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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-15
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190303152
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19030315
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19030315
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-15
- Monat1903-03
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1903
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BezugS-PreiS i» dor Haupteiprditton oder deren Llelgad». stelle» abgeholt: vterteltShrttch S —, bet poe,»wtta»r täglicher Zu stell u na t»« H«ls ^s ».7» Dur« die Pest bezöge» stir Deaffch. lan» » vesterreich vlertelfährNck 4.SV, für stt» iwrißea Lüoder laut Zettt>ng«prri«liste. «EtzstkN»» >»tz Ek»ttiNo«r -°d<»»»t»tzaff« 8. Versprecher »4 »ad »2» Ftlt»l«py,dMp»«»r Alfred Hatz», v»chha,dtg„ tlutversität-ftr.S, L. Lischt tkathart»eaftr. 14, ». Küutg-pl. 7. Haupt-Male vrerve«: Strehlearr Gtrotz» «. Fernsprecher AM t Atz. 1?1ß. Haupt-/lltalr Strii», Tnrl OmtK-r, Hreztzi B»,r Hvfb»ck»a«dttz„ Lllhckvstrotz, 1V. Fernsprecher Amt Air. 4S0», Nr. M. Wp)Mr TaMaü Anzeiger. Amtsötatt -es Königlichen Land- und -es Sönigkichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates und -es Votizeiamtev -er Lta-t Leipzig. ---.V —- > .... . .. Sonntag den 1K. März 1903^ Mnzeigen.Pret- dte 6 gespaltene Petitzeüe LU Reklame» unter dem Redoktion-strtch Ggeipaüe») 7» vor den Famtltranach- richt»» lk gespalten) K0 Tabellarischer m»d Zlffernfotz entsprechend höher. — Gebühren für Nachwrlsunge» und Offrrtenaanahm« Lk Ls (rxel. Porto). Erlr» vetlagr« (stesalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Softbeiördervng 60.—> mit Postbesürdernag ck 70.—. Aanahmeschluß für ^uzetgr«: Abend-Ausgab«: vormittags lv Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag« 4 Uhn U»-«tge» find betr an dl« Gxpedttl»» zu richten. Die Expedition ist Wochentag« innniterbrvche» geSffaet von früh 8 bis abeads 7 llhr. Druck »ad Verlag von E. Polz in Letpetq. 97. Jahrgang. Aus der Dvoche. Hatzen die Unmittelbar vor demWibrrrns de« Bischofs Karum an dieser Stelle au«gesprochenen Bcfllichiunzen auL jetzt »och zu gelten? Ist der Stein des Anstoßes wi> klick au« de« Weg« geräumt? Sieht Preußen am Beginn einer ««»kn Aera eine« nicht faulen Frieden« zwischen Staat »d Kirche oder, um e« weniger allgemein zu fassen, zwischen der paritätischen Schule und dem Klerikali-mu«? Die Antwort auf alle diese Fragen lautet nickt allzu günstig, wenn man sie in Dasbach« Worten sucht. Diese« Trierer Musterexemplar eine» Hrtzkaplan« erktält nach wie vor, die Kanzel - Beikiindigung vom letzt«« V»n«tag habe die Lage nur wenig geändert. 8s sei auch fernerhin für di« katholischen Eltern ernsteste Ge- miffen«pflickt, ihre Kinder der paritätischen Schul« ohne di« gewichtigsten Gründe nicht anzuvertrauen. E« warf auch von vornherein auf den ganzen Rückzug Korum« kein erfreuliche« Lickt, daß da« „Stimme der Wahr- beit* sich nennende Hauptorgan de« Vatikan« an demselben Tage, d«r den Widerruf iu Trier bekannt werden ließ, davon sprach, wie di« traditionelle Unduldsamkeit gewisser Pro testanten sich wiederum in grellsten Farben gezeigt babe durch de» „unanständigen Lärm" über Korum« Erlaß und di« „kleinliche und lächerliche Ausbeutung* der Angelegenheit gegen die Abbröckelung de« Iesuitengesetze«. Wert oder Unwert de« Erreichten dürfen wir aber natürlich nickt lediglich nach den Stimmen dieser traurigen