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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.02.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-18
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020218026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902021802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902021802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-02
- Tag1902-02-18
- Monat1902-02
- Jahr1902
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1222 asten mit -em Admiral Dewey freundschaftliche Be ziehungen angeknüpft hat, die ohne Unterbrechung fort bestehen. Ein Briefwechsel zwischen -em Prinzen und dem amerikanischen Admiral hat jedoch scitlängc- rcrZcit nicht stattgcfunde». Niemand verkennt die große Tragweite des englisch - japanischen Biiniwisfes, aber man darf doch fragen, welche militärisch-politische Bedeutung hat dasselbe noch, sobald der Zeitpunkt der Vollendung der sibi rischen Bahnlinien cingetreten ist. Wenn man das neue Bündntß als eine glückliche Ehe bezeichnet, weil beide Thcile sich ergänzen, indem Japan ein starkes Land heer, England seine große Flotte hineinbringt, so sollte man doch der Frage näher treten, welchen Werth in diesem speeiellen Falle die gewaltige englische Flotte besitzt. Richtete das Bünbniß seine Spitze gegen Deutschland oder Frankreich oder irgendwelche andere europäische Macht, als gerade Rußland, u la bonüeui-, dann würde allerdings für die Actio« einer solchen Macht die englische Flotte eine erhebliche Erschwerung bedeuten. Wie wenig Vortheil aber eine Flottenaction Rußland gegenüber bringt, hat der Krimkrieg dargethan. Die combinirte französisch-englische F l v t t e n a c t i v n in der Ostsee in den Jahren 1854 und 1855 mit der Einnahme von Bomarsunb und der Beschießung von Sweaborg hatte absolut keinen Einfluß auf den Ausgang des Krieges. Auch im »kämpfe um die Krim selbst nützte die maritime Ueberlegenheit den beiden Wcstmüchten gar nichts, weil Totleben kluger Weise durch die Versenkung der russischen Flotte den Hafen von Sewastopol gesperrt hatte. England und Frankreich mußten also den Krieg durchaus als Land krieg führen. Ebenso kann Rußland einen künftigen ost asiatischen Krieg gestalten. Wenn cs seine Hunderttausendc von Mannschaften von Warschau, Petersburg und Odessa nach Mukden wirft, so kann es von der englischen Flotte darin nicht im Mindesten behindert werden. Rußland ist aber in der Lage, gegebenen Falles seine volle Wehrkraft nach Ostasien zu werfen, weil cs, so lange das freund schaftliche Verhültniß mit Oesterreich und Deutschland be steht, unbesorgt seine Grenzen von Truppen entblößen kann. Wir sagen: „so lange Rußlands freundschaftliches Verhültniß zu Deutschland und Oesterreich besteht". Und insofern hat das neue Bündniß einen Effect, an den seine Urheber, insbesondere England sicherlich nicht gedacht haben: es führt nämlich Rußland auf das Eindring lichste vor Augen, daß die Möglichkeit seiner osrasiatischen Politik davon abhängt, daß es mit seinen westlichen Nach barn, besonders Deutschland, in gutem Einvernehmen lebt. So kann Rußland jetzt weniger denn je daran denken, seine Politik nach den Wünschen -er französischen Ne- vanchemünner einzurichten. Und damit kommen wir zu dem eigenartigen Ergebniß, daß ein auf die Erhaltung des statns guo im fernen Osten gerichtetes Bündniß eine bessere Garantie für die Erhaltung desFriedens in Europa, als für die Sicherung friedlicher Zustände in Ostasien bedeutet. Deutsches Reich. Berlin, 17. Februar. Nach einer Entscheidung des Reichs - VersicherungSamteS sind die Unfall versicherungsanstalten unzuständig zur Entscheidung der Frage, ob und in welcher Höhe ein