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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.04.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-13
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190204132
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020413
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020413
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-04
- Tag1902-04-13
- Monat1902-04
- Jahr1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.04.1902
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z. Wage W ÄWM TMbliitt M AHM R. IW, Zomtlig, u. Hnl IW. ^US der Praxis des Polksbureaus. Vom Borstande der Gemeinnützigen Gesellschaft geht uns der nachstehende Bericht zu, den wir der srenndlichcn Beachtung der Arbeiter und Arbeitgeber empfehlen. Bor einer Reihe von Jahren gründete die Gemein nützige Gesellschaft ein sogenanntes Bolksbureau, eine Ausknnftsstellc für Arbeiter und Arbeiterinnen in den Lachen der Kranken-, Unfall-, Alters- und Invaliditäts versicherung. Das Bolksbureau hat seitdem still und in bescheidenen Grenzen, aber wohlthätig und segensreich gewirkt. ES hat sich in den Dienst der socialpolitischen Gesetzgebung gestellt und schon manchem Arbeiter, der verunglückt, trank und alt oder invalid geworden war, bei der Ber- wirklichung seiner Ansprüche helfend zur Leite gestanden. Leine Hilfeleistung war in der Hauptsache unentgeltlich. Wir wollen im Folgenden einige Fälle mittheilen, wie sie dem Bureau im Laufe des letzten Geschäftsjahres vor gelegen haben. Sie können am besten zeigen, von welcher Art die Arbeit des Bureaus ist. 1) Ein Zimmergeselle suchte um Invalidenrente nach, wurde aber abfällig beschieden, weil an der gesetzlichen Wartezeit noch 2 Wochen fehlten. Da nahm ihn, damit die Wartezeit erfüllt würde, aus Barmherzigkeit ein an derer Arbeiter bei sich auf. Aber die Instanzen ließen das nicht gelten: das sei kein ArbeitSverhültnih im Sinne des Gesetzes. Das Gesuch blieb abgelehnt. 2) In einem anderen Falle wurde der Antrag eines Cigarrenarbeiters auf Gewährung von Invalidenrente wegen Halbblindheit aus dem nämlichen Grunde, weil ncch einige Wochen an der Wartezeit fehlten, abgelehnt. Hier aber entschied das Reichsvcrsicherungsamt zu Gun sten des Arbeiters; denn der Mann hatte nach dem von ihm selbst bestimmten Eintritt der Invalidität noch meh rere Wochen gearbeitet; er könnte sich bei dieser Bestim mung geirrt haben, und sein Jrrthnm dürfe ihm nicht angerechnet werden. 3) Ein Tapezierer, der nicht mehr arbeiten kann, möchte Invalidenrente beziehen; aber eine Quittungskarte er weist sich, weil sie nicht rechtzeitig zum Umtausch eingereicht worden ist, als ungiltig. Es wird beim Vorstand der Versicherungsanstalt be antragt, die Giltigkeit der Quittungökarte gleichwohl an- zucrkennen, weil der Versicherte den Umtausch ohne sein Verschulden versäumt habe. Bescheid steht noch aus. 4) Ein landwirthschaftlicher Arbeiter bricht bei der Arbeit ein Bein und erhält eine kleine Unfallrente. Lpäter stellt sich heraus, daß er bei dem Unfall Schaden auch am Rückgrat erlitten hat. Durch schiedsgerichtliches Urtheil wurde seine Rente auf das Doppelte erhöht. 5) Ein Fabrikschlosser erlitt vor etwa 7 Jahren einen Bruchschaden, der sich mit der Zeit zu einem doppelten Leistenbrnche erweiterte und die Erwerbsfähigkeit nun mehr beeinträchtigte. Der Antrag auf Unfallrente wurde als verspätet ab gewiesen; da indessen Vie Folgen des Unfalls sich erst jetzt herausstellten, so haben wir auf schiedsgerichtliche Entscheidung angetragen. 6) Einem Rentenempfänger sollte die bis dahin ge währte Vollrente nm 23 Procent gekürzt werden, da ihm der cingebüßte rechte Vorderarm durch einen künstlichen ersetzt worden sei und er sich an den Ersatz nun gewöhnt habe. Der Versicherte konnte das nicht zugeben, da er trotz des künstlichen Ersatzes noch immer an freier Han- tirung gehindert sei. Wir stellten dies der Bcrufsgenos- senfchast in einer ausführlichen Eingabe vor, und diese beschloß denn auch, die volle Rente bis auf Weiteres fort- zugewäbren. 7) Ein Fleifchergeselle will sich durch einen Fehltritt eine Verletzung des Knöchclgelenkes zugezogen haben, wodurch eine tuberkulöse Knochenentzündung entstanden sei, die wieder die Amputation des Fußes nöthig gemacht habe. Sowohl Berufsgenossenschaft als Schiedsgericht weisen den Rentenanspruch zurück, da weder der Unfall ncch die Amputation als Folge des Unfalls erwiesen seien. Es wird Recurs an das Neichsversicherungsamt eingelegt, von dessen Ausgang wir leider nichts gehört haben; denn obwohl die Rathsuchenden alle gebeten werden, über den Erfolg der ihnen ertheilten Rathschläge oder der für sic eingeleitcten Schritte Nachricht zu geben, so lassen sic sich doch gewöhnlich nicht wieder blicken. 8) Die Wittwe eines Werkführers, der beim Andrehen eines Motorrades einen Schlagfluß erlitten hatte und sechs Monate darauf starb, verlangt Wittwenrente, wird aber abgewiesen, weil der Unfall, wenn überhaupt ein solcher vorliegc, und der Tod nicht in ursächlichem Zu sammenhänge ständen. Die Diagnose des behandelnden Arztes lautete: Zerreißen eines Blutgefäßes im Gehirn in Folge der Anstrengung beim Andrehen des Rades, hierdurch Bluterguß in das Gehirn und Gehirnschlagflnß. Der Arzt der Berufsgenosscnschaft dagegen urtheilte: Herzschlag, herbeigeführt durch längere Zeit bestehende Herzkrankheit, begünstigt durch das Andrehen des Rades, aber nicht dadurch bedingt. Der Sachverständige des Schiedsgerichts neigt der letzteren Ansicht zu und be zweifelt, weil der Tod erst nach einem halben Jahre ein getreten sei, den Zusammenhang; aber auch er räumt ein, daß cs sich um höchst verwickelte innere Vorgänge handle, worüber die volle Klarheit nur durch Sektion hätte ge schafft werden können. Es wurde deshalb Recurs an das Reichsversicherungs- gmt eingelegt. » 9i Ein Handarbeiter soll von der Berufsgenossenschaft, die ihm Rente zu gewähren hat, in einer Heilanstalt untcrgebracht werden. Er fragt an, ob er sich das gefallen lassen müsse, da er keine Lust dazu habe, und wird ver ständigt, baß er der Aufforderung allerdings folgen müsse, da ihm sonst die Entschädigung zeitweilig ganz oder theil- wcisc versagt werden könne. So hatte sich in einem anderen Falle ein erkranktes Cassenmitglied aus dem Krankenhause, in das cs zur Heilung überwiesen worden war, heimlich entfernt, wes halb ihm die weitere Unterstützung verweigert wurde. lOj Ein Tchlosscrlehrling wird von den Gehilfen aus geschickt, Frühstück zu holen, und es widerfährt ihm dabei ein Unfall. Liegt hier ein Betriebsunfall vor? Das Schiedsgericht hat es angenommen, aber die Berufs genossenschaft hat dagegen, wie man wohl begreiflich finden muß, Rekurs eingelegt. Die Entscheidung steht noch aus. 11) Die Frau eines Mitgliedes der Ortskrankenkasse wird krank, und cs werden ihr Dampfbäder verordnet. Dabei rutscht sic auf den Stufen des Dampfraumes aus, verrenkt sich den Oberarm und wird auf lange Zeit er werbsunfähig. Sie beansprucht Unfallrente. Natürlich kann sic keine bekommen; denn sie ist weder in einem ver- sichcrungspflichtigcn Betriebe, noch während der Arbeit verunglückt. 12) Ebenso wenig konnte einer Arbeiterin in einem großen Restaurant, die sich die Füße mit kochend heißem Wasser verbrüht hatte, eine Rente zugesprochen werden, da sich der Unfall nicht in einem versichcrungspflichtigcn Betriebe ereignet hatte. 13) Ein Unfallrentner beabsichtigt, nach Südamerika anszuwandern, da sich ihm dort Stellung geboten hat, und fragt an, ob er statt der Rente eine einmalige Capital- abfindung erhalten könne. Dem Manne war zu helfen, da seine Rente weniger als 13 Procent der Bollrente betrug und das Gesetz für solche Fälle die Capitalab- findung voraussieht und gestattet. 14) Ein Arbeitermitglied der Ortskrankencassc war am 13. Januar aus seiner versichernngopflichtigen Beschäf tigung ordnungsgemäß ausgetreten. Am Itt. Januar meldete er sich krank beim Cassenarzte und bezog von der Ortskrankeneasse auf 13 Wochen Krankengeld. Zu dieser gesetzlichen Mindestleistung war die Casse verpflichtet, da der Unterstützungsfall innerhalb drei Wochen nach dem Ausscheiden aus der Casse cingctrten war. Der Arbeiter verlangte aber das Krankengeld auf die vollen 34 Wochen, die die Ortskrankencassc ihren Mitgliedern satzungs gemäß zngebilligt hat, indem er behauptete, daß er schon am 13. Januar, mährend cr noch Mitglied der Casse war, erkrankt gewesen sei. Auf den Beweis dieser Behauptung kam es hier an; aber dem Manne standen keine Beweismittel zu Gebote, und so konnte ihm für den Erfolg einer Beschwerde beim städtischen Versicherung-Samte keine Hoffnung gemacht werden. Wie wir später in Erfahrung gebracht haben, ist auch keine Beschwerde geführt worden. 13) Ein Schuhmacher, der für ein größeres Schuh- waarcngeschüft arbeitet, die Rohmaterialien von dort be zieht, die fertige Waarc abliefert und nach dem Stück be zahlt wird, fragt an, ob sein Arbeitgeber ihn znr Kranken kasse anmeldcn müsse. Tie Frage läßt sich nicht ohne Weiteres beantworten, und der Fall bedarf der Erörterung im Einzelnen. Es kommt darauf an, ob jener Außenarbcitcr noch in Lohn und Brod eines anderen Arbeitgebers steht oder ob er schon zu den selbstständigen Gewerbetreibenden zu rechnen ist, die in eigenen BetriebSstättcn für fremde Rechnung arbeiten. Es wurde ihm der Rath gegeben, bei der Ortskranken kasse die Anmeldung durch seinen Arbeitgeber zu bean tragen und gegen eine Abweisung Beschwerde beim Vcr- sicherungsamte cinzureichen. Diese Fälle reichen aus, um eine Vorstellung von der Thätigkcit des Volksbureaus zu geben; sie zeigen aber auch, wie sehr das Unternehmen aus dem praktischen Bedürfniß hervorgegangen ist. Wir bitten die Arbeit geber, daß sie in vorkommenden Fällen ihre Arbeiter auf das Bureau Hinweisen möchten; und die Arbeiter fordern wir auf, sich vertrauensvoll an uns zu wenden. Denn das Bureau ist keine politische Einrichtung; es dient weder dircct noch indirect einer politischen Partei; es ist nnr aus dem Gemciusinn hervorgcgangen und eine Nach ahmung der Einrichtungen, mit denen uns rheinische Städte längst vorausgegangen