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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.08.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-20
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000820020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900082002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900082002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Mandant Olivier ist in der Nähe von Heilbron wieder aufgetaucht, General Hunter stieß südlich Heilbron auf ihn und zwang ihn zum Rückzug. — Ein Correspondent des „Daily Telegraph" zollt de Wet folgende rückhaltslose Anerkennung: „Immer de Wet! Der Mond gebt aus und die Leuckt- signale verkünden: „Nehmt Euch in Acht! De Wet ist im Walde und kommt nach Newcastle!" Die Sonne geht aus und der Heliograph meldet: „Seid sehr vorsichtig, denn de Wet ist in Bethlehem und mag versuchen, die zwei in Ladysmith zurückgelassenen Bataillone auszuhaltcn." Im Dämmerschein wird mit Flaggen das Signal gegeben. De Wet ist mit sieben CommandoS über den Cnndycleugb-Paß gezogen und rückt gegen General Dartnell nack Dundee vor". Aber Rundle, Hunter und Metbuen jagen ihn. Drei Monate lang bat er den Ersteren in Schach gehalten, 30 000 Mann warten an der Grenze Natals auf ihn. Er ist auf Verbindungslinien „niedergefegt" und hält mit an scheinend 7000 Mann Alles in Alhem. Ei» ganzes Bataillon Ueomanry, ein Regiment Miliz und warme Kleidung für das ganze Heer sind genommen worden. Die Ehren dieses Krieges liegen wirklich nicht einzig auf unserer Seite! Wer wird von de Wet singen? Vor ein oder zwei Tagen hörten wir, daß 800 Gefangene von ihm durch OlivierS Hoek nach Ladysmith gesandt worden waren, ohne Officiere und Gewehre, um über die vom Spion Kop, dem ewigen Zeugen des verzweifelten Ringens am Tugela, beherrschte Ebene zu wandern. Diese 800 Mann sind de Wet's Kriegstrophäen. Ehre dem Ehre gebührt! Und das erste Mal, wo ein englischer Cavalleriefübrer unter den gleichen Verhältnissen, wie de Wet, 1000 Mann (die Hälfte davon Cavallerie) gefangen nimmt, die rückwärtigen Verbindungen stört und einige 80 000 Mann an der Nase herumführt, werde ich von ihm in Ausdrücken der Anerkennung sprechen. De Wet hat, wie ich glaube, höchstens 7000 Mann bei sich. Mit diesen Leuten vertbeidigt er sich gegen die Armee bei den rückwärtigen Verbindungen im Oranje-Freistaat und gegen Rundle, Brabant, Methuen und Hunter, paralisirt daS Heer in Natal bis Stonderton und bat 80 000 englische Soldaten sich gegenüber. Dennoch sind de Wet'S Leute nicht tapferer als die unseren; sie sind nicht organisirt, baben wahr scheinlich keinen Stab, und ich denke, daß die einzigen Trans portmittel, die sie besitzen, unserer Armee abgenommen worden sind. Wie macht er daS? Künftige Beflissene der Kriegs kunst werden zu bedauern haben, daß die Boeren keinen Jomini unter sich haben; denn die Operationen de Wet's und keines Anderen werden das Thema für jeden Cavallerie- Prosefsor auf jeder Militärschule des Auslandes abgeben. Seine Methoden werden studirt, seine Praxis wird befolgt werden. Und wie es ihm auch jetzt, nachdem er fast um zingelt ist, ergehen wird, der Name de Wet wird der Nach welt erhalten bleiben." Das war geschrieben, noch ehe eö de Wet gelungen war, Lord Kitchener zu entschlüpfen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. August. Die Casseler Rcöe Vcs Kaisers wirft ein neues Licht aus die politische Lage. Die Darstellung, die das russische amtliche Blatt von der Geschichte der Ernennung des Grafen Waldersee gegeben, hat in der nationalen deutschen Presse, und gerade in dieser, eine tiefgehende, vielfach bis zur Erbitterung gesteigerte Erregung hervorgerufen, eine Stim mung, von der genauere Kenntniß zu nehmen wir jedoch den Zeitpunct nicht für geeignet dielten. Wir begnügen