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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.07.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-27
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000727029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900072702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900072702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-07
- Tag1900-07-27
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K01S nicht auf sich warten lassen. Bekanntlich bat sich dieser Tage die Bürgerschaft Lübeck» mit der vielbesprochenen Lübecker Polire,Verordnung gegen da» Streikpostenstehen beschäftigt und mit allen gegen eine Stimme den Antrag auf Ausbebung dieser Verordnung abgelehnt. Da nun die Verordnung im Reichstage fast allgemein als gegen daS Reichsgesetz ver stoßend bezeichnet wurde »nd neuerdings auch von dem früheren Colvnialdirector I)r. v. Buchka in der „Deutschen Juristen zeitung" als unhaltbar bezeichnet worben ist, so entsteht die Frage, ob der Reichskanzler gegen das Vorgehen de- SeualS und der Bürgerschaft Lübecks einschreiten, oder ob ein neuer Versuch gemacht werden soll, reichsgesetzlich den Arbeitswilligen einen besseren Schutz zu gewähren. Lübeck wird jedenfalls das Letztere beantragen, und wenn eS einen Entwurf beantragt, der sich von den Fehlern der abgelehnten Vorlage frei hält, so wird er Wohl auch im BundeSrathe wie im Reichstage eine bessere Aufnahme als die „Zuchthaus vorlage" finden. Die Vorgänge in der chilenischen Abgeordneten kammer werden in Buenos Aires, wie man von dort schreibt, mit großer Spannung verfolgt. Wie in einem früberen Bericht erwähnt, hat ein Herr Walker Martinez, vor Kurzem noch chilenischer Gesandter bei der Argentinischen Republik, es seiner Regierung, bezw. dem Präsidenten Erra- zuriz außerordentlich übel genommen, daß derselbe über seinen Kopf weg sich mit Präsident Rcca in der Weise verständigte, daß der hier früher beglaubigte Ver treter Nord-Amerikas zu entscheiden habe, welches Anrecht jedeni der beiden Staaten an der Puna de Atacama zu komme. Wäre der Schiedsspruch günstig für Chile aus gefallen, so würde natürlich eitel Lob und Freude geherrscht haben; da aber Argentinien der weitaus größte Theil deS übrigens ziemlich werthlosen Berglandes zugesprochen wurde, fehlte es nicht au wüthendem Geschrei in Chile, und Herr Walker Martinez trat von seinem Posten zurück. Als er auf der Heimreise die Grenzstation erreichte, glaubte er seinen Gefühlen in unfläthigen Schimpsreden auf Ar gentinien und die Argentinier Ausdruck geben zu sollen, welche Heldenthat ihm säst Prügel eingetragen hätte seitens eines anwesenden argentinischen OsficierS. Ein solcher Mann wurde selbstverständlich bei den letzten Wahlen von den Hetzpatrioten in das Parlament ab geordnet; er benutzt nun das Gerücht über eine angebliche Grenzverletzung seitens einer argentinischen Patrouille, um mit aller Kraft in die KriegStrompete zu stoßen. Die Debatte über diese Frage ist noch nicht zum Abschluß ge bracht, bat aber schon ganz merkwürdige Acußerungen und Anschauungen zu Tage gefördert; denn daß dieser ganze Grenzstreit dem Schiedsspruch der Königin Victoria unter breitet ist, kümmert Herrn Walker Martinez und Genossen augenscheinlich sehr wenig, vielmehr behaupten sie, dies und das gehöre zu Chile und das Volk würde nie und nimmer daraus verzichten. Solche Aeußerungen gaben der Vermuthung Raum, man habe in Chile ungünstige Nachrichten über den wahrscheinlichen Ausfall des Schiedsspruches erhallen; deS Ferneren ist die Annahme erlaubt, die jetzige Hetze verfolge nebenbei — oder vielleicht hauptsächlich — innerparteiliche Ziele. Der chilenische Präsident ist nämlich so schwer er krankt, daß Zweifel darüber aufkommen, ob er sein Amt werde wieder übernehmen können. Ta nun — selbst wenn dies der Fall sein follte — in naher Zeit zur Präsidenten-Nen- wahl zu schreiten ist, die