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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.03.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-19
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030319023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903031902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903031902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-19
- Monat1903-03
- Jahr1903
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Abend-AnSgave ripMer Tageblatt Haupt Filiale vreadeu: Stredteier Stroh« a. Femfprrchee Amt I Nr. 171» NrLaktion and Erveditio«: Johann«»,aff» 8. Ferulprichei lbö and SSL FkUnl^pebttt»»»», AIft»h Hahn, v»chye»dl-„ üawersitüteste.l^ 8. üdsch«, Kalhartxnft, la, a. Ksm-spt. 7. VezugS-Prei- ße ßer Hauptexpeditto» «dee o»«a U^ab»> stalle» ab,«holt: oterteliührltch ^» ».—^ d«t zw»imoli-er täglicher gostellona in» Hou» 8 7L. Durch Vte Poft bezog«» für Deutfch- buck u. Oesterreich »ertrljährlich « so, stt» hto ickri-e» Land«» Um« Zeitua-sprrisUst«. Anzeiger. Amtsblatt des Äömgl'ichen Land- und des Äönigkichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates nnd des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Str. 112. Donnerstag den 19. März 190A Anzeigen-Preis di« «gespaltene Petttzeile 2L H. R«kla««a uuttr d«m RedaktiouSstttch (SgespaUeo) 7K vor den FamUieuaat^ richte» (S-«spalte») SV kabellarNcher and ttifferusaß entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offrrteaannahm« LS H («xcl. Porto). t^rtra-Beilagen gefalzt^ .'«r mit d« Morgea-Auöaab«, ohne Postbewrderuug etz Ä.—. uit stoNbcsürtXkrnng X 70^. Auuahmeschlaß iiir Ltyeigeu: Ab«»d-Uns-ad«r »ormittogs tv Uhr. vlor-«,.Itla»-ab«: Nachmitlag« 4 Uh» Unze«gen stad stet« an dl« ExpadUtm» za richten. Di« Expedition ist Wochentag« nnnnterbroch« geöffnet von früh 8 bi« abend« 7 Uh» Druck and Verlag von G. Polz i» Leipzig. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, IS. März. Die Restirrbeiten de» Reichstags. Der vorgestrige siyungsfreie Tag hat dem Reichstage neue Arbeitskraft verliehen. Das Hau» ist in daS Stadium des Aufarbeitens her Reste der laufenden Tagung eingetreten und hat gestern in LsHstündiger Sitzung in raschestem Tempo ein stattliches Pensum be wältigt. Der Vertrag mit Luxemburg über die Verlängerung des Verhältnisses der luxemburgischen Eisenbahnen zum Reiche wurde debattelos endgültig an genommen. Nicht viel mehr Mühe machte die Verabschie dung der Novelle zur Seemannsoronung, die einen Flüchtigkeitsfehler in dem noch nicht in Kraft getretenen Gesetz beseitigt. Der agitatorische Versuch der Sozialdemokraten, bei dieser Gelegenheit andere angebliche „Unstimmigkeiten" auözumerzen, mißlang abermals. Von den zurückgestellten Etatspositionen des Reichsamtes des Innern bot nur die Forderung für die Beteiligung des Reiches an der Weltausstellung in St. Louis 1904 Anlaß zu einer kleinen Debatte, die hauptsächlich dem Mangel eines Urheberichutzvertrages mit -en Vereinigten Staaten galt. Graf Posadorvsky versprach, sich be mühen zu wollen, einen Spczialvertrag zu erlangen, durch -en wenigstens während der Ausstellung und innerhalb einer Schutzfrist nach derselben die in St. Louis ausge stellten Werke der deutschen Literatur und Kunst vor räube rischer Ausbeutung geschützt würden. Ueber die Aus stellung selbst wurde gestern im Reichstage gar nicht ge sprochen) man hatte darüber vorgestern