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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.09.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-28
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010928024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901092802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901092802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-28
- Monat1901-09
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September: „Wir erfahren aus vertrauenswürdiger Quelle, Lord Kttchcner finde seine Hände mehr oder weniger gebunden und mache, da eS ihm nicht gestattet sei, jedes zweckmäßige Mittel zur Beendigung des Krieges zu versuchen, seine Stellung zum Gegenstände ernstlicher Erwägungen. Kitcbencr wünscht die Verhängung der Todesstrafe über die Rebellen anstatt Gefängnißstrasen von geringer Dauer, die nur zur Ermunterung des Aufstandes dienten. Auch verlange erneue, ausgebildete Truppen und die Verkündigung deS St and recht es in Capstadt und anderen Orten. Das Blatt berichtet im Anschlüsse hieran: Der König habe gestern eine ernste Unterredung mit dem Kriegsminister über den Stand der Dinge auf dem Kriegsschauplätze, auck im Hinblick auf die Frage der Recrutirung und der Verwendung der Deomanry, gehabt. Es sprächen Andeutungen dafür, daß bald durchgehende, das Heer betreffende Reformen bekannt gegeben würden; die Arbeit des jetzigen Augenblicks sei eine Vorbereitung umfassender Verstärkungen (?) für den Fall eines Bedürfnisses. * Turban, 27. September. („Reuter's Bureau".) BeiKatago im Zululand kam es am 26. September zu einem Gefecht, bei dem eia Engländer fiel und 9 verwundet wurden. Bei Sonnen untergang zogen sich die Boeren zurück. * Pretoria, 27. September. („Reuter's Bureau".) Neuerdings werden Erlaubnißscheine zur Rückkehr von Flüchtlingen nach dem Rand in größerer Zahl ausgestellt. Es besteht aller Anlaß zu der Hoffnung, daß bald Maßnahmen zur Rückkehr in mehr allgc- meinem Umfange ergriffen werden (?). * Loudon, 28. September. (Telegram m.) Lord Kitchener meldet aus Pretoria: Leutnant Miers von der leichten Infanterie von Somersetshire verließ am 25. September seinen Posten bei Riversdraai und ging drei Boeren entgegen, die unter dem Schutze einer weißen Fahne angeritten kamen. Nach einer kurzen Unter- redung sah man die Boeren Miers tödten und im Galopp fliehens?). Es ist eine Untersuchung eingeleitet worden...— Lord Kitchener telegraphirt unter dem 27. September: Die Forts Jtala, im Prospekt der Grenze des Zululandes, wurden gestern von den Boeren, angeblich unter Botha, angegriffen. Die Be satzungen der Forts schlugen nach einem heftigen Widerstande die Boeren zurück und brachten ihnen große Verluste bei s?). Im Uebrigen herrscht an der Grenze von Natal vollständige Ruhe. * Pcst, 27. September. Ein heute in Fiume eingctroffener englischer Oberst begiebt sich nach Pest, um festzustellen, welche ungarischen Badeorte geeignet sind, 1200 in Südafrika ver- mundete und erkrankte Ossiciere zur Behandlung auszunehmcn. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. September. Nach der bereits Monate lang andauernden hitzigen Preß fehde über den Zolltarif gelangte diese Frage während der Verhandlungen des Vereins für Soeiatpolrtik zur mündlichen Erörterung vor ein Forum, das zum größten Tbeil aus Männern besteht, die vom Streben nach tiefer, gründlicher Forschung auf dem Gebiete der Vollswirthschast beseelt sind. Auch in diesem wissenschaftliche» Kreise geriethen die Meinungen heftig aneinander, aber das schließliche Ergcbniß dieseSGedankenaustauscheS scheint doch dieAnerkennung derNoth- Wendigkeit einer mäßigen Zollerhöhung auf die landwirth- schastlichen Erzeugnisse begünstigen zu wollen. Vollständig auf den Boden deS Zolltarifsentwurfs stellte sich allerdings nur Prof. I)r. Pohle, aber selbst der eifrigste Verfechter der Freihandelspolitik Prof. L. Brentano glaubte, am Endziele mit dem nicht minder eifrigen Fürsprecher der erhöhten land- wirthschaftlichen Schutzzölle Professor Sering zusammen treffen und Zusammenwirken zu können. Letzterer erklärte sich entschieden für Minimaltarife auf Getreide in der durch den Zolltarif vorgeschlagenen Höhe; aber er verlangte als Com- pensation für die Arbeiterklasse die Aufb ebung der Finanzzölle auf Petroleum und Kaffee; ferner sollten die östlichen Groß grundbesitzer durch Schließung der Ostgrenze gegen billige polnische Arbeiter gezwungen werden, für die Land arbeiter höhere Löhne zu zahlen, wozu sie ganz gut in der Lage wären, da ihnen durch die Erhöhung der Getreidezölle ein höherer Bodenertrag zuflösse. Ohne diese beiden Aus gleichungsmaßregeln wären höhere Kornzölle eine Un gerechtigkeit. Einen vcrmiltelnden Standpunkt nahm Prof. Sch moller ein; auch er erkennt mit Prof. Sering die Nolhwendigkeit der Erhaltung der Landwirthschast und des Bauernstandes, aber beiden müsse mit anderen Mitteln als lediglich handelspolitischen geholfen werden. Gegenüber dem Merkantilismus der Vereinigten Staaten, Rußlands und Frankreichs könne Deutschland nicht ungerüstet als Freihändler dasteben. Ohne ein gewisses Maß von Schutzzöllen sei eö für Deutschland unmöglich, zu brauchbaren Handelsverträgen zu gelangen. Aber Deutschlands Aufgabe zur Erlangung wirthschaftlicher Wohlfahrt dürfe nicht darin bestehen, die maßlosen Ueber- trcibungen der Vereinigten Staaten, Rußlands und Frankreichs nachzuabinen, sondern sie auf dem Wege von Handelsverträgen zu bekämpfen. Wenn so der Zolltarif benützt werde, schlage er zum Heil aus. Würden aber die vorzeschlagenen Zölle im Wesentlichen unvermindert bleiben, sollte vor Allem der Minimalsatz für Getreide aufrecht erhalten werden, so müßte er dies für ein großes Unglück ansehen. Mit der absoluten Verwerfung von Schutzzöllen konnten sich nur Wenige be freunden, unter ihnen Professor Gothein und Pfarrer Naumann. Zum Schrecken der Demokraten und der Frei sinnigen sprach sich sogar Professor Quidde im Princip für ein Schutzzollsystem auö. Die Verherrlichung des reinen In- dustriestaates, wie sic von Professor Lotz auöging, fand kaum irgend welchen nennenswerthen Widerhall, cs muß also trotz seiner und Brentano's glänzenden Ausführungen doch consta- tirt werden, daß auch der Verein für Socialpolitik in der Mehrheit seiner wissenschaftlichen Vertreter auf dem Boden einer gemäßigten Schutzzollpolitik und eines vernünftigen Ausgleichs zwischen Industrie, Handel und Landwirth- schaft steht. Die dem deutschen Auswärtigen Amte als Sprachrohr dienende „Süddeutsche Ncichs-Correspondcnz" ver öffentlicht an der Spitze ihrer heutigen Nummer eine „Französische Hoffnungcn" überschriebene