Negierung aber ziemlich offen für eine bestimmte Candidatur, die des Herrn Mont, eintritt, so suchen jderen Gegner die jetzige Negierung und damit viel leicht auch jene Candidatur zu beseitigen. Es darf doch aber nicht unerwähnt bleiben, daß solche Zwischenfälle immer hin von einer gewissen Rückwirkung sein könnten; so hat die hiesige Regierung ihre Absicht kundgegeben, von einem der südlichsten Häsen der argentinischen Meeresküste eine Bahn bis zu dem großen Nahuel-Huapi-See bauen zu lassen. Da rüber nun gleichfalls wüthendeS Protest-Geschrei in Chile mit der Begründung, die Bahn werde chilenisches oder doch strittiges Gebiet berühren. In der Absicht der argen tinischen Negierung dürfte es liegen, den Bau der Bahn einer Gesellschaft zu übergeben, welche zugleich die da durch erschlossenen Ländereien zu colonisiren hätte; aber solche Proteste könnten ernstliche Reflectanten abhalten, was sehr zu bedauern sein würde, weil mit der Bahn ein speciell für nord- und mitteleuropäische Einwanderung sich ganz vor züglich eignendes Gebiet gewonnen werden würde. Denn so öde die patagonische Küste streckenweise ist, so ungemein frucht bar sind die Ländereien des Innern gegen das Gebirge zu. UebrigenS giebt es dort schon ganz nennenswerthe Ansiede lungen, darunter auch solche von Deutschen, und neuerlich hat ein unternehmender Nordamerikaner mit der Ausbeutung der prachtvollen Waldungen am Nahuel-Huapi-See begonnen. Der Krieg in Südafrika. * AuS London wird uns vom 25. Juli geschrieben: Es liegen heute weitere Einzelheiten über die letzten kühnen Operationen des Generals De Wet vor, die selbst in der englischen Beleuchtung bewunderungswürdig erscheinen. — Der Oberst Bullock, der das aus den in Pretoria befreiten englischen Kriegsgefangenen gebildete „combi- nirte Feld-Regiment* commandirt, meldet von Honing- Spruit, daß einige Boereu-Commando» die Eisen- babnlinie in der Nähe von Serfooteiu gekreuzt haben und in der Richtung nach Kerr'S Stone an dem Zusammenflüsse von Baal und Rbenoster weiter marschirt sind, wodurch sie in die unmittelbare südöstliche Nachbarschaft von KruegerSvorp gelangt sein müssen. An letzterem Orte wollten diese CommandoS eine Vereinigung mit einer anderen Abtheilung, wahrscheinlich mit derjenige«, welche zwischen Johannesburg und KrügerSdorp den britischen TranSporl- Eifenbahnzug „auSräuberlen", iu Scene setzen, waS ihneu höchst wahrscheinlich inzwischen bereit- gelungen ist. General Little rapportirt, daß er bis jetzt eine Ver bindung mit General Broadwood'S Brigade noch nicht hat bewerkstellige» können und daß er einige Krankenwagen unter der Genfer Flagge nach Lindley sandte, um Verwundete nach Kroonstad zu schassen. AuS letzterem geht zur Evidenz hervor, daß General Little, der angeblich die ihn in Lindley vor einigen Tagen angreifenden Boeren mit schweren Ver lusten zurückgeworsen haben wollte, diesen Ort trotz seines „glänzenden Sieges" seinen Gegnern räumen mußte. Jeden falls ist Little jetzt in Roodeval an der Eisenbahnlinie nörd lich von Serfvntein, welcher Platz daS Ziel des Generals Broadwood nach dessen eigener Meldung ist. In der Nähe von Bethlehem haben verschiedene kleinere Scharmützel stattgefunden, die sämmtlich für die Engländer unrühmlich verliefen; in einer Entfernung von nur zwei Kilometer von dem genannten Platze, der bekanntlich jetzt in den Händen der Hunter'schen Truppen ist, wurde daS Berkshire-Aeomanry-Bataillon von den Boeren überrascht und mit empfindlichen Verlusten an Todten und Verwundeten (sowie zwei Osficiere und neun Mann gefangen) in die Flucht geschlagen. Die Generale Jan Hamilton, Stevenson und Pole Carew occnpiren jetzt die Linie, die der Eland-Niver östlich von Eerstefabriken bildet; Hamilton hält Doornkraal, nördlich der Eisenbahn, Stevenson ist bei der Station Elaud- River, welche die vierte auf der Strecke östlich von Pretoria ist, und Pole Carew befindet sich unmittelbar südlich von Stevenson in Donkerhoek. General Hutton hält sich weiter süvöstlich von Pole Carew auf und hat mit diesem in dem Gefechte südlich der Eisenbahnlinie cooperirt. — Bei dieser Gelegenheit kamen die Süd-Australier, die bisher eines der wenigen noch nicht besiegten Corps der britischen Armee bildeten, sehr schlecht weg und mußten mit einer schweren Verlustliste an Tobten, Verwundeten und Ge fangenen den Boeren ihren Tribut zahlen und schleunigst das Feld räumen. DieS ereignete sich am letzten Sonntag in der Nähe von Pienaars Post und Eerstefabriken, und ist nur ein weiteres kleines Blatt in dem RuhmeSkranze, den die braven Boeren sich in diesem uiigleichen Kampfe winden. Tie Eng länder haben in diesem Theile deS KriegStheaterS thatsächlich die zwanzigsache Uebermachl auf ihrer Seite. Feldmarschall Lord Roberts annoncirt in seiner letzten Depesche einen allgemeinen Vormarsch der britischen Colonneu und meldet gleichzeitig, daß die von den Boeren unter brochene rückwärtige Eisenbahn- und Telegrapheu-Berbinduog in einer Nackt wieder hergestellt worden ist. ES stand zu erwarten, daß die Unterbrechung keine lange sein würde, da die Boeren natürlich nicht in der Lage sind, irgend welchen Puuct an der Linie andauernd zu behaupten oder die Engländer nachdrücklich an den Wiederherstellungs-Arbeiten zu verhindern. Inzwischen muß Lord Robert- wieder die ärgerliche Mel dung machen, daß die Boeren mit dem in der Nähe von Roodeval in ihre Gewalt gerathenen britischen TranZport- Eisenbahnzug 2 Ofsiciere und 200 Mann von den Noyal- Welsch-Füsilieren gefangen genommen haben. Auf diese Weise haben die „gejagten und immer in die Flucht ge schlagenen" Boeren den Engländern in den letzten Tagen wieder circa ein halbes Tausend Gefangene abgenomme», und es liest sich daneben geradezu kläglich, wenn Roberts berichtet, daß seine Cavallerie auch „einige" Boeren-Gefangene gemacht hat, ohne daß er aber die wahrscheinlich sehr geringe Zahl derselben angiebt. Der Roberts'sche allgemeine Vormarsch fand von der östlich von Pretoria gelegenen Position auS statt, welche die Truppen deS Feldmarschalls seit dem 13. Juni innegehabt hatten. Es war also vielleicht endlich an der Zeit, an ein weiteres Vorrücken zu denken; oder sollte Roberts durch die energischen und ihm zum Theil sehr mysteriösen Bewegungen Botha's und De Wet'S vielleicht genöthigt worden sein, seine Stellungen zu ändern und diesen „allgemeinen Vor marsch" anzutreten? — Unmöglich wäre dies nicht, und die nächsten Tage dürften eS klar stellen, ob die englische Armee wirklich, wie bereits gerüchtweise verlautet, gezwungen werden wird, sich wieder rückwärts zu concentriren und vielleicht das Hauptquartier wieder nach Kroonstad oder gar nach der zu künftigen „Hauptstadt" des ganzen „britischen" Neu-Staates, Bloemfontein, zu verlegen. Feldmarschall Roberts berichtet ferner, daß Generalmajor Baden-Powell am 22. Juli mit nur 450 Mann unter Oberst Airly (auch einer der in Pretoria gefangen gewesenen eng lischen StabSossiciere) ca. 1000 Boeren aus einer sehr stark befestigten Stellung vertrieb und sie mit großen Verlusten nach allen Richtungen in die Flucht trieb. Auf englischer Seite wurden ein Hauptmann, zwei Leutnants und fünf Mann grtövtet, während zwei Officiere und fünfzehn Mann verwundet wurden. General Jan Hamilton erreichte auf seinem Marsche vom Norden her die Stadt Rustfontein bereit- am 22. dS. MtS., und da er hier die Rückzugslinie der Boeren anscheinend schwer bedrohte, so räumten letztere ihre starke Position, die sie in Front von Pole-Carew'» Division und General Stephrnson'S Brigade bi- dahin behauptet hatten. Inzwischen kreuzten die General« Frenck und Broadwood mit der 1. und 4. Cavallerie-Brigade den Wilgr-Fluß und versuchten in öst licher Richtung die anscheinend in der Luft schwebende Flanke der Boeren zu umgehen oder wenigsten- zu fassen. Dies scheint ihnen jedoch nicht gelungen zu sein, denn nach den letzten Depeschen setzt General De Wet seinen Vormarsch in nordöstlicher Richtung unbehindert fort und ist bereit- bis über Vredefort hinaus vorgedrungen. * Eapstadt, 26. Juli. („Neuter'S Bureau".) Die Regierungs vorlage, betreffend die Aburtheilung der Aufrührer durch besondere Gerichtshöfe, ist heute dem Cap-Parlament vorgelegt worden. In der Abstimmung bezüglich des Kriegsrechtes stimmten 45 für und 41 gegen die Regierungsvorlage. Der frühere Premier minister Schreiner, der frühere Attorney-General Salomon und drei andere holländische Mitglieder des Parlaments stimmten mit der Mehrheit. „ Deutsches Reich. U Berlin, 26. Juli. (Aenderungeu der berufs genossenschaftlichen Organisation.) Nachdem die UnfallversicheruugSnovelle Gesetz geworden ist, wird es, wie schon früher erwähnt, eine der ersten Verwaltungsausgaben sein, die durch die Novelle bedingten Aenderuugen der berufsgenossenschaftlichen Organisation vorzubereiteu. Ein zelne neue Gewerbe und verschiedene neue Theile von schon der Versicherungspflicht unterliegenden Berufszweigen sind der letzteren unterstellt worden, und eS wird sich darum bandeln, sie in die schon vorhandenen Organe cinzugliedern oder neue Organe für sie zu schaffen. In einzelnen Arbeitgeberkreisen scheint uun die Vorstellung zu herrschen, als ob diese Arbeit allein Sache der Unternehmer der neuen in die Versicherung-Pflicht einbezogenen Betriebe sei. Das ist ein Jrrthum. Die Lösung der Frage dürfte in ganz gleicher Weise verlaufen, wie in der Mitte der achtziger Jahre bei der Bildung der Mehrzahl der jetzt bestehenden gewerb lichen Berufsgenossenschaften. Die Organisationsvorarbeiten dürften vom Reichsversicherungsamt in die Hand genommen werden, und dieses wird dann allerdings, wie dies auch früher geschehen ist, sich zunächst an die Jnteressenteu- kreise um gutachtliche Acußerungen und um Bekannt gabe der etwa schon bezüglich der Organisation vor handenen Wünsche wenden. Es ist selbstverständlich, daß hierauf möglichst Rücksicht genommen werden wird, indessen wird docv bei der Erwägung der Bildung neuer BerusSgenossenschaften auch mancher andere GesicdtSpunct als der bloße Wunsch der Interessenten, beispielsweise recht stark der Gesicht-punct der Lebensfähigkeit einer in Vorschlag gebrachten neuen Berufsgenossenschaft, zur Berücksichtigung kommen. Wenn daS ReichS-VersicherungSamt die Vorarbeiten erledigt haben wird, werden seine Vorschläge an den BundeSrath gehen, und dieser hat auch nach dem neuen Gesetze die Endentscheidung bei der Abgrenzung und Bildung von BerufSgenossenschaften. Es ist ziemlich sicher, daß bei der Gelegenheit auch die Wünsche sich äußern werden, die von einzelnen, schon jetzt mit anderen in einer Berufs- geuossenschaft vereinigten Gewerben auf Bildung eigener Genossenschaften nach dem Vorgänge dec Fleischerei, die früher in der NahrungSmittel-Zndustrie-Berufsgenossenschaft war, jetzt aber eine eigene bildet, gehegt werden. Es würde gut sein, wenn auch in diesen Beziehungen Entscheidungen gefällt würden, damit dann «auf einen längeren Zeitraum ganz stetige Organisationsverhältnisse in der Unfallversicherung platzgrcifcn. * Berti», 27. Juli. Unter der Ueberschrift „Die Assa- nirung der ländlichen Ortschaften, ein „kleines Mittel" gegen die Noth der Landwirtbschaft" veröffentlicht der Kreisphysikus vr. Drei sing in Mühlhausen i. Th. im neuesten Heft der „Zeitschr. f. Mcdicinalbeamte" einen Aufsatz, worin er die Aufmerksamkeit der Behörde» auf eine that- kräftigere Fürsorge zur Verhütung der alljährlich in den ländlichen Bezirken wiederkehrenven TyphuSepidemien zu lenken sucht. Die Ursache dieser Epidemien, die meist dieselben Dörfer Heim suchen und alljährlich eine große Zahl von Menschen aller Alters klassen der ländlichen Bevölkerung hinwegrafsen, ist, wie Herr vr. Dreising aussührt, stets verseuchtes Trinkwasser, indem ans den landwirthschaftlichen Betrieben iuficirte Abwässer, Jauche rc. in die Kessel der Brunnen oder in den daS Dorf durchströmenden Bach oder Fluß geratben. Täglich ergießen sich auS diesen Be- trieben in den Dörfern wohl sämmtlicher Landkreise Jaucheströme über die Straße, bei starkem Rege» sogar auS der Mehrzahl aller Höfe. Di« Polizelvorschrifte», dl« da» Flleßenlafle» der Abwäss«» auf öffentlichen Wegen verbieten, stehen nur auf dem Papier, und die Gendarmen sind es überdrüssig, derartige Uebertretullgea auzuzeigrn. Der Schulze, au- dessen Gehöft zuweilen ebenso di« Jauche herauSläuft wie bei anderen Uebertretrrn, erklärt, „daß man gegen elementare Einflüsse, wie Regengüsse, nicht ankämpfen solle". Bi» jetzt ist »S, wie vr. Dreising sagt, thatsächlich so, daß nur ein einziger Mensch im Kreise solch« Jaucheflüsse auf der Dors straße sieht, nämlich der KreiSphysiku», während die übrigen Be hörden, auch wen» eS sich um meterbreit« Lachen handelt, dergleichen selbst dann nicht sehen, wen» der Kreisphysikus einen solchen Flecke» nach Ort und Stromrichtung genau bezeichnet. Bemerkenswerth ist vor Allem noch Folgendes, da- Vr. Dreising mittheilt: Im August v. I. erließ der CultuSminister eine kurze Verfügung des Inhalts, daß in Dörfern mit centralen Wasserversorgungen diesen „fortgesetzt" eine eingehende Beachtung durch die Aufsichtsbehörde zu schenken sei. Ferner wurde angeordnrt, daß, „so weit dies nach de» Verhältnissen geboten erscheint", der zuständige Medicinal- beamte eine regelmäßige Besichtigung dieser Einrichtungen vor- nehmen solle. Bei der Uebermittrlung dieser Verfügung an die Kreisphysiker deS Mühlhausener Bezirks war von der dortigen Ne- gierung eingeschaltet worden: „Gelegentlich Ihrer anderweitigen Dienstreisen". „Mit dieser Einschaltung", schreibt vr. Dreising, „war nicht nur die regelmäßige, sondern sogar in manchen Kreisen die erstmalige Besichtigung der centralen Wasserversorgungen all onleuäns Lrneons verwiesen. Anno 1899 habe ich z. B. nur eine einzige Dienstreise in den 34 000 Einwohner zählenden Landkreis im VerwaltungSinteresse unternommen". — Der „ReichSan^iger* veröffentlicht eine vom Reichs kanzler Fürsten Hohenlohe gegengezeichnete kaiserliche Verordnung vom 15.Juli, nach welcher „vorbehaltlich der nachträglichen Zustimmung des Bundes- ratheS" bestimmt wird, daß die Militärstrafgerichts ordnung vom 1. December 1898 für das ostasiatische Expeditionscorps am Tage des Verlassens der ein heimischen Gewässer in Kraft tritt. — Der Reichstagspräsident Graf Ballestrem ist gestern au- Breslau angekommen. — Der neuernannte Colonialdirector vr. Stuebel weilt r. Zt. auf der Heimreise nach Deutschland in New Jork. Von dort wird er sich in einigen Tagen nach Deutschland einschiffen. Man nimmt an, daß er sich erst noch in einer kurzen Pause wieder an das deutsche Klima gewöhnen wird, ehe er sein neues Amt antritt. — Der frühere französische Minister Bourgeois hat hier kurze Zeit geweilt. Dieser Aufenthalt wurde mit schwer wiegenden politischen TagcSfragen in Zusammenhang gebracht. Wie ein Börsenblatt hört, ist diese Annahme unrichtig; Herr Bourgeois hat lediglich auf einer Vergnügungsreise auch der Hauptstadt Berlin einen Besuch abgestattet. — Nach den „B. P. N." wird die Fertigstellung deS die Jahresberichte der preußisch en Gewerbeaufsicht L- beamten für 1899 enthaltenden Werkes sich schon in den nächsten Wochen ermöglichen lassen. — Die Berliner Steinsetzer, die bei ihrem letzten Ausstande durch Vermittelung des Einigungsamtes mit ihren Arbeitgebern eine Tarifvereinbarung eingegangcn sind, haben beschlossen, schon vom 1. Januar 1901 ab die achtstündige Arbeitszeit und 80 Mindeststundenlohn zu fordern. Wegen der Nachtarbeit wurde ferner beschlossen, statt eines Aufschlages von 50 v. H. durchweg einen Stundenlohn von 1 zu verlangen. Bei Nachtarbeiten sollen nicht weniger als sieben Stunden berechnet und bezahlt werden, damit angeblich die häufigen Nachtarbeiten auf das Maß des durchaus Notwendigen beschränkt