in der Budget kommission ausführlich verhandelt und kam deshalb im Plenum nicht darauf zurück. Auf die vortrefflichen Dar legungen des Grafen PosadowSky und des Ausstellungs kommissars Geheimrat Lewald ward von den Rednern nur kurz Bezug genommen. Man sieht bei diesem Anlaß wieder, daß die Verlegung des Schwergewichts der Be ratungen vom Plenum in die Kommissionen, über deren Verhandlungen meist nur dürftige Berichte in die Oeffent- ltchkeit gelangen, eine Ungehörigkeit ist. Abg. v. Tiede mann hat zwar ein längeres, gewiß vortreffliches Referat über die KommissionSverhandlungen erstattet, aber dem Berichterstatter hört bekanntlich kein Mensch zu, und wer eö möchte, kann cs nicht, weil das Haus zu un ruhig ist. Auch der Etat fürOstasien wurde nach den vorgestrigen Beschlüssen der Bubgetkommission er ledigt, und zwar fast ohne Debatte. Vergebens bemühte sich Staatssekretär v. Richthofen, das Haus umzu- stimmen. Statt l2 wurden nur ö Millionen bewilligt. Der Reichstag hat damit fast einstimmig zum Ausdrucke gebracht, daß er die Liquidation der ostasiatischen Ex peditton nach Möglichkeit beschleunigt sehen will. „Ein König gegen eine Frau." Getreu dem Grundsatz«, in Sachen der Dresdner Kata strophe auf Vie Seite derjenigen Persönlichkeit zu treten, welche den monarchischen Gedanken schwer geschädigt hat, d«. kämpft der „Vorwärts" auch den Ausruf König Georgs an das sächsische Volk. Unter der Ueberschrifl „Ein König gegen eine Frau" wendet sich das ioualdemo» kratische Zentralorgan insbesondere gegen die Feststellung des Könige, daß der Katastrophe nicht geheimnisvoller Trug, vielmehr lediglich „die ungebändigte Leidenschaft einer schon lange rm stillen tief gefallenen Frau" zu Grunde liegt. Wenn König Georg so sprach, hatte er hierzu wegen der <Lt>mmung weiter, irregefübner Kreise seines Volkes das beste Recht'; ja, man darf sogar behaupten, daß er bloß eine königliche Pflicht erfüllte, indem er, sicherlich schweren Herzens, zu dieser öffentlichen Feststellung sich entschloß. Solchem Rechte und solcher Pflicht gegenüber ist der sozialdemokratische Hin weis aus das christliche Wort „Wer unter Euch ohne Sünde ist. der Werke den eisten Stein auf sie", am wenigsten am Platze. Der Stein der königlichen Kundgebung wäre nicht geflogen, wenn nicht die tief gefallene Frau im Bewußtsein ihrer Vergebungen gegen die Veröffentlichung der Begründung drS sie verurteilenden RichiersprucheS Einspruch erhoben hätte und wenn nicht das sie trotz vieles SpruckeS verteidigende und verherrlichende moralische Zubälterlum Steine gegen das ganze königliche Hau« geschleudert hätte, die abgewedri werden mußten. Ebenso unberechtigt wie der Hinweis auf rin Heilandswort ist der weitere Einwand des „Vorwärts", daß mit der Andeutung König Georgs dem Klatsch und der Verleumdung neue Anregung gewäbrl werde. Die Andeutung eniziebt lediglich dem elenden Klatsche und der böswilligen Verleumdung den Boden. Auf die angeführten beiden Punkte kommt es übrigens dem „Vorwärts" weit weniger an, als darauf, aus diesem Anlasse der sozialdemokratischen Sittlichkeit einen Denkstein zu setzen. Das geschieht in folgender Auslassung: „Gleichwohl, trotz dieser nachträglichen Beschuldigung wäre die längst tief geiallene Frau eine gefrierte, byzantini ch ongeschwärmte Königin geworden, wenn sie ihrer ungebändigten Leidenschaft weiter eben nur im stillen gelebt hätte, wenn sie nicht den Mut gesunden