Zuschrift aus Berlin, die unverkürzt wiedergegeben zu werden verdient. Sie lautet: „Im Anschluß au die Zarentage von Dünkirchen, Compiögne, Reims und Betheny ist die öffentliche Meinung, wenigstens bei uns, mit französischen Preß st im in en zur Politik des Zweibundes nahezu Lbcrsältigt worden. Schon aus Rücksicht auf das befreundete Rußland verschließt man gern das Ohr gegen den Wirrwarr falscher Neben- töne, durch die Las amtliche Leitmotiv der von Kaiser Nicolaus wiederholt verkündeten Friedenspolitik abgeschwäcbt werden soll. Es ist nicht unser Geschäft, Wermuth in den sranko-russischen Freudenbecher zu träufeln. Das besorgt schon mit kaum zu über bietendem Eifer die Pariser Nationalistenpresse, und sie legt sich dabei auch Rußland gegenüber keinen Zwang auf. Indessen ver dient doch eine Auslassung Les „Soleil" nicht, wie so manche andere, klanglos zum Orkus hinabzusteigen. Denn sie nimmt zwar auch die Friedensliebe des Zaren, gleichzeitig aber Deutschland besonders scharf aufs Korn und ist, selbst bei persönlicher Bc- dcutungslosigkeit ihres Urhebers, kennzeichnend für einen auch ander weitig bemerkbar gewordenen „Ltut ä'Lms" französischer Preß- und Straßenpolitiker. „Wir betrachten", sagt der „Soleil", „als wahren Freund, als dauernden Bundesgenossen nur Den, aus welchen am Tage der Vergeltung unsere in Fesseln schmachtenden Schwestern, Elsaß und Lothringen, zählen könnten". Das ist die alte abgeleierte Revanchemelodie. Aber der „Soleil" fährt fort: „Noch mehr! Wenn eine gewisse Nation, die anmaßendste, die räuberischste von der Welt, die älteste und erbittertste unserer Nebenbuhlerinnen, aber die einzige, von der man einen Zu sammenstoß mit dem deutschen Coloß sicher Vorhersagen kann, — wenn Karthago in seinem Ringen gegen Ger manien eines Tages an unsere Hilfe appellirte.... Der Zar geruhe, das wohl zu bedenken! Für diese nothwendige Aufgabe, in diesem gegebenen Augen- bslick, würden wir nicht auf unsere Sympathie hören, sondern auf unser Interesse . . ." Also noch immer ein deutsch-englischer Conslict g.ls Interesse Frankreichs und als günstige Gelegenheit zur Revanche! Es kann dahin gestellt bleiben, in wie weit die Diplomatie unserer westlichen Nachbarn gegenwärtig noch von der ihr vor einigen Jahre» nicht fern liegenden Anschauung, Frank reich habe nur einen Feind, beherrscht ist. Die Volksströmung aber würde, wenn je ein deutsch-engliicher Gegensatz brennend werden sollte, unter allen Umständen zur Intervention drängen, und nicht zur Intervention gegen England. Das kann man so bestimmt in Aussicht stellen, wie überhaupt in der Politik etwas sich vorhersehen läßt, und unsere Staatsmänner brauchen, wenn sie einer solchen Entwickelung den Weg verlegen wollen, noch keineswegs vom „cauelwmar äes ooalitionz" geplagt zu sein. In diesem Zusammenhang wird auch verständlicher, weshalb in manchen Theilen des Auslandes mit Spannung aus einen boerensreundlichen Schritt der deutschen Politik gelauert wird, während doch zum Beispiel die Franzosen sehr wohl wissen, daß ihre eigene Regierung in der südasrikani- scheu Frage so unbeweglich bleibt, wie das verbündete und befreundete Rußland." Augenscheinlich hat diese hochofficiöse Kundgebung lediglich den Zweck, im Jnlande auf die Gefahr aufmerksam zu machen, in die das Reich gestürzt werden würde, wenn