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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.09.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-16
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190009161
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19000916
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19000916
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- unvollständig: S. 7338 - 7346 (7.+8. Beilage) fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-09
- Tag1900-09-16
- Monat1900-09
- Jahr1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.09.1900
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8. MM W 8ÄM LagcM M AliMl Nr. M, 6mtU 18. Septmber 1888. Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege. —o. Trier, 14. September. Die Ueberrestt der alten römischen Bauwerte, die hochberühmte korta nizra, der Kaiserpalast, die Bäder, da» Amphitheater u. s. w., wurden gestern von den Theil- nehmern der Bersammlung gruppenweise unter sachkundiger Füh- rung besichtigt, auch die reiche Sammlung an Funden und Aus grabungen aus der Römerzrit vom Stadtgebiet Trier und ihrer Umgebung wurde unter ausgezeichneter Erläuterung von Prosessor I)r. Hettncr während einiger Stunden einer genaueren Durchsicht unterzogen, indeß die neuzeitlichen und zum Theil neu erbauten Wcinteltereien sich hierauf öfsneten, um einen Einblick zu gewähren über den hier lagernden Vorrath an Mosel- und Saarweinen und Gelegenheit zu geben zu reichlichen Kostproben, welche erst ab gebrochen wurden, als die Zeil des für gestern Abend anberaumten gemeinsamen Festmahls sich näherte. Die heutige dritte und letzte gemeinschastliche Sitzung diente zur Erledigung einiger geschäftlicher Angelegenheiten, darunter der Wahl des Ausschusses zur Leitung des Vereins, welcher zur Zeit neben dem ständigen Sekretär Geh. Sanitätsrath Or. Spieß-Frank furt a. M. aus Geh. Baurath Stiibben-Köln, Or. Spieß-Nürn berg und Oberbürgermeister Schneider-Hamburg besteht. Auf Vorschlag des Geh. Raths Or. Lent wurden durch Zuruf zugewählt Oberbürgermeister Or. Delbrück-Danzig, Mcdicinalrath Reincke- Hamburg und Stadtbaurath Höpfner-Ea'sel. Hierauf gelangte der wichtigste Gegenstand der diesjährigen Versammlung zur Berathung, für welchen in heutiger Sitzung drei Referate in Aussicht genommen worben waren, und zwar be handelten „Die kleinen Wohnungen in Städten, ihre Beschaffung und Verbesserung«, der Vorsitzende Geh. Baurath Stübben vom technischen, Medicinalrath Or. R e i n ck e - Hamburg vom ärztlichen und Oberbürgermeister Or. A d i ck e s - Frankfurt a. M. vom Standpuncke des Vcr- waltungsbeamten. Medicinalrath Or. Reincke legt die bis herigen Bestrebungen des deutschen Vereins für öffentliche Gesund heitspflege, insbesondere über Einrichtung und Beaufsichtigung der kleineren Wohnungen für die ärmere Bevölkerung in den Städten, dar. Ueber den Zuwachs kleiner Wohnungen im Verhältnitz zur Bevölkerungszunahme wird nach den Ergebnissen von Hamburg be richtet und festgestellt, daß dort nach Ergcbniß der Bau- und Steuerbehörden dieses Berhältniß sehr ungünstig ausgefallen ist für die Berichtsjahre 1896 bis 1899. Eine vertheilte Druckvorlage giebt Aufschluß Uber die ähnlichen Verhältnisse in verschiedenen deutschen Städten und läßt erkennen die in WohnungSmangel und hohen Miethpreisen bestehende Noth an kleinen Wohnungen, welche die größten socialen Mißstände herbeiführt. Er weist daraus hin, daß man ebenso wie gegen Krankheiten und Epidemien bei Zetten Vorkehrungen treffen möge, da chronische Schäden hierdurch er zeugt würden. Trotz Wachsthums der Städte mehren sich aller- wärts die kleinen Wohnungen nur sehr wenig, da sich das Privat- capital von ihrer Errichtung zurückzieht und die Erbauung großer Geschäftshäuser, Banken, Gasthöfe, Bahnhöfe u. s. w. dreifach Beseitigung gerade von Wohnhäusern mit kleinen Wohnungen er fordert hat. Die Arbeiter legen leider oft mehr Werth darauf, im Verkehrsgebiet Wohnung zu erhalten und Rücksicht auf die Möglich keit der Beschaffung von Arbeit für ihre Frauen, die Nähe der Schulen u. . w., deshalb wird man oft von Durchführung strenger Bauvorschriften abschen müßen, wie z. B. in Hamburg, wo jetzt sechsstöckige Häuser mit kleinen Wohnungen errichtet werden, trotzdem man zur Sanirung der Stadt minder hohe Gebäude beseitigt hat. Es wird genügen, daß man an die kleinen Wohnungen die Anforderungen betreffs genügenden LichtS und genügender Luft, guter Beseitigung der Fäcalien, ausreichender WasserzufUhrung und Trennung der einzelnen Wohnung stellt. Die beschafften kleinen Wohnungen werden ost nicht von denen be zogen, für welche sie bestimmt find. Viele Arbeiter, noch mehr aber Arbeitsscheue und schlechteste Miether, wechseln lieber oft und wohnen in lichtlosen Räumen; ihnen kann man besser helfen durch Mildthätigkeit, Gründung von Asylen u. s. w., doch muß man für sie Mittel zur Unterbringung, vielleicht in Baracken, bereit halten bei etwaigem Ausbruch von Epidemien. Geh. Baurath Stübben betont, daß Verbesserung der vor handenen Wohnungen zusammengehen müsse mit Beschaffung neuer Wohnungen, und glaubt, daß die wirklich vorhandenen Mißstände noch nicht genügend erörtert und bekannt seien, empfiehlt daher Erörterungen, wie sie für einige Städte Deutschlands und der Schweiz angestellt worden seien. Man hat vielfache Versuche unter nommen, zum Theil mit gutem Erfolg; man hat z. B. schlechte Wohnhäuser aufgekauft (vielfach in England geschehen), Wohnungs vereine mit guten Zielen gebildet, wie in München-Gladbach, wo wirthschaftlich schwache und kinderreiche Familien Unterstützung zur Miethzinszahlung, ja selbst Wohnungsausstattung erhalten. Die private Thätigkert zur Beschaffung von kleinen Wohnungen Wird nur Erfolg haben bei Mitwirkung von Gemeinden an der Verwaltung und durch Geldunterstützung, was in Großbritannien viel mehr geschieht als bei nns. Der bedeutendste Vorgang in dieser Hinsicht ist erst zu verzeichnen aus neuester Zeit, wo in Hamburgs Altstadt 1250 Wohnungen mit 5300 Einwohnern unter Auf wendung von 7 000 000 beseitigt und erneuert wurden. Für die Beschaffung neuer Wohnungen muß die private Bauthätigkeit Hand in Hand gehen mit den Gemeinden und den polizeilichen Maßregeln^ damit das Eintreten ungesunder Speculation vermieden werde. Die Errichtung von Miethscaserncn (über drei Stock und mit mehr als 15 Wohnungen) muß thunlichst gehindert werden. ES hat sich gesunden, daß der Bodenwcrth (die capitalisirte Bodennutzung) nicht abnimmt mit der Zahl der kleinen Wohnungen in den auf dem Areal errichteten Häusern. Im Stadtinneren erhöht aller dings die Miethe der Geschäftsläden den Bodenwerth, und eS wirkt daher immer der Ausnutzungswerth treibend auf den Boden werth. Die polizeilichen Vorschriften können sehr einwirken auf den Bodenwerth, indem sie die Erbauung der Miethscasernen hindern, die weiträumige Bebauung, die Erbauung kleiner Häuser an engeren Straßen mit billigeren Befestigungen begünstigen, doch muß man dann eine Abstufung (Zonenbebauung) im Autze behalten und kann dann manche erleichternde Bestimmung für Beschaffung kleiner Wohnungen treffen. Er empfiehlt daher die in den Leit sätzen nicdergelcgten Bestimmungen und freut sich, daß auch die neuere Bauuntcrnehmerthätigkeit beigetragen hat zur Beschaffung besserer und gesünderer Wohnungen, wenn auch diese nicht als kleinere genügend beschafft wurden. Noch mehr ist die Thätigkeit gemeinnütziger Bauvereine und daS Vorgehen von Arbeitgebern erfreulich zu begrüßen. In der Rheinprovinz bestehen zur Zeit etwa 90 und haben 34 davon Zeichnungen (150 Blatt) zur Verfügung gestellt, welche im Versammlungssaale anfgehängt waren. ES find auch dabei mit vorgesührt einige Beispiele von Bauthätigkeit einzelner Gemeinden und Kreise, welche recht geeignete kleine Woh nungen, zum Theil für eigene Beamte und Arbeiter, dabei be schafft haben. Es sind hierbei Musteranlagen entstanden und «S iss erfreulich, daß bedeutende Geldmittel für diesen Zweck jetzt flüssig gemacht werden. Geh. Baurath Stübben glaubt, daß eS erwünscht sei, immer die Frage der Beschaffung kleiner und billiger Wohnungen anzuregen, daß man aber dabei die Ansorderungen nicht außer Betracht zu lassen habe, welche seit einer Reihe von Jahren der Verein für öffentliche Gesundheitspflege im All gemeinen gestellt habe, für Einrichtung und Beschaffung gesunder Wohnungen. Von dem Standpuncte det VerwaltungSbeamten beleuchtet» die Frage wegen Beschaffung und Verbesserung kleiner Wohnungen in den Städten Herr Oberbürgermeister Or. A d i ck e S - Frank furt a. M. in einer Weise, welche fast allseitig Zustimmung fand. Er trat dafür ein, daß der Verein für öffentliche Gesundheits pflege seine früheren Thesen nicht aufgeben soll», aber sich auch nicht betheiligen dürfe an den Bestrebungen, welche ein Eingreifen der Behörden oder eine Abänderung der Baugesetze verlange in Folge der WohnungSnoth, welche die jetzige industrielle, so hoch gesteigerte Conjunctur im Gefolge habe, ebenso wie wir eS in den Jahren 1872 und 1873 erlebt haben. Die Lösung dieser Frage sei zu einer Geldfrage geworden, da große Geldmittel dafür aus zubringen seien, wa» nur langsam und schrittweise erfolgen könne. Ganz außerordentlich wichtig und erfreulich erscheine eS ihm, daß jetzt die Arbeiter selbst ansangen, an der Lösung der Frage sich zu betheiligen, und die Socialdcmokraten der Auffassung zuftimmen, welch« Friedrich Engel; in seiner 1872 herauSgegebenen Schrift „Zur Wohnungsfrage« niedergelegt hat, in der er die Betheiligung der Arbeiter zur Lösung der Wohnungsfrage anspornt, allerdings abweichend von anderen Politikern die Lösung darin sucht, daß alle vorhandenen Wohnungen enteignet werden müßten, da dann genügend Raum für Alle werde sich beschaffen lassen. Wenn bereits Stübben die Aufstellung von Bauplänen und Herstellung von Straßen anempsohlen hatte, zur rechtzeitigen Erschließung billigen BauarealeS für Erbauung billiger Häuser mit kleinen Wohnungen, so fügt Redner hierzu die Nothwendigkeit der Anwendung von Umlegungen, um Bebauungspläne durchführen zu können, und er läutert den derzeitigen Stand dieser von ihm angeregten, so ost und ausgezeichnet vertretenen Frage im Provinziallandtage, sowie im preußischen Abgeordnetenhaus«. Ausbildung von Verkehrs mitteln und Eingemeindungen werden nicht immer einer ungesunden Steigerung des BodenwertheS entgegenarbeiten. ES erscheint ein Eingreifen der Steuerverwaltung wirksamer und eS würbe die Be steuerung deS unbebauten ArealeS (Bauplatzsteuer) sicher Erfolg versprechen, wenn sie nicht zu niedrig gegriffen, eine Abstufung dabei angewendet und dem Zwischenhandel dadurch möglichst vor gebeugt wird. Man hat in Belgien damit recht beachtenswerthe Resultate erzielt und dort dieselbe bis auf 10 und 12 Procent er höht. Als empfehlenswerth erscheint ferner die Verpachtung zu Bauzwecken aus längere Zeit (80—90 Jahre) nach dem Erbbau recht, besonders für Stadtgemeinden, wenn auch die Abfassung bezüglicher Specialbestimmungen ziemlich schwierig ist. Die Stadtgemeinden sollen vorsichtig sein beim Verkauf ihres Eigenthums an Grund und Boden, damit sie nicht hierbei die Preissteigerung fördern und die Bodenspeculation erleichtern; sic müssen deshalb auch vorsichtig sein beim Ankauf, obschon Redner jederzeit für Vermehrung des Gemeindeareals eingetreten ist, wie dies bedeutende Nationalölonomen, darunter Roscher, schon längst als richtig bezeichnet haben. Es kann aber auch eine rationelle Grund- und Bodenpolitik noch nicht ausreichend erscheinen, viel mehr wird eS noch anderer Maßnahmen bedürfen, und es war von hohem Interesse, war gerade in dieser Beziehung noch in dem Vor trage dargelegt wurde. Es wird empfohlen, daß in gerechter Weise öffentliche und Privatwohlthätigkeit gegen einander aus gewogen und gemeinsam die ungesunde Bauspeculation be kämpft werde. ES mag angezeigt erscheinen, daß Staat und Ge meinden Wohnungen, insbesondere kleinere, Herstellen, aber in Zeiten hoher Conjunctur, wie den jetzigen, wird man besonders vorsichtig sein, da man die durch hohen BodenpreiS, hohe Arbeits löhne und theure Baumaterialien vorsichtig gewordene private Bau- thätigkcit dann nur noch mehr beeinträchtigen wird. Bei hohen Löhnen müssen die im Besitz der Freizügigkeit befindlichen Arbeiter etwas höhere Wohnungsmiethen mit in den Kauf nehmen. Aller dings haben die Gemeinden, welche große Betriebe übernommen haben, Veranlassung zur Beschaffung kleiner Wohnungen für ihre niederen Beamten und Arbeiter (Frankfurt a. M. hat hierfür 1,5 Millionen Mark aufgewendet und gute Erfahrungen damit gemacht), da hiermit mehr erreicht wird, als mit Aufbesserung der Löhne, und diese Vergünstigung mehr persönlich gewährt und ab gestuft werden kann, aber auch eine Subvention des Baues kleiner Wohnungen durch die Gemeinden wird sich in einzelnen Fällen rechtfertigen, nur muß man solche nicht gewähren unter Schädigung der anderen Steuerzahler, insbesondere der städtischen Grund besitzer. Derartige Subventionen müssen auch so beschaffen sein, daß nicht Unklarheiten geschaffen werden, welche den wirthschaft- lichen Vortheil in Frage stellen und leicht Angriffe von social demokratischer Seite oder von Bauunternehmern herbeiführen könnten; auch muß die Subvention thatjächlich den Arbeitern zu Gute kommen, nicht, wie Pies in Mülhausen i. E. seiner Zeit ge schehen, den Arbeitgebern^ und soll nur geringe Höhe erreichen. Eine finanzielle Mitwirkung der Gemeinden setzt voraus, daß man auch Vortheile mit der Bebauung(Weiträumigkeit u. s. w.) erlangt und Wohnungen schafft, welche der Arbeiter wünscht; auch wird man gut thun, mit Wohnungen für den etwas besser gestellten Mittelstand zu beginnen, damit Wohnungen für die Arbeiter frei werden. ES läßt sich vielleicht Gute? erreichen durch Erleichterung der Beleihung von Areal, auch wenn nur in Erbbaupacht gegeben, Gewährung von Baugeldern an 2. Stelle für den Mittelstand, welcher sich ein billiges eigenes Heim mehr wünscht, als der Arbeiter. Alle Kräfte sollen Zusammenwirken zur Stärkung einer gesunden BauunternehmerthumS. Die an diese drei Vorträge sich anknüpfende DiScussion brachte wenig neue Gesichtspunkte und mehr zustimmende Erklärungen als Widersprüche. Bauinspector Olshausen und Oberingenieur Andr. Meyer gaben einige detaillirte Angaben über daS große Hamburger SanirungSproject, Oberbürgermeister Ebeling machte einige Mitthcilungen über die bezüglichen Verhältnisse von Dessau, Professor N u ß b a u m - Hannover empfiehlt Erleichterung von Bauvorschriften lediglich für Bauten mit kleinen Wohnungen, LandeSrath Brandts- Düsseldorf theilt umfassende Erfahrungen au! seiner Thätigkeit im Verein mit gemeinnützigen Bauvereinen der Rheinprovinz mit, während der Delegirte des Centralverbandes Deutscher HauSbesitzer-Vereine, Herr Schlegel-Köln, erklärt, daß die Hausbesitzer und deren Vereinigungen gern Mitwirken bei Lösung dieser Frage, doch dürfe nur dadurch nicht die Gebäude steuer erhöht werden, und verspricht sich auch bei Erhöhung der Umsatzsteuer keine Abminderung der Speculation, sondern nur eine I Hinderung von Arealverkäufen; eS sei erfreulich, betonte er, daß I die Leitsätze den Schwerpunkt auf die Privatbauthätigkeit gelegt haben. Nach kurzen Schlußworten erklärte der Vorsitzende die 25. VercinSvcrsammlung für geschlossen und wurde ihm, nebst den anderen Ausschussmitgliedern, der Dank der Theilnehmer dar gebracht. Nach einer Besichtigung der reichen Schätze im hoch interessanten Dom vereinigte man sich am Abend zu einem Fest, welches die Stadt Trier dargeboten hatte, und schloß damit hier in der schönen Moselstadt eine Reihe genußreicher Tage. Am mor gigen Tage ist ein Ausflug nach Berncastel an der Mosel geplant. Verein selbstständiger Leipziger Kaufleule und Fabrikanten »ur Wahrung berechtigter Interessen. Leipzig, 18. September. Nach einer längeren Sommer pause nahmen die Mitglieder deS Berlins gestern Abend mit ihrer ersten Sitzung im Restaurant Kissing L Helbig die üblichen Monatsversammlungen wieder auf, indem sie sich mit der ein gehenden Berathung über ein Gutachten zur vorgeschlagenen Maaren Haussteuer in Sachsen beschäftigten. Bei dieser Gelegenheit brachte der Vorsitzende, Herr Hugo Seifert, nach Erledigung einer Anzahl geschäftlicher Angelegenheiten, ein vom lönigl. sächs. Ministerium deS Innern an die hiesige Gewerbekammer gerichtete Umfrage, die Begutachtung der geplanten WaarenhauSsteuer betreffend, zur Kenntniß der Erschienenen und verband damit anerkennende Worte für die Gcwerbekammer selbst, welche dem Vereine Ge legenheit gebe, seine Ansichten über diese wichtige Frage zu äußern, während di« Handelskammer den Verein eigenthümlicher Weise immer ganz ignorire. ES habe nun der letztere innerhalb seiner Kreises eine EnquSte in kleinerem Maßstabe veranstaltet, und daraufhin auf etwa 500 Anfragen 150 Antworten er halten. Dabei habe es sich herauSgestellt, daß die Frage der Gruppirung der Branchen «ine schwierige sei, doch lasse sich, wenn man die vierfache Gruppeneintheilung nach dem preu ßischen Gesetz zu Grund« lege, immerhin eine Besteuerung vor nehmen. Im Allgemeinen stehe der Vorstand auf dem Stand punkt, daß eine Umsatzsteuer als Waarenhaulsteuer sich dienlich erweise; sie müsse sich aber höher stellen, als die preußische, deren Maximalgrenze 2 Procent betrage, vielleicht derart, daß bei einem Umsatz von 200 000 die Steuer auf 2 Procent nor- mirt, und nach jedem Betrage von 100 000 um ein Zehntel Procent erhöht werde, wodurch bei einer Million Umsatz 2*/ro Procent Steuer erreicht würde. Bei mehreren Branchen und Lei Geschäften mit Filialen wären ähnliche Nor men zu bestimmen. Auch sei der Gedanke zum Durchbruch ge kommen, daß eine allgemeine Umsatzsteuer überhaupt eine Be rechtigung habe, sofern sie in entsprechender Höhe beginne. So könne «in Umsatz von 1 Million schon 1 Procent Steuer ver tragen. Di« nun folgende ausführliche DiScussion, welche sich an diese Ansichten knüpfte, und an welcher sich die Herren Rechts anwalt vr. Deumer, Po«tzsch, Teichgräber, Ryssel, Littmann, Harbers, Koechlin und Rechtsanwalt Dr. Leo betheiligten, nahm vielfache neue Ge- sichtSpuncte zur Beurtheilung dieser Frage auf, so daß die Ver sammlung sich dahin entschied, von einer sofortigen generellen Entschließung abzusehen und an deren Stelle ein Gutachten treten zu lassen, daS auf Grund der ausgetauschten Meinungen von einer besonders erwählten Commission auszuarbeiten und möglichst schnell der Gewcrbekammer zu unterbreiten sein würde. Nach den Beschlüssen der Versammlung werden diese Com mission die Herren Seifert, Poetzsch, Ringpfeil, Littmann, Teichgräber, John, Ryssel und die Herren Harbers und Hilgenberg als Ersatzmänner bilden. Im Verlaufe der Verhandlungen waren mannigfache Vorschläge zur Durchführung einer WaarenhauSsteuer gemacht, so der Weg einer verstärkten Umsatzsteuer verneint, dagegen die Besteuerung der Capitalassociationen, wie Aktiengesellschaften, Genossen schaften und Consumvereine, befürwortet worden. Die nach preußischem Muster vorzunehmende Einteilung in vier Branchen wurde im Allgemeinen als zutreffende Basis bezeichnet, obwohl auch hier noch der Schutz des Gewerbes als Gruppe der Bäcker, Fleischer u. s. w. fehle. Dann standen sich auch Ansichten über Reingewinnbesteuerung, Bruttoumsatzbesteuerung und Capi- talbesteuerung gegenüber; weiter wurde hervorgehoben, daß bei der Normirung deS steuerpflichtigen Umsatzes auf den Unter schied zwischen mittleren und großen Städten Rücksicht genom men werden müsse. -<— Hlillsbeflherverem zu L.-Plagwih. Lcipzig-Plagtuitz, 14. September. In der am gestrigen Abend im „Gosenschlößchen" Hierselbst abgehaltenen Versamm lung des Plagwitzer Hausbesitzervereins gab der Vorsitzende, Herr Buchdruckereibesitzer Richard Arnold, bekannt, daß ein Schreiben des Verbandes eingegangen ist, welches auf die neue Einrichtung der Einzellisten zur Hausliste auf merksam macht und zu deren ausgiebiger Benutzung auffordert. In der Wassermesserfrage ist ein Preisausschreiben vom Leipziger Verband ergangen; auch anderwärts, wie in Rheinland-Westfalen, ist man dieser Frage näher getreten. Nach langer Prüfung der Verhältnisse wird man dem Rathe der Stadt Leipzig von der a<s Koo eingesetzten Commission bez. dem Verbände Vorschlägen, zunächst in allen Wohnungen von Neu bauten besondere Wassermesser obligatorisch einzu führen. Ueber den Deutschen Centralverbands tag der Hausbesitzervereine in Erfurt berichtete hierauf Herr Kaufmann Förstendorf in sehr eingehender Weise und erwarb sich dadurch den Dank der Versammlung. Sodann beschloß die Versammlung weiter, auf Grund der ermittelten Verkehrsziffern nochmals an den Rath heranzutreten und denselben in einer Eingabe zu bitten, seinen Einfluß bei der königl. preußischen Staatsregierung dahin ausüben zu wollen, daß die Unterführung der Carl - Heine- Lez. Carl st raße unter den Gleisen der Leipzig-Zeitzer Bahn in Plagwitz-Lindenau möglichst bald erweitert werde. Nach einer statistischen Aufnahme haben in den letzten Tagen täglich 3000 bis 3500 Personen und 900 bis 1000 Wagen aller Art den ver- hältnißmäßig sehr schmalen und durch die Abschüssigkeit der Straße doppelt gefährlichen Durchgang passirt, und zwar meist schwer beladene Wagen von Fabriken, des Mörtelwerks, der Sandgruben u. s. w. Dazu kommt, daß diese Straße den einzigen Zugang zu dem Plagwitzer Friedhof bildet. — Zur Beseitigung der zwischen den Hausbesihervereinen und dem Leipziger Mietherverein entstandenen Differenzen, den Mieth- vertrag betreffend, schlägt Herr Förstendorf vor, vom Verbände der Hausbesitzervereine und dem Mietherverein eine Commission einzusetzen, welche sich gemeinschaftlich mit der Aus arbeitung eines neuen, beide Theile zufriedenstellenden Miethvertrages befassen soll. Weiter führte man wiederholt Klage über die gleichlaut en den Straßen namen in Leipzig und den einverleibten Vororten, wodurch für Geschäftsleute oft Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten entstehen. So gebe eS z. B. allein im westlichen Theile von Ge- sammt-Leipzig nicht weniger als 3 Erdmannstraßen, eine in Leipzig, von der Wcststraße abzweigend, die andere in Plagwitz, die dritte in Lindenau. Daß da viel Verwechselungen, aber auch Zeitverluste an der Tagesordnung sind, kann nicht Wunder nehmen. Die Angelegenheit, d. h. Schritte, welche diese Uebel- stände beseitigen sollen, beschließt der Verein weiter im Auge zu behalten. Endlich zog in der allgemeinen Aussprache Herr Förstendorf noch eine interessante Parallele zwischen der Pa riser Ausstellung von 1889 und 1900 bez. zwischen dem Entgegenkommen der Franzosen den Deutschen gegenüber in den beiden Jahren. Dann folgte Schluß der Versammlung. ' Vermischtes. °°-- Der Fremdenbuch-Humor treibt die seltsamsten Blüthen. Wir lesen in der „Augsb. Abendztg.": In dem zwischen dem Zuger und Vierwaldstätter See gelegenen Lowerzer See liegt die von Fremden viel besuchte Insel Schwanau, auf welcher die Zwingburg deS Landvogts Geßler stand, von deren Thurm sich einst die Jungfrau Gemma von Arth in den See stürzte, weil sie den Tod der Schande vorzog. Zu den berühmten Besuchern der Insel gehörten Goethe und König Ludwig II. von Bayern. DaS Fremdenbuch der trefflichen Herberge ist gefüllt mit poetischen Ergüssen, welch« meist die landschaftliche Schönheit der Insel und des SeeS zum