Rechtsübergang der Forderung auf Unfallentschädigung von dem ursprünglich Berechtigten aus eine Krankenkasse emgerreten ist. Ein Schlosser in L. war, wie die „Deutsche Juristenzeitung" berichtet, am 15. März 1901 beim Montiren eines Fahrstuhls abgestürzt und sofort verstorben. Der Wittwe wurde von der betreffen den Berussgenossenschaft die gesetzliche Hinterbliebenenrente und daS Sterbegeld zuerkannt» das letztere aber der Kranken- nnterstützungScaffe der Schlosser, Metallarbeiter und verw. Berufsgenossen (E. H.) in F.» die dasselbe verauslagt batte, überwiesen. Wegen dieser Ueberweisung legte die Wiitwe Berufung beim Schiedsgericht ein, weil ihr Ehemann als Mitglied der Hilfscafse Beiträge bis zu seinem Tode bezahlt habe, mithin habe sie Anspruch auf Sterbegeld sowohl gegen die HilfScasse, als auch gegen die Berussgenossenschaft. Die Berufung ist zurückgewiesen, weil die Genossenschaft nach 88 25 und 96 Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes vom 30. Juni 1890 verpflichtet gewesen sei, das Sterbegeld in der gesetzlichen Höhe derjenigen Casse zu erstatten, welche ein solches an die Hinterbliebenen einer durch Betriebsunfall ge- lödteten Person gezahlt habe. Der von der Wittwe ein gelegte RecurS hatte keinen Erfolg. Nach 8 80 Abs. 1 in Verbindung mit 8 69 Abs. 1 Ziffer le deS citirten Gesetzes ist das Rechtsmittel des RecurseS dann nicht gegeben, wenn eS sich in dem Rechtsstreit lediglich um Sterbegeld handelt. Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist unhaltbar, weil daS Gericht in der Sache selbst erkannt hat, während es die Be rufung als unzulässig hätte zurückweisen müssen. Daß die Berufsgenoffenschaft verpflichtet ist, Sterbegeld zu zahlen, ist unstreitig, und der Rechtsstreit hat nur die Frage zum Gegen stände, ob, wie die Beklagte behauptet und die Klägerin be streitet, ein Uebergang dieser Forderung der Klägerin auf die Krankenunterstützungscasse stattgefunden hat. Zur Entscheidung dieser Frage sind aber nicht die Instanzen der Unfall versicherung, sondern, vorbehaltlich besonderer landesgesetzlicher Regelung, die ordentlichen Gerichte zuständig. * Berlin, 17.Februar. (Polnische Geheimbündelei.) Polizeilich aufgelöst wurde am Sonnabend eine Ver sammlung des „Polnisch wissenschaftlichen Vereins", weil dieselbe vorher behördlich nicht angemeldet worden war. Ein Polizeileutnant begab sich in daS Vereinslocal, Linien straße 141, beschlagnahmte Dort mehrere Schriftstücke und stellte die Thcilnehmer an der Versammlung, soweit sie sich legitimiren konnten, an Ort und Stelle fest. Die klebrigen mußten sich zur nächsten Polizeiwache begeben, von wo sic nach Fest stellung ihrer Persönlichkeit entlassen wurden. Die beschlag nahmten Schriftstücke werfen ein bezeichnendes Licht auf den Zweck der Versammlung. Unabhängig von dieser polizeilichen Action lief eine zweite in Charlottenburg. Es war zur Kenntniß der Polizeibehörde gekommen, daß sich jeden Sonnabend in der Privatwohnung der Restaurateurin Frau Mulkowska, Schlllerstraße 117, polnische Studenten versammeln, welche dem im Jahre 1898 aufgelösten polnischen Verein „Techne" nahestandeu. Sonnabenv Abends drangen Erimiualbeamte in die Privatwohnung ein, stellten auch hier, soweit eS möglich war, die überraschten Thcilnehmer an Ort und Stelle fest, während die anderen behufs Jdentificirung zum Polizeipräsidium gebracht wurden. In diesem Falle bandelte cs sich zumeist um Ausländer. In der Wohnung der Frau Mulkowska wurden gleichfalls polnische Schriftstücke mit Beschlag belegt. (Nat.-Ztg.) * Berlin, 17. Februar. (Die „Neutralität" der Ge werkschaften.) Ein Licht auf die sog. „Neutralität" der in Wahrheit unter socialdemokratischer Diktatur stehenden Gewerkschaften wirft ein Streit, der zwischen dem Lithographen- Verbande und einem Mitgliede, dem bekannten nationalsocialen Lithographen Tische »Dörfer, ausgcbrochen ist. Der Aus schuß dieses Verbandes hatte ein kräftiges Tadelsvotum gegen T. losgelassen. Dieser giebt nun in der „Graphischen Presse" eine sehr deutliche Antwort, in der eS heißt: „Wer nicht der vollendeten Heuchelei oder Beschränkung verfallen ist, muß wissen, daß wir überhaupt noch keine neutralen GcwerkschaftSvrganisationen (außer der der Buchdrucker) haben." Darauf bestreitet der Aus schuß, daß er heuchlerisch oder beschränkt sei, „be dankt" sich aber für „Neutralität" der Buch drucker und legt dar, was man ja schon wußte, daß die Gewerkschaftsbewegung ein Theil des Arb eiter et ass en kam pf es ist. Am bemerkenSwerlhesten ist aber die Ankündigung, daß der nächste Gewerkschaftskongreß „bestimmte Normen" für die Neutralität festzusctzen haben werde. Das heißt aus deutsch: es soll ein Ketzergericht über wirklich neutrale Gewerkschaftsführer veranstaltet werden. So also sieht bei den „freien" und „neutralen" Gewerkschaften die Freiheit und Neutralität aus. (Post.) — Der Besuch deS Kaisers in Posen gelegentlich der diesjährigen Kaisermanöver in dortiger Gegend steht nun mehr fest. Der Oberpräsident vr. v. Bitter, sowie der com- mandirende General sind bereits vom Oberhofmarschallaml angewiesen worden, die umfangreichen Vorkehrungen und Vorar beiten zu dem Ende August d. I. zu erwartenden Kaiserbesuche in die Wege zu leiten. Bei Gelegenheit seiner Anwesenheit in Posen wird der Monarch der Einweihung der deutschen Kunslinstitute, des Provinzial-MuseumS und der Kaiser Wilhelm-Bibliothek beiwohnen. Der kaiserliche Hof wird beim commandirenden General Ouartier nehmen. DaS ge plante große Festessen für die Vertreter der Behörden und die Notabilitälen der Provinz findet in den Räumen der Kaiser Wilhelm-Bibliothek statt, die zu diesem Behufe auf Anweisung des OberhofmarschallamtS auf das Prächtigste eingerichtet werden. — Die Kaiserin nahm in Begleitung des Prinzen Eitel Friedrich am Sonnabend Abend beim Grafen und der Gräfin Or. Udo zu Stolberg-Wernigerode den Thee ein. — Die Kaiserin ist nach Hubertusstock ab gereist. — Ein großes Bild von der Einstellung des Kronprinzen in die 2. Compagnie des 1. Garderegiments z. F. ha! aus Ver- anlassung des Kaisers am 9. Februar, dem Tage seines 25jährigen Militärjubiläums, in dem sogenannten Kaiserzimmer des Potsdamer Liadtschlosses Aufnahme gesunden. Die Namen der sämmtlichen Osficiere, die bei der Einstellung zugegen waren, sind aus dem Rand des Bildes verzeichnet. — Der „Staatsanz." meldet: Der königliche Gesandte in Karlsruhe, Wirkliche Geheime Rath von Eiiendecher hat seinen Posten verlassen, um sich auf Allerhöchsten Befehl der Begleitung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich von Preußen auf der Reise nach Nord-Amerika anzuschließen. Während der Abwesenheit des Gesandten wirkt der von Stuttgart nach Karlsruhe entsandte Legations- Sekretär von Buch als Geschäftsträger. — Nach der Meldung eines parlamentarischen Bericht erstatters ist nunmehr entschieden, daß Abg. von Kardorff in der Zolltarifcommission zur Wiederwahl als Vor sitzender gestellt worden und dieses Amt auch wieder über- uehmen wird. — Bevor die verbündeten Negierungen in Berathung darüber treten werden, ob es sich empfehle, im Aktienrecht die Bestimmungen über daS Aufsichtsrathswesen zu er gänzen, wird der AuSgang der Proteste abzuwarten sein, die nach dem Casseler Treberproceß demnächst sich in Leipzig und weiterhin iu Berlin mit Unterlassungssünden von Aufsicht-- rächen zu befassen haben. — Ueber den Märchenbrunnen soll Stadtbakrath Hoffmann dem Vorsitzenden eines hiesigen Grundbesitzer vereins Mittheilungen gemacht habe». Danach soll H. für die Anlage zwei neue Prejecte ausgearbeitet und daran die Erwartung geknüpft haben, daß einer der der Kunstdeputation demnächst zu unterbreitenden Entwürfe die Zustimmung des Kaisers finden werde. Wie dagegen derD„B. L.-A." wissen will, hat der Stadtbaurath keine derartige Mittheilung gemacht und dies auch nicht thun können, da er nicht zwei Projekte angefertigt, sondern in einer ganzen Reihe von Entwürfen eine Lösung der ihm aufs Neue gestellten Aufgabe gesucht hat. Welche dieser Arbeiten er der Kunstdeputation vorlegen werde, stehe noch nicht fest. — Der Streik der Tapetenkleber Berlins hat heute früh seinen Anfang genommen. Ueberall dort, wo die dem Arbeitgeber unterbreiteten Forderungen nicht bewilligt worden sind, ist die Arbeit nicht wieder ausgenommen worden. In einer gestern abgehaltenen Kleber-Versammlung wurden alle zu den ge- fordertenBedingungenArbeitenden verpflichtet, von nun an täglich 25 zum Streikfonds abzuliefern. Die Centralisten werden am Dienstag endgiltige Beschlüsse fasten. — Die localorganisirten Zimmerer haben sich in ihrer am Sonntag tagenden Versamm lung ihren centralorganisirten College» in ihrem Vorgehen an- geichlosse» und den von der paritätischen Achtzehoer-Commission beider Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag — mit nur einem kleinen Vorbehalt — anerkannt. Die kleinen Ausstellungen werden in einer Nachsitzung der Commission entschieden. Da mit ist ein Ausstand im Zimmerergewerbe für daS kommende Jahr verhütet. (B. L.-A.) — Dem nationalliberalen preußischen Landtagsabgeord neten Hacken berg ist von der theologischen Facultät der Universität Bonn die seltene Auszeichnung der Ernennung zum äoetor tbeologms zu Theil geworden. Das Diplom bezeichnet den neuen Doctor als „bedeutenden und scharfsinnigen Prediger, al- einen durch die höchste Kraft der Sprache ausgezeichneten Redner, al- starken und unerschrockenen Bertheidiger der Rechte der protestantischen Kirche, als trefflichen Mitarbeiter an der Herausgabe des rheinisch westfälischen Gesangbuches und als kundigen Hymnologen". — Beim österreichisch-ungarischen Botschafter und Frau v. Szögyeny-Marich fand am Sonnabend ein Diner statt, zu dem eingeladen waren: Fürst und Fürstin Bismarck, Fürst und Fürstin Donnersmarck, der Ches des Militärcabinets und die Gräfin Hülsen-Häseler, Gras und Gräfin Asjeburg, Baron und Baronin Reischach, der sächsische Gesandte und die Gräfin v. Höhen thal und Bergen, sowie Mitglieder der Botschaft. — Der Reichstags- und Landtagsabgeorouete vr. Sattler, der sich jüngst beim Ausgleiten im Schneegestöber einen Knöchel bruch zugezogen hatte, ist jetzt so weit wieder hergestellt, daß er bereits wieder etwas, wenn auch am Stocke gehen kann; doch wird es noch einige Zeit dauern, bevor er seine parlamentarische Thätig- keit wird ausnehmen können. — Von dem großen Werke der Geh. Oberfinanzräthe Schwarz und Strutz: Der Staatshaushalt und die Finanzen Preußens ist im zweiten Bande, der von den Zuschußverwaltungen handelt, das 2 und 3. Buch über die landwirthschaftliche Verwaltung und die Gestütsverwaltung erschienen. Dieser Theil des Werke- ist vom Geh. Oberfinanzrath Schwarz bearbeitet. — Die Vereinigung alter Burschenschafter Berlins hat dem kürzlich nach Hagen versetzten Staatsanwaltschaftsrath Cuny einen tchwarz-roth-goldenen Schläger mit der Widmung gestiftet: „Die V. A. B Berlin i. l. ersten Vorsitzenden. 