es dem Drängen Derer nachgeben wollte, die in ihrem durchaus gerechtfertigten Gefühle der Empörung über die englische Boerenpolitik und Boerenschlächterei ganz und gar vergessen, daß eine Intervention Deutschlands zu Gunsten der Boeren eine Verwickelung herbeisühren könnte und voraussichtlich berbeiführcn würde, in deren Verlaufe wir im eigenen Lande spüren könnten, wie englische „Helden" im Wetteifer mit TurkoS und Zuaven in Feindesland Hausen. Ganz überflüssig ist es jedenfalls nicht, wenn aus diese Ge fahr hingewiesen wird, den» es giebt in Deutschland nur zu viele Leute, die Politik mit dem Herzen statt mit dem Kopfe machen zu können glauben. Nur schade, daß die vor stehende Kundgebung mit ihrem ironischen Hinweise auf den „caucllowur (Alpdrücken) ries coulitious" an die Auszeichnung des Lord Roberts mit dem höchsten preußischen Orden und an das Alpdrücken erinnert, das diese Auszeichnung im ganzen Reiche bervorbrachte und dem es ganz wesentlich mit zuzuschreiben ist, daß man sich noch nicht überall im Volke der harten Nolhwendigkeit einer neutralen Haltung fügen mag. Von deutscher Seite ist, so oft sich die Gelegenheit darbot, anerkannt Worten, daß die französische Armee seit Jahren bedeutende Fortschritte erzielt hat. Auch Kaiser Wilhelm hat diese Fortschritte anerkannt und bei Gelegenheit der An wesenheit des französischen Generals Bonnal in Berlin hervorgehobea. Gerade in der deutschen Presse sind ferner die Angriffe der nationalistischen,orleanistischen und bouapartistischen Organe auf den General AndrS nie allzu ernsthaft genommen worden, obgleich dem französischen Kriegsminister vorgeworfen wurde, daß er das Officiercorps und die gesammte Armee deS- organisire. Um so seltsamer und abgeschmackter muß es daher erscheinen, daß der orleanistische „Soleil", der sich sogar au- St. Petersburg von russischer Seite „bescheinigen" ließ, daß General Andre in der That diese Desorganisation der fran zösischen Armee herbeigesührt habe, bei einem Vergleiche der jüngsten französischen und deutschen Manöver zu einem für die deutsche Armee abfälligen, für die französische Armee dagegen günstigen Urtheil gelangt. Die Kranken sollen bei den deutschen Manövernso zahlreich gewordensein, daß der Kaiser auf die Be richte der Generale hin den Abbruch der Manöver befehlen mußte. Erst als der Kaiser erfahren habe, welche Leistungen die franzö sische Armee bei ihren Manöver» verzeichnen durfte, ordnete er die Wiederaufnahme der Manöver an. So berichtet daS orleanistischeOrgan ganz ernsthaft, indem es zugleich die Marsch leistungen der französischen Truppen rühmend hervorhebt. Daß die deutschen Manöver lediglich wegen des durch unab lässige Regengüsse durchweichten Geländes einen Tag laug auSgesctzt wurden und dann wieder begannen, hängt natürlich mit den Ergebnissen der französischen Manöver auch nicht im Geringsten zusammen. Auch liegt eS ganz fern, die französischen Leistungen berabzusetzen. Immerhin muß (bemerkt die „Nat.