unö auch beute mit der allgemeinen Versicherung, daß Zeitungen, die für chauvinistisch gelten und die notorisch in Osficier- und Beamtenkreisen stark verbreitet sind, in ihren jüngsten Aus gaben die schärfsten Ausdrücke für die „Aufdrängung" — das Wort wurde gebraucht — des Grafen Waldersee nicht für zu hart erachten. Diese Urtheile sind vor dem Bekanntwerden der letzten Ansprache des Kaisers an den Obercommandirenden für China gefällt und sie werden durch di se Kundgebung in einem wesentlichen Puncte hinfällig. Zwischen der Rede unseres Kaisers und der Erzählung des „Russischen Regierungsboten" besteht ein unausgleichbarer Widerspruch. Das russische Amtsblatt stellt den Hergang so dar, als ob „Kaiser Wilhelm" — ohne Veranlassung von anderer Seite und speciell von Seiten deS Zaren — „sich direct telegraphisch an Kaiser NicolauS, sowie auch an alle interessirten Regierungen" gewandt und den Feldmarschall Grafen v. Waldersee zur Verfügung gestellt hätte, „welchem in der Eigenschaft eines Obercommandirenden die Leitung der Operationen der auf dem Kriegsschauplatz von Petschili con- centrirten Truppen übertragen werden könnte." Der deutsche Kaiser hingegen sagte zu dem Grafen Waldersee: Von hoher Bedeutung ist es, daß die Ernennung zum Aus gang hat die Anregung und den Wunsch Sr. Majestät des Kaisers aller Reußen. Noch ein zweite» Mal ist direct und indirect andeutungs weise von der Anregung Sr. Majestät die Rede. Mit dieser Feststellung au» dem Munde de» deutschen Kaisers ist das Irrthümliche der Behauptung des „R. Negierung S- boten" bestimmt und für alle Zeiten dargethan. DaSBlatt mag sich mit der Tbatsache trösten, daß auch dem „Deutschen NeichSanzeiger", der ungefähr die von dem „RegierungS- boteu" in Rußland eingenommene Stellung bekleidet, in den letzten Jahren wiederholt tbatsäcklicke Unrichtigkeiten unterlaufen sind. Vielleicht erklärt siib der Jrrtbum aus der gestern von unS wicdergegebenen Darstellung deS „Temp S", wonach eine Initiative Kaiser Wilhelm's insofern vorliegen soll, als daS deutsche NeichSoberbaupt zuerst den Grafen v. Waldersee zum Cbef de« deutschen Corps ernannt hat und wonach ferner der Zar, dem internationalen — auch vor Kreta geübten — Branche entsprechend, die Er nennung des deutschen Feldmarschalls als des Rangältesten zum Chef der verbündeten Truppe» in Anregung gebracht hat. Ist diese Vermuthung richtig, so hätte Kaiser Nicolaus aus einem vom deutschen Kaiser in dessen Eigen schaft als obersterKricgsherr und inAuSübung ihm ausschließlich zustehenken Rechtes vollzogenen — den Verbündeten natürlich mitgetheilten — Acte eine Consequenz in Form eines inter nationalen Actes gezogen. Wie dem sei, ein „Osferiren" oder gar eine „Aufdrängung" Waldersee's liegt nicht vor. Dabei bleiben aber leider die sonstigen Bemängelungen des Berliner Verfahrens zu Recht bestehen, und insbesondere Professor Hasse bat von seiner in den „Alldeutschen Blättern" geübten Kritik nicht ein Iota wegzustreichen. Die Veröffentlichung der Ernennung des Feldmarschalls ist in der Tbat voreilig, vor den Zustimmungserklärungen der meisten Regierungen, und sie ist nicht bedingungslos erfolgt. Der letztere Umstand gewinnt jetzt besondere Bedeutung. England und Frankreich haben Bedingungen militärischer Natur an ihre Zustimmung geknüpft und von Rußland sind politische Vorbehalte gemacht worden. Nun war aber Peking genommen, als der Kaiser seine jüngste Rede hielt, und der Monarch nimmt von diesem Ereigniß, da« die militärische Lage verändert, nicht nur mit keinem Worte Notiz, er scheint auch für den Grafen Waldersee diplomatische Auf gaben in Aussicht genommen zu haben, obwohl auch die politische Situation durch den Fall der chinesischen Haupt stadt und die Befreiung eine andere geworden ist, als sie am Tage der Ernennung deS Marschalls