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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 27.05.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-27
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189905277
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18990527
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18990527
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-05
- Tag1899-05-27
- Monat1899-05
- Jahr1899
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 27.05.1899
- Autor
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.Ihr suchtet die Rose und — sandet dm Dorn?" lachte sie schelmisch. .Wan« fürchtete sich ein Ritter vor MLdchendornen und Laozmspitzm?" gab er al- Gegenfrage zurück. .Doch wo ist die Hau-frau? ... Durch ihre Nürnberger Verwandt schaft hörte ich von ihrer plötzlichen Wittwenschaft!" Caprice verstand instinktiv, daß Mynher tom Hove als Freier kam. Umsonst hatte also Frau Barbara bi- jetzt ihre Wittwenschaft vor dem Jugendgeliebten verborgen gehalten. Da- Mädchen wußte auch, daß eS au- weiblicher Scheu geschehen war: sie wollte seiner leidenschaftlichen, »verstorbenen Liebe keine Nah rung gebe», am wenigsten vor vollständigem Ablauf de- Trauer jahr«-. Vielleicht fürchtete Frau Barbara seinen plötzlichen Eingriff in ihr Schicksal und zog eS vor, die Entwicklung in Geduld zu erwarten. . . . »Sie ist gegangen, um einen Kranz auf da- Grab des tobten Bergherrn niederzvlegen!" erstattete Coprice Bericht. „So weint siHnoch immer um den tobten Gatten?" fragte der Gast übellaunig. .Ich meine auch, daß der Wohlan ständigkeit genug ge schehen ist," gab Caprice aufrichtig zurück. .Er schien mir mehr ein feister Dowpfaffe als ein edler Ritter!" .Wahrlich Ihr scheint mir ein Dom zu sein, Mägdlein! Werdet Ihr mich auch stechen?" »Warum nicht?" .Und wohin?" .Just, wo Ihr die Blöße zeigt!" .So werde ich streben müssen, alle Blößen zu verhüllen!" »Da- dürste Eurer Weisheit wenig schaden? . . . . Aber eS geziemt mir. Euch in- Hau- zu führen. Wenn Ihr fein artig seid, werdrt Ihr auch au- dem Apostelkrug deS verstorbenen Hau-Herrn den ersten Wein Kinken dürfen!" .Wollt Ihr ihn mir kredenzen?" Da- Mädchen sann eine» Augenblick nach. Dann sagte sie entschieden: »Nein, da- ist Recht und Gebrauch der Haus frau. Kommt, Mynher!" ES schien fast, al- ob der Ankömmling da- Wortgeplän- kel gern noch rin Weilchen fortgesetzt hätte, wenigstens erhob er sich nur langsam, um seiner Führerin ins Prunkzimmer zu folgen. Die Magd Ursula brachte eine spinnumzogene Flasche edel» Malvasiers aus dem Keller und Caprice holte den Weinkrug he- Bergherrn herbei, um ihn bis zum Rande voll zu gieße». Dann beugte sie sich auf den abermaligen Wunsch deS Gastes hernieder, um die edle Flüssigkeit vorzu kosten. In diesem Augenblicke trat Frau Barbara rin. Ei» Freudenschrei — so hell und durchdringend wie man ihn der glrichmüthigen Hausfrau kaum zugrkaut, erklang von den rothrn Lippen. Dann breitete sie die Arme weit auS, un willkürlich, saft wider Willen. Ruprecht stürzte ihr zu Füßen. Coprice aber flüchtete eiligst hinaus inS traute Erkerstüb- chen. Dort warf sie sich vor dem Bilde deS Gekreuzigten nieder und weinte laut, halb auS Freude und Glück, da- sie für ihr« Herrin ahnte, halb auS . . . . Nein, sie war nicht eifersüchtig, nur selig, daß sie daS Urbild des Bildes sehen durste, da- in ihrem Herzen lebte. . . . Und wie lieb und zutraulich und schelmisch er sein konnte, just wie sie sich einen Maler gedacht hatte, der zugleich ein Ritter war. AlS sie am Abend ins Wohngemach Kat, fand sie die beiden im Erker fitzend und in vertrautem Gespräch. Mynher tom Have trug die schwarze Kleidung der italienischen Nobili, denn er kam auS Wälschland, wohin ihn seine Kunst geführt hatte, und kehrte soeben über Nürnberg zurück. Die schöne Muhme aber hatte die Witwentraurr abgelegt und erschien i» Hrem blauen, filbrrverbrämten Sammtgewande wie ein leibhaftiger Engel. Auch Vetter Ruprecht schien so zu empfinden, denn er blickte wie in Anbetung zu ihr auf. , Währmd der nächsten Tage ging's lustig und vergnüg lich zu im Hause deS Bergherrn. Mynher tom Have erzählte von seinen Reism, besonders von der Schönheit de- kunstge segneten WälschlandS. Caprice aber sang ihre schönsten Weisen, und der Klang der Wehmuth, der den Gesang durchzitterte, gab ihrem Gesang «inen neuen unbekannten Reiz. . . . Durch die Stadt abrr lies inzwischen die Kunde, daß Frau Barbara einem fremden Maler und Verwandten nach dem fernen Niederland als seine Ehegattin folgen würde, und rief eine begreifliche, aber unerhörte Aufregung hervor. Die einen freuten sich ihres Glückes, bei den meisten aber überwog die Trauer um den Verlust der edeln Frau; am schwersten ge troffen waren die Armen, deren Mangel und Noth durch die gegründete und fürsorglich und umsichtig geleitete Klöppelschule für alle Zeiten begegnet schien. Nun blieb das Werk voraus sichtlich unvollendet. Frau Barbara selbst erschien alles wie ein schöner, aber wunderbarer Traum. Der LiebeSquell in ihrem Frauenherzen, der schon angrfangen hatte, sich in den breiten Strom der Menschenliebe zu ergießen, war plötzlich zurückgedämmt und sollte von nun an heitere Gefilde befruchten. Denn in den Adem deS VetterS schien Feuer anstatt des Blutes zu fließen, trotz seiner fischblütigen, nordischen Abstammung. So konnte die edle Frau Barbara nichts ander-, als zuweilen, trotz oller empfundenen Seligkeit, vor dem eigenen verspäteten LiebeSglück heimlich zu erschrecken. Dennoch that sie mit weiblicher Füg samkeit Alles, um Mynher som Haves Wünschen allezeit Rech nung zu tragen. Nicht ohne jegliches Widerstreben, aber dennoch mit voller frauenhafter LiebeSfreudigkeit willigte sie ein, ihm zur Zeit der Traubenreife als sein angetrautes Ehe gemahl nach seiner femen, niederländischen Heimath zu folgen. 10. Im Giebelhause aus dem Marktplatz hatte der Täschner meister JustuS Baumgärtner seine Werkstatt eingerichtet. Es war ein kleines Eckhaus, das er bewohnte, dessen Vorderseite dem prächtigen Uttmannschen Hause just gegenüber gelegen war. Der Unterstock enthielt einen größer« Hausflur und ein starkes, feuersicheres Gewölbe, das zur Werkstatt eingerich tet worden war. Nach der Straßenseite zu besaß der Raum einen großen Klapptisch, der bei Tage niedergelassen wurde, und auf welchem die zierlichen Täschnerarbeiten des jungen Meisters ausgestellt waren. An der Seite des Krüppels schaffte Renate seit Johanniszeit als tüchtige Hausfrau. Frau Barbara hielt gute Nachbarschaft mit ihrer einstigen Gürtelmagd 'und hatte die junge Frau Renate vor allen andem im Stillen ausersehen, bei ihrem Weggehen die Lei terin der gemeinsamen von den Frauen und Mädchen der Stadt betriebenen Klöppelarbeit zu werden. Doch dabei stieß sie zum erstenmale auf Widerstand. Frau Renate erklärte kurz und rund heraus, daß sie jetzt nur noch für ihren lieben Krüppel sorge und schaffe. Solche entschiedene Absage verursachte Frau Barbara heimliches Kopfzerbrechen. Wer würde an ihrer Stelle der einst die Leitung deS vleloerheißenden, ausblühenden Kunstge- werbeS übernehmen? Die Frau Kursürstin in Dresden hatte ihr fürstliches Wort treulich gehalten und verschiedentlich Auf träge gesandt, auch von mancher andern Seite liefen solche wöchentlich rin. Caprice war viel zu flüchtig zu solch ge setzten Dingen. ... So ging Frau Barbara schon eine Woche lang in heimlicher Bedrückung im