werden. Hierzu wurde ein Antrag angenommen, wonach im Fall der Durchführung dieses Tarifes in die Aerathung zur Errichtung eines Arbeitsnachweises eingetreten werden soll, der hauptsächlich den Zweck haben soll, für die noch verbleibende Nachtarbeit die Einführung des SchichtenwechsclS zu ermöglichen. Für Sonntagsarbeit soll ein Stundenlobn von 1,30 ver langt werden. Außerdem soll jeder Steinsetzer auf min destens 1 Fahrgeldentschädigung in der Woche Anspruch haben. Dieser Tarif soll nur für zwei Iabre gelten und den Arbeitgebern sofort unterbreitet werden. — Die Neuplätterinnen und Wäscherinnen, d. h. solche, die in Wäschefabriken und großen Nenplätterei- anstalten thätig sind, wollen nunmehr m eine Lohn bewegung eiutreteu. Sie wollen ebenso wie die Colleginncn der Altbranche eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen und Festlegung deS Erreichten vor dem Einigungsamt des Gewerbegerichtes erstreben. Die Leitung der Bewegung nimmt ebenfalls wie bei den Altplälterinnen der „Verein der Arbeiter und Arbeiterinnen der Wäsche- und Cravatten- branche Berlins und der Umgebung" in die Hand. Die Alt plätterinnen haben eine Special-UeberwachungS-Comniission über die Innehaltung der Einigungsbedingungen constituir . — Der hier gestern Nachmittag verstorbene bekannte Schriftsteller und Politiker, Geheimrath im Unterrichts ministerium Wilhelm Wehr en Pfennig hat sich in viel- Wochenlang zerbrach er sich über Las Wunder vergeblich den Kopf, dann mit einem Male wurde ihm die Sache klar, und sein eigener Diener war die Veranlassung, daß er endlich zur Erkenntniß der Wahrheit kam. Eines Tages, als er durch den Hof ging, um sich mit der Büchse in den Wald zu begeben, blieb er bei Johann, der beim Wagenwäschen war, stehen, sah ihm sine Weile zu und fragte beiläufig nach Diesem und Jenem. Eiy Wort gab das andere, und schließlich erzählte ihm der Kutscher, daß der neu angestellte junge Förster Moschinsky sich mit der Tochter des Gastwirths, der schwarzen Monika, verlobt habe. Der Graf konnte nicht um hin, sömem Erstaunen darüber Ausdruck zu geben. „Ja", sagte er, „wie ist Mir denn? Der Moschinsky hat doch immer auf das Mädchen gescholten und gemeint, er könne sie nicht leiden, — wie kommt er denn nun auf die Idee, sie heirctlhen zu wollen?" Johann drehte das blank lackirte Rad, das er gerade abspülte, wie Sinen Kreisel herum, daß es im Sonnenlichte ordentlich funkelte und tanzte, und lächelte dabei pfiffig vor sich hin. „Der Herr Graf werden verzeihen", meinte er, „das mit der Feindschaft zwischen den Beiden stimmt schon, aber es giebt so 'ne vermaledeite Art von Liebe, die fleht zuerst genau wie das Gegentheil aus und ist doch die sHcimmste und hartnäckigste von allen. Der Moschinsky hat zuerst auch geglaubt, die Monika wär' ihm zuwider, und wo er wußte und konnte, hat er sie ge kränkt, aber in ?hre Nähe zog es ihn doch, und wenn er Stunden lang bei ihrem Vater im Schankznmmer saß, so war das nicht wegen des Schnapses undBieres, denn er ist ein nüchterner Mensch, sondern weil die Monika da war und die Gäste bediente. Während sie ab und zu ging, hat er immer ein Auge auf sie gehabt, und schließlich hat sie doch wohl gemerkt, daß er mehr von ihr hält, wie alle die Anderen zusammengenommen, denn nun sind sie Sinig, und nach der Kartoffelernte soll die Hochzeit sein." Der Graf erwiderte nichts, «r nickte nur schweigend, zog den Hut tiefer «ins Gesicht und pfiff den Hunden. Dann verließ er den Hof und schvitt schnell dem Walde zu. Aber seine Füße trugen ihn kaum, sie waren wie Blei, und sobald er sich unbe obachtet Ikoußte, warf er sich ins grüne Moos, stützte den Kopf auf die Hand und starrte wie betäubt vor sich hin. Also das, das war des RäthselS Lösung! Er selbst liebte die fremde, einst von ihm so viel geschmähte Frau, liebte sie, wie er noch nie ein weibliches Wesen geliebt hatte, und was ihn in ihre Nähe zwang, war die Sehnsucht, sie zu sehen, zu