Gegenstand haben. Aber auch einigt lustige Einfälle finden sich darin. Zwei Jungfrauen, Klara und Helene, finden eS auf der Schwanau schön ohne Bräutigam, denn sie rufen: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen. Den läßt er durch die Welten reisen, - Doch ohne Bräutigam." Dazu bemerkt indeß ein Berliner Spottvogelr „O, liebe Klara und Helene, Ihr reist bloS, weil Ihr müßt, alletne." Der Mann dürfte nicht so ganz unrecht haben. — Heinrich Buchmann aus Stäffa jubelt: „Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, Der bleibt ein Narr sein Leben lang." Ein geplagter Ehegatte läßt Heinrichen aber eine kleine Abküh lung zu Theil werden, indem er seufzt: „Hättest Du meinen Apfelwein gekannt, Mein Weib auch Dein Eigen genannt. Wär Dir ihr Lied ins Ohr gedrungen. Bei Gott! Du hättest nicht so gesungen!" ---> Sine Statistik der verschollenen Schisse wird in jedem Vierteljahr vom englischen „Lloyd's Register" veröffentlicht, und soeben ist die Ausgabe für das zweite Viertel dieses Jahres erschienen. Vermißt wurden bis zum 30. Juni d. I. insgesammt 92 Schiffe mit einem Raumgehalt von 84036 Tonnen netto oder 132524 Ton. brutto. Davon gehörten 47, also über die Hälfte, der britischen Flotte an. So bedeutend also ist noch immer die Zahl der Fahrzeuge, die in den Fluthen deS Weltmeeres klanglos begraben werden. --» Das Gewicht einer Elephantenhaut ist «kn sehr beträcht liches, davon hat man sich an der Leiche eines neulich im Londoner Krystallpalast verstorbenen RllsseilträgerS überzeugen können. Dieser hatte eine Höhe von 10 Fuß 3 Zoll und wog bei Lebzeiten 80 Centner. Die Haut, die dem verstorbenen Thiere abgezogen wurde, wog allein eine Tonne oder 20 Centner, also genau ein Viertel des Gesammtgewichtes. --- Ter vanmkrcbs auf der Wanderschaft. Die Ver einigten Staaten von Amerika haben uns manchen höchst un angenehmen Vertreter ihrer Thier- und Pflanzenwelt nach Europa hinübergesandt, — man braucht nur an die Colorado käfer und an die San-Jose-Schildlaus zu erinnern —, aber, wie überall, giebt es auch in diesen Beziehungen eine ausgleichende Gerechtigkeit. Die Obstzüchter in den atlantischen Staaten sehen sich jetzt nicht wenig durch die Nachricht beunruhigt, daß sich plötzlich das Vorhandensein des bisher nur in Europa be kannten Baumkrebses an Aepfelbäumen gezeigt hat. Auf welche Weise diese Krankheit den Weg über den Ocean zurückgelegt hat, wird vielleicht nie aufgeklärt werden, sicher ist: sie ist da, und auch die Pilze, deren zerstörender Wirksamkeit sie ihre Entstehung ver dankt, sind bereits mikroskopisch auf amerikanischen Obstbäumen nachgewiesen worden. In unserem Vaterlande ist der Baum krebs leider nur allzusehr bekannt. Man kann kaum einen Obstgarten, kaum rin Wäldchen — denn auch auf Waldbäume erstreckt er in Europa seine heillosen Verwüstungen —durchschreiten, ohne jene dicken Geschwülste hier oder dort an einem Stamme zu bemerken. So allgemein ist die Krankheit verbreitet, daß man einen Zusammenhang zwischen dem Krebs der Bäume und der Menschen hat nachweisen wollen. Diese wahre Geißel der Wäl der und Gärten hat nun also auch in den Vereinigten Staaten ihren Einzug gehalten, und man kann es den Leuten drüben wahrlich nicht verdenken, daß sie diesen europäischen Gast je eher je lieber wieder hinauswerfen möchten. Vorläufig scheint er erst von einem kleinen Gebiete Besitz ergriffen zu haben, aber die Wissenschaft hat seine Ränke noch zu wenig durchschaut, um seine weitere Verbreitung sicher verhindern zu können. --- Mit Tank zurück. Aus Montreal (Canada) wird der „Frkf. Ztg." geschrieben: Vorige Woche kam der der Allan- Linie gehörige Dampfer „Assyrian" in Halifax an. Unter den Passagieren befand sich ein Mann Namens Hannu aus Schwe den, der angab, er sei reichlich mit Geld versehen und wolle nach Winnipeg Weiterreisen, um seine dort wohnende Braut zu hei- rathen. Nun sind unsere