-Ztg") darauf hingewiesen werden, daß es fran zösische Blätter waren, die an den Manöver« im westlichen Frankreich eine durchaus abfällige Kritik üblen und sogar von verschiedenen Fällen grober DiSciplinlosigkeil, ja von offenkundiger Meuterei zu berichten wußten. Zur Frage der chinesische» Entschädigung wird uns von unterrichteter Seite geschrieben: Nach einer englischen Mel dung soll der holländische Ministerresident in Peking dem dortigen diplomatischen Corps vorgeschlagen haben, gemeinsam Einspruch gegen die Abreise chinesischer Com missionen zu erbeben, die im Au Stande von aus gewanderten Chinesen Beiträge zur Deckung der Ent schädigungssumme eintreiben sollen. Wenn jene englische Meldung eine derartige gemeinsame Action selbst für unwahr scheinlich erklärt, so ist dem hinzuzusügen, daß der angebliche Vorschlag des holländischen Miniiterresiventen höchstwahrschein lich üb erh a up t nich t erfolgt ist. Die in Sachen der Entschä digung eingesetzte internationale Commission hat sich lediglich nut dcrFrage zu befassen, ob die zur Entschädigung nothwendigen Summen rechtzeitig aufgebracht werden; wie dieseSummen auf gebracht werden, darüber hat die Commission — vorausgesetzt natürlich, daß bestehende Verträge nicht verletzt werden — nicht zu befinden. Welches Interesse die Mächte daran haben sollten, zu verhindern, daß die im AuSlande lebenden Chinesen zu der Entschädigung herangezogen werden, ist nicht einzusehen. Es erscheint deshalb als im höchsten Grade unglaubwürdig, daß der holländische Ministerresidcnt den eingangs erwähnten angeblichen Vorschlag dem diplomatischen CorpS in Peking tatsächlich unterbreitet habe. Deutsches Reich. tt Berlin, 27. September. (Novelle zum Gesetze über den Servistarif und die Classeneintheilung der Orte.) Der mit Rücksicht auf den neuen Zolltarif gesetzentwurf gefaßte Entschluß der Negierung, im nächsten Tagungsabschnitte dem Reichstage e»n möglichst wenig um fangreiches anderweitiges gesetzgeberisches Material noch zu- Feuilleton. A Themis im Gebirge. Zwei Erzählungen aus dem Allgäu vonArthurAchleitner. Nachdruck vkrdcnn. Mit diesem Bescheitdr entfernte sich der Schaffer und holte am nächsten Sonntage selbst ein Quantum Salpeter vom Krä mer in Oberstdorf, wobei Anbon nicht verfehlte, den Grund dieses Ankaufes ausdrücklich zu betonen. Der Krämer lachte dazu und meinte, zur bevorstehenden Hochzeit wär' das „Nach sätzen" kaum növhig, das Mahl werde „herrisch nobel" werden, und bei solcher Tcffel nicht viel vom alten G'selchten gegessen werden. „Das kann man rtt' wisse! Unser junger Herr ißt 's so viel gern!" erwiderte der Schaffer. „Dem wird der Mund wohl besser nach der Föl wässern! Heut ischt's auf'boten worden von der Kanzel." „So? Heut schon? Da pressirt's!" Mit dem Packet unter'm Arm trollte Anton hinweg, diesmal den Frühschoppen in Oberstdorf verschmähend. Di« Kunde vom erstmals erfolgten kirchlichen Aufgebot brachten die Ruef'schen Ghehalten ins Sägmüllcvg-Höft, und Cilli empfand ein Hochgefühl reinen Glückes, das sie veranbaßte, zur Mutter Fleschhut zu springen und in deren Armen zu l-achen und zu weinen vor Glückseligkeit. Und Muetti vermochte kaum der eigenen Rührung Herr zu werden. Auch der Sägmüller kam herüber, schien aber nicht besonders bei der Sache zu sein, ihn beschäftigte vielmehr Vie Sorge, aus dem Datum der Aufgebotsbage, für Hochzeit, Trauung und Mühl unfehlbar sichere Lottcrienummern festzustellen, auf daß dieser Bund ihm endlich «inen ausgiebigen Lottogewinn bringe. Frau Fleschhut sagte dem Unverbesserlichen auf gut Schwä bisch die Meinung, und Cilli bat den Bater, Vas Spiel endlich doch und für immer zu lassen. Davon wollt« aber Ruef nichts wissen; seiner Meinung nach mutzte jetzt der Harrpffchlag gewagt, durch einen großen Einsatz die Hauptcasse der Lotterie gesprengt werden. Ruef ersuchte mit verblüffender Offenheit die Nachbarin, ihm hierzu Geld zu leihen, wesmaßen geliehenes Geld immer und ganz sicher „Glück" bringe. Er sei auch gerne bereit, den sicheren Gewinn halbpart zu theilen. Solche Zumuthung erboste Frau Fleschhut in höchstem Maße, Ruef bekam Dinge zu hören, die man sonst zwischen Brauteltern nicht erörtert. „Aftn halt itt'", meinte gleichziltig der Unverbesserliche und entfernte sich, als wenn gar kein Meinungsaustausch erfolgt wäre, um dann im Traumbuch die Nummern zu suchen. Noch am selben Tage mußte die Botin sein verfügbares Baargelv über die Grenze tragen und in der österreichischen Lottocollcctur setzen. Es mochte Mitternacht vorüber sein, «da züngelten aus der Scheune, die an das Wohnhaus des Sägmüllers angevaut war, Flammen empor, und gleichzeitig brannte auch schon das Dach des Gehöftes selbst. Schaurig lohte ein gewaltig Feuer einpor zum dunklen Himmel. Bald ward es lebendig in beiden Gehöften. Knecht« und Mägde sprangen mit Kübeln herbei, Die lärmende Löscharbeit mit all' dem Durcheinander auf dem Lande begann. Die kleinen Haussprihen konnten dem großen Brande keinerlei Einhalt thun, man muß!« sich darauf beschränken, das Bich ins Freie zu lassen, und vom Mobiliar zu retten und auszutragen, was noch möglich war. Inzwischen war der nahegelegene Marktflecken Oberstdorf alarmirt worden, die rasch aufgebotene Feuerwehr kam an gefahren, welche sofort eingriff, um doch das Sägewerk und die aufgestapelten Holzvorräthe zu retten. Das Wohnhaus selbst brannte bis auf die Grundmauern nieder. Ruef, der fassungslos das Unglück betrachtete und keinen Griff zu leisten vermochte, wurde gewaltsam in den Nachbarhof verbracht, wo hin Cilli gleichfalls flüchtete, nachdem sie zur Bergung der Habe opfermuthig das Mögliche gcthan hatte. Das Mädchen schluchzte herzzrrbrechend über die Vernichtung, namentlich der Aus stattung, die, im oberen Stockwerk untergebracht, vom Feuer zu rasch ergriffen wurde und nicht mehr gerettet werden konnte. Gegen Morgen fanden Feuerwehrleute auf dem Dach des Sägewerkes einen langen Zunderstreifen gelegt, der in den einzelnen Theilen zusammengenäht war, seinen Zweck, auch diese» Object in Brand zu bringen, aber nicht erfüllt hatte. Daß Brandstiftung vorliegt, war somit erwiesen. Wer aber ist der Thäter? Inmitten der aufgeregten Leute wollten die gleichfalls er schienenen Gendarmen rccherchiren, aber der Wirrwarr, die Er regung war zu groß, es schrie Alles durcheinander und Niemand wußte etwas Bestimmtes. So blieb zunächst nichts übrig, als den Zunderstreifen zu bergen und das Amtsgericht in Sonthofen amtlich von dem Brandstiftungsfalle telegraphisch zu verständigen. Zur Auf rechthaltung der Ordnung blieb ein Gendarm mit dem Feuer- piquet der Oberstdorfer, Feuerwehr am Brandplatze. Lange stierte Ruef die qualmende Trümmerstätte an; dann überkam ihm ein Gedanke, und scheu und vorsichtig schlich er an dem Gehöft der Nachbarin nach rückwärts und lief dann, als gelte es das Leben, dem kleinen Walserthale zu, um so rasch als möglich über die Landesgrenze zu gelangen. Seine Flucht war von Fleschhut'schen Knechten bemerkt worden, die sofort dem Gendarm Anzeige