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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 10.06.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-10
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189906105
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18990610
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18990610
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-10
- Monat1899-06
- Jahr1899
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 10.06.1899
- Autor
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— 92 - Hastig preßt« er ihre Hand und festen Schritte- verlirß er da» Zimmer, ohne sich nach der erschrockenen Dirne um- znwenden. Draußen sprach er zu der angstvollen alten Frau: »Seht dort hinein und begrüßt Eure Tochter." Und dann schritt er hastig dem Walde zu. * * * Reben einem erlegten Hirsch saß er auf der Bank vor de« Rnttergottrsbilde und starrte daraus hin. Elend fühlte er sich. Fast vergessene Gebete entrangen sich seinem Munde, aber e» var ihm, als ob er sündigte, indem er sie aussprach. Er wischte sich die feucht« Stirn. ES trieb ihn an den Rand der Klipp«, die de» jähen Abgrund überragte. »Heute früh glaubte ich nicht, daß rin Sprung hier herunter mir begehrrnSwerth erscheinen könnte. Jetzt aber ist - bester so. Wozu länger warten? Nur noch einmal geh' ich zur Gnadenmutter. * Hinter de» gespenstigen Wachholderbüschen trat Regina strahlenden Augrs hervor. Und noch weit mehr verklärten sich ihre lieblichen Züge, als sie den knieenden Mann er blickte. Er hatte sie nicht bemnkt. Aber als er sich erhob, sprach sie leise: »Du kannst nimmer schlecht sein, w«nn Du onep. Wie entsetzt fuhr er zurück. Sie sah, wie der starke Manu schwankte. »Bist Du krank?* fragte sie besorgt, und rS schimmer te» Thräurn in ihren Augen. »So fragst Du mich?' »Sollt' ich mich nicht doppelt sorgen um Dich? Jetzt, wo Du die Mutter mir zugeführt, ja, sie gestützt und über die Klippen getragen hast?* Er starrte sie an wie geistesabwesend. »So sprichst Du zu mir?* »Wie sollt' ich denn ander» zu Dir sprechen, Du wun derlicher Man». Dankbar bin ich Dir! Dankbar von ganzem Herzen? Magst Du wild sein, dos ist wohl vieler Männer Art. Magst Du gesündigt haben, wer so beten kann wie Du, bei dem legt die Gnadenmuttrr Fm sprach' rin und entsühnt ihn. Ach! wie angstvoll trat mein Mütterle zu mir, als sie »ich in Deine« Gemach traf. Wie war sie besorgt um mich! Und al» ich Ihr erzählte, wie gut und brav Du gewesen bist, da staunte sie, av wenn's ihr schier unbegreiflich schien. Glaubte ich doch, daß sie ohnmächtig vor Freude würde. Dann aber umarmte sich mich wieder und immer wieder und segnete Dich al» meinen Lebensretter und Schützer.* Der Jäger wendete sich erschüttert ab. »Und daun hat sie mir erzählt, wie gut Du auch zu ihr gewesen bist. Und ich danke Dir so sehr!* Sie trat zu ihm, ganz nahe. »Wenn ich von Dir gehen muß,* — Sie stockte, — »so will ich Abschied von Dir nehmen, wie von einem rechten Freunde. Aber drüben in Deinem Schloß ist die Mutter dabei, und ich kann dann nicht Abschied nehmen, wie ich möchte. Hier ist nur die heilige Jungfrau dabei, und die weiß, daß es keine Sünde ist.* Zögernd trat sie zu ihm und bot ihm die rechte Hand. Da aber schossen ihm die Thränen in die Augen und er sank vor der Bestürzten in die Kniee. Dann erhob er sich und zog das Mädchen mit sich fort. An der Klippe bück er stehen und sprach mit gepreßter Stimme: »Dort hätte ich mich herabgestürzt, wenn Du nicht gekommen wärst.* Und dann erzählt« er der Erschauernden, wie wüst er z« ihrer Mutter war und schonte sich nimmer. »Wenn Du von mir gehst, könnte ich das Leben kaum mehr achten, den«, daß ich's Dir sage, Mädchen, Du hast eS dem wüsten Haniel angethan. Brauchst nicht zu erschrecken,* fuhr er fort, al» Regina hocherröthend zurückfuhr. »Ich weiß, daß eine tugend- same Maid mich nimmer achten kann. Einsam muß ich wei terleben, aber ich versprech' Dir hier am Abgrund und vor der Gnadenjungsrau, daß ich anders, bester werden will. Daß ich die Leute menschlich behandeln und mich nimner wieder an alten Frauen versündigen will, auch wenn sie nicht so gut, so edel, so — so engelhaft find, wie Deine Mutter.