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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 11.11.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-11
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189911112
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18991111
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18991111
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-11
- Monat1899-11
- Jahr1899
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 11.11.1899
- Autor
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LIS — da,»« im Gaal«. Stellen Sie mich doch der Leßczynska ror." Platoff nickte, geleitete ihn aber nicht zu dem schwarz haarigen Mädchen, das in der Nähe saß, sondern in eine Zensternische, in die sich zwei Damen, in ein Gespräch ver- ieft, zurückgezogen hatten. „Gestatten Sie, Frau Wallis, daß ich Ihnen und der Äräfin Leßczynska den Oberst Wasil Woronzoff vorstelle," ägte Platoff, sich tief vor den Damen verneigend. Woronzoff verneigte sich ebenfalls ehrfurchtsvoll. .Ueberschätzt, wie ich vorausgesehen!" war sein erster Ge- >anke. Als die junge Gräfin aber schüchtern zu ihm auf- ilickte, mußte er gestehen, daß Platoff doch einen guten Ge- chmack habe. „Darf ich um die Ehre bitten, diesen Walzer mit der Äräfin zu tanzen?" wandte er sich an die ältliche Eng- änderin, die er für die Gardedame der jungen Polin hielt. Die beiden Damen wechselten hierauf leise einige Worte niteinander, das junge Mädchen schien nicht gewillt, die Einladung zum Tanze anzunehmen. Woronzoff hörte, wie Zrau Wallis sie zu überreden suchte und ihr zuflüsterte: »Gräfin, Sie können doch nicht den ganzen Abend in die- er versteckten Ecke sitzen! Sie müssen tanzen, und der Oberst ist wahrlich dem abscheulichen Baruschkin vorzu- iiehen." Die Gräfin erhob fick langsam und blickte verstohlen ruf den Oberst, der den Blick auffing und zu seiner lieber- .aschung hinter den dichtbewimperten Lidern ein Paar eelenvolle, veilchenblaue Augen entdeckte. Seine Kamera- >en hatten nicht übertrieben, Gräfin Leßczynska war eine Schönheit, aber noch nie hatte er auf einem Balle ein so rauriges Mädchenantlitz gesehen, wie das ihrige. Auch richt die leiseste Spur eines Lächelns umspielte ihre Lip- len, ihre zarten Wangen waren fast so weiß wie ihr Kleid. Die heitere Musik, der festlich beleuchtete und decorirte -aal, die anregende Gesellschaft schienen ihr mehr Unbe lagen als Vergnügen zu bereiten, und Woronzoff kam sich ?or, wie der Ritter in der Heineschen Ballade, der mit 'inem aus dem Grabe auferstandenen Edelfräulein tanzte. Der Versuch, ein Gespräch anzuknüpfen, scheiterte gänz- ich, seine „Donna Clara" nickte bloß mit dem hübschen, narmorkalten Haupte oder beantwortete seine Fragen kurz nit „Ja" oder „Nein". Trotzdem erbat er sich nach Schluß )es Tanzes die Gunst, mit ihr ein wenig promeniren zu )ürfen, ehe er sie wieder Frau Wallis zuführte. Am ent gegengesetzten Ende des Saales blieb sie Plötzlich wie fest gewurzelt stehen, ohne ihm jedoch ihren Arm zu entziehen. Erstaunt blickte er auf und sah einen ganz jungen Men schen, der sich nachlässig an die Wand lehnte. Die große Aehnlichkeit zwischen seiner Tänzerin und dem Jüngling ließ Woronzoff vermüthen, daß es ihr Bruder Ladislaus sei, von dem er bereits so Vieles gehört. Er beobachtete die Begegnung der beiden mit ruhigem Interesse. „Weshalb tanzest Du nicht, Ladislaus," fragte sie ängstlich. „Man wird es bemerken." „Ich warte auf Helene!" „Helene walzte eben mit Hauptmann Wohl." „Das brauchst Du mir gar nicht erst zu sagen, Ma- ruschka, ich habe es gesehen. Aber sie hatte mir den Tanz versprochen." „Du weißt, sie kann nichts dafür. Ich beschwöre Dich, sei vorsichtig, Ladislaus! Er beobachtet Dich, ich habe es gesehen. Du mußt tanzen. Fordere sofort Fräulein Litu- raska oder eine der beiden Kossakowkas zum Tanze auf, er bemerkt alles!" „Ich warte auf Helene," entgegnete der Jüngling mürrisch. Marie stieß einen verzweifelten Seufzer aus und wollte weitergehen, aber Woronzoff hielt sie noch einen Moment zurück und fragte: „Das ist Ihr Herr Bruder, nicht wahr? Wollen Sie mich nicht vorstellen?" Sie murmelte einige unverständliche Worte und der Oberst verneigte sich tief vor dem jungen Polen. Dieser er widerte die Verneigung und beantwortete alle Fragen sehr freundlich, ja, der Russe gewann ihm sogar ein Lächeln ab und auch auf den Lippen der Gräfin spielte plötzlich der Schatten eines Lächelns, das aber ebenso plötzlich wieder verschwand. Ihre Hand, die noch auf seinem Arm ruhte, zitterte merklich, und er fühlte, wie sie sich gleich einem schüchternen Vögelchen fester an ihn schmiegte. Vor ihnen standi wie aus dem Boden gezaubert, ein untersetzter Herr in mittleren Jahren mit großer Glatze, gewichstem Schnurrbart und einem Orden im Knopfloch. „Der nächste Tanz ist Quadrille," begann.er, „darf ich um die Ehre bitten, mit Ihnen zu tanzen, Gräfin?" Er reichte ihr plump seinen Arm. Marie blickte finster vor sich hin, nickte aber stumm. Woronzoff, der aus ihrem Benehmen rasch seine Folge rungen gezogen und in dem Herrn den Polizeichef des Büd- nitzer Bezirks erkannt hatte, hielt ihren Arm fest und sagte: „Sie weisen mich also ab, trotzdem Sie mir schon früher den Contretanz zugesagt? Ich lasse mir das aber nicht gefallen, so sehr ich bedaure, daß Sie mit einem Korb abziehen müssen, Baruschkin! Darf ich Sie bitten, Graf Leßczynski, unser Gegenüber zu sein? Er fürchtete zwar, daß Marie ihn desavouiren werde, aber sie that es nicht, sondern legte die Hand, die sie ihm bereits entzogen hatte, wieder auf seinen Arm und stellte sich mit ihm zur Quadrille an. Ladislaus kam zu spät, und Baruschkin war mit der schwarzhaarigen Schönheit ihr Gegenüber. Unter den wachsamen Augen des Polizeichefs schien Marie aufzuthauen, denn sie beantwortete jetzt Wo- ronzoffs Fragen lebhafter und belächelte seine Bemer kungen; sie erzählte ihm sogar, daß sie in dem einige Meilen von Büdnitz entfernten alten Schloß Ziedlin wohne und daß Frau Wallis, eine Cousine ihrer verstorbenen Mutter, als Gesellschafterin bei ihr lebe. „Ein Ball wie der heutige muß ihnen eine angenehme Abwechslung in Ihrer Einsamkeit bieten," bemerkte Wo ronzoff. Marie unterdrückte einen Seufzer, entfaltete langsam ihren Fächer und schien die Malerei aufmerksam zu stu- dircn; aber fühlend, daß ihr Tänzer auf die Antwort warte, erhob sie ihre Augen zu ihm und sah ihn einen Augen blick forschend an. Was sie in seinem Gesichte las, ermu- thigte sie zu den Worten: „Tie Wahrheit muß einmal heraus, koste es, was es wolle. Ich bin Polin mit Leib und Seele, und das sagt Alles." Ter Ton, in dem sie das sagte, zitterte von verhaltener Entrüstung, Zorn und Widerwillen, sodaß Woronzoff einen Schritt zurückwich. Sie richtete sich stolz auf, und der Fächer, den sie hastig zuklappte, brach entzwei. Der Oberst zürnte ihr nicht; denn sie sah in ihrer plötz