Gesellen er messen, mit denen e« niemal« Frieden oder auch nur einen anständigen mocku» vivoucki gede» kann. Ruhigere oder viel leicht opportunistischereOrganede« UltramontaniSmu«finden sich mit der Sach« einigermaßen würdevoll ab und legen den Schwer punkt ans di«Eiwartung, daßdirpreußischeRegierung di« »ouihr selbst al« berechtigt anerkannten Beschwerden adstellrn werde. Wenn, um zwei Gegenstücke bervorzubeben, die „National- Ztg.' uuter dem Eindrücke der ersten, aber unvollständigen Meldung über den Inhalt de- Widerruf« erklärte, Gras Bülow babe den Trierer Bischof zu einer Unterwerfung unter die Staatsgewalt genötigt, wie sie derart in Preuße« noch nicht dagrwesen, die „Deutsch - Evan- gelifche ' Korrespondenz* aber fand, die Niederlage der Regierung sei vollständig, — so liegt sür un« die Wahrheit in der Mitte. Daß auf Verlangen der preußischen Regierung einen bischöflichen E>laß al« nicht geschehen zu betrachten, allem Volk« von denselben Kanzeln au« empfohlen wird, auf denen man ihn kurz zuvor verkündet batte, ist und bleibt eia Eifolg. Don einem glänzenden Siege zu sprechen, ist dagegen unmöglich. Denn Korum nimmt sein Elaborat nicht iu einer Form zurück, die da« Eingeständnis eine« durch Leidenschaft bedingten Irrtum« auch nur andeutete Seine Eiklärung geht lediglich dahin, die im preußi schen Landtag und beim Vatikan auSgesprvchenen An- schauuagen der Regierung batten erkennen lassen, daß sie von sich au« bereit sei, die katholischen Beschwerden abzustellen. Dies« Form läßt di« Deutung offen, daß Korum sich für berechtigt hält, gegen eine Institution de« Staates in der bekannten Weise auch fernerhin vorzugebeo, wenn fest- stehen sollte, daß der Staat keine Remedur im Sinne de« klerikalen Anspruch« eintreten lassen will. Trotz dieser nicht ab,»weisenden Deutung besteht der Erfolg der Regierung, «eil die Fassung der Sätze ohne Frage nicht« Provo zierende« hat, au« ihnen vielmehr der Wunsch sprich», bei dem unvermeidlichen Rückzüge wenigsten« einige Würde zu retten. Vollständiger würde der Ersolg erscheinen, wenn sich berausstrllen sollte, daß Herrn Korum« Erfahrungen wenigsten« sür geraume Zeit abschreckend wirken und daß der klerikale Abscheu vor der paritätischen Schule eine Zeit lang zu den Dingen gehört, die der Geistliche zwar denkt, aber nicht sagt. Für die Beurteilung von Bülow« Ansehen und dessen Beeinflussung durch den ganzen Verlass dieser Angelegenheit wird di, Erwägung in Betracht kommen, daß er, rein diplomatisch genommen, «ae» Eifolg über eine» Machtfaktor erzielt hat, mit dem nicht leicht verhandeln ist. Er bat vor allem mehr erreicht, al« nach seinen eigenen Erllärungen zu erwarten ge wesen war. Bon einer großen Tat aber kann schon des wegen nicht die Red« s«in, w«il in Rom von vornherein di« Neigung bestanden hat, da« Trierer Feuer nicht zu einem allgemeinen Braud« sich entwickeln zu lassen. Nicht empört ist der Vatikan gewesen über die dreiste Hera»«- sordrruug de« Staate«, lediglich unpraktisch hat man da« Vorgehen Korum« gesunden, wie e« ja auch dem Zentrum nicht gefallen konnte, da« sür den Kampf gegen die Sozial demokratie dir Bunde«genosse»schaft de« lieben guten Bürger tum« anderer Konfession nicht entbehren möchte. B«i solchen Dispositionen der klerikalen Seite bedurfte es für einen leidlichen Erfolg nicht gerade eine« Meisteo stücke«. Und dann bleibt ja der Eindruck von Bülow- Rede, Ütze« den Trierer Fall unberührt durch da« hinterher Erreicht^ nämlich d«r Emdruck, daß dor »tzorste Beamt« dm Reiche« «ad von Preußen zwar «ine geschickte, selten eine feste, niemal« aber tioe rauhe Hand für die finstern Mächte haben wird. Da« deutsche Reich, der preußische Staat zeigen sich unter seiner verantwortlichen Leitung nicht al« eia Felsen» a» dem auch nur mäßig harte Wogen de- Klerikali-mu- abprallen, ohne eine Spur zu hinterlassen. Darum ist auch nach der äußerlichen Zurück nahme de- skandalösen Erlasse« durch seinen Urheber nicht der geringste Grund vorhanden, die Konsequenzen, die au- seinem Vorgehen Protestantismus und Liberalismus geivgen hatten, wieder rückgängig zu machen. Da« Gefäß war, um auf da« Wort de« „Tempo* zurück- zugrtifen, Übergelaufen. Der Strom, der sich über den Rand ergossen hat, kehrt in die alten Schranken nicht zurück, auch wenn der Gegenstand beseitigt worden ist, der ihn hinauSgedrängt hatte. Für die National-Gesinnten bleibt die Notwendigkeit bestehen, sich eng geschlossen zu halten gegen die Macht de- Klerikali-mu«. Nur ihr unerschütterlicher Widerstand wird un« vor den Iesaiten, deren Chancen für den Augenblick ein wenig gefallen zu sein scheinen, auch fernerhin bewahren. Wir freuen un«, Zahl und KampfeSmut ihrer Gegner von Woche zu Woche an wachsen zu sehen. E« wäre aber auch zum Verzweifeln, wenn nicht wenigstens den Gebildeten die Augen allmählich aus gegangen wären. Es fei erlaubt, hier nochmal« auf ein bezeichnende« Beispiel au- Frankreich hinzuweisen. 3m Pariser „Matin* wurde dieser Tage mit Bezug auf die Kongregationen geschildert, wie unmittelbar nach der Annahme de» Derrin-gesetzc« die Ordensbrüder sich verhalten haben. Da heißt e» nun: „Die Geriebensten, wie di» Jesuiten, erinnerten sich de« porincko ae eackavdr. Die Ironie de- Zusall« will, daß in diesem Worte da- Grund prinzip ihre« Wesen» liegt. So dachten sie den», da- sicherst« Mittel, nicht zu sterben, sei der Scheintot. Sie gingen nicht fort, blieben noch viel weniger da, — sie verflüchtigten sich. Eine schönen Tage» konstatierte man, daß e« in Frankreich keinen einzigen Jesuiten mehr gebe. Aber man bemerkte von dieser Stunde an, daß schwanke Schattengestalten, den Verstorbenen so ähnlich wie Blüver von der Gesellschaft Jesu, um die An stalten der einstigen Genossenschaft herumstrichev und schlichen unv mit aller Kraft ibren unwandelbaren Geist hineinbliesrn. Die Mark« bat gewechselt, die Ware bleibt die alte. Es gibt nicht einen einzigen Jesuiten weniger. Der Jesuit ist nicht zu fassen (intavgidlo). Wenn bei einer Hekatombe «in Einziger entwischt, so kann man sicher sein, daß er e« ist." Eine köst liche, treffende Schilderung. Sollt« sie nicht auch iu Berlin zu denken geben? Wenn bei der Vereidigung de« Erzbischof« von Köln der Kaiser in einer sür ihn selbstverständlichen, käme e« aber auf da« Verhalten der anderen Seite an, nickt gerechtfertigten Vornehmheit auch die leiseste Anspielung auf die Verfehlung de« Trierer AmtSgenossen verschmähte, so lag für Liberale und Protestanten bei der Beratung de« preußischen Kultu-etat« kein Anlaß zu ähnlicher Zurückhaltung vor. Leider gilt da« nicht für den mit Konservatismus verbundenen Protestantismus. Zentrum und Konservativ« habe» einander beflissen die Hand gereicht zum Kampfe gegen da«, wa« sie Unglauben nennen, ein Begriff, der io den Zeiten der ler Heinze, bei Beurteilung von Streichen und Strichen de« Zensor«, von liberalen Theologie - Professuren u. dgl. m. bekanntlich seine kautsckukartige Dehnbarkeit zu erweisen pflegt. Nur wo Protestantismