetzt nach Ost asien übertragen zu haben. Man erinnert sich der bekannten Palastrevolution in Söul, der Hauptstadt Koreas, bei welcher alle Japan freundlichen Elemente am Hofe — eine Folge der Diplomatie Rußlands — niedergemetzelt wurden. Auch die letzten Ueberraschungen am Pekinger Hofe sind weiter nichts als die Schaffung einer russenfreundlichen Regierung in China. Der weiße Terror ist ja eben noch im Orient eine wirksame politische Waffe, aus welcher Rußland nach Kräften Gebrauch macht. Die nächsten Ziele Rußlands in Ostasien sind darauf ge richtet, in Korea weiter vorzudringen und dort Masimpo zu besetzen, sowie die Mandschurei in China als russisches Ge biet zu proclamiren. Hierbei stößt Rußland auf die Gegner schaft Englands und Japans, welche beide das gleiche Interesse haben, Rußlands Eroberungszug in Ostasien aufzuhalten. Es unterliegt nun keinem Zweifel, baß diese Bestrebungen Rußlands in kürzerer oder längerer Zeit von Erfolg gekrönt werden. Namentlich wird Rußland in der Mandschurei von der „Ein flußsphäre" zur „Sphäre des vollen Besitzes" übergehen, ein Proceß, der in der Colonialpolitik Rußlands ebenso wie Eng lands nirgends auszubleiben pflegt. Auf einen ernsten Wider stand Chinas ist dabei nicht zu rechnen, während England durch den Krieg in Transvaal lahmgelegt ist. So hat nun während des afrikanischen Krieges das Zarenreich auf der ganzen Linie des asiatischen Wettkampfes mit England die Gelegenheit aus zunutzen gesucht und überall nennenswertste Dortheile erzielt. Wie auch das Ende des südafrikanischen Krieges sein mag, für Rußland bedeutet er zweifellos eine nennenswerthe Macht zunahme. Die Wirren in China. Es liegt auf der Hand, daß die Nachrichten, die uns über das Schicksal der Gesandten und der Weißen über haupt in Peking zugeben, alle auf die einzelnen kurzen Mittbeilungen zurückzuführen sind, die chinesische Boten überbringen. Soviel ist nun aber Wohl sicher, daß kein Weißer mehr in Peking am Leben ist und daß die Mittbeilungen, die etwas Anderes besagen, aus einer Zeit datiren, wo die Vernichtung der Weißen noch nicht Tbatsache war. Wir theilen aber der Vollständigkeit wegen auch diese Telegramme mit. In Kiel ist nunmehr Donnerstag früh tlb/4 Uhr das erste Geschwader, soweit es auf der Uebungsreise sich befand, von Danzig eingetrofsen. Die Schiffe machten zu nächst an den Bojen im KriegSbafen fest. Die erste Division ankert von Boje 7 ab seewärts. Die Torpedoflottille war bereits am Vormittag eingetrofsen. Die Haltung der Chinesen wird immer bedroh licher. In Tschifu ist das bisber friedliche Ver- hältniß zwischen Fremden und Einheimischen durch zuziebende Aufrührer und die drohende Haltung deS chinesischen Militärs gefährdet. Der amerikanische General bereitet die Abreise seiner Schutzbefohlenen vor. Der deutsche Consul ließ die Proclamation des Admirals von Neuem verbreiten, um der Verhetzung der Bevölkerung durch das Pekinger Krieasedict gegen die Fremden vorzubeugen. Ueber die Haltung der amerikanischen Regierung meldet der „New Jork Herald" aus Washington: Staats sekretär Hau hat den Botschaftern und Gesandten in Europa und Japan telegraphisch eine Erklärung übermittelt, die sie den Negierungen, bei welchen sie beglaubigt sind, vorlegen sollen. Dieselbe enthält folgende Puncte: Die Regierung der Vereinigten Staaten erkennt daö Vorhandensein deS Kriegszustandes nicht an; sie hat Truppen und Schiffe nicht entsandt, um gegen China Krieg zu führen, sondern um nach den amerikanischen Bürgern und ihren Interessen zu sehen, die gesetzmäßige Regierung zu unterstützen, die Ordnung herzustellen und aufrecht zu er halten und nach Wiederherstellung des Friedens wieder forl- zugehen. Wir fügen folgende Telegramme an: * Berlin, 6. Juli. Der deutsche Consul in Tientsin meldet über Tschifu unter dem 30. Juul und 1. Juli: Schrift liche Nachrichten Sir Robert VartS und einer Französin aus Peking