hätte, die Läge abzuaerfen und sich zu ihrer Leidenschaft offen zu bekennen. Gerade das, was diese Frau und ihr Schicksal achtungswürdig bei allen Menschen reinerer und freierer Sittlichkeit macht, gerade ihr stolzer WahrheitSmut hat sie der Hofmoral als verderbtes Geschöpf erscheinen lassen. . . . Der Erlaß des Königs muß geeignet sein, der unglücklichen Frau verstärkte Sympathien zuzuwenden. Denn er beweist, daß am sächsischen Hose moralische Anschauungen herrschen, in denen eine feinere Natur nicht atmen kann. War die Prinzessin Luise wirklich längst gefallen, so hätte die Ehe eben längst — nach der bürgerlichen Moral — getrennt werden müssen." Wir wissen nicht, wie oft vor der Katastrophe der säch sische Hof gegenüber der Prinzessin Luise zunächst daS vom „Vorwärts" berangezogene chrisll che Wort „Wer unter Euch ohne Sünde ist", zur Anwendung gebracht bat, oder ob erst der EbescheidungSpi ozeß ergab, daß die Prinzessin Luise längst gefallen war. Aber soviel st ht fest, daß kein Mensch in Sachsen, und am Hose zu allerletzt,der Prinzessin Luise das Recht zugebilligt hätte, dauernd ihrer ungebändigten Leidenschaft im stillen zu leben, geschweige denn, daß sie wegen ihrer ungebänvigtrn Leidenschaft vywntinisch angeschwärml worden wäre. Zu solcher byzantinischen Verherrlichung der ungebändigien Leidenschaft erbebt sich auch heute wieder der „Vorwä'is", ganz wie cS vorher auch andere sozialdemokratische Blätter getan haben. Aber das soziale em okra l ische Z en t r al» organ vergißt dabei vollständig, daß es sowohl selbst wie die „Sächsische Arbeiterztg." den Maß stab zur Beurteilung dieses Verhaltens geliefert bat. Denn der „Vorwäris" bat, als Prinzessin Lurse die Nervenheilanstalt bei Genf aufiuchte, u. a. wörtlich ge schrieben: „Es war da» „Verhängnis" der Kronprinzessin Luise, daß sie den Weg in die Freiheit nicht finden konnte im freien Geistesentschluß, daß sie, um in ein neue» Leben zu gehen, sich der Leidenschaft zu einem Manne überließ, durch den sie Rettung erhoffte und dessen Charakter sie offenbar in ihrer Seelennot falsch rtnlchätzte." Und die „Sachs. Arbeiterztg." schrieb zur selben Zeit: „Es hieße die Tatsachen verkennen, wenn man nicht sagen wollte, daß das Zusammenleben mit Giron der Prinzessin viele Sympa» thien auch in solchen Kreisen raubte, die ihre Trrnnung von der Hofgesellschaft freudig begrüßt halten. Der vollkommene Widerspruch, in dem die damalige Auslastung des „Vorwärts" mit feiner heutigen steht, springt >n die Augen. Damals hat das wzialdemokralische Zentral organ, unter dem Eindruck einer Anwandlung natürlichen und reinen SillkichkeitgefübleS, es akS da» „Verhängnis" der Prinzessin Luise bezeichnet, daß sie sich ver Leidenschaft überließ; heute erscheint grave wegen jener Hingabe an die Leidenschaft die Prinzessin Luise dem „Vorwärts" als achiungSwürdig „bei allen Menschen reinerer und freierer Sittlichkeit"! Die wahre sozialdemokratische Sittlichkeit kommt ohne Zweifel heute im „VorwäitS" zur Geltung: der wirkliche Werl des Geredes von feineren Naturen, die am iächsischen Hofe wegen der hier Herrickenden moralischen Anschauungen nickt aimen können, ist durch die frühere Aus lassung VeS „Vorwärts" erwiesen. Deutscher Besuch in Mexiko. Aus Mexiko, 20. Februar, schreibt man uns: Bor einigen Wochen hatte die deutsche Kolonie einmal wieder die Freude, einige angesehene Gäste aus der Heimat unter sich zu begrüßen, die als Gäste unseres Kaiser» mit dem Dampfer „Moltke" nach Havanna gekornmen waren und von dort einen Ausflug nach Mexiko unter nommen hatten. Unter ihnen befand sich der Hauptmann Herr Albert v. Hahnke, die Oberleutnants Herren Wil helm v. Nenthe und Freiherr v. Uslar-Gleichen, sowie der Legations-Sekretär Herr v. Verdy du Vernois. Leiber blieben die Herren nur kurze Tage unter uns, trotz liebenswürdiger Aufnahme und Beachtung in allen unseren Kreisen, vor allem durch den Kaiserlichen Okkiixö ck'akkrnre», Freiherrn I)r. v. Floockher, in dessen bübscher Villa Coyoacan von ihm und seiner anmutigen Gemahlin den Kaisergästen ein ebenso gastfreies, wie liebenswürdiges Willkommen geboten wurde. Dank den Bemühungen des Herrn v. Floockher hatten die Herren Offiziere Gelegenheit, sich durch persönliche Besichtigung von dem Stande der mexikanischen Ka sernen, der Kriegsschule ufw. zu überzeugen, und auf dem Abschiedsfeste in der Kaiserlichen Gesandt schaft, an dem auch höhere mexikanische Offiziere teil nahmen, hielt einer derselben, ein persönlicher Ad- jutant des Präsidenten, General Porfirio Diaz, in fließendem Englisch eine mit Begeisterung aufge nommene Rede auf unfern Kaiser, die durch einen der Anwesenden in spanischer Sprache mit einem beredten Trinkspruch auf den Landes-Präsidenten erwidert wurde. Ein« besondere Ehre und Freude für die Herren war es, daß sie vom Präsidenten, Porfirio Diaz, in Prtvataudienz empfangen wurden; der Präsident sprach bei dieser Gelegenheit sein« Sympathien für Deutschland aus. Verstimmung zwischen Rußland mrd Italic«. Aus R o m wirb uns — wir geben die Korrespondenz mit Vorbehalt — berichtet: In allen unterrichteten Kreisen wird zugegeben, baß die gegenwärtige Stellung Italien» zu der Ortentsrage nicht den Erwartungen ent spricht, welche man in Nom, sowohl am Hose, wie auch in der Regierung noch vor Jahresfrist hegte. Ver gleicht man die heftigen Reden, welche damals in ber Kammer gegen Oesterreich geführt wurden, well dieses angeblich den Italienern ihr berechtigtes Inter essengebiet in Albanien entreißen wolle, mit der jetzigen Sprache aller politischen Kreise, so erkennt man sofort den großen Umschwung, der in der öffentlichen Meinung ein getreten ist. Damals unterstützte die Regierung offen kundig die albanesische Agitation in Italien und einfluß reiche Abgeordnete der Regierungspartei erschienen auf dem Albanesenkongreß in Neapel, um den albanesischen „Brüdern" die moralische und materielle Unterstützung des gesamten Italien zuzusaaen. Unter dem Eindruck dieser Bewegung machte König Viktor Emanuel seinen Besuch in Petersburg, und in Italien wiegte sich jedermann in der Hoffnung, daß nunmehr Italien wieder eine hervor ragende Rolle als Großmacht spielen werbe; denn mit Unterstützung Rußlands, so hoffte man, werbe Italien nicht nur in Tripolis, sondern auch kn Albanien festen Fuß fassen können. Angeregt durch seine aus Montenegro stammende Gemahlin befaßte sich der junge König sogar mit dem Gedanken einer neuen kirchlichen Bewegung im Orient, welche den Katholizismus und die orthodoxe Kirche einander näher bringen sollte. Bon seinem Besuche in Petersburg kam der König auch noch mit großen Hoff nungen zurück, aber sehr bald darauf zeigte es sich, baß man in Rußland die italienischen Pläne doch sehr kühl und zweifelnd zu beurteilen begann. Die Bedeutung Italiens als Mittelmeermacht zu heben, konnte weder im Interesse Rußlands