6ertars neeesss est, vivers non nexe8»s." * Thorn, 17. Februar. Die Strafkammer verhandelte beute gegen den Redacteur Johann BrejSki und den Buch- druckercibesitzer BuSzynSki wegen Vergehen auf Grund des 8 7 deS PreßgesetzcS insofern, als sie auf drei hierselbst erscheinen den polnischen Zeitungen im vorigen Jahre den verant wortlichen Redacteur wissentlich falsch angegeben und zeitweise drei junge polnische Leute verantwortlich haben zeichnen lassen. Nach der Anklage waren eS vorgeschobene Männer, und als eigentlicher Redacteur war im Sinne des Gesetzes der Angeklagte Brejski zu betrachten. Zur Beweis aufnahme wurde das ganze Personal der polnischen Zeitungs druckerei vernommen. Der Gerichtshof erachtete die Anklage für erwiesen und verurtheilte Brejski zu einem Monat Ge- fängniß, Buszynski zu 300 .// Geldstrafe oder 30 Tagen Gefängmß. Ter Staatsanwalt hatte gegen jeden der An geklagten 6 Monate Gefängniß, als die höchste zulässige Strafe, beantragt. (B. N. N.) * Wrcschen, 17. Februar. An Stelle deS von der Regie rung aufgelösten Vorstandes der katholischen Schule in Wieschen ist ein neuer Vorstand gewählt, der auch wieder aus polnischen Katholiken besteht. Die Neugewählten erhielten etwa 300 Stimmen, während auf die Candidaten der Deutsch Katholiken, die zum ersten Mal in den Wahl kampf traten, nur 25 Stimmen fielen. * Potsdam, 17. Februar. Die hiesige Stadtver ordnetenversammlung hat in ihrer letzten Sitzung über die von dem Regierungspräsidenten an sie Aerichtete Aufforderung, hei allen Beschlüssen das Stimmen- verhältniß, mit dem diese gefaßt wurden, anzugeben, be- rathen und einstimmig beschlossen, da die Städteord nung für diese Forderung keinen Anhalt bietet, sich da gegen zu verwahren. Der Magistrat wurde ersucht, dem Regierungspräsidenten das Gesuch zu unterbreiten, von seiner Forderung Abstand zu nehmen, wie dies bereits gegen über Charlottenburg geschehen ist. („Voss. Ztg.") v. Weimar, 17. Februar. Eine dreistündige Debatte hatte beute der Landtag über dir in den letzten Jahren erfolgten Ver bote socialdemokratischer Versammlungen. Anlaß dazu gab der erwähnte, vom socialdemokratischen Verein in Eisenach beim Landtag gestellte Antrag, im Großhrrzogthum ein Verein-- und Versammln ngsgesetz eiazusühren. Bon der linken Seite griffen die Abgg. Bändert (Soc.) und Kühner (sr. Bolk-p.) das Ministerium an, insbesondere den DepartementSchef de- Innern v. Wurmb. Der Abg. Baudert la» aus einem „streng vertraulichen" Erlaß des Herrn v. Wurmb an die Brzirk-dtrecwren einige Stellen vor. Bon der Rechten sprach Abg. Boynaburgk, dabei des Oefteren den Bund der Landwirthe gegen die Angriffe deS socialdemokratischrn Redners in Schutz nehmend. Abg. MatheS (natl.) wünschte dringend ein liberales Vrreinsgesetz. Durch die Verbote socialdemokratischer Versammlungen sei der Eindruck erweckt worden, als habe die Bevölkerung vor der Socialdemokratie Furcht. Man solle die Socialdemokraten ruhig reden lassen, in deren Versaminlungen gehen, das Veruünstige anerkennen, das Unvernünf tige bekämpfen. Die socialdemokratischen Ideen kämen trotz der Verbote in das Volk und an's Tageslicht, wenn auch erst bei den Reichstagswahlen, und wirkten dann viel schlimmer. ES werde Erbitterung erzeugt und man habe wahrlich keine Ursache, di: Erbitterung im Volke noch zu vermehren. Die Verbote ständen mit dem Rechtsbewußtsein im Volke im Widerspruch. Den gleichen Standpunkt vertrat Abg. Düllstiidt (nationallib). Staatsminister vr. Rothe und Departementsches v. Wurmb er- widerten mehrere Male auf die heftigen Angriffe der Linken, ohne darauf eiiizugehen, ob die Verbote richtig und praktisch gewesen seien. Herr v. Wurmb erklärte, die Regierung werde zu der Frage eines Verein-- und Bersammlungsgesetzes Stellung nehmen, wenn ein Beschluß des Landtags vorliege^ Er persönlich sei nicht gegen ein solches Gesetz, doch solle die Linke nicht so große Hoffnungen aus dasselbe setzen. Er habe bereits im vorigen Jahre einen Refe renten mit der Ausarbeitung eine- Entwurfes beauftragt. Al- die Skizze zu dem Entwurf» Vorgelegen habe, sei in der liberalen Presse auf die Broschüre des Professors Abbe in Jena hin der Entrüstungssturm gegen die Regierung losgrbrochen. Darauf habe man die Angelegenheit nicht weiter verfolgt, um nicht den Anschein zu erwecken, die Regierung sei dazu prvvocirt worden. — Wie telegraphisch gemeldet, wurde einstimmig beschlossen, die Petition des socialdemokratischen Vereins in Eisenach der Regierung zur Kenntnißnahme zu überreichen, zugleich mit dem Ersuchen, dem Landtag baldthunlichst einen da- Vereins- und Bersammlungswesen regelnden Gesetzentwurf vorzulegen. * Aus Lhlau wird der «Schief. Ztg." geschrieben: Wäh rend deS Besuches der Deputation des russischen 38. Dragonerregiments Wladimir bei unseren Sckill- Husaren hatten die Commandeure dieser beiden Regimenter, Oberst v. Suckomlinow und Oberstleutnant v. Kossecki, an den gemeinsamen Chef, den Großfürsten Michael Nikolaje witsch, ein Huldigungstelegramm und an das Petersburger Garde - Grcnadierregiment zu Pferde, dessen Chef ebenfalls der Großfürst ist, und an die Warschauer Garde-Ulanen Begrüßungstelegramme gerichtet. Darauf sind folgende Ant worttelegramme in deutscher Sprache eingegangen: „Dem Officiercorps Meiner beiden theuren Regimenter und Ihnen sage Ich besten Dank für die gemeinsamen guten Wünsche und sende Allen Meine herzlichsten Grüße. Michael." „Hocherfreut über kameradschaftlichen Gruß, danken die Reitenden Garde-Grenadiere für freundliches Gedenken und leeren ihre Gläser aus das Wohl und fernere Gedeihen der Kameraden von den Schill- Husaren, deren gemeinsamer hoher Chef die beiden Regimenter freundschaftlich vereint. Generalmajor L la suite Großfürst Dmitrij." „Ich und daS ganze Officiercorps der Garde-Ulanen danken herzlichst für die unS geschenkte große Aufmerksamkeit und trinken auf daS Wohl der schneidigen Schill'jchrn Husaren. General Baumgarten/ Oesterreich - Ungarn. Die Lage in Triest. * Triest, 17. Februar. Der Bürgermeister er hielt von dem Handelsmini st er eine Depesche, in der dieser mittheilt, die Seebehörde sei ermächtigt, eine thnnlichste Beschränkung der Zahl der Bemannung, ein schließlich der Heizer, für die Bereitschaft an Bord zu ver hängen. Der Bürgermeister hat einen Aufruf an die Bürgerschaft erlassen, in dem sie aufgefordert wird, zum gemeinsamen Wohle -er Verfügruigen der Behörde willig Folge zu leisten. Die Bevölkerung verhält sich ruhig. Erhöhung »er «ivilliste. In Wiener politischen Kreisen verlautet (nach der „Tägl. Rundsch"), daß die derzeit zur Verfügung stehenden Mittel zur Erhaltung deS kaiserlichen Hofstaates nickt ausreichen, weshalb die beiden Regierungen die Civilliste, zu der jetzt seiner Tochter gehören werde, plante, eine Jagd zu pach ten, wenn möglich, auch ein Stück See zum Angeln, nnd wurde immer kühner in seinen Träumen. Endlich war er so stumpf, daß jeder klare Gedanke versagte. In einem der Narkose ähnlichen Zustande suchte er sein Lager auf. Allein die heftig überreizten Nerven ließen sich jetzt so schnell nicht beruhigen nnd noch lange lag er mit geöffne ten Augen und klopfenden Pulsen. Es regte sich schon neues Leben im Hotel, als ihm end lich die Augen zufielen und er in festen, traumlosen Schlummer sank. Martha hatte keinen Schlaf gefunden, sondern lag mit heißen, offenen Augen und verfolgte die Vorgänge im Nebenzimmer. Das leise Klirren mit Messer und Gabel, das Klingen des Champagnerkelches, das Klappern der Teller drangen an ihr Ohr. Keines der unterdrückten Geräusche entging ihren er regten Sinnen. Selbst die fast lautlosen