vom 24. Juni betonen wiederholt die verzweifelte Lage der Europäer und bitten um sofortige Hilfe. Tie Detachement--Commandeure in Tientsin sind ober wegen der Zerstörung der Eisenbahn, wegen deS Beginnes der Regenzeit und wegen der Schutzbedürftigkeit Tientsins außer Stande, Truppen nach Peking zu entsenden. Auch haben die Chinesen den Kaiser-Canal bei Tientsin durchstochen, anscheinend, um durch eine Ueberschweinmunff den Vormarsch der Truppen auf Peking zu verhindern. Die Voten, die au- Peking in Tientsin eingetroffen sind, bestätigen mündlich die Ermordung des Freiherrn von Ketteler. Das deutsche Detachement, das bei ihm war, soll darauf da§ Tsung li Pamen verbrannt und das Stadtthor vor dem Kaiserpalast mit 4 Kanonen, darunter 2 eroberten, besetzt haben, während alle anderen Thore in den Händen der Chinesen sein sollen. Prinz Ching'S Truppen kämpfen angeblich gegen die Boxer. * Wien, b. Juli. Der Rammkreuzer „Maria Theresia" ist gestern in Aden eingetroffen und heute nach Colombo weiter gegangen. Der Kreuzer „Zenta" telegraphirt: Ein aus Peking eingetroffener Courier berichtet, daß die österreichische Gesandt schaft voraussichtlich zerstört sei; da- österreichisch« Detachement befände sich in der englischen Gesandt schaft, die beschossen werde, während die deutsche Abtheilung ein Stadtthor besetzt halte. Es seien wenig Lebensmittel und Munition vorhanden. Das Telegramm besagt weiter: Ein Entsatz ist vorläufig unmöglich. Der deutsche Geichwaderchef hat persönlich zu dem tapferen Verhalten de- österreichischen Detachement- der „Zentä" bei der Erstürmung der Forts von Taku gratulirt. * Haag, 5. Juli. In der Erste» Kammer theilte derMinister des Auswärtigen de Beaufort eine gestern hier eingetroffene Depesche des niederländischen Consuls in Shanghai mit, nach der das niederländische Gesandtschaftsgebäude zerstört worden und die Lage im Norden äußerst erust sein soll. * Rkw Vork, 4. Juli. (Telegramm.) Von der hiesigen Presse wird dir entschiedene Sprache des Kaisers Wilhelm bei der vorgestrigen Truppenbesichtigung in Wilhelmshaven günstig beurtheilt. Die „New Port Times" schreibt, dir Red« sei kein« osficielle Darlegung der deutschen Politik, sondern die Aenßerung eineS Redners, der als impulsiv, ritterlich und sympathisch bekannt sei. Das Wort „Rache" würde zweifellos in einer sorgfältigen amtlichen Er- klärung sortgelassen worden sein, doch werde Niemand dem Kaiser weniger zugethan sein, weil er das Wort in einer AbjchiedSrede gebraucht habe. Der Kaiser habe selbst in der höchsten Entrüstung nicht Krieg verkündet und erkläre sich positiv gegen eine Theilung Chinas. DirS sei ein viele Hoffnung gebender Umstand. Auch die Ermahnungen, mit den Anderen gute Kameradschaft zu halten, zeugten von feinstem Takte. Die Mahnung, daß der Kampf für die Civilijation gekämpft werde, sei tief bewegend und anseuernd und werde in der ganzen Welt Widerhall erwecken. Ter Feldzug im Geiste des Kaisers geführt, werde des erklärten Zieles würdig sein. Die „New Port Tribüne" erklärt, unzweifelhaft stimme die Welt dem Racherus des Kaisers zu; doch dürfe die Rache nicht die Ver nunft entthronen, indem China in eine Anarchie verwandelt werde; dies würde eine der Civilisation unwürdige Rach« fein. Die Rache dürfe sich nur gegen die Kaiserin und ihre Leute, gegen die Tartarenherrschaft richten, nicht gegen das chine sische Volk. — „New Kork Herald" verweist auf dir von ihm gemeldete amtliche Erklärung, wonach die Vereinigten Kriegserlebnisse eines französischen Sergeanten. Ueber den Krieg von 1870—71 haben wir außer dem offi- ciellen Werke des großen Generäkstabe» und den zahlreichen Werken, die theils von gelehrten Historikern, theils von sach kundigen Officieren verfaßt sind, noch eine große Anzahl rein volksthümlicher, die sich bestreben, «in« Zusammenfassung der großen Ereignisse jener Zeit mit möglichst Viel amüsantem, unterhaltendem Beiwerk zu bieten. Außerdem aber sind, be sonders im letzten Jahrzehnt, noch mehrfach Bücher über diesen Krieg erschienen, von Leuten, Officieren und einfachen Sol daten, Journalisten und anderen Mitläufern, kurzum von sol chen, die „auch dabei gewesen" sind, und nun gewissermaßen aus der Froschprrspeckivr Dinge erzählen, die sie selbst erlebt haben und die bei der behaglichen Breite und treuen Ausführlichkeit, mit der sie meist dargesteM werden, in vielen Fällen da» Ge- scnnmtbild von dem Kriege, da» di« oben genannten Werk« bieten, oft trefflich erläutern und ergänzen. Solch« Darstellungen, die in die intimsten Verhältnisse de» Krisg»l«ben» einfübren, setzen aber, auch wenn si« von einfachen Leuten geschrieben sind, immer schon «inen ansehnlichen Bildung»grad vorau», und so ist es nur natürlich, daß wir um so weniger derartige Werke finden werden, je weiter wir in der Geschichte zurückgehen, da die all gemeine Bildung de» Volke» ja erst im 19. Jahrhundert jene Höhe erreicht hat, auf die wir jetzt so stolz sind, während früher gerade unter dem Militär eine überwältigend große Zahl von Analphabeten sich befand. Wenden wir unS nun au» der Zeit de» dritten Napoleon in die de» ersten, so können wir von vorn- herein annchmen, unter seinen Soldaten, namentlich denen der letzten Feldzug«, wo Alle» mit mußte, wa» laufen und eine Flinte kragen konnte, meist Leut« ohne jed« eigentlich, Bildung zu fin den. In Folge dessen können wir aber aus jener Zeit auch nur wenige Werke auS der Feder solcher Leute erwarten, die mit dabei waren, vieles erlebt haben, und manches Interessante schildern würden, wenn sie es gekonnt hätten, was uns mit den Einzelheiten jener berühmten Kriegszüge bekannt machen könnte. Haben wir uns sonach längst mit dem Gedanken vertraut machen müssen, in jene Ereignisse nicht in der Weise eingeweiht zu werden, wie in die einer neueren Zeit, so müssen wir es um so freudiger begrüßen, wenn uns jetzt ein Werk bekannt gegeben wird, da» ganz den Chavakter jener oben geschilderten trägt: ein Werk aus der Feder eine» schlichten ManneS, der als Sergeant der französischen Kaisergard« den Földzug in Rußland 1812—13 mitgemacht hat und theils aus seinen Tagebuchaufzeichnungen, thsils au» seiner Erinnerung ein Bild von dem Leben und den Schicksalen der großen Armee entrollt, wie e» thatsächlich ge treuer und anschaulicher nicht zu denken ist*). Und während dieser schlichte Mann fast durchgängig von sich selbst und seiner nächsten Umgebung erzählt, wie es eben seinem Blicke sich bot, gewinnen wir doch au» seiner Schilderung einen lebendigen Ein druck von dem gejammten Zug«, seinen Erlebnissen im Großen wie im Kleinen, von der sieg«»fr»hen Zuversicht an beim Ein rücken in Moskau bi» zum jammervollen Rückzüge über die Bere sina und den letzten Zuckungen der Trümmer jene» stolzen Heere», dem auch so viele Deutsche gezwungen hatten folgen müssen. Schon auf Kem beschwerlichen und langwierigen Zuge nach Moskau hatte die große Armee gar mancherlei erdulden müssen; aber al» sie an sin«m schönen Sommertage («» war am 14. Sep tember), wie vourgogne erzählt, in der Mittagssonne die Kuppeln, Kirchtchüren und vergoldeten Paläste glitzern sah, da waren „alle Leiden, Gefahren, Mühsale und Entbehrungen ver gessen, nur der «im Gedanke beseelt« un»: Endlich am Ziel, «nd- *) 1812—13. Kri«g»«Aebnisse von Franyo!» vour gogne, Sergeant der französischen Kaisergarde. Uebevsetzt von H. v. Natzmer. Mit 16 Vollbildern. Stuttgart. Verlag von Robert Lutz. 1600. Pwi» 6-6. lich in Moskau, wo wir gute Winterquartiere beziehen und Er oberungen in anderer Weise machen werden, denn das ist die Art des französischen Soldaten: aus dem Kampf« zur Liebe, von der Liebe in den Kampf." Die erträumten traulichen Winterquartiere sollten den marschmüden Kriegern in Moskaus Mauern freilich nicht werden; Liebe und andere Kurzweil aber haben sich die leichtlebigen