waren. Wir hoffen, daß wir in dem Maße, als unser Bureau gesucht wird, auch Mittel und Wege finden werden, unsere Thätigkcit zu erweitern. Das Bureau wird zur Zeit geleitet von dem pensionirten Bürgermeister Berger. Es befindet sich in Leipzig-Neustadt, Gustav Harkort-Ttraße 4, und ist täg lich geöffnet. Von der Leipziger Studentenfahrt. i. L. Magdeburg, 11. April. So sind wir denn hinausgefahren, nicht arm und zer schlissen Komödiantenvolk, auch nicht wie fahrende Schüler mit dem Ränzel auf dem Rücken und dem Knotenstock in der Hand, sondern wie die stolzen Söhne des 20. Jahr hunderts, wohl ausgerüstet für die zehn Tage unserer Tourne, mit Koffern und Kisten, mit Sack und Pack, und das in recht umfänglichem Sinne des Wortes, denn wir führen eine ganze Rüuberausstattung mit uns, Costüme und Dekorationen. Und wenn uns auch unser Haupt mann Adalbert Matkowsky ein abenteuerlich verwogenes Räuberbewußtsein in der Brust geweckt, wenn wir auch mit ihm die Hölle zu stürmen bereit sind, so sind wir doch auch — wenn man ein wenig Selbstkritik und Selbst charakteristik ungeprüft, auf Treu und Glauben hinnehmen will —, als deutsche Studenten in die Welt gefahren, wie echte Musensöhne, unbefangen und fröhlich, mit unserer Freude an der weiten Erde, die sich vor uns aufthut mit dem frischen Grün des Frühlings, der Heuer ein wenig später und verdrossen Einzug halten will. Heute Morgen 10 Uhr 40 Minuten sind wir in Leipzig abgefahren. Das war eine lustige Fahrt, wie man sich nicht schwer denken mag bei 50 Studenten aller Fakul täten, die für eine kurze Zeit Bücher und Folianten in die Ecke geworfen und allerlei mühsam Gelehrsamkeit dahinten gelassen haben. Mit dem Räuberlicd sind wir in die Welt gefahren. Glück auf! Magdeburg war unsere erste Station. Das Wetter ist den ganzen Tag über, bis auf ein paar gefahrlose Ansätze zum Regen, prächtig gewesen, so daß mir nach einem fa mosen Mittagessen im „Rheinischen Hof" und einer halb stündigen Probe im Stadtthcater Zeit genug hatten, die Stadt zu besichtigen. Wir gingen hinüber in die Friedrichstadt, über die Elb- arme, an der Citadellc vorüber und genossen den herrlichen Blick über die Elbe mit ihren Kähnen und Dampfern. Wir sahen den großartigen gothischen Dom, der, wie alle Kirchen der Doppelthurmstadt Magdeburg, mit zwei Thürmen erbaut ist, von denen sich nach Ueberwindung von 424 Stufen ein überwältigendes Panorama Uber die Stadt und Umgebung aufthut. Wir standen im Dom vor dem Grabmal Kaiser Otto's und bewunderten die Kunst Peter Vischer'S an dem Sarkophag des Erzbischofs Ernst. Ein Gang durch die Stadt mit ihren engen, krummen Gaffen und mit dem imposanten Brcitewcg füllte die Zeit, die uns freigeblicben, vollauf aus. Um 7ZH Uhr begann das Theater. Die Bühnen verhältnisse im Stadtthcater sind vorzüglich. Der Bühnen raum ist groß und tief, daß auch dicNäubcrsccncn zu großer Wirkung kamen. Wir spielten vor einem ausvcrkauften Hause. Magdeburg hatte ein künstlerisches Ereigniß. An Stelle des Herrn Grube gab Herr Pauln, der in Leipzig den Roller gespielt, den Franz Moor. Wenn cr auch an den dämonischen Franz Grube's nicht heranreicht, so batte cr mit Recht einen großen Erfolg. Für den verwaisten Roller war Herr Siege aus Magdeburg eingesprungen. Der Beifall steigerte sich von Act zu Act und gipfelte am Schluffe der Vorstellung in langandaucrndcn Ovationen für die Künstler, so daß sich der Vorhang an zehn Mal heben mußte. Matkowsky und Pauly wurden immer wieder gerufen. Gegen ^12 Uhr war die Vorstellung zu Ende. Um 3 Uhr Nachts werden wir nach Düsseldorf weiter fahren. Wir haben noch einige Stunden Zeit und haben, wie verzeihlich, einen tüchtigen Durst. Räuber und Studenten haben immer Durst, wie vielmehr, wenn Beides zusammentrifft. Die Vertilgung der Natten durch Kohlensäure. Es ist bekannt, daß die Ratten, oder, richtiger gesagt, ihre Flöhe, die Träger des Pcstbacillus sind und das Hanptverbrcitungsmittcl der fürchterlichen Seuche ab- gebeu, und ebenso bekannt ist cs, daß maN eifrig nach ge eigneten Mitteln sucht, um diese gefährlichen Nager, bczw. ihre Schmarotzer, die in den Räumen von aus über seeischen Ländern kommenden Schiffen Hausen, zu ver nichten, womöglich bevor sie die Fahrzeuge verlassen und in die dichtbevölkerten und schon von Haus aus in der Regel nichts weniger als sauberen und gesunden Hafen städte eindringen und hier die entsetzliche Krankheit ver breiten. Gegenwärtig verfährt man, wenn man ein Schiff des- inficiren will, folgendermaßen: die ausgcschifften Güter werden äußerlich mit Sublimatpulver eiugestreut, während man in den Schiffsräumen Schwefel verbrennt, wobei sich die bekannte, scharfe, unathembare schweflige Säure als Gas entwickelt. Die im Schiffe befindlichen Natten er sticken und man braucht sie nur zusammen zu lesen und zu verbrennen. Aber dieses Verfahren ist mit mancherlei und nicht unbedenklichen Unzuträglichkeiten verbunden. Zunächst werden die Maaren nur äußerlich und ober flächlich mit Sublimat desinficirt, aber die in ihnen be findlichen Pestkeime werden von diesem Verfahren nicht betroffen, außerdem werden Ratten, die sich, wie dies vielfach der Fall ist, lebendig innerhalb der Emballage der Güter befinden, mit diesen ausgcschifft, und man erleichtert ihnen nur noch ihr verderbliches Beginnen. Ferner ist auch der Einfluß der schwefligen Säure auf die Metalltheile eines Schiffes nichts weniger als günstig. Wenn dieses Gas mit der Feuchtigkeit, die stets in Schiffs räumen herrscht, in Berührung kommt, so greift cs alle aus Metall bestehenden Dinge an, Schrauben, Haken, Nuten u. s w. Ein weiterer Uebclstand liegt darin, daß schweflige Säure die Athmungsorgane in hohem Grade belästigt und äußerst ätzend riecht. Das veranlaßt die Ratten, auch schleunigst Reißaus zu nehmen, und es gelingt doch vielen von ihnen das Freie oder doch wenigstens einen sicheren Schlupfwinkel zu erreichen, wo sie dem Er- sttckungstodc entgehen. Auch darf man schließlich die Feuergefährlichkeit jener Schwcfelvcrbrcnnungcn doch nicht zu gering anschlagcn. Damit das Verfahren, die Natten zu vertilgen, sich nach jeder Richtung vervollkommne, ist cs nöthig, über eine Gasart verfügen zu können, die, ohne die darin ent haltenen Maaren zu gefährden, in alle Kisten, Kasten, Säcke u. s. w- einzndringen vermag, ohne daß es nöthig ist, die Güter auszuschiffcn. Mit Rücksicht hierauf muß die schwelflige Säure völlig ausgeschlossen bleiben, da sie alle aus Metall verfertigten Gegenstände stark angrcift, auf die Farbe anderer nachtheilig cinwirkt und weil sie die mensch lichen Geruchsorgane so schädlich afficirt. Ein gefärbter Stoff verliert, wenn er dem Einflüsse der schwefligen Säure auch nur kurze Zeit ausgesetzt wird, seine Farbe durchaus, alle aus Metall bestehenden Dinge werden durch sie in bedenklicher Weise angegriffen. Nahrungsmittel werden ungenießbar, ebenso Tabakwaaren, Rohtabak, Ci garren nnd Ciggretten. Ein ideales, für alle Thiere nnathembares Gas, oder sagen wir „die Stickluft in der Vollendung", darf die leb losen Gegenstände in keiner Weise beeinflußen und muß geruchlos sein. An diese letzte Eigenschaft knüpfen sich bemerkcnswerthe Vorthcile: die schlauen Ratten wittern nicht die ihnen schädliche Luftart, werden nicht stutzig und suchen sich nicht ahnungslos zu retten, sondern werden an Ort und Stelle, wo sie sich gerade befinden, vom Er- stickungstvde überrascht. Ferner fällt ins Gewicht, daß durch die Benutzung eines Dcsinfectionsmittels an Bord der eingclaufencn Schiffe die Bewohner der betreffenden Hafenplätze in keiner Weise, weder durch dessen Geruch noch sonstige lästige oder gar gefährliche Eigenschaften zu leiden haben. Schließlich muß auch alle Feuergefähr lichkeit unmöglich sein Allen den oben gestellten Anforderungen entspricht nun durchaus die Kohlensäure. Anstatt feuergefährlich zu sein, ist sic im Gcgentheil ein Löschmittcl. Sic hat keinen be merkbaren Geruch, greift keine Metalle an, wirkt in keiner Art weder auf die Farben der Stoffe, noch auf die Be schaffenheit von Nahrungs- und Genußmitteln, ja, für diese dient sic sogar zur Conservirung. Man kann daher alle Güter eßthaltenden Schiffsräume ruhig und ohne Be denken mit Kohlensäure anfüllen. Abgesehen davon, daß sich der Preis der Kohlensäure auch noch recht gering stellt nnd die Industrie dieselbe durch ein sehr einfaches Verfahren flüssig darstellt, was für den Gebrauch sehr bequem ist, braucht sie in gasförmigem Zu stande nicht einmal rein zu sein. Ferner ist ge wöhnliche atmosphärische Luft mit einem Zu satze von nur 10 Procent Kohlensäure durchaus unathem- bar, verdoppelt man den Zusatz, so hat man ein rasch und sicher wirkendes Erstickungsmittcl. Man braucht bloß Kohlensäure in die Schiffsräume cinzulassen, bis die in ihnen vorhandene Luft 20 Procent davon ent hält, was durch das Auslöschen einer an geeigneter Stelle angebrachten brennenden Kerze leicht nachweisbar ist. Darauf werden alle Luken geschlossen und eine Stunde lang geschlossen gehalten. Hierauf läßt man atmosphärische Luft eintrctcn und kann nun die todtcn Ratten mit Muße cinsammcln und ihre Cadaver, wie man will, vernichten. Der Vorschlag, den Ratten in den Schiffen mit Kohlen- sänrc zu Leibe zu gehen, rührt von dem französischen Naturforscher Mignot her, und cr räth dringend, Ver suche in dieser Richtung anzustellen, die ganz unbedenklich seien. Diese können eben wegen der völligen Geruch losigkeit der Kohlensäure während der Löschung der Schiffe bewerkstelligt werden, selbst ohne daß die Mann schaften sie bemerkten. Die Person, welche sie im Schiffs räume ausführt, ist keiner Gefahr ausgesetzt, wenn sic eine brennende Laterne an den Gürtel hängt; solange diese brennt, ist nichts zu fürchten, und sobald sie ausgeht, ist eine genügende Menge von Kohlensäure vorhanden. Da das unathembare Gas dichter, folglich schwerer als die atmo- svhärische Luft ist, befindet sich der Mund des dcsinficircn- den Mannes noch außerhalb des Wirkungskreises der Kohlensäure, wenn die Flamme in seiner Laterne erlöscht, und cr hat reichlich Zeit, sich ungefährdet zu entfernen. Eine derartige ohne Zuthun des Menschen statt findende Erscheinung ist