Bewegungen -es Kellners verfolgte sie und dann die Stubenwanderungen ihres Gatten Sie wußte eS, daß seine Phantasie jetzt Orgien feierte und es durchschauerte sie eigen. Fast während der ganzen Dauer ihrer Ehe hatte sie so angekämpft gegen diese tiefe Verachtung, die sie ganz zu erfüllen drohte, und die ihrem Manne galt, dem Vater ihrer Kinder! . . . Sie wehrte sich dagegen mit einer Erbitterung, wie nur äußerste Noth sie kennt. Sie rang, wie mit einem un sichtbaren Feinde. „Er ist mein Mann, und ich habe Nachsicht zu üben, Nachsicht ohne Ende!" Die Vorstellung ihres trostlosen, einsam zu nennenden Dahinlebens drängte sich ihr gewaltsam auf, unwillkür lich ermaß sie, wie es hätte sein können, sein müssen — und da schauderte sic. Zu welch folgenschwerem Conslict es wohl gekommen wäre, wenn sic weniger stark und rein, weniger pflicht bewußt gewesen wäre? Aber mußte schließlich nicht auch ihre Kraft zusammcnbrechen, wenn Döring'S Zerfahren heit, seine Gewiffenlosigkeit ausarteten? Sie unterdrückte ein Aufstöhnen. Und obgleich es in ihr finster war wie die Nacht ringsum, so rang sie doch wie eine Heldin mit diesen unsichtbaren Feinden, den Geistern der Zwietracht, die sich gerade heute in ihre Seele schleiche« wollten. Nur wer solche Stunden kennt, wo die Gedanken gleich scheuen, gefangenen Vögeln hin und her flattern, um schließlich doch vollständig ermattet das Verlangen nach Freiheit aufzugeben, vermag zu ermessen, was Martha erduldete, wie cs brandete und gährte in ihrem Herzen. Aber schließlich blieb sie doch Siegerin. Es wurde still nnd friedlich in ihr. „Er ist mein Mann", flüsterte sie er- gebungsvoll, „nnd ich werde ihn nicht verlassen, nicht ver stoßen aus meinem Herzen, mag kommen, was da will!" Die Hände wie im Gebet gefaltet, schlief sie endlich ein. — Julius hatte während der langen Nacht nicht ein ein ziges Mal an sie gedacht. Nun stand er mit einem un endlich spöttischen Ausdruck vor der Schlummernden. „Sic ist stumpf, ohne alle Ideale", murmelte er, „gern möchte ich mich noch eine Weile mit ihr unterhalten, aber sie würde mich ja doch nicht verstehen." Auf diese Weise blieb es Martha erspart, daß sie aus der Ruhe, die sie endlich nach heißem Seelcnkampfe ge funden, wieder aufgcschreckt wurde. Fünftes Capitel. Der neue Tag brachte neue Stürme. Hagelschauer prasselten gegen die Fenster und die Sonne wurde immer wieder von finsteren Wolken ver drängt. Die Hotelräume waren alle durch Luftheizung gleich mäßig erwärmt und dennoch fröstelte es Stephanie, als Eckhoff soeben den Mantel um ihre Schultern legte, um mit ihr und der Mutter zusammen zur Testamentservff- nung zu fahren. Ein wenig anders hatte sie sich diese erste bräutliche Begegnung doch vorgcstellt. Sie erwartete -en Mann, dem jetzt all ihre Liebe ent- gegenströmte, mit begreiflicher Ungeduld. Als Eckhoff gemeldet wurde, wäre sie ihm am liebsten mit ausgebreitcten Armen cntgcgengeflogen. Als er dann aber vor ihr stand, kalt, geschäftsmäßig, in Wort und Blick der vornehm beherrschte Edelmann, nichts weiter — da sank all ihr Muth, und es ward ihr klar, daß sie ohne Kampf und Thronen diesem Herzen nie wieder näher kommen werde, dem Herzen., das einst be reit war, seinen ganzen LiebeSreichthum über sie auszu schütten, und daS sie zurückgewtesen in unverzeihlicher Verblendung. Er berührte mit den Lippen flüchtig ihre Hand, der Mutter sagte er ein paar warme, tröstliche Worte, das war Julius ließ sich entschuldigen. So fuhren sic zu Dreien zum Justizrath, in -essen Ge schäftsräumen die Testamentseröffnung stattfand. Unterwegs wurde kaum ein Wort gewechselt. Die Stimmung war fast unerträglich. Beim Justizrath nahm ein schöner, feierlich wirkender Raum die