Hause umher. Es war ein letzter, lichter, azurfarbener Sonnentag. Der Mai deS Herbstes, der September, hatte angefangen, dem müden Laubgrün den kräftigen Bronce-Ton zu geben, der so prachtvoll absticht gegen daS keuere Tannengrün. Coprice war zum Hinterpförtchen deS HauSgartenS hinauSgeschlüpft, um draußen im sonnendurchleuchtrten Walde Haselnüsse. zu suchen. Auch war das an langer Silberkette herabhängende Sammt-Täschchen schnell mit den kleinen, harten Früchten ge füllt, als sie auS der verbergenden Haselnußstaude hervor tretend Mynher tom Have erkannte, drr sich jedenfalls, gleich ihr, auS der Schwüle deS Hauses hinauSgesehnt hatte. Ver gebens schien er nach einer Genossin auSgeschaut zu haben. »Treffe ich Dich endlich, schnellfüßiges Rehlein?" fragte er herantretend. »Fürchte Dich nicht und komme hervor! Dein JägrrSmann ist waffealo- und in Deiner eigenen Hand!" Caprice erröthete stark und trat näher. »Wem wirst Du angehören, wenn die edle Frau Bar bara mit mir noch Antwerpen ziehen wird, Kleine?" »Die Bergherrin wird mich nach Nürnberg zurücksenden in daS HauS ihres Vaters, des Patriziers und Rathsberrn von Elterlein," berichtete Caprice. Sie hatte dabei zum ersten male das Gefühl, als sei sie ein verwehtes umhertreibendes Blatt. »Armes Kind!" entfuhr es Ruprecht tom Have be dauernd. »Ich möchte Deine holden Züge gern mit Kreide auf Pergament zeichnen, zum Angedenken. Doch nein, - ist unnöthig — sie leben längst in meiner Seele, wie ein kostbarer, wohlgehütekkr Schatz!" Das Mädchen schlug die Augen nieder vor dem trunkenen Blicke, mit dem er sie an schaute. »Zur Winterszeit werde ich Sie auf die Leinwand bannen, just so wie ich Sie im Herzen kage!" AuS CapriceS Brust hob sich plötzlich ein Jauchzer, daß die schlafenden Vögel in ihren Nestern die Köpfchen empor streckten, vermeinend, eS sei ein Frühaufsteher, der mit dem Morgenliede wecke. Dann, in der Furcht sich verrathen zu haben, ward sie wieder stachlich wie eine Schlehdornblüthe. Doch Ruprecht tom Have griff kecklich hinein, ein Scherzwort holte das andere, und war die Neckerei gar anmuthig und vergnüglich anzuhören. So dachte auch Frau Barbara, als an der Abendtafel die Pfeile und Lanzenfpitzen immer noch lustig in der Lust umherwirbelten — bis sie erkannt, daß auch manch scharfge schliffener LiebeSpfeil sich darunter befand. DaS gab der klugen Frau zu denken. Aber in ihre reinen und edeln Gedanken mischte sich diesmal schnell das Gift. DaS thörichte, ver wöhnte Kind dort — streckte es wirklich die Hand auS nach ihrem durch Treue und Entsagung geheiligten Besitz? Falsche, undankbare Schlange, habe ich Dich darum wie ein treues Kind an meinem Herzen verwahrt, damit Du mein Herz mit Deinem Gift tödtlich verwundest? . . . Eist jetzt erkannte sie klar, welch unendlich theuerer Besitz die treu bewahrte Liebe Rup recht tom HaveS war. Und wilde Eifersucht faßte plötzlich die edle Frau, sie, die die Leidenschaft kaum dem Namen nach gekannt hatte. Vergebens suchte sie heute Ruhe auf ihrem Lager, mit Ungestüm kieb es sie wieder empor. An CapriceS Erkerstübchen vorübergehend, vernahm sie zu ihrer Ueberrasch« ung plötzlich von drinnen laute, inbrünstige Gebetsworte, wieder Hilfeschrei einer hartbedrängten, reinen Seele. Noch immer lag das Mädchen im Abendgebete vor dem Bilde deS Ge kreuzigten auf den Knien. »O, nimm sie hin, diese Liebe, unter wecher mein arme-, schwaches Herz erliegt!" flehte Coprice weinend. »Nimm diese Liebe hinweg von mir, mit der ich dem besten Wesen Leid bereite — ihr, die ich liebe, wie Mutter und Schwester zugleich. In seinem Herzen abrr laß di« Flamme erkalten, die ein armer, böser Funke entzündet hat, und mache ihn glücklich wie die Engel sind, mit