Soldaten während ihres kurzen Auf enthalte- daselbst doch, trotz aller Gefahren, die ihnen durch den schrecklichen Brand, durch einstürzende Häuser und wüthende, heimtückische, entlassene Sträflinge drohten, zu verschaffen ge wußt. Veranstalteten die überMuthigen Kerle, die trotz des ur sprünglichen Verbote» sich bei den Wirrnissen des großen Brandes doch nicht hatten halten lassen, auf Plünderung auszu gehen, und von ihren Beutezügen auch eine Menge zum Theil sehr prächtige Nationalcostüme zusammengebracht hatten, doch sogar eines Nachts einen richtigen FaschingSball, bei dem Alle verkleidet erschienen, ans dem e» nach Bourgogne's ausführlichen Schilderungen sehr derb hergegangen zu sein scheint, wozu zwei costümirte russische Weiber, die sich ihren Evbeutern willig ergeben hatten und bald für die ganze Compagnie „die schmutzige Wäsche waschen mußten", redlich daS Ihre beitrugen. Nicht minder er götzlich mag e» gewesen sein, die nach ihren Streif- und Plünder rügen wieder versammelten Truppen zu sehen; „denn der Platz", sagt Bourgogne, „sah jetzt au», al» ob alle Völker der Erde sich auf ihm versammelt hätten, denn viele unserer Leute hatten sich al» Kalmücken, Chinesen, Tartaren, Perser und Türken au»- staffirt und andere» kostbare» Pelzwerk, und sogar französische Hofbekleidung mit alänzenden Stahkdegen angelegt. Alle aber ließen e» sich wohl sein an den Getränken und Leckerbissen aller Art, die in Menge auf dem Platz« zusammengetragen waren." Aber freilich, die schönen Lage von Moikau, wenn man sie einmal so bezeichnen will, sollten bald vorüber sein, und wa» ihnen folgte, läßt an Grauen und Schrecken viele» Ähnliche weit hinter sich, so daß man den armen Teufeln, die da» aushalten mußten, zum größten Theil aber jammervoll d/bei zu Grunde gingen, den kurzen Freudenrausch in Moskau — so viel Un billiges auch dabei vorgekommen sein mag — wohl gönnen kann. Von den Leiden des Rückzuges in kurzen Worten ein Bild zu geben, ist unmöglich; ihre Schilderung bis in alle Einzelheiten hinein, so weit er sie selbst erlebt hat, ist der Hauptinhalt des Bourgogne'schen Werkes. Der spannendste Roman, die inter essanteste Reiseschilderung kann kaum fesselnder sein, als hier das Buch des schlichten Sergeanten. Ost, wenn er von den Schreck nissen des Winters, der fürchterlichen Kälte, die bis zu 28 Grad stieg, erzählt, bei der die todesmüden Krieger marschiren, cam- piren und die größten Entbehrungen erdulden mußten, wird man lebhaft an Nansen'S Wanderungen in Nacht und Eis erinnert. Zum Theil aber waren diese Tausende von Soldaten, deren Zahl schon eine große Gefahr in sich barg, noch schlimmer daran, als der nordische Reisende; denn sie waren mit nichts auf das vor- beretitet, was ihrer hier wartete. Noth und Hunger machten hier allmählich den Menschen zur Bestie; es wurden Scheußlich keiten begangen, die Grauen erregen, wenn es auch andererseits hier und da nicht an Zügen fehlte, die von kameradschaftlicher Treue zeugten. Welches Gefühl di« wenigen Zurückkehrenden be seelen mußte, als sie endlich da» furchtbare Rußland im Rücken hatten, da» wird Jeder nach den Schilderungen Bourgogne's wohl ermessen können. Er selbst, der diese» Buch geschrieben, und dessen Herz, trotz aller Leiden, die er unter ihm erduldet hat, treu dem Kaiser gehörte, mit dem er auSgezogen war, ist später in seinem Heimathlande Platzmajor erst in Brest, 1832 in Va lencienner geworden, und am 2. April 1867 al» Achtziger ge storben. Das Originalmanuscript seiner Tinnerungen hat man in den neunziger Jahren in der Bibliothek zu Valencienner ent deckt. Ihre Veröffentlichung und ihre treffliche Verdeutschung von H. v. Natzmer müssen al» eine vorzügliche Bereicherung unserer Literatur über den russischen Feldzug Napoleon» dankbar begrüßt werden. vr. Max M«ndh«km.
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview
First Page
Back 10 Pages
Previous Page