gewesen. Der Hinweis auf die Möglichkeit einer unblutigen Lösung läßt sich kaum anders verstehen. Heute wie vorgestern dünkt cS nur Ver messenbeit, daS militärische Pensum für abgearbeitet und demgemäß die Entsendung Waldesee'S für „überflüssig" zu erklären, der General findet vielleicht noch schwere Arbeit vor. Aber einen Militär, dem, wenn auch in gewissen Schranken, der Oberbefehl über fremdländische Militärs übertragen ist, mit einer am gleichen Orte zu er füllenden diplomatischen Eventualmission abgehcn zu lassen, erscheint höchst bedenklich. Kriegerischen Aufgaben gegenüber kann und muß der bestellte Obercommandirende als Man datar Aller, die ihn bestellt, sich bcthätigcn, politisch kann er, wenn er nicht in eine von vornherein bejammernöwcrthe Lage gerathen soll, der Deutsche, nur als Deutscher anftreten, und daS werden die Mächte „von einer Persönlichkeit, der sie ein Uebergewicht ans auverem Gebiete eingeräumt, sich nicht gefallen lassen". Politisch gilt es in China nicht zu diS- poniren, sondern zu verbandeln, von Partei zu Partei. Vor allen Dingen wird der Sache Deutschlands besser gedient sein, wenn cS in China von einem dem politischen Leben angehörigen Diplomaten, der Instructionen von der geordneten Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten erhält, allein vertreten ist und nickt neben ihm und über ihm ein mit völlig unbekannten, vielleicht täglich wechselnden Anweisungen versehener Militär diplomatisck fungirt, der allem Anschein nach vor seinem Abgänge nach China weder mit dem Reichskanzler, noch mit dem Leiter des auswärtigen Amtes conferirt baben wird. Herr Mummv.Schwarzensteinistbekannt- lick längst zum Nachfolger deS Frhrn. v. Kelteler ernannt, er wird nicht ohne Einvernehmen mit seinen Vorgesetzten, die ihrerseits dem Lande verantwortlich sind, handeln. Der Diplomat Waldersee in China wäre aber für den Kanzler und den Staatssekretär eine durchaus unfaßbare inkommen surable Größe, ein Organ, geeignet, den zuständigen deutschen Behörden höchst unliebsame Uederraschungen zu bereiten. Eine dreißigjährige Friedenszeit, eS galt dies von jeher für unvermeidlich, siibrt mancherlei Umwandlungen in einem Heere herbei. Auch die militärische Rhetorik scheint von ihr nothwendigerweise in Bezug auf Reichthum, Umfang und Inhalt beeinflußt zu werden. Die Generäle der großen Zeit Wilhelm's I. waren keineswegs ausnahmslos „Sckwciger", aber ihre Nachfolger haben sich doch schon recht häufig als in diesem Puncte sehr verschieden vor ihnen er wiesen. Auch der Generalfeldmarschall Graf Waldersee bat in der kurzen Spanne Zeit seit seiner Ernennung zum Oberbefehlshaber in China dem nacbclassischen Brauch der rednerischen Abundanz reichlich geopfert und dabei die Welt durch großen Schwung in Erstaunen versetzt. Nie mals mehr al« in seinem Casseler Dank für die Ueber» reichung deS Marschallstabes, in den er die „Versicherung" einflocht: „Go lange der Arm die Kr'dft behalten wlrd, dieseti Stab zu halten, so lange wird ein Befehl zum Rück zug nickt über meine Lippen kommen". Die Erinnerung an da« Wort der Königin im Hamlet: «Mich dünkt, die Dame verspricht zu viel", verbietet sich diesem männlichen Dictum gegenüber schon au» natürlichen Gründen. Aber von Friedrich dem Großen und den unglücklichen Feldzügen des ersten französischen Kaiserreichs abgesehen, selbst der große Corse hatte sein Aspern und Eßlingen. Wollte man dem Casseler Ausspruch einen Sinn unterlegen, so müßte man sagen, Graf Waldersee greife entweder der Vorsehung vor, auf die ihn der Kaiser unmittelbar vorher verwiesen, oder er gedenke, Truppen in militärisch verlorenen Stellungen dennoch zu kalten, bis er gefallen, was keine Feldherrnabsicht wäre. Ergötzlich sind solche Nedefiguren nicht anzuhören, wie auch manches Andere, was der Abreise des Feld- marschallS