noch seines französischen Verbündeten liegen, und Italien durch Begünstigung seiner Ansprüche auf Albanien in die Stellung einer Mit Rußland und Oesterreich gleichberechtigten Groß- machtauf der Balkanhalbinsel zu bringen, mußte von den russischen Politikern zurückgerviesen wer den. In diesem Falle traten alle Sympathien für den neuen Freund und alle sonstigen politischen Spekulationen in den Hintergrund: Einen neuen Wettbewerb künstlich auf der Balkanhalbinsel großzuziehen widersprach den elementarsten Forderungen der russischen Orientpolittk. Zugleich aber fürchtete man auch, daß die italienisch-alba nischen Beziehungen den Kanal für eine neue Einwir kung Englands in die Balkanwirren schaffen würden. Diese Anschauungen Rußlands wurden bei wiederholten Anlässen der italienischen Regierung gegen über ziemlich deutlich zu erkennen gegeben. Als daher das römische Kabinett bet der Aufrollung der makedonischen Frage sowohl in Wien als in Petersburg die vertrauliche Anfrage stellte, ob nicht die makedonische Angelegenheit von vornherein zu einer „makedonisch - albanesischen Frage" erweitert werden könne, für deren Lösung Rußland, Oesterreich und Italien gemeinsam eintreten sollten, wurde diese Anregung von russischer Seite zwar sehr höflich, aber doch entschieden abgewiesen. Hierdurch entstand eine recht begreifliche Verstimmung in Rom, womit jeden falls l?) auch die Verschiebung des Gegen- besuche» des Zaren in Verbindung steht. Feuilleton. m Miß kachel Saltonn. Roman von Florenc« Marryat. Vlo-Vdrua verboten. „Wer ist Ihr Arzt?" fragte Rachel schnell, da sie sich vor einer Fortsetzung dieser Enthüllungen fürchtete. „Mr. Bolton, ber Gcmeindearzt dieser Gegend. Er soll sehr tüchtig sein." „»per bei Rheumatismus und ähnlichen Leiden braucht man einen Spezialisten, Miß Montrie. Hat er Ihnen denn geholfen? Geht e» schon besser?" „O ja, viel bester, liebe Miß Saltonn. Bor vierzehn Tagen konnte ich nicht auf meinen Füßen stehen." „Und jetzt geht eS auch noch kaum", warf ihre Schwäge- rin ein, „und während der Stacht leibet sie noch schrecklich. Was nutzt es, es zu verheimlichen, wenn Robert und ich dich doch bei jeder Bewegung stöhnen hören?" „Es ist ja mitunter recht schlimm, Amelia, aber wir wollen Miß Saltonn nicht damit quälen. Sie ist nicht daran gewöhnt, von Armut und Leiben zu hören, Gott sei Dank. Erzählen Sie mir, wie eS bei Ihnen geht, Miß Saltonn", fuhr Miß Montrie fort. „Sie sind wohl und Mfrieden und entspricht Ihre neue Gesellschafterin allen Ihren Wünschen?" Rachel lachte etwas kurz auf. „O, mtr geht cs ganz gut, Miß Montrie. Wir hatten aber in ber vorigen Nacht Feuer in den Ställen. Glücklicherweise wurden die Pferde gerettet und so ist ber Schaben zu ersetzen." „O, Miß Saltonn, Feuer? Wie schrecklich! Gott sei Dank, daß Sie nicht verletzt wurden!" rief Miß Montrie, die Hand« faltend. „Glücklicherweise wurde niemand ernstlich verletzt; aber einer von den Herren verbrannte sich die Hand, als er den Pferden zu Hülse kam. Es war Mr. Salier, der Künstler, ber da» herrliche Bild „Dir Geburt des Früh- ltngß" gemalt hat, La» Sie im vorigen Jahr« in ber Aka demie so sehr bewunderten. Er malt jetzt dir Paneele meine» Drawing-Room» au», »md ich arbeite selbst sehr fleißig unter seiner Anleitung. Ich mochte mich so gern tm Zeichnen vervollkommnen, tch bin in der letzten Zett zu träge gewesen." „O, liebe Miß Saltonn, Sie malten immer wunder schön. Erinnern Sie sich noch, wie Sie mich mit meiner alten Katze auf dem Schoße malten und alle die Karika turen, die Sie in Brighton machten- Amelia, bitte, nimm sie aus der Sandelholzschachtel auf dem Toilettentisch und zeige sie Miß Saltonn; es wirb ihr Spaß machen." Die Schwägerin reichte Rachel ein kleines Päckchen Papiere, in denen sie verschiedene kleine Federzeichnungen erkannte, die sie flüchtig gemacht und meggewvrfen hatte. Gab es irgend einen anderen Menschen in der Welt, der dergleichen um ihretwillen ausbewahrt und gehegt haben würde, wie es diese treue alte Seele getan hatte? Bei dem Gedanken schnürte sich ihr förmlich die Kehle zu sammen. ,^Wozu haben Sie all diesen Plunder aufbewahrt, Sie törichte alte Frau?" fragte sie in scheinbar leichtem Tone. „Ach, Sie werden es doch nicht für töricht halten!" lautete die Antwort. „Es gehörte ja Ihnen, und alles, was mich an Catherstone erinnert, hat großen Wert für mich." „Nun, ich muß sehen, daß ich etwas Besseres finde, was Sie an mich erinnern kann", sagte Rachel aufstehend; „und ich werde nicht wieder so lange mit meinem Besuche warten. Uebrigens werde ich Ihnen Doktor OSborne schicken. Er soll sich besonders gut auf Rheumatismus ver» stehen und wird Sie gewiß schneller als irgend ein anderer Herstellen." „Ich weiß, daß er sehr geschickt ist, Miß Saltonn, und e» ist sehr freundlich, daß Sic wünschen, baß er mich be sucht", erwiderte Miß Montrie mit etwas erschrockenem Gesicht, „aber seien Sie nicht böse, ich weiß auch, wie viel seine Besuche bei Ihnen kosteten, und ich muß jetzt sehr vor- sichtig und sparsam sein, weil ich noch nicht weiß, ob tch im Winter wieder arbeitsfähig sein werde." Rachel blickte die arme alte Dame an, deren Hände von ber Krankheit gekrümmt waren, und großes Mitleid mit dem armen hülslosen Wesen, das von ihrer Güte ab- hängig war, kam über sic. „Machen Sie sich keine Sorge um Doktor OSborneS Honorar", sagte sie errötend — denn sie war nicht ge wohnt, ihre Wohltaten persönlich zu erweisen —, „das ist meine Sorge, Miß Montrie. Beeilen Sie sich nur, gesund zu werden, ebr da» schöne Wetter ganz vorllbergeht." Darauf eilte sie zu ihrem Wagen hinunter, ohne den Dank abzuwarten. mit dem die beiden Frauen sie über häuften. * * * In strahlender Stimmung kehrte sie nach Hause zurück. Sie war so froh, als ob ein kleiner Singvogel ihr im Herzen zwitscherte. Daß das die erste Frucht war, die sie einer wahrhaft wohltätigen Handlung verdankte, ahnte Rachel selbst nicht. Sie fühlte sich nur ungewöhnlich glück lich. Noch ehe der Vormittag vorüber war, kam jxdoch ein Rückschlag. Sie und Mrs. Cranley waren allein, und diese klagte sehr, daß sie einen schmalen Goldreif, das Geschenk eines früheren Verehrers, vermisse, den sie immer am rechten Handgelenk getragen und der plötzlich verschwunden war. „Ich habe ihn überall vergeblich gesucht", sagte sie ärgerlich. „Es ist unbegreiflich!" „Sind Sie im Garten gewesen?" fragte Rachel. „Nein, liebe Miß Saltonn, das ist ja gerade da» Merk würdige. Ich bin den ganzen Vormittag in meinem Zim mer gewesen und habe das HauS gar nicht verlassen." „Dann muß Ihr Reif im Haufe sein", fügte Miß Sal- tonn ruhig hinzu. Sie kliugelte und befahl den Dienst boten, eine gründliche Haussuchung nach Mr». Cranleys Eigentnm anzustellen. Es wurde lange ohne Erfolg gesucht; aber gegen Abend erschien ein Diener mit dem verlorenen Schmuckstück, das er, in Papier gewickelt, Mr«. Cranley überreicht«. „Entschuldigen Sie, Madam, die Haushälterin läßt fragen, ob dies Ihr Armband ist. Das zweite HauS- Mädchen hat im Drawing-Room aufgeräumt, nachdem Mr. Salter fort war, und hat dies an der Wand hinter Miß Laltonns Staffelei gesunden." Kate Cranley machte schleunig das Papier auf und wurde sehr rot, als sie den Reif ergriff und über das Handgelenk schob. „Ja, das ist er; vielen Dank", erwiderte sie und wandte sich ab, als ob sie nichts weiter davon hören wollte. Aber Rachel hatte von ihrem Buche aufgeblickt und die Erklärung des Diener- angehürt. „Was heißt daS, Mr». Cranley?" fragte si«, als sie wieder allein waren. „Wie kann Ihr Reif in den Drawing-Room gelangt sein, wenn Sie den ganzen Tag oben in Ihrem Zimmer waren?" „Nun, ich war allerdings den größten Teil des Tage» in meinem Zimmer", erwiderte MrS. Cranley etwa» ver wirrt; „aber Sie willen wohl, Miß Saltonn, daß Sie mich einst ausforderten, Ihre Malstudten zu teilen, und so ging ich rin wenig hinunter, um zu sehen, ob mein« tzing«r nickt schon ganz ungeschickt geworden sind." „Sie wollen sagen, daß Sie -ort malten?" jawohl, ich malte ein wenig. Ich hoffe, Sie finden kein Unrecht dabei." „Unrecht?" wiederholte Rachel mit emporgezogenea Lippen. ,>Was für ein Unrecht könnte darin liegen, wenn Sie dasselbe tun wie ick? Meinen Sie ein Unrecht gegen sich selbst oder gegen Mr. Salter- Das Einzige daran ist, daß er aus besonderer Liebenswürdigkeit darauf ein ging, meine Studien zu leiten, und daß ich nicht möchte, wenn er glaubte, ich wollte ihm zwei Schülerinnen statt einer aufdränaen." Kate Cranley tat sehr demütig und erschrocken. „O Gott! O Gott! Ich hoffe, er hielt es nicht für aufdring lich, daß ich meine Staffelei neben der Ihren aufstellte. Ich hätte nie daran gedachf, wenn Sie mich nicht freund» licheriveife dazu aufgefordert Hütten, und nun fürchte ich, daß Sie ärgerlich auf mich sind." „Ich wollte. Sie hätten damit gewartet, bi» tch selbst hier war, um Ihr Erscheinen zu erklären", sagte Rachel. „Ick forderte Sie allerdings auf, mit mir zusammen zu malen; aber da» war, ehe Mr. Salter mir anaeboten hatte, mtr bei meiner Arbeit zu helfen. Haben Sie auch da» Paneel kopiert, welche» er malt?" „Ich versuchte e» auf meine bescheidene Weise. Natür lich kenn« ich ja meine Unzulänglichkeit; aber Mr. Salter war freundlich genug, die Zeichnung und da» allgemeine Kolorit zu loben." „Es darf nicht wieder geschehen", sagte Rachel kühl. „Ich bitte um Verzeihung . . ." erwiderte Mr» Cran ley, als ob sie nicht richtig gehört hätte. „Ich muß Sie leider bitten, Ihre Staffelei wieder auf Ihr eigenes Zimmer bringen zu lassen", wiederholte Rachel. „Ich versprach Mr. Salter, daß er den Drawing- Room gan- für sich haben sollte, und ich würde mich selbst ihm nicht aufgedrängt haben, wenn er mich nicht dazu überredet hätte." „Ohl Lat er das?" warf Mr». Cranley ein. „Natürlich würde ich sonst nichts dagegen haben, daß Wit sich un» anschließen", fuhr Rachel fort, ohne die Be merkung ihrer Gefährtin zu beachten. „Mr. Salter nimmt indes keine Schüler an, da» hat er so deutlich ge äußert, daß tch selbst zögerte, sein spätere» Anerbieten an- »»nehmen. Aber wenn wir beide Vorteil daraus zögen, dann würbe er es wie eine Ausnutzung seiner Freundlich keit ansehen. Sie verstehen mich wohl?" „O ja!" rief Mr«. Cranley an«. „Ick »'ersiehe sehr
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