hören, zu wissen, wie sie mit dem Anderen stand. Nicht nur die Liebe, auch die Eifersucht hielt ihn bereit» in ihrem qualvollen Bann, und während er noch glaubte, ein freier Mann zu sein, trug er schon Fesseln an Händen und Füßen. Zuerst war er ganz niedergeschmettert, denn di« Wahrheit blendete und verwirrte ihn wie ein allzu grelles Licht, aber er war keine zahme, geduldige Natur, er wollte nicht leiden, nicht bezwungen werden durch dieses neue, übermächtige Gefühl, das bereits sein ganzes Wesen durchdrang und beherrschte. Er bäumte sich dagegen auf wie ein edles Roß, das den ersten Reiter auf seincm Rücken spürt, und versuchte es abzuschüttcln, um j-dcn Preis. Zweiundoierzig Jahre war er all geworden, ohne zu Io sscn, was eine echte, große Leidenschaft sei,'und er wollte auch ferner davon verschont bleiben. Große Affecte und innere Con- flicte waren ganz gut für andere Leute; er wollte Ruhe und Frieden haben, und was sein egoistisches Behagen störte, mußte ausgerottet werden mit Stumpf und Stiel. An eine Erwide rung seiner Neigung war ja doch nicht zu denken, und er wollte weder unglücklich werden, noch sich lächerlich machen, indem er wie Ritter Toggenburg vergeblich seufzte und schmachtete. Nein, Niemand 'sollte und durfte ahnen, wie es ckgentlich um ihn stand, und während er sich äußerlich mit aller Macht beherrschte, wollte er sich auch innerlich von dem Einflüsse der angebetrten Frau be freien. Drei Tage wich er geschickt jedem Zusammensein mA der Baronin aus, dann ließ es sich nicht mehr vermeiden, und er war wieder der Dritte im Bunde, aber er erschien noch schweig samer, noch passiver als zuvor, und seine Untergebenen hatten von seiner schlechten Laune zu leiden. Als Frau Wenslöin der Versuchung, über die Baronin zu sprechen, nicht mehr wider stehen konnte und ziemlich deutlich auf deren bevorstehende Ver lobung mit dem schönen Obersten — für sie das Jedal der Männ lichkeit!— hindeutete, auch die Erwägung daran knüpfte, daß es dann mit der nahen Nachbarschaft wohl ein Ende haben werde, wurde er so heftig und verwies ihr so derb ihren Vorwitz und ihre Schwatzhaftigkeit, daß sie ihn zuerst ganz erschreckt anstarrte, und dann, in Thränen ausbrechend, aus dem Zimmer lief. Auch den Fragen befreundeter Nachbarn, welche bereits eine Verlobung witterten, und die Partie mit dem Obersten sehr passend fanden, begegnete er Mit einer Schärfe und Gereiztheit, welche ganz unmotivivt erschien. Man schob sie auf seine krank hafte Abneigung gegen die ihm aufgedrängte Nachbarin, tröstete ihn lachend mit der Aussicht, daß «r sie nun bald wieder los sein werde und neckte ihn mit der liebevollen Fürsorge seiner Schwägerin, die den Bruder «igens habe kommen lassen, um ihn von der reiizenden Baronin zu befreien. DaS Alles machte ihn innerlich Laib rasend. Er hätte mit Feuer und Schwert dazwischen fahren mögen, aber er mußte lächelnd stille halten und es scheinbar ruhig mit ansehen, wie der Oberst immer dringender in seiner Werbung wurde, und die Baronin scheinbar nichts that, um ihn zurückzuhalten. Sic zeigte kein Entgegenkommen, aber auch keine Abwehr, und Vie Ungewißheit über den Ausgang der Sache erschien ihm so uner träglich, daß er den Tag herbeisehnte, der den Oberst zu seinem Regiment zurückrief. Daß es vorher zur Entscheidung kommen würde, wußte er. — ! Ein glücklicher Zufall bewahrte ihn davor, die Krisis mit zu erleben. — Gin Vetter in Pommern starb, aus Schollen mußte Jemand der Beisetzung beiwohnen, und da Graf Max daran ver hindert war, bat er seinen Bruder, ihn zu vertreten. Dieser reiste auch sofort ab, repräsentirte die Familie bei der Trauer feierlichkeit, besuchte noch andere pommersche Verwandte, und kehrte «rst nach fünf Tagen wieder nach Schollen zurück. Dort war inzwischen das Erwartete geschehen. Der Oberst hatte um die Hand der Baronin angehalten und Gräfin Gabriele seine Werbung Mit liebevollem Eifer und diplomatischer Ge- wandhsit