vorhergegangen, nicht nach unverdorbenem deutschen Geschmack ist. Selbst dem kreuzzugsbegeisterten „Reichsboten" ist Manches zu viel, und er bedauert u. A, daß sich Graf Waldersee den „Anschmeichlungen" nicht energischer ent zogen habe. Es französelt in der Tbat stark und wenn eS so weiter ginge, würde man in Deutschland das Verhalten unserer Nachbarn vor den ersten Schlachten des ZahreS 1870 künftig milder, als bisher zu beurtheilen haben. Die Ende 1900 stattsindende Volkszählung in Oesterreich-Ungar» wird eine nickt unbeträchtliche Ver mehrung der Evangelischen Augsburger und helvetischen Bekenntnisses ergeben, da sckon von 1891—1898 immer mehr Katholiken zur evangelischen Kirche Lbergetreten sind, als Protestanten zum katholischen Bekenntniß und da 1899 und 1900 die Zahl der Uebertritte zur evan-, gelischen Kircke ganz bedeutend zugenommen hat. Auch durch natürliche Vermehrung und durch Einwanderung sind fast alle evangelischen Gemeinden gewachsen. Im Jahre 1890 lebten in Cisleithanien unter 23 895 413 Bewohnern 436 352 Evangelische, und zwar 315 828 Lutheraner und 120 524 Reformirte. Auf die einzelnen Kron länder vertbeilten sich die Evangelischen in folgender Weise: Niederösterreich 50 002, Oberösterreich 17 272, Salzburg 812, Steiermark 10 556, Kärnten 19 721, Krain 349, Triest und Gebiet 1302, Görz und Gradiska 328, Istrien 374, Tirol 2185, Vorarlberg 1216, Böhmen 127 236, Mähren 61 279, Schlesien 84 724, Galizien 43 279, Bukowina 16 344, Dalmatien 373. Ende 1900 werden muthmaßlich in Cisleithanien mehr als 500 000 Evangelische ermittelt werden. Zn den Ländern der unga rischen Krone lebten 1890 im Ganzen 3429 166 Evange lische; von diesen waren 1 204 040 Lutheraner und 2 225 126 Reformirte. Ihre Zahl wird Ende diese» ZahreS auf 3 650 000 gestiegen fern. , Während in Griechenland wegen der schwierigen finan ziellen Verhältnisse eS unmöglich ist, VerwallungSmaßnahmrn durchzuführen, welche für die Ruhe und Sicherheit des Landes notbwendig sind, machen sich in Griechenland benachbarten Be zirken Bestrebungen bemerkbar, welche internationale Schwierig keiten berbeiführen könnten. So wird berichtet, daß von epirotischen Kreisen auf die Angliederung von Epirus an Griechenland hingcarbcitet wird. Es ist kaum anzunehmen, daß diese Bestrebungen irgend eine Unterstützung von der griechischen Negierung erfahren werden, man wird vielmehr glauben dürfen, daß sie lediglich auf private Kreise beschränkt sind. Immerhin ist es merkwürdig, daß in einer so schwierigen Lage, wie die ist, in welcher sich Griechenland gegenwärtig befindet, ibm noch die Betbeiligung an der Lösung inter nationaler Fragen zugemntbet werden kann. Griechenland bat wahrlich im Innern so viel mit sich zu thun, daß es nicht noch mit anderen Fragen belastet werden sollte. Es ist deSbalb auch anzunebmen, daß die ans die Angliederung von Epirus gerichteten Bestrebungen wenig Unterstützung im Lande selbst finden werden. Man wird sich vielmehr in Griechenland in nächster Zeit mit größtem Eifer an die Bewältigung der schwierigen Aufgabe machen, die finanziellen Verhältnisse etwas besser zu gestalten. Sollten hierin Erfolge erzielt werden, so würde auch daS Ausland sicherlich damit sehr zufrieden sein. Deutsches Reich. 