* Wie ein Schimmer unendlichen Glücks überzog rS ihr Antlitz. Er sah sie an mit schwerem Ernst. »Mir wird das Leben hier schier schreckhaft sein, wenn Du fort bist.* »So schwer wird'S Dir, wenn ich geh?* »Ja, so schwer! Mir ist's aufgegangen im Herzen, seit dem ich Dich in meinem Zimmer sah und Dich reden hörte. Ich kenn' mich nimmer.* »Möchtest mich noch einen Tag bei Dir behalten?' »Gott segne Dich! Wie gern. Wenn's nachher auch dieselbe Qual ist.* »Unzufriedener! Möchtest mich wohl gar nicht von Dir lasten?* » Sie trat auf ihn zu und sah ihn an, so sonnig, trotz der Thränen in den Augen, daß dem Jäger ganz wundersam wurde. Und er wußte selbst nicht wie es kam, als er sie in seinen starken Armen hielt. Und sie ließ fich'S willig gefallen, als er ihr den eisten Kuß gab, der aber kein AbschiedSkuß war. Auch blleb'S nicht bei dem einen. Die heilige Jung stau aber sah zu und hat keine Sünde dabei gefunden. Der Erbtruchseß war erfreut, alS sein Jäger eine Jägerin aus dem Hohen-Tölz heimführte, denn da oben wollten sie bleiben, obwohl «S dem geläuterten Haniel steigestellt war, seinen ersten Dienst wieder zu übernehmen. Der edle Herr hat sich auf seinen Jagden stets erfreut über daS höfliche und doch echt weibliche Benehmen der jungen Frau, er hat auch bei ihrem ersten Buben als Pathe gestanden. Haniel hegte seine Waldungen fast noch eifriger wie vordem. Aber wenn er auch wenig mit den Leuten in Tölz verkehrte, weil's ihm Abends bei den Seinigen am besten gefiel, so war er doch so menschlich und hilfreich geworden, wie eS Niemand von ihm gedacht hatte. Alten Frauen zumal hat er nimmer Leides grthan, auch wenn sie ihm frühmorgens begegneten. Und merkwüreigerweise hat er 'trotzdem mehr Hirsche und Schweine erlegt wie vordem, als er die alten Weiber ver fluchte. Namentlich aber auch hat Haniel — das könnte vielleicht mancher unserer heutigen Männer beherzigen — vor allen alten Frauen seine Schwiegermutter hoch in Ehren ge halten. Denk- und Linasprüche. Wer And re tadelt laut und grob, Leicht geistreich scheinen tann, Doch Seist zu zeigen bet echtem Lob, L elingt nicht Jedermann. * Schmäht nicht, studirt die Leidenschaft, Sie ist wie and'rer Kräfte Kraft. * Ung ück in der Liebe heißt: den Kopf verlieren, ohne rin Herz zu gewinnen. Gar Mancher liebt Wein, Weib, Lesang, »leibt doch ein Narr sein Leben lang! Druck und vertag von Langer ck Winterlich in Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt in Riesa. ErKhler an der Elbe. Belletr. Gratisbeilage zum „Riesaer Tageblatt". «r. s». »tes«, den »» Juni 18»». W. Der Roseuhof. Eine Erzählung auS den Bergen von Carl Cassau. (Nachdruck verboten.) 1. Es war ein wundervoller Herbsttag. Heiß lag die Sonne auf den Feldern und Weinbergen rings umher; auf den ersteren war längst alles Getreide eingeerntet und halb fette Gänse hielten nun den Nachschmaus daselbst; in den Weinbergen aber ging es lustig her, denn hier war man eben bei der heiteren Ernte; Jodler und laute Juchzer schallten herüber aus die Landstraße, die zwischen den Bergen hin sich ins Feld hinabzog, um bald wieder von Höhen eingeengt zu werden und dann eine weitere Ebene zu gewinnen, in deren Hintergründe links sich hohe Berge, Vorläufer der Alpen, er hoben, während rechts aus ziemlich schroffen Höhen sich Wal dung an Waldung lehnte. Diesen Weg beschritt ein höchstens vierundzwanzig Jahre zählender junger Mann in der blauen kleidsamen Uniform eines Infanteristen. Jetzt nahm er den schweren Tornister ab und ließ sich im Schatten eines Weinberges nieder. Als er die leichte Feldmütze abnahm, um sich den Schweiß von der heißen Stirn zu wischen, da sah man in ein wunderbar schönes Gesicht mit zwei himmelblauen klugen Augen, das hellblonde Haar aber war trotz der soldatischen Kürze kraus und lockig. Jetzt bemerkten ihn die Arbeiter im Weinberg: „Willst 'ne Traub' zur Labung?* »Würde sie nit verachten!" »Da hast eine." Eine muntere Dirne warf ihm dabei eine große, Helle Traube herab, von welcher der Wanderer auch sogleich anfing zu essen. „Gelt, das bekommt?" »Dank schön, mein's auch!" »Woher bist denn?" „Kennst Schwengau?" „Et freilich, hab Verwandle dort." „Dort bin ich zu HauS." „Und woher kommst Du?" „Von Straßburg direkt; bin ous'm Lozareth entlasten.* Er zog sein Vesperbrod heraus, denn eben läutete cs zur Vesper, betete kurz und begann dann tüchtig einzuhauen. Sinnend schaute sein blaues Auge dabei auf die pittoreske Landschaft hinaus und er mußte sich sagen: „Mein Vaterland ist doch schön!" Weit, weit schweiften seine Gedanken zurück, in sei» heimathlichcs Dorf, wo am letzten Ende an den Berg gelehnt, die altersschwache elterliche Hütte stand. Der Vater war ja längst todt: beim Roden hatte ihn ein gewichtiger Stamm erschlagen. Damals nahm sich der reiche Roscnbauer ihrer sehr an, und noch heute taglöhnerte sein Mütterchen dort auf dem Rosenhof. Ach, sein gutes Mütterchen! Ja, und dann zog es ihn noch zu Einer hin! Von Jugend auf hatte er mit ihr gespielt, war mit ihr ausgewachsen, und als sie Beide größer wurden, da hatten sie sich, wie cs sich von selbst ver steht, geliebt, ohne daß sie es wußten. Er war Knecht auf I dem Rosenhof geworden und hatte sich gefreut, wenn sie ihn I freundlich angesehen. Erst im Juni 1870, bei Beginn deS ! deutsch-französischen Krieges, da hatte sie heimlich, ganz helm- ' lich von ihm Abschied genommen, hatte viel geweint, ihn zum > ersten mal geküßt und ihm einen Henkeldukaten an silberner Kette als Andenken um den Hals gehängt. Da war er eS auch mit Schrecken und hoher Wonne zugleich inne geworden, daß er, der arme Kuecht auf dem Rosenhof, er, der arme Tagelöhnerssohn Joseph Ropp, des reichen RosenbauerS Toch- ! ter, Lont Strasser, von ganzem Herzen lieb« und daß nur ' mit seinem Leben diese Liebe aufhören könne. Sie hatten sich dann heimlich Treue geschworen, und manchen Bries von ihr und von ihm hatte die wackere Feldpost an die richtige Adresse befördert. WaS aber noch auS dieser Liebe werden mochte, das wußte nur Gott allein. War Aussicht vorhanden, den reichsten Bauer der Umgebung zu bewegen, sein einziges Töchterchen einem armen Knechte zu geben?" — Aber daS wußte Sepp, — so kürzt man dort zu Land den Namen Joseph ab — daß er nie eine Andere lieben wollte und konnte. Jetzt betrachtete er wehmüthig den Henkeldukaten, der sogar vor Belfort einen Schuß aufgefongen hatte. Und da stand ihm wieder das ganze KriegSbild vor Augen: die Schlachten bei Wörth und Weißenburg, wo die „blauen Teufels* mit dem Kolben drauf gingen, die Belagerung von Metz und die blutigen Schlachten von Gravelotte und MarS la Tour, wie der gewaltige Tag von Sedan, der, unerhört in der Weltgeschichte, den Deutschen ein ganzes Heer mit dem Kaiser an der Spitze in die Gefangenschaft lieferte. Aber die Aut sicht auf Frieden erlosch, als Gambetta den Volkskrieg in Frankreich entzündete; Joseph traf daS Loos, mit dem Wer- der'schen Corps gegen den General Bourbaki zu ziehen, der Süddeutschland mit einer großen Armee bedrohte. Aus den ersten Vorstoß der ungeheuren französischen Masten wich allerdings die kleine Anzahl der Drillichen zurück, um «ine festere Stellung zu gewinnen, freilich nicht ohne blutige Ver luste. Josephs Offizier war damals ein blutjunger Piinz, dem Königshause nahe verwandt, ein humaner, liebenswür diger, tapferer junger Mann, der sich viel mit Srpp, damals schon zum Unterosfizier avancirt, beschäftigte. Beim Rückzug vermißte ihn plötzlich Sepp. Umkehren, trotz der französischen Kugeln und des tiefen Schnees, war bei Joseph des Werk einer Sekunde; richtig, da lag der Prinz verwundet am Wege. Sepp hob den Bewußtlosen aus und schleppte ihn mit sich, hart verfolgt von den französischen Plänklern, bis er die deutschen Schanzen erreichte, in welche eindringend er schwer an der Schulter verwundet ward. Er stürzte mit dem Geret teten nieder, dann schwanden ihm die Sinne. Er fand sich Im Lozareth wieder: da hieß es, Bourbaki sei nach der Schweiz hineingedrängt, Frankreich nledergeworsen; er aber mußte daS Krankenzimmer lange hüten, denn seine Schulterwunde war gefährlich; auf seinem Bette ober lag eines Morgens daS eiserne Kreuz, bei dessen Anblick sich seine Augen mit Thrä nen füllten. Daß aber der inzwischen genesene Prinz ein« Aufforderung in öffentlichen Blättern erlassen, sein Retter möge sich bei ihm melden, entging deshalb Joseph ganz natürlich; auch wußte Niemand von dieser That, da bet der Elle de- Rückzuges Jeder mit sich selbst genug zu thun gehabt.
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