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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 14.09.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-14
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190009140
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19000914
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19000914
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-09
- Tag1900-09-14
- Monat1900-09
- Jahr1900
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 14.09.1900
- Autor
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- Liß - „Wie ist da» möglich?" rief sie fast außer sich. „Bei der Größe und Stör'- solchen Gefühls ist Alles möglich. Halten Sie mich nicht für indiskret. Reines Interesse für Sie läßt mich so sprechen. Denn ich weiß LlleS aus feinem Munde. Er sucht Sie feit vier Jahren. Der Gedanke an Sie führte ihn in diesen ihm fremden Krieg. Bei einem solchen nur von einer Idee beherrschten Gemache find derartige dunkle Ahnungen während eines Krankheit-Prozesses kein unwahrscheinlicher Fall. Doch Sie interessirt ja weniger das Wissenschaftliche, als — die Thatsache, und die ist so. Sie sind hier keinen Augenblick sicher. Er kann in einem unbewachten Augenblicke die Zelle verlassen und Ihnen begegnen!" „Was thun, lieber Gott, was thun?" Sie schien ganz fassungslos zu sein. Er nahm mit gütigem Ausdruck ihre Hand. „Bollen Sie Vertrauen zu mir haben? Sie sagten mir einmal vor Monaten, Sie wären ganz verwaist, da Sie Ihren letzten Halt, Ihren Onkel, verloren hätten. Sehen Sie, liebes Kind, ich hatte auch Weib und Kind und habe sie beide — nach kurzem Glück — hingeben müssen. Meine Tochter wäre in Ihrem Alter, wenn sie noch lebte. Ich bin ein alter, vereinsamter Mann, den bis jetzt nur sein Beruf am Leben erhalten hat. Ihre Nähe hat in dieser Zeit mein Herz erwärmt und erfrischt. Denken Sie, ein liebender Baler stände Ihnen rathend zur Seite, und haben Sie Vertrauen zu mir. Wollen Sie-^ „Ich will!" Sie gab ihm fest und innig die Hand. „Warum legen Sie sich und dem jungen Manne dieses schwere Opfer auf?" „Weil keine glückliche Lösung zu hoffen ist. Da Sie Alles wissen, kennen Sie auch den Abstand der Verhältnisse. Er ist von altem ungarischen Adel, Graf, ich bin ein bürger liches Mädchen." „Line Neigung, wie die seine, wird wohl im Stande sein, diese Schwierigkeit zu überwinden." „Ich gab seiner Mutter das Versprechen, ihn nie wie der zu sehen, und ich — werde mein Wort halten." „Wie konnten Sie das? Was veranlaßte Sie, groß- müthig gegen die Mutter und grausam gegen den Sohn zu sein?" „Sie schwor... an dem Tage zu. . . sterben, an dem ich des Sohnes Gattin würde, und ich wußte, daß sie Bort halten würde. Konnte ich um einen solchen Preis mein Glück erkaufen?" „Sie konnten es nicht!" Er legte in tiefer Bewegung die Hand auf ihr Haupt. „Aber eben, daß Sie nicht konnten, macht Sie zu dem, was Sie sind. . . Wußten Sie, daß er nach Ihnen forschte?" fragte er nach einer Weile. Sie verneinte es. „Ich hörte all' die Jahre nichts von ihm. Die Krankheit des Onkels rief mich im Früh ling heim, dann brach der Krieg aus^ seit der Zeit bin ich in den Lazarethen thätig." „Vielleicht haben während dieser Zeit die Verhältnisse sich geändert," sprach der Oberarzt, selbst von Hoffnung er füllt. „Vielleicht lebt die stolze Frau nicht mehr, oder wenn sie lebt, hat der feste beharrliche Sinn des Sohnes ihren eigenen gewandelt. Ein Mutterherz kann nicht lange widerstehen, und wenn es noch so fest und energisch ist. Ist er der einzige Sohn?" „Der einzige. Der Vater starb vor langen Jahren den politischen Märtyrertod. Die einzige Tochter wurde ihr früh entrissen. Sie floh mit einem bürgerlichen Manne und starb jung im tiefsten Elend." „Gewiß, ein höchst seltenes Berhängniß, das auf dieser Familie ruht. Hat das Ihren Entschluß bestimmt?" „Nein, mein Herr; es war der furchtbare Preis. Daun fühlte ich auch Mitleid. So sehr ich auch die Por- urtheile verdamme« mutzte, wollte ich eS doch nicht sein, welche der alternden, schwergeprüften Frau den letzten Schlag versetzte." „Mein liebes Kind," sagte der Oberarzt nach langem Schweigen, „trotz Allem, was Sie mir erzählt, bleibt mir nur so viel zu sagen übrig: die Entsagung, noch weiter getrieben, wäre nicht nur ungerecht, sondern grausam, ja unnatürlich. Auch die Tugend hat ihre Grenzen. Ich will nicht von dem sprechen, was bis jetzt war. Jeder edle Mensch trägt sein Rechtsbewußtsein in sich, und das Maß richtet sich nach der Größe, die ihm innewohnt. Ich spreche von jetzt ab weiter. Sie haben der Mutter den Sohn erhalten. „Ich gebe Ihnen mein Wort, daß seine Genesung geradezu ein Wunder zu nennen ist, und daß dieses Wunder Ihre Nähe bewirkt hat. Aber wenn auch dieses wegfällt, es ist eine Grausamkeit, den jungen Mann in diesem mar ternden Zustand zu lassen. So lange sich ihm nicht erfüllt, was er mit dem gläubigsten Muthe erwartet, von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag erwartet, wird er niO gesund werden. Ja man kann gar nicht wissen; welche Folgen der peinigende Zustand von ewiger Erwartung und nie Er fülltwerden, von ewiger Hoffnung und ewigem Enttäuscht werden auf die reizbare Natur und das geschwächte Ner vensystem des kaum Genesenen hervorbringen können. Mein Rath ist: Gönnen Sie ihm und sich — das Wieder sehen, und überlassen Sie das Weitere einer weisen Vor sehung." Wozu der wackere Mann rieth, konnte nur in jeder Weise makellos sein. Sie hatte ihn nicht nur als warm- und edelfühlend, sondern älöch als streng gerecht kennen gelernt. Vielleicht hatte aber diesmal die warme Thell- nähme für sie seine Vernunft gefangen genommen, und ihr erschienen selber die Gründe so klar und einleuchtend, weil sie das Herz so heiß begehrte. Sie rang im quälenden Kampfe mit sich. Es konnte auch nicht anders sein. Sie hatte mit zu großer Treue all diese Jahre ihr Wort gehalten, um es nicht, wie einmal ihr Character war, bei der ersten Versuchung zu brechen. Erst als ihr der Oberarzt, wohl ahnend, was in ihr vor ging, wie ihr edler Sinn mit heißem Wollen rang, sagte, er habe, um alle Selbstquälerei zu enden, und weil ihn der Zustand des Grafen dauerte, diesem eingestanden, sie sei im Kloster, gleichsam alle Brücken hinter ihr ab brechend, war natürlicherweise ihr Widerstand zu Ende. Es war gegen Abend, so im grauen Dämmer, wo der letzte Schimmer des verschwindenden Tages gegen die bleierne Schwere der herabsintenden Nacht anzukämpfen sucht. Graf Geza saß im Bette. Wie durch die vom Winde hin- und herbewegten Zweige des Baumes abwechselnd Helle und dunkle Streife« durch das Fenster in die Zelle fielen, so wechselten die Eindrücke in seinem Gemüthe, so spiegelten sie sich in seinem Antlitze. Sie war da, sein gläubiges Hoffen hatte ihn nicht betrogen. Warum kam sie aber nicht, warum ließ sie ihn warten? Immer tiefer sanken die Schatten, da, ein leiser, zögernder Schritt. Bor der Thür hielt er. Er hätte auf springen und ihr entgegenstürzen mögen! Aber er hatte dem Oberarzt versprochen, sich ruhig zu verhalten, so drückte er nur die Hand an das laut pochende Herz und hielt den Athem an. Ein, zwei Minuten vergingen, dann öffnete sich die Thür und schloß sich wieder ... sie stand im Zimmer. „Elisabeth!" Mehr konnte er nicht sprechen, nur die Hände faltete er. Still weinend kniete sie vor ihm nieder und drückte ihr Haupt in feine Hände. tilleri für 190 14» - Sekuichen vergingen, in der Zelle war es stille. Kein Saut unterbrach die Weihe dieses Augenblicks. „Elisabeth!" sagte er endlich und wiederholte einige Male diese« Namen, als gewähre ihm das bloße Aus sprechen schon unendliche Seligkeit. „Ich wußte ja, daß DU um mich warst, wie ich wußte, daß ich Dich finden würde, trotzdem ich all diese Jahre vergebens nach Dir geforscht." .Er hob ihr Haupt zu sich empor und lehnte seine Wange- an die ihre. „Warum thatest Du mir dieses, Elisabeth? Barum verließest Tu mich auf diese Weise? " „Ich versprach es Deiner Mutter, Geza." „Geza!" Bor dieser Benennung schwand Alles. „So hast Du mich genannt. G^a — Geza. Wie daS arckers klingt aus Deinem Munde. Dieser Augenblick macht all' das Leid dieser Jahre gut. Jetzt aber laß mich Dein Angesicht sehen, nach dessen Anblick ich mich vor Sehn sucht verzehrte." , Bald brannte die Lampe, die sie auf seinen Wunsch anstecken und auf das Tischchen neben ihn stellen mußte. „Du bist, wie Du warst," sagte er dann, nachdem er lange in ihr erröthetes Gesicht geblickt hatte, in die Augen, die von Thränen feucht waren. .Wie ich Dich täglich und stündlich mit meinem inneren Auge geschaut." Er zog ihr Happt zärtlich a« sich. „Doch sage mir jetzt, Geliebte! was lhat Mr meine Mutter Liebes und Gutes, daß Du mehr Erbarmen mit ihr hattest, als mit mir?" ' !' ! j .,j i j-.j Sie gestand ihm Alles. „Damit zwang sie Dich, damit!" rief er tief ergriffen. „Und natürlich, wie Du einmal bist, konntest Du nicht anders — als gehen. Mich hielt man zwei oder drei Tage mit dem Märchen hin, M» seist krank, müßtest das Bett hüten, eine Folge von Tiszas Unfall. Ich mußte es glauben. Ich wußtt ja nicht daß Du mit der Mutter darüber gesprochen, überhaäpt so bald sprechen würdest. Sm dritten Tage überfiel mich ein dumpfes Bangen. Ich sprach den Arzt, der wußte nichts von Deiner Krank heit, das Flüstern der Dienstboten fiel mir auf, beson ders das verweinte, betrübte Gesicht der Datka. Außer dem verzehrte mich eine brennende Sehnsucht nach Deinem Anblick Seitdem ich wußte, daß Du mich nicht verab scheutest, daß Du anfingst, Theilnahme für mich zu em pfinden, war die Welt zu enge, mein Glück zu fassen. Ich konnte mich nicht halten und ging auf Dein Zimmer, und — da wußte ich auch Alles. Wie ich zu meiner Mutter zurückkam, weiß ich selbst nicht, aber das weiß ich, daß ich wie ein Wahnsinniger ausgesehen haben muß, denn Alles wich scheu und bestürzt vor mir zurück Was ich meiner Mutter sagte, weiß ich auch nicht mehr, nur an ein Wort erinnere ich mich: H>atz ich Dich suchen würde, wie der Berirrte den Pfad, den er verloren, und wenn es mir nicht gelingen sollte. Dich zu finden, mein Ge schlecht mit mir erlöschen würde. „Wo ich überall war, Elisabeth? Ich glaube, es giebt keine noch so kleine Stadt, kein Dorf im Deutschen Reiche, wo ich nicht gewesen wäre. Du warst wie verschollen." „Ich war im Süden Rußlands bei einer deutschen Familie," sagte sie. „Die Krankheit des Onkels rief mich im Frühling heim, dann, brach der Krieg aus." „Es vergingen zwei Jahre, daß ich meine Mutter nicht sah," erzählte er weiter. „Da rief mich ein Telegramm nach Hause. Meine arme . Mutter war schwer erkrankt, und der tiefe Kummer, der in ihr nagte, hatte auch das Augenübel sehr verschlimmert. " Die tiefste Theilnahme spiegelte sich in dem Gesichte Elisabeths. So Schweres sie auch durch sie erduldet, so blieb doch stets das vorwiegende Gefühl in ihr: Mitleid für die so hart heimgesuchte Frau, bei der sich fremdes «ph Eigene» verband — die Lust de» Dasein» M schweren. „Ich blieb ein volles Jahr um ste/i pchr G „bis sie sich körperlich etwa» «Halt hatte. Da» wieder an, Reise» zu mach», aber nur auf einige well ich die Mutter nicht mehr auf lauge allein wollte. Ich fühlte wohl, daß etwa» FrimbeS i uns getreten war, daß den früheren v^len E störte, ich hatte aber auch Nachsicht genng, zn daß... daß sie gehandelt hatte, wie sie nochch^ MG sie uns nicht bewilligen könnte, was sie »Ad Uh de« armen Kinde verweigert hatten und awrau diese» zu Grunde ging ..." Er hielt ei« Belle inne «ch brü« Elisabeth» Hände fest in die seinigen. „Als der Krieg ausbrach," schloß er dann, „trat ich al» Freiwilliger in Eure Heere; meinen Abschß^ au» st" reichischen Diensten hatte ich längst genommen. Wz st mein letzte» Ziel sein. Aber Sott hat Erbarme, ach er ließ muh Dich endlich finde» und kei« Macht Erde soll mich mehr von dir trennen." „Für heute wäre es genug," sagte in diese» Hsiq blicke eine Stimme, und der Oberarzt trat in die Z „Elisabeth, Sie Kluge, Besonnene! Bar«, lasse, ihn den» so viel sprechen?" Das Mädchen entzog 1h» errötheud die HauL „Run, Herr Graf, ist«» die Wechte?" fraGe der alle Herr in jener launigen Stimmung, die ihm »Nd »sicheren so wohl that. „ES kann Nur die Rechte sein, Herr Oberarzt, den» E» giebt nur eine Elisabeth/' versetzte der Graf «tt leuch tenden Angen. m. Feuchte Herbstnebel lagen auf den Karpathen, sie NM- zogen gespenstisch Wald «ich Feld, sanken al» schwere Tropfen auf Baum und Strauch und umschliche» in WNn- derlichen Formen da» weiße Schloß und die breiten Fen- sterrerhen. Riesigen Fetzen gleich hingen sie über de« Gebirge, wie mit einem Pinsel jttwn Zag. jede Linie des «Schützen, scharfkantigen Höhenzuger verwischend, al» habe sich et« stelle, graue Mauer vom Himmel auf die Erde geheult, sie jedem Auge verhüllend. Me ganze Gegend trug ein düstere» Gepräge. Und wenn es sich je auf Stunden lichtete, ko waren «» nicht Sonnenstrahlen, die das wallende tzawdmckü durchbrachen; sondern wilde Windstöße, die die «edel runh alle» Wich- tungen jagte«, den Bäumen da» letzte Land von deut Haupte rissen und um die Mauern des Schlosse» sichren, als wollte« sie er in seine« Grundfesten ersiWttS». — In einem Zimmer, de» Schlosse» bräunt« Licht, Unch «tu Helles Feuer im Kamine. Da» Helle Licht knisternde Feuer waren auch da» einzige FreuiMschff stUU Beweglich in dem Zimmer. Den« die zwei Frone». Ke sich gegenübersaßen, die ei« auf dem Sofa, die andere «s einem niedrigen Gefiel »Ben Mm Kami«, war« «Her Statuen als lebenden Wesen ähnlich so still nnd rrgnng» los war ihre Haltung. Die Dame auf dem Sofa saß i, gebückter Haltung, das Antlitz mit der Hand beschattet, Ke «bare bückte unverwandt nach ihr hin, und in dem ehrliche», tre«N Gesichte lag ein Ausdruck rührender Trauer. G» vergsiW Minute auf Minute, kein Bort wurde gesprochen, eMich sagte die Alte: „Gnädigste Gräfin, denken Sie an die »orte de» Herr« DoctorS. Sie müssen da» ewige traurige St««n wenn Ihre Augen wieder besser werde» solle-" „Wozu soll mir da» Licht, Sanna?" sagte I ohne da» Haupt zu erheben und «tt je«» öde», Ton her Stimme, her hon «Üdem Jmnnter zeust
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