erstatteten. Ruef hatte aber schon zu großen Borsprung, eine Verfolgung hatte keinen Sinn mehr. Cilli, wie Frau Fleschhut, vermochten sich das Gebühren Ruef's, seine plötzliche, unfaßbare Flucht, nicht zu erklären, und Beide schrien vor Schreck, als der Schaffer der Meinung Ausdruck gab, ob nicht etwa der Sägmüller vor dem Gericht Angst habe. Gegen Mittag kam, bleich vor Erregung, Eugen in seiner Eigenschaft als Untersuchungsrichter, vom Actuar begleitet, an gefahren. Sein schmerzerfüllter Blick galt dem nieder gebrannten Hause, dann der gebeugten, weinenden Braut, welcher er stumm die Hand drückte, ebenso der Mutter. Nach der Bitte um Entschuldigung begann Fleschhut tiefernst und mit größter Aufmerksamkeit die Untersuchung, die aber trotz aller eifrigen Bemühungen kein weiteres Resultat hatte, als den vor gefundenen Zunderstreifen. Als der Gendarm dann dienstlich von der Flucht Ruef's Meldung erstattete, war es dem Amts richter, als stehe ihm das Herz stille. Der Schwiegervater selbst der Brandstifter? Das wäre entsetzlich, und unmöglich dann der Bund mit Cilli! Trocken, streng dienstlich, rapportirte der Gendarm, daß auch ihm Kenntniß von der schier wahnsinnigen Spielwuth des Säg müllers geworden sei. „Jscht der Sägmüller hoch versichert?» fragt« der Richter. Das wußte der Gendarm nicht. Um dessen Recherche der armen Braut zu ersparen, begab sich Eugen selbst zu Cilli, und ächzend sprach er: „Liebe CM! Verzeih' mir, ich kann itt' anders, als Untersuchungsrichter ischt cs meine beschworene Pflicht, zu fragen, ob der Vater seine Ge bäude versichert hatte!" Mit zuckenden Lippen stammelte das Mädchen: „Ja!" „Hoch?" „Ja!" „Hascht Du eine Ahnung, warum der Vater die Flucht er griffen hat?" Cilli schüttelte den Kopf und warf sich weinend in die Arme der Mutter Fleschhut. „Verzeih! Es ischt mir entsetzlich, aber meine Pflicht muß ich erfüllen!" Eugen trat hinweg und begab sich zum Gendarm, dem er nun schweren Herzens Befehl zur Verhaftung des Sägmüller» für den Fall ertheilte, daß Ruef auf bayerischem Boden betroffen werden sollte. Der Gendarm fragte nach Befehlen wegen weiteren Ver-e bleibens und ob an die nächste österreichische Gendarmerie dienst lich telegraphirt werden sollte. Eugen bejahte die letztere zsrage und bemerkte, daß ein Ver bleiben auf der Brandstätte nicht nöthig sei. Sorgsam nahm Eugen den langen Zunderfaden zu sich, trat dann mit dem Actuar ins Haus und dictirte diesem das Pro tokoll über die stattgefundene Untersuchung. Ein Viertelstündchen widmete Eugen der Mutter und Braut, um Beide zu trösten, dann fuhr er mit dem Actuar nach Sont hofen zurück. * * In seiner kahlen Kanzlei, am Schreibtisch fitzend^ klingelte Eugen und befahl dem eintretenden Amtsdiener, den Sägmüller Ruef aus der Untersuchungshaft vorzuführen. In der Zwischen zeit betrachtete der Amtsrichter immer wieder den Zunder streifen, dessen Einzeltheile mit schmutzigem, ehemals weiß ge wesenem Zwirn zusammengenäht sind. Ist es denkbar, daß Ruef selbst Feuer gelegt hat? Und ist es denkbar, daß sogar das zweite Object, das Sägewerk, durch die vorgefundene Zünd schnur dem Verderben bestimmt war? Angesichts des Um standes, daß Ruef schon das Wohnhaus hoch versichert hat, müßte ihm doch die Su»zahlung für diesen Brandschaden qe-
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