seit Jahrhunderten von der Hnndsgrotte s^rott» cki osn«) bei Neapel bekannt und berühmt, in welcher ein kurzbeiniger, mit den Athmungs- werkzeugcn dem Boden naher Hund schnell durch den Ein fluß der hier durch die Natur vorhandenen Kohlensäure erstickt, während ein aufrecht stehender Mensch sich ohne Gefahr in ihr aufhalten kann. — Solche Versuche sind nun in der That im Hafen von Marseille in Fahrzeugen der Compagnie des Messageries Maritimes unter Aufsicht der Sanitätsbehörden jenes Hafens mit den günstigsten Erfolgen ausgcführt worden. Es ist in der Provence daraufhin eine Fabrik flüssiger Kohlensäure errichtet worden, die das einfache, billige, schnell und unfehlbar wirkende Mittel, die Ratten zu ver tilgen, in großem Maßstabe herstellt. Ein derartiger Versuch, bei dem eine Unmenge Natten getödtet werden, dauert Alles in Allem nur zwei Stunden. * * * Mittheilungen aus der Rathsptenarsthung am 9. April 1902. Vorsitzender: Herr Bürgermeister vr. Dittrich. 1) Die Stadtverordneten haben zugestimmt: o. den Specialbudgets „Thomasgymnasium", „Nikolai ghmnasium", „Realgymnasium", „Gewerbeschule", „l. bis IV. Realschule", „Höhere Schule für Mädchen" und „Städtische Volksschulen", d. dem Conto 22 „Sonstiger Grundbesitz in der Stadtflur, sowie verschiedenen anderen Fluren", c. einer Anzahl Positionen in verschiedenen Contcn und Spccialbudgets, soweit sie die Anrechnung des Werthes von Wohnung, Heizung und Beleuchtung betreffen, ä. der Erbauung einer Gerälhekammer, sowie eines Wagen- schuppens für die Schleusenrcinigung auf den Bauernwiesen an der Kronprinz-Straße, jedoch an Stelle der geforderten 3160 nur 2980 bewilligt. Die von den Stadtverordneten zu 3 gestellten Anträge sind der Deputation für die höheren Schulen und dem gemischten Schulausschusse zu überweisen, bei dem Abstriche zu ck ist Be ruhigung zu fasten, zu b und c ist das Erforderliche zu ver anlassen. 2) Die von den Stadtverordneten dem Rathe. zur Er wägung überwiesene Eingabe des Bezirksvereins Leipzig-West, betreffend die Verbreiterung der Kaiser Wilhelm-Straße in Lcipzig-Lindenau entlang des Lapp'schen Grundstücks, wird der Deputation für Bcbauungs- und Parzellirungspläne überwiesen. 3) Die Stadtverordneten haben eine Etngabe des Vereins Leipziger Gastwirthe, die Verpachtung von Gast- und Schank- wirthschaften in städtischen Grundstücken betreffend, dem Rathe zur Erwägung übertmesen und hierbei ersucht, alle Neu- und Wieder-Verpachtungen von Schanklocalen in städtischen Grundstücken öffentlich auszuschreiben. Die Eingabe ist zunächst dem Herrn Decernenten für Mieth- sachen vorzulegen. 4) Nach dem Anträge der Deputation zum Hochbauwesen beschließt man, bei den Abstrichen der Stadtverordneten zu Conto 31 Pos. 2 Nr. 37, 117, 113, 101 und 76 des dies jährigen Haushaltplans Beruhigung zu fassen. 5) Man nimmt Kenntniß: a. von der Einladung des Vereins Deutscher Kürschner zu der in der neuen Börse stattfindenden Ausstellung von Neu heiten des Kürschnergewerbes, d. von der Einladung des Vorstandes des Deutschen Buch- gewcrbevereins zum Besuche dec Ausstellung von Farbendrucken, c. von der Ueberweisung eines Exemplars der von Herrn Or. Vogel, Custos am städtischen Museum der bildenden Künste, herausgegebenen Porträtgalerie für die Bibliothek der Nikolai- schule. 6) Der Verkauf eines Bauplatzes in der Petzfcher Mark wird genehmigt. 