lich ausbrechenden Leidenschaft sehr schön aus. Er ver mochte die zornig aufblitzenden Augen, die hochmüthig ge kräuselten Lippen nicht zu vergessen. Den ganzen Abend tanzte er mit Niemandem als mit der Leßczynska, und als endlich ihr Wagen angemeldet wurde, folgte er ihr die Treppe hinab, um zu seiner Enttäuschung zu sehen, daß Ladislaus ihr in die Umhüllen half. Und als der Wagen schon längst aus der Sehweite verschwunden war, stand Woronzoff noch immer barhäuptig in dem rieselnden Regen und sah demselben nach. II. Beim Erwachen am nächsten Morgen war WoronzoffS erster Gedanke, daß er seinem Onkel, dem Gouverneur von Büdnitz, versprochen, mit ihm zu frühstücken; sein zweiter gehörte seiner Tänzerin von gestern. Er suchte sich zwar einzureden, daß sein lebhaftes Interesse für sie nur der Neugierde entsprang, nahm sich aber vor, von seinem Onkel so viel als möglich über sie zu erfahren. Kaum hatte man das Frühstück beendet und die Zigarren angezündet, als Wasil das Gespräch auf die Gräfin Marie lenkte. Der General zeigte sich gar nicht abgeneigt, auf dieses interessante Thema einzugehen, denn er sprach sehr gerne über Frauen. ' „Sie hat Dich gestern sehr ausgezeichnet, mein Junge. Du kannst Dir darauf was einbilden, denn sie spricht selten mit unsereinem, wenn es sich vermeiden läßt. Wäre nicht dieser Brausekopf von einem Bruder, sie würde lieber sterben als mit einem Russen verkehren." „Wenn ich recht berichtet bin, ist Gräfin Marie Dein Mündel?" „So lange ich Gouverneur von Büdnitz bleibe, ist sie gesetzlich mein Mündel. Sie ist ein seltsames Geschöpf — eine Verbindung von Eis und Feuer. Ich bin fest über zeugt, daß das Feuer irgendwo lodert, aber gesehen habe ich bislang nur das Eis. Ich fühle, daß sie mich haßt, und doch hat sie es noch nie durch ein Wort oder eine That be wiesen. Sie beherrscht sich und war immer ein gehorsames Mündel." »Ich glaube nicht, daß sie lange unter Deiner Vor mundschaft bleiben wird," bemerkte Woronzoff, aufmerksam de» Wölkchen seiner Zigarrette nachblickend, nach kurzer Pause. „Willst Du damit sagen, daß sie bald heirathen wird?" „Nichts ist natürlicher als das." „Bei ihren körperlichen Vorzügen und ihrer vollen Börse hast Du recht; aber ich sage Dir, es muß ein tapferer Mann sein, der sie nimmt. Uebrigens hat sich bereits ein ernstlicher Bewerber auf dem Plan gezeigt." „Das habe ich mir gedacht," entgegnete Wasil in stu- dirt gleichgiltigem Tone. „Ich habe gestern abend bemerkt, daß Fedor Platoff ernste Absichten hat." „Platoff!" rief der General laut lachend. „Du bist auf dem Holzwege, Wasil! Der Bewerber, den ich meine, ist unser verehrter Polizeichef." „Baruschkin? Du scherzest! Der klotzige, ältliche Mann wird es doch nicht wagen, seine Hand nach einem Weibe wie die Leßczynska auszustrecken? Das wäre zu lächerlich!" „Du machst Dich lächerlich, mein Junge! Baruschkin ist ein beachtenswerther, nützlicher Mensch/' - „Aber er ist kahlköpfig, dick, ungebildet und muß min destens 45 Jahre alt sein, die Gräfin zählt kaum zwanzig." „Sie hat neulich ihren zwanzigsten Geburtstag gefeiert. Aber was weiter? Wäre sie die erste junge Erbin, die einen mittelalterlichen Mann von angesehener Stellung gehei- rathet hätte?" „Sie haßt ihn, das erkennt man doch auf den ersten Blick. Sie wird ihn sicherlich abweisen." „Wieder ein vorschnelles Urtheil, mein Sohn! Ich bin überzeugt, daß sie ihn nicht abweisen würde" „Du hast die Absicht, sie zu zwingen?" unterbrach ihn Woronzoff entrüstet. „Deine Bemerkung ist zum mindesten grob gewesen. Zwingen! Niemand denkt heutzutage an Zwang, am aller wenigsten im Bezirk Büdnitz. Ich gehe diplomatisch vor. Gestern Abend haben sich über dreißig Polen an unserm Palle betheiligt; glaubst Du, daß ich sie durch Drohungen oder politische Gewalt bewogen habe, zu erscheinen? Wir haben unsere Taktik geändert." „Darf ich Dich bitten, mir zu erklären, welche diplo matischen Kniffe Du bei der jungen Gräfin anzuwende« ge denkst?" „Mit Vergnügen! Graf Ladislaus, der vergötterte Bruder unserer Heldin, befindet sich fortwährend in der Patsche, und sie wird sicherlich einsehen, wie nützlich eine Verbindung mit dem allmächtigen Polizeichef wäre. Sie ist vernünftig genug, sich zu denken, welche Schwierigkeiten der bekörbte Bewerber dem Grafen Ladislaus bereite« könnte." „Kann die Gräfin nicht ihren Bruder beerben?" fragte Woronzoff den hierüber erstaunten General. „Gewiß kann sie das, wenn er früher stirbt als sie. Aber was hat das mit unserer Frage zu thun?" »Ihr gesunder Menschenverstand sollte ihr sagen, daß es für den Grafen Ladislaus sehr gut wäre, wenn sie dem geizigen Baruschkin keinen so triftigen Grund, sich de» Schwagers möglichst rasch zu entledigen, an die Hand gäbe." »Ihr gesunder Menschenverstand wird sie lehren, sich geduldig in das Unvermeidliche zu fügen." tForrsrtzmq folgt.) Auf hoher Alm. ' Erzählung au» den bayrischen Berge« von KriedrichfDolch^^ (Schluß) . M Unser Herrgott wird sich Deiner erbarmen! Aber Reu' und Leid mußt mach'n, beten mußt und ihn um Gnad' anrufen!" „Beten," murmelte der Sterbende, „ja, beten! Aber ich hab's verlernt, hab' so lange Jahr' net mehr gebetet. Ich bring's nimmer fertig, aber Du, Resei, wenn Tu beten wollt'st für mich, Tein Gebet thät unser Herrgott g'wiß anhör'n!" „Ich will's und recht von Herzen!" „Wirklich? Das willst wirklich thun, Resei?" erwiderte der Sterbende erstaunt. „Du willst für meine arme Seel' beten, wenn ich tot bin? — Schau, weil Du so viel Mitleid hast mit mir, so will ich Dir's vergelten, will auch noch 'was gut mach'n vor mein'm End'. Aber wird Detti Gebet sich net z'letzt verwandeln in ein' Fluch für mich, wenn d'jetzt hörst, was ich eing'steh'n will? — Resei, ein Unschuldiger schmachtet für meine Missethat, die ich be gangen hab', im Zuchthaus —" „Jesus Maria, was sagst da! Mein Vater?" „Ja, Dein Vater is unschuldig — ich hab' die alle AuS- tragbäuerin, die Grüderin, umgebracht und ausgeraubt!" Das Mädchen schrie laut auf und sank auf die Kniee nieder. „Unschuldig," stammelte sie mit gefalteten Händen, „mein gutes Baterl iS unschuldig! O Gott sei ewig Lob und Dank, ich hab's ja g'wißt, hab's ja g'wißt!" „Ich bin's g'wesen!" fuhr der Meldende mühsam fort. „Mich hab'» die Knecht' verfolgt, und um ihnen ausz'kommen, hab' ich den Pack neben dein'm Vater, der in die Bosch'n (Gebüsch) drin' g'schlafen und mein Komme« gar net g'hört hat, auf die Erd'n niederg'worfen. Ich will Alles eing'steh'n — vor'm Geistlichen und vor'M G'richt! Ob ich aber noch Zeit hab' dazu, daS «ächt' ich bezweifeln, den» mir wird schon ganz dunkel vor die Aug'n und so eigen z'Muth Er schwieg und sank mit einem tiefen Seufzer auf sein Lager zurück. Das Mädchen aber fuhr bebend in die Höhe und toarf sich an die Brust des Jägers. „Er stirbt, er stirbt!" rief sie aufgeregt, „v Gott im Himmel, und g'rad' jetzt!"
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