Beamten, welche die Einwanderer zu controliren haben, durchaus nicht rigoros, sie lassen im Interesse des Landes durch, was irgend passirbar ist, aber in Hannu'L Fall wurde eine auffallende Ausnahme gemacht: Der Mann wurde angehalten und einer «ingehenden Inspektion über daS Woher und Wohin der Reise unterzogen. Man würde der In telligenz unserer Beamten zu nahe treten, wollte man diesen Ausnahmefall ihrer eigenen Initiative zuschreiben. In Wahr heit hatte unsere Regierung von drüben den Wink bekommen, daß Herr Hannu, der so schnell seine liebe Braut zu ehelichen wünschte, nichts mehr und nichts weniger war, als «in neunfacher Mörder, der, nachdem er von seiner langjährigen Zuchthausstrafe in Schweden zwölf Jahre abgesessen hatte, von der schwedischen Regierung, vielleicht aus Sparsamkeitsrücksichten, unter der Be dingung begnadigt wurde, daß er nach Canada auSwandere und zwar sofort! Das ist nun freilich eine recht angenehme Sache, schwere Verbrecher so bequem loszuwerden, aber trotz unseres Bedarfes an Einwanderern war die kanadische Regierung doch nobel genug, ein solches Prachtexemplar von Bürger abzukhnen und es dem gütigen Spender mit großem Danke wieder zur Verfügung zu stellen. Hannu wurde in demselben Dampfer nach England zurückgebracht, und da dieses Land Wohl auch I kaum passende Verwendung für den Mann haben dürfte, so wird I er sein altes Vaterland voraussichtlich früher Wiedersehen, als er und die schwedische Regierung sich hat träumen lassen. ---- Kücheusorgcn im Hochgebirge. Unsere Hausfrauen, so weit sie selbst die edle Kochkunst ausüben, würden in keine kleine Verlegenheit gerathen, wenn sie ihre Fertigkeit einmal auf einem Berge von 2000 Metern zeigen sollten. Eine Wirth- schafterin, die einen Hausstand in Albuquerque (Neu-Mexiko), das etwa in dieser Höhe liegt, versorgte, hat neulich Klage darüber geführt, daß alle Recepte der besten Kochbücher dort völlig unbe nutzbar werden. Das Wasser kocht nicht bei 100, sondern schon bei 94 Grad, in Folge dessen müssen alle Speisen, deren Gar werden natürlich von der ihnen zugefllhrten Wärme abhängt, länger kochen, als es im Kochbuche angegeben ist. Sehr unange nehm macht sich ferner die ungewöhnliche Trockenheit der Luft in größeren Höhen bemerkbar, denn alle mehligen Nahrungs mittel, wie Korn, Mais, Bohnen, Erbsen u. a., verlieren so viel von ihrer Feuchtigkeit, daß sie vor dem Kochen lange im Wasser liegen müssen, damit sie weich werden. Am schlimmsten aber steht es mit dem Kuchenbacken. Alle üblichen Recepte erweisen sich be treffs der Zahl der Eier und der Menge des Backpulvers als voll ständig verfehlt, und nur eine erfahrene „Hochgebirgsköchin" weiß sie so zu corrigiren, daß ihr ein Kuchen gelingt. Der Grund liegt darin, daß sich die Gase aus dem Teig bei dem geringeren Luft druck weniger schnell entwickeln, und der Kuchen geht daher nicht auf. Eine glückliche Braut, die ins Hochgebirge heirathen will, muß also viel Nachdenken darauf verwenden, wenn sie die von ihr abhängigen Gaumen befriedigen will. Aus dem Geschäftsverkehr. k Näher rücken die Tage, von denen der Mensch sagt, daß sie ihm nicht gefallen. Der alte Bekanntenkreis wird wieder ausgesucht, da die Ausflüge eingestellt werden und traulich sitzt eS sich wieder im geschlossenen Raume. Nicht Jeder hat ein eigene» Heim, nicht Jeder bleibt gern allein daheim, und so Mancher sucht und findet Anschluß an andere Menschen in unserem schönen Panorama- Rrstaurailt, dessen Wirth, Herr Osw. Schlinke, in jeder Beziehung bestrebt ist, den Besuch so angenehm als nur möglich zu gestalten. Immer gut besucht, bietet das Panorama-Restaurant namentlich auch durch dir dort abgrhaltenen Loncerte stet» beste Erholung. Wkr'r Mentküffer Mntr maieri o. k. ?. 85676. DIun ru bsrisksn Vui'vk meins fsdrik I-etprlK-leloävvLu ovsl'äei'ön VspkLufsgesekstte.
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