7) Der Einrichtung einer selbstthätigen Viehtränke im Rittergute Cunnersdorf stimmt man zu. 8) Der zweigleisige Ausbau der elektrischen Straßenbahn auf dem Schlcußiger Wege in Leipzig-Kleinzschocher zwischen Elsterbrücke und Elisabethallee wird nach Maßgabe der ein gereichten Pläne genehmigt. 9) Die Einführung der Wasserleitung in Strecken der Koch- und Kaiserin Augusta-Straße wird unter Verwilligung der ver anschlagten Kosten beschlossen. 10) Unter den vorgeschlagenen Bedingungen wird der Ver kauf eines Bauplatzes im Osten der Stadt genehmigt. 11) Die Vergebung ». der Granit- und Sandstein-Arbeiten am Neubau des 2. Staatsgvmnasiums, b. der Maurerarbeiten für die Heizungsanlage in den Baracken 12—14 des Krankenhauses St. Jakob erfolgt nach den Anträgen der Deputation zum Hochbauwesen. Zu den Beschlüssen unter 6—10 ist Zustimmung der Stadt verordneten cinzuholen. Leipziger Thierschutzverein. (Protcctor Sc. Majestät der König.) Nach Abschluß der veranstalteten Ermittelungen kann der Vorstand des Leipziger T h i e r s ch u tz v c r - eins heute berichten über die im letzten Jahre hier vor gekommenen T h i e r q u ä l e r e i e n. Während im Jahre 1896: 163, 1897: 160, 1898: 149, 1899: 128 und 1900: 193 Fälle von Tierquälereien behördlich angezeigt worden sind, betrug die Zahl 1901: 208. Die Ursache dieser Steige rung kann wohl außer im steten Wachsthnm der Stadt und des Verkehrs in der immer eifriger gewordenen Auf merksamkeit der Tierfreunde und Aufsichtsbeamten hin sichtlich der Beobachtung der Tierquälereien erblickt wer den. Ucber den Stand und Beruf der Thäter gicbt folgende Aufstellung Ausschluß: Es entfielen aus Gcschirrsührcr, Kutscher. Droschkenkutscher und Postillone 86 Fülle, Handelsleute 27, Arbeiter, Markthclfer, Aufläder 17, Fleischer, Viehhändler, Viehtreiber 16, Arbcitsburschcu, Lehrlinge (meist Katzen) 12, Angehörige des Handwerker standes 10, Schüler «meist Katzen) 8, Fuhrivcrksbcsitzcr 7, Privatleute 6, Angehörige des Kausmannsslandes 5, des Gastwirthsstandes 4, ländliche Dicnstknechte 4, Beamte 2, und auf Berufsradfahrcr, Künstler, Lehrer, Zahnarzt je I. Vergleicht man diese Aufstellung nut derjenigen der vor jährigen Aufzählung, so findet mau fast genau das gleiche Verhältnis« der Bctheilignng der einzelnen Bcrnfsarten an den Tierquälereien. Insbesondere kommt auch im Berichtsjahre wieder beinahe die Hälfte aller Fälle aus Rechnung der Gcschirrführer u. s. w. Wendet man sich nun zu den verschiedenen Thiergatiungen, gegen die in den 208 Fällen gesündigt worden ist, so crgicbt sich Folgendes: Pferde 112 Fülle, Hunde 54. Katzen 16, Schweine 6, Hühner 5, Rinder 5, Esel 3, Kälber 3, Kaninchen 2, Frösche >, Brieftauben 1. Wie im Vorjahre, so mußte der Vor stand des Leipziger T h i e rs ch n ß v c r e i n s auch am Schluffe dieser Aufstellungen auf die leider nur allzuhäufigc lieblose Vebaudlung von Tieren Hinweisen, die energisch bekämpft werden muß. Gemeint ist besonders das Verfahren «Einpfcrchcn in zu enge Käfige» an manchen Gcflügelstündcn, das Anbinden der Hunde an Fahrräder während der Fahrt, das überflüssige Schinden der Hunde beim Cvupircn, das unbedeckte Stchenlassen der Zughunde bei Nässe und Kälte, das Aufsitzen der Hundegeschirrführer Mler'r MMofser »mir U M FF 8 kvtvrsstrL88o 8. V. ir.-I*. rii bcrioboll äurcd meins badrilt oäer äerell Verll»ut»eo«hLüe.
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