ihr, die die einzige ist, welche die Liebe dieses herrlichen Manne- verdient!" Frau Barbara stand wie gebarmt, um mdllch «m>M- kürlich mit gefalteten Hände» gletchfaLs katrrnd nkderznfvckm. Die Worte deS Kinde- rüttelten mächtig an ihm« »ckchen Herzen. Endlich kehrte sie in ihr Echlafgemach zmcbck nrck schlief sanft wie immer bi- zmn Morgen. Auch war andern Tag- keine Veränderung an ihr wahr zunehmen, ihr Wesen war ruhig, geschloffen «ck liebevoll w-e allezeit. Nur verhielt sie sich einer gelegattliche» Zärtlichkeit deS Vetter- gegenüber abwehrend, und dgz« beobachtet« sie Caprice unausgesetzt. Sie sieht dieselbe erregt «nd mit wech selnden Hautfarben im Haus« umhergleiten «nd gewahrt da bei dennoch mit Befriedigung, daß da- Mädchen kein einzi ge- ihrer kleinen Geschäfte vergißt. Die Heller und Pfennige für die Almosen-Empfänger sind genau abzezählr, der Götter duft und die Rrsadastöcke de- Erkers» ster- sind begossen, ohne unter der sonstigen Ueberschwemmnng zu leiden, un) di« weiß bunten Hühner brauchen nicht aus ihr Körnerfutter zu warte«. Aber über der reinen, klaren Mädchenstirn lagert eine schwer« Wolke, der sie nicht gebieten kann, und der Blick de- Aageg ist feucht tief und schwimmend geworden, wie bei heimlich ge tragenem Herzeleid. Die folgenden Tage ist - kaum ander-, s.tbst der leichte Bronce-Ton von CapriceS Zügru scheint zu erblassen. Fron Barbara hingegen blüht plötzlich wieder wie eine »oll erblüh Rose, die Brust hebt sich wieder frei, wie rach eine» fiu, selbst abgerrmgenen Entschluß. Der Friede« ihrer reinen Seele scheint zurückzukehreu, die Samarttergänge werde« wie der ausgenommen, und die Freud«, der sie dann« allenthalben begegnet, dünkt ihr der herrlichste Lohn. Selbst da- Klöppel kiffen wird au- seiner Ecke hevorgesucht und zmveileu benutzt. Abend- aber wandelt sie w'e früher nach de« Grabe de- Gatten hinaus. Im Wohnzimmer find die Fenster geöffnet, um dm Herbst-Sonnenschein eindringen zu lasse«. Eaprlee sitzt im Erker und spricht zärtlich zu Fra« Barbara- Hän fling im Drahtkäfig. Da kitt Ruprecht tom Have heim». Aber auch er scheint schweigsam und bedrückt u«d redet nur eifrig mit dem Hänfling, statt mtt ihr. Dabel legt er sei« große, schöne, weiße Hand auf da- Bauer. Da- scheint das Tierlein zu ängstigen, im Nu ist «- zu einer vergrößert« Spalte hinaus, E« entspinnt sich «un eine tolle Jagd um Frau Barbaras Liebling. . . . Und wtrküch gelingt eß dem Vetter, daS Thierchrn zu greifen, ehe r- da» Freie gewinnt, fest hält er es in seiner Hand. Caprice aber beugt sich nieder, um eS zu küssen — in ihrer hohen Erregung küßt sie aber die rosigen Fingerspitzen deS heißgeliebt« MmmeS. «Arme» Thierlein du wolltest davon flattern, und dir dein Nest in dar Zweig« bauen!" haucht sie leise. DaS Alle» ist zu viel für da- gewaltsam zurürhedämpfte Gefühl deS Maler». Eine Sekund« später liegt er ihr z« Füße», während der Hänfling zum Fenster hinän-flattert. »Einzige, ewig Geliebte!" stammet er, .ich vermag Dich um keine Well zu lassen." »Mynher, um Christi willen, steht auf!" ruft Caprice hochbestürzt und stürzt zur Thüre. »Halt, Mädchen!" klingt plötzlich Fra« Barbara» Stimm«, di« vom Todteuhof zurückkehrt. »Ihr aber, Letter, steht arffi Ich weiß Alle- längst auch, daß sie «» ist, Weiche Euch glück lich machen wird. Sie allein! G * Zur Zett der Traubenreife, zu welcher Zett Fra« Bar baras Hochzeit und Ueberfiedlung nach Antwerpen stattstnvar sollte, saß sie nun täglich wieder ganz allein am Erkerfenster de- Wohngemachs, nachdem sie de« Pflichten der varmhew zigkeit und dm Obliegmheitm ihre» kräftig «mpopgewachsaw, Werke», der gegründeten Klöppelschule, genügt hatte. Die
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