unterstützt, — aber das Resultat war kein befriedigen des gewesen. Nicht ein glückliches Brautpaar fand der Heim kehrende, sondern nur eine erzürnte, beleidigte Schwester, und diese Schwester schien nur auf ihn gewartet zu haben, um ihrem Aerger Luft zu machen. Sie nannte die Baronin eine Thörin, Sine kokette, undankbare Pevson, behauptete, sie habe den Obersten durch ihr ganzes Ver halten in seinen Hoffnungen bestärkt, und rief Graf Egon zum Zeugen auf, daß ihrem Bruder bitteres Unrecht geschehen sei. Seinen Versuch, die Angeschuldigte zu verteidigen, belächelte sie nur, erinnerte ihn an sein früheres, sich leider nun bestätigendes Mißtrauen und wollte von einer Aenderung seiner Anschauungen durchaus nichts wissen. Selbst das Urtheil der Fürstin Palm- Rodenstein erschien ihr nicht mehr so maßgebend wie früher, und voller Entrüstung erzählte sie ihm, was die Baronin ihr zur eigenen Rechtfertigung mitgrithM hatte. Darnach war dieselbe durch den Heirathsantrag überrascht und peinlich berührt worden. Nach ihren üblen Erfahrungen mit den Männern und der geringen Meinung, die sie von ihnen hegte, hatte sie hinter den Huldigungen des galanten Obersten weder ein tieferes Gefühl, noch eine ernste Absicht vermuthet, und sich dem amüsanten und anregenden Verkehr mit ihm um so unbe fangener hingegrben, als sie der Gräfin gegenüber ihre Absicht, frei zu bleiben, immer wieder betont und ihre Ehescheu genügend motivirt hatte. Sie glaubte, nach Allem, was sie erlebt hatte, nicht mehr lieben zu können, denn ihr fehlte die nothwewdige Illusion, und sie besaß nicht den Muth, 'ihr Schicksal zum zweiten Male in die Hand eines Mannes zu legen. Der Oberst, meinte sie, verfüge noch über so viel jugendliche Elasticität, daß er die kleine Niederlage wohl leicht verschmerzen werde, und Alles, was sie wünsche, sei, daß er bald eine Gattin finde, die geeigneter für ihn sei, als eine im Grunde verbitterte, geschiedene Frau. Graf Egon fühlte sich von Allem, was er hörte, seltsam be wegt, aber von allen den widerstreitenden Gefühlen, die ihn bestürmten, behielt doch schließlich Vie Freude Vie Oberhand, und mit leichterem Herzen sah er dem Wiedersehen mit der Ba ronin entgegen. Ehe er abreiste, hatte er in seiner Verzweiflung wohl mitunter gewünscht, sie möge den Obersten erhören, weil er glaubte, da durch mit einem Schlage von einer Neigung geheilt zu werden, Vie er trotz aller guten Vorsätze immer noch vergeblich bekämpfte, aber andererseits gönnte er sie dem Manne nicht, dessen Inneres der glänzenden Außenseite nicht ganz entsprach, und dessen Empfindungen durch ein bewegtes Leben schon zersplittert und abgestumpft waren. . - . Auch die Motivirung ihrer Ablehnung traf ihn weniger hart, als es zuerst den Anschein hatte. Wohl schnitt sic ihm jede Aus sicht auf eine spätere Vereinigung mit ihr ab, und das Todes- urtheil, das sie den Wünschen eines Anderen sprach, traf natur gemäß auch di« seinen, aber auf «in« gemeinsame Zukunft, die doch nur auf einer Erwiderung seiner Neigung beruhen konnte, hatte er überhaupt nicht zu hoffen gewagt, und bei seinen be scheidenen Ansprüchen empfand er eS vorläufig schon als Glück, Vie geliebte Frau nicht ganz verloren zu haben. Die gemeinsam durchlebte Episode hatte sie übrigens einander doch näher gebracht; sie begegnete ihm nun mit größerer Wärme und Herzlichkeit, und der Verkehr zwischen ihnen schlief nicht mehr ein, obgleich die frühere Veranlassung dazu nun gänzlich wegfiel. Er traf sie auch häufiger bei den anderen Nachbarn, und die Be liebtheit, deren er sich allgemein erfreute, gab ihr, im Gegensätze zu dem, was seine Schwägerin von ihm gesagt hatte, wiederholt Gelegenheit, über ihn nachzudenken. Gräfin Gabriele, welche inzwischen ruhiger geworden war, und sich Vie Baronin für alle Fälle sichern wollte, erschien nun Wieder wie die Liebenswürdigkeit selbst. (Fortsetzung folgt.)
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