Herrschaften auf. Ein paar alte Leute, die Bediensteten des Verstorbenen, waren bereits anwesend und standen mit gefalteten Händen, flüsternd, in einer Gruppe bei einander. Stephanie trug ein sehr kostbares, schwarzes Kleid von einem weichen, wundervollen Seidengewebe, das mit einer duftigen, zarten Seidenspitze nicht überladen, aber doch reich garnirt war. Es hatte sie Ucbcrwindung genug gekostet, diese Toi lette anzulegen, seitdem sic wußte, daß sie mit Weber s Geld bezahlt worden war. Aber es blieb ihr keine Wahl. Sie hatte nur neue Garderobe mit hierher gebracht — ihre sämmtliche Kleidung war, das Bewußtsein jagte ihr wiederholt die Schamröthe in die Wangen — von dem unseligen Gelbe beglichen worden — Alles neu un kostbar. Döring hatte sich nicht genug thun können in ein gehender Fürsorge, er dachte an Alles. Es war gewesen, als habe er sein Lebtag nichts Anderes vorgenommen, als Totlettenstudium für die Bedürfnisse einer vornehmen, schönen Frau. Er hatte gewählt und sich stets die letzte Entscheidung Vorbehalten. Deshalb machte Stephanie nun auch den Eindruck einer Fürstin. Diese schmiegsame Seide, aus Stoff und Spitzen bestehend, schien wie eigens geschaffen für ihre reine klassische Schönheit. Die beiden stolzen Gestalten, der Rittmeister in glän zender Uniform und das blühende, bezaubernd anmuthige Mädchen, boten einen unvergleichlich harmonischen Anblick. Die Augen der Anwesenden hingen in selbstvergessener Bewunderung an ihnen. Auch die Beamten des JusttzratheS waren jetzt ein getreten. Zuletzt erschien dieser selbst. Er war augenscheinlich angenehm überrascht von der bestrickenden Anmuth der Braut und hatte Döring einen sehr unsympathischen Eindruck auf ihn gemacht, so ge wannen beide Damen, Mutter und Tochter, ohne Weiteres sein wärmstes Interesse. Bernhard stellte Stephanie als seine Braut vor. Händedrücke und ein paar höfliche Worte wurden ge wechselt, dann kündete eine Schwarzwälderuhr mit lang samen, feierlichen Schlägen an, daß die entscheidende Stunde gekommen sei. Der Justizrath verließ noch auf wenige Minuten das Zimmer und kehrte im vollen Ornat, begleitet von einem Assessor und einem jungen Rechtsanwalt, zurück. An einem umfangreichen Diplomatentisch sollte der feierliche Act -er Testamentseröffnung vor sich gehen. Die Erben hatten vor demselben Platz genommen, zunächst Martha und das Bautpaar, etwas weiter zurück die Dienerschaft. „Sehr verehrte Anwesende", begann der Justizrath, nachdem die ersten Formalitäten erledigt waren, „ich hatte den Vorzug, der Freund jenes einsamen edlen Menschen zu sein, welcher in einem Alter das Zeitliche segnete, wo ein Mann in beschaulicher Behaglichkeit sich von der Last des Lebens zu erholen pflegt! Unser Todter aber ist gern dahingegangen! Wie Alle, welche sich jahraus, jahrein dem Verkehr der Menschen entziehen, war auch er zum Sonderling geworden. Sein Besitz erfreute ihn nicht, eben so wenig konnte er sich aber auch entschließen, bei Lebzeiten einen nennenswerthen Theil davon abzugeben. Freilich, er war ein Wohlthäter vieler Armen, aber im Grunde besaßen mit Sorgen belastete Menschen seine Sympathie nicht. Er war der unumstößlichen Ansicht, daß ein Jeder so viel Geisteskraft von der Natur erhalten habe, um sich damit eine Existenz gründen, um zu Wohl stand gelangen zu können. An die „vom Schicksal Ent erbten", denen Alles ausnahmslos quer geht, glaubte er nicht. Deshalb half er auch vorzugsweise dort, wo er sicherem Streben, Geistesklarheit und hohem Muth be gegnete. So erscheint es erklärlich» daß er zu Gunsten einiger Wenigen tcsttrte, welche des Geldes nicht gar so dringend benvthigen." , (Fortsetzung folgt.)
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