6.8. Berlin, 19. August. (Anarchistisches.) Anläßlich des Kaiserbesuchs in Mainz batte sich die Polizei die bei den dor tigen Babnarbeiten beschäftigten italienischen Arbeiter genau angeseben und mehrere derselben aus „allgemeinen politischen Gründen" aus dem Staatsgebiet anögewiesen. Wie wir erfahren, batte die Polizei auch bei den als Anarchisten bekannten deutschen Individuen in Mainz Haussuchungen abgebalten. Der anarchistische Führer in Mainz Ruppert wurde in Polizcigewahrsam genommen; er wurde in demselben Augenblick verhaftet, als er von einer Reise zurückkehrte. In seinem Besitz befand sich rin Gewehr, daS er von Verwandten in Beja erhalten haben wollte. Ruppert ist nach circa 30 Stunden wieder au» der Haft entlassen worden, so daß also wohl die Sache genügend aufgeklärt ist. E» kann nur die vollste Anerkennung finden, daß dir Polizei gründlich sich die anarchistischen Indivi duen angesehen hat; denn daß e» in Mainz eine Anzahl derselben geben muß, geht ja wohl auch daraus hervor, daß in der letzten Quittung über die bei den kiesigen anarchistischen Genossen eingelaufenen Geldsendungen sich folgender Posten „Durch Mainz 6,10 befindet. Zu billigen ist eS ferner, daß die Polizei anarchi stische Versammlungen nicht mehr zu läßt; alle drei Versammlungen in und um Berlin, in denen der Genosse Dempwolf über „Attentate und Anarchie" sprechen wollte, sind verboten worden, und al» Dempwolf in einer gewerkschaftlichen Versammlung in AdlerShof in der DiScussion seine anarchistischen Tiraden vom Stapel lassen wollte, wurde die Versammlung aufgelöst. Als Anarchisten bekannte Individuen sollen unter keinen Umständen in Versammlungen als Redner geduldet werden. E» ist ferner eine unbestreit bare Thatsacke, daß, wie auch die Ausweisungen italie nischer Arbeiter bei Mainz au» Deutschland zeigen, sich unter den italienischen Arbeitern in unserem Vaterlande eine ganze Anzahl anachistischer resp. radical socialistischer Elemente befindet, welche ständige Ueberwachung erfordern. Massenhaft, namentlich in S ü d d e u t s ch l a n d, ist das von der Generalcommission in Hamburg in italienischer Sprache herauSgegebene Hetzblatt „L'operaio Italiano" verbreitet. Der Redakteur desselben, ein gewisser Giovanni Valar, ist bekanntlich jetzt au» Hamburg ausgewiesen worden. ES ist festgestellt, daß sich unter den italienischen Arbeitern (speciell Bauarbeitern) namentlich in Süd deutschland, socialistische Gruppen gebildet baben; socialistische italienische Arbeiter baben vor ihren Landsleuten die aufhetzendsten Reden gehalten und zum Anschluß an die socialdemokratischen Organisationen auf gefordert. Eine Anzahl italienischer Maurer ist dem socialdemokratischcn Maurer-Ccntralverband beigetreten; auch die Tbatsache muß berücksichtigt werden, daß die sonst so sparsamen italienischen Arbeiter sich an hiesigen socialdemo kratischen Sammlungen betheiligt haben; als eS seiner Zeit im socialdemokratischen Laaer hieß, die ausgesperrten dänischen Arbeiter zu unterstützen, da schickten auch italienische in Deutsch land arbeitende Bauhandwerker rc. ihre Beiträge ein; „Operaio Italiano" bat darüber quittirt. Bei so heißblütigen Elementen wie den Italienern dürften sich die Unterschiede zwischen Anarchismus und SocialismuS wohl vollständig verwischen, und wenn sich italienische Arbeiter an staatSgefäbrlicken Bestrebungen betbeiligen, dann haben sie sicherlich das Schicksal Mailänder Carlo Marli Ketti und Romiro Rossi zu erwarten, die eben, wie bemerkt, ausgewiesen wurden. tt Berlin, 19. August. (Zwangsinnungen und Fabrikbetriebe.) Wenn von einigen ZwangSinnungcn in letzter Zeit offenbare Fabrikbetrlebe als Mitglieder reclamirt wordeu sind und wenn der Versuch gemacht worden ist, sie zur Beitragszahlung für die Innungen beranzuziehcn, so darf nicht überleben werden, daß es sich hier um ver einzelte Ausnahmefälle bandelt und daß die Aufsichtsbehörden schon die erforderliche Remedur eintreten lassen. Da das Hand- werkSorganisationSgcsetz vom Jahre 1897 eine Definition deS Be griffes „Handwerksslätte" nicht gegeben bat, auch wohl nicht gut geben konnte, so waren solche' Mißgriffe seitens einzelner Innungen vorauSzuseben. Verwunderlich bleibt eS nur, daß einige Innungen die Heranziehung großer Fabriken zur Mit deckung der Innungökosten offenbar vorgenommen baben, um eine richterliche Endentscheidung herbeizusühren. Eine solcke liegt bereits vom Reichsgericht insofern vor, als dieses alle diejenigen Betriebe, in denen die Arbeitstheilung durch geführt ist, als Fabriken erklärt bat. Wo demgemäß dieses Kriterium zutrifft, würde durch eine nochmalige Verfolgung des Rechtsweges gar keine neue Entscheidung berbeigesührt werden können. ES können vielleicht über mittlere Betriebe Zweifel betreffs des Fabrikcharakters entstehen, die größten, ganz unzweifelhaft als Fabrikbetriebe zu betrachtenden Etablissements aber zur Zahlung von Innungsbeiträgen heranziehen zu wollen, kann gar keinen anderen Erfolg als den haben, daß die betreffenden Innungen sich selbst Kosten und Ungelegenheiten verursachen. * Berlin, 19. August. (Arbeiterbewegung.) Etwa 1200 Sattlergehilfen Berlins waren am Sonnabend Abend im großen Saal deS Gewerkscuastshauses versammelt, um zu dem allgemeinen Ausstand der Militärsattler und Effectenarbeiter Stellung zu nehmen. Nach dem Berichte des Hauptredncs ist der Ausstand allgemein; es sollen sich bisher nur 14 Arbeitswillige gefunden haben. Nur bei einer Firma, die alles bewilligt hat unv auch keine Heimarbeiter beschäftigt, werde gearbeitet. Schließlich wurde ein Beschluß angenommen, wonach sich die Gesammt- heit der Sattler verpflichtete, keinerlei Militärarbeiten zu fertigen und die Ausständigen mit Geldmitteln zu unter stützen. Die Gewerkschaftscommission fordert durch einen Aufruf die gesammte Arbeiterschaft zur Unterstützung auf. In den Provinzen sollen weitere Schritte gethan werden, damit dort keine Berliner Arbeit gefertigt werde. — Die Betonarbeiter, die, wie gemeldet wurde, an den Neu- „Ausflug nach der Bastei, lieber Onkel! Versammlung um 9 Uhr früh am Dampfschiffe an der Brühl'schen Terrasse." „Nun denn, auf Wiedersehen!" „Auf Wiedersehen!" Die Sonne des sechsundzwanzigsten Septembers im Jahre achtzehnhundertundsiebenundneunzig stieg strahlend über den im Herbstschmuck prangenden Baumwipfeln der Brühl'schen Terrasse empor, so strahlend, als ob es keinen Propheten Falb auf dem Erdbälle gäbe. Würdig des großen Tages in den Annalen der Familie Lindner stand sie da, an ihr lag es wahrhaftig nicht, wenn dieser Tag die Erwartungen irgend welcher Familienmitglieder enttäuschte, sie hatte das Ihrige gethan, ihretwegen konnte es losgehen. Und es ging los. Mit dem Glockenschlage der neunten Stunde stand Alles, toas den Namen Lindner führte, versammelt an der Dampf schiffstation unterhalb der Brühl'schen Terrasse. In reizenden Hellen Kleidern lieblich in die Augen schimmernd die Töchter der Familie, und unter diesen Alle überstrahlend namentlich Fräu lein Brünbilde Lindner aus Schöppenstedt, des reichen Leder händlers Tochter. Es wäre eine Unmöglichkeit gewesen, sie zu übersehen, denn sie war erstens sehr hübsch, und zweitens war ihr Kleid sehr lila. Auch glich sie keineswegs den Blumen auf dem Felde, die, ihres Glanzes unbewußt, in ihrer Herrlichkeit da stehen. Brünhilde Lindner wußte genau, daß ganz Schöppen stedt kein ähnliches Gewand aufzuweisen hatte, und was Dresden anbetraf — nun, das war noch immerhin die Frage! Man batte noch eine Viertelstunde Zeit bis zur Abfahrt des Dampfschiffes und bildete plaudernde Gruppen am Ufer. Die Begrüßungsreden schwirrten durcheinander, die Herren hörten einander, die Damen sahen einander. Die beiden verfeindeten Oberhäupter der Linien Lindner- Harzburg und Lindner-Dresden hatten einander begrüßt, und zwar beiderseits mit einer unverkennbaren Zurückhaltung und Steifheit. Alle Rechte Vorbehalten, besagte diese Begrüßung. Um so größere Herzlichkeit und Zärtlichkeit kam in den Begrüßungen der weiblichen Familienmitglieder der genannten Linien zum Ausdruck. Am längsten lagen Hanna und Ilse einander in den Armen, und man konnte zweifeln, ob es ein Lachkrampf oder ein Weinkrampf sei, der Beide erschütterte. „Hanna, hast Du die Schöppenstedtschen gesehen?" flüsterte Ilse am Halse der Freundin. „Tante Bertha mit der ledernen Knippstaschr für ihr Taschentuch! Genau wie damals, als wir noch Kinder waren und Klapse kriegten, weil wir uns darüber mokirt hatten!" Sie trocknete sich die Lachthränen aus den Augen. „Und Onkel Nante mit den Schnupftabakskrümeln auf seiner Bratenwcste und dem Trauringe auf dem Mittelfinger!" gab Hanna, von ähnlichen Gefühlen bewegt, zurück. „Na, was habt Ihr denn wieder ausgcfressen?" erkundigte sich der jüngere von Hanna's Brüdern, Studiosus Willi, „Uebrigens, Ilse, sag 'mal, wo ist denn Tante Jettchen ge blieben?" „Ach Gott, ja — die kommt hoffentlich noch — ihr ist nämlich ein schreckliches Malheur zugestoßen, Tell ist weg! Spurlos weg! Der Schinder hat ihn gefangen! Nun denkt Euch Tante Jettchen!" Willi zuckte ungerührt 'die Achseln. „Das hat sie nun von dem Viehzeug! Und wo steckt der Fatzke, der Gigerl mit dem sonderbaren Namen, den Ihr mit habt?" Ilse schaute um sich. „Ach ja — der? Du, Hanna, der holde James ist nicht da — wie sonderbar!" sprach sie gedehnt. „Beim Frühstück war er noch mit uns zusammen, und dann ging er mit Gisela nach der Post, und nachher habe ich mich nicht weiter um ihn bekümmert, weil mir Papa Weintrauben kaufte, hier, für Dich mit, Hanna", — sic klopfte auf die umfangreiche Düte, die sie im Arme trug — „nachher auf dem Schiffe essen wir sie, die Schalen spucken wir über Bord in die Elbe!" „Aber wo kann denn nur James Ubbelohde geblieben sein?" Die nämliche Frage erörterten «in wenig seitab von der Ge sellschaft Werner und Gisela. „FehltDir was,Giselchen?" hatte Werner in innigem Flüster töne gefragt, während er äußerlich seine gleichziltigst« Höstich- keitsmiene zur Schau trug. „Du siehst ein bischen blaß aus!" „Ach, Werner, der Schrecken, den ich aber auch gehabt habe! Denke nur, er hat sich unterstanden, mir einen Antrag zu machen! Ich wollte zur Post — er bot mir seine Begleitung an — und nun weiß ich nicht, wo er mit seinem Korbe ge blieben ist!" Bei den letzten Worten gewahrte Gisela «inen lila Schimmer vor ihren nisoergeschlagenen Augen, Cousin- Brünhilde war leise heranzetreten. „Wird hier über Körbe verhandelt?" fragte sie schlau blinzelnd. „Körbe?" wiederholte Werner, innerlich wüthend über die Unterbrechung, jtdoch schnell gefaßt, „daß junge Damen doch immer an dergleichen denken! Körke, liebe Brünhilde, Körke! ein Freund von mir sammelt nämlich welche, um sich mit Kork schnitzeln ein Rückenkissen füllen zu lassen. Neueste Erfindung! Wir helfen ihm trinken. Milde Beiträge werden dankbar ent gegengenommen. Möchtest Du Dich nicht betheiligen? Sekt- körke sind besonders erwünscht." Schmollend wandte ihm Brünhilde den Rücken. „So! Die wären wir los!" sprach Werner zufrieden, „nun weiter, Giselchen! Also Du hast ihm einen Korb gegeben?" „Natürlich —aber er hat gesagt, er nähme ihn noch nicht an, ich würde mich besinnen, er hoffe darauf und wolle meine end- giltige Entscheidung abwarten —" „Unverschämter Gesell!" inivschte Werner, und seine Miene weissagte dem standhaften Bewerber nichts Gutes. Da trat seine Schwester Eva zu ihnen. „Tante Jettchen und Herr Ubbelohde sind in Sicht!" ver kündete sie. „Himmel, wie kann ein Mensch sich aber so an- zwhen, wie Euer Geschäftsfreund, Gisela!" In der That bot Herrn Ubbelohde's äußerer Mensch einen be- merkenswerthen Anblick. Er trug einen hellgrauen, großcarrir- ten Anzug. Die Beinkleider waren unten umgeschlagen, so daß man -das rothseidene Futter sah, und in dem Umschläge steckten sein« Handschuhe. Ein Monocle an breitem Bande, das er in geeigneten Augenblicken mit viel Effect nachlässig aus den Augen fallen zu lassen liebte, versuchte vergeblich, ihm ein aristokratisches Asußeve zu geben. Sein hellblondes Haupt zierte ein grauer Cylmder, ein grüner Shlips vervollständigte die Farbensym phonie seiner Erscheinung, und ein ungeschlachter Knüttel, als Spazierstock gedacht, verlieh ihr sozusagen die letzte Weihe. Mißvergnügen und Ratlosigkeit malte sich in befremdlichem Contraste auf dem Gesichte, das diese auserlesene Toilette krönte. Trotz «seiner langen Beine hatte James Ubbelohde Mühe, mit seiner Begleiterin Schritt zu halten, denn Tante Jettchen steuert« wie eine Fregatte mit vollen Segelen im schnellsten Curs auf die versammelte Verwandtschaft los. Ihre Augen waren von Thränen geröthet, und ihre Wangen «vhitzt. Sie achtete kaum der Begrüßungen, mit denen man ihr von allen Seiten «nt- gegenkam. „Tell ist fort, ich kann natürlich die Partie nicht mitmachen. Das Thier ist sonst so klug, so verständig, und da läuft es ohne Maulkorb vor das Hotel — unfaßlich! Nun muß ich selbstver ständlich sofort nach der Polizei —" Schluchzen unterbrach den Bericht. Alle Familienmitglieder 'legten Bestürzung und Theilnahm« an den Tag. Von allen Seiten regnete es wohlgemeint« Rath schläge, die, wie meistens in 'solchen Fällen, durchweg ziemlich un brauchbar waren. Mit einer königlichen Handbewegung wies Tante Jettchen sie sämmtlich zurück. „Ich bleibe!" »sprach sie mit Festigkeit, „und hier, Herr Ubbelohde will die wahrhaft große Güte haben, meine Nachfor schungen Mit seinem männlichen Beistände zu unterstützen." Alle starrten mehr oder minder verblüfft auf den Genannten. Wunderbar! Man zog sich doch nicht derartig an, um nach her das Plaisir im Stiche zu bassen, um mit einer alten Jungfer auf den Hundefang zu gehen. — Ilse ließ vor Staunen den Mund we!it offen stehen und Hanna sah sehr enttäuscht aus. James Ubbelohde beachtete Nichts und Niemand, ausgenom men Eine — Gisela. Tviumphirend schweifte sein Blick zu ihr hinüber, und dieser Blick besagt« in Worte überseht: „Deinetwegen, Du Schnöde! Mögest Du mich vermissen lernen! Man weist nicht ungestraft ein dargebotenes Kleinod von sich!" Der Zufall wollte, daß dieser inhaltsschwere Blick auf seinem Rückwege di« lila Erscheinung Fräulein Brünhildens streifte, stutzte und an ihr haften blieb. Wirklich, er schien sich nicht tren nen zu können. Nun mußten ja selbst die Neider und Feinde der jungen Schönheit unter der Bevölkerung von Schöppenstedt ihr zugestehen, daß sie nicht leicht zu übersehen war. An dem lila Kleide überdies nahm James Ubbelohde keinen Anstoß. Seine farbenfreudige Natur liebte starke Nüancen. War es Einbildung, oder gewahrt« «r in der Mirn« der jungen Dam« den Ausdruck der Enttäuschung darüber, daß er dem Ausfluge sernblcübeg wollte? Schade — fuhr es ihm durch den Sinn — man hätte vielleicht auch noch «in anderes Mittel finden können, um Gisela zu strafen — man hätte einer Anderen vor ihren Augen Cour machen können — das hübsche, imposant: Fräulein in Lila wär« für 'den Zweck nicht ungeeignet gewesen! „Meine Herrschaften, wir müssen Fahrkarten lösen! Also Sie verzichten in der That, Henriette?" Tante Jettchen schaut« aus schwimmenden Augen zu dem Fragenden, Herrn Friedrich Lindner, empor. „Muß ich nicht? Kann ich Tell im Stiche lassen?" (Fortsetzung folgt.) lauten für mit andern worven wa Stundenta 30 von 90 die jedoch Kinderei! bewegung Minimalta forderte ni cntgegenkoi coinmissiov Pi e i st e r c fassung in wird. — ! wöchigem Arbeit wi Gewerbege Einigungö geber eS c EinigungS Arbcitgebe — Die Fl die die Au Organisal in Angris Agitation Leben ger Organis im Innur die verschi Bunde di band stehl ordnuug i Wohl seil - Di zu können falls »ich treten — — Ci gung Dei von «twa Frauen bi schlossen: „Di Ausfüh «ntschie klärt, d welche'! zu siche diese G 'den jed Zu de gewaltige wieder ur lassungen der gepan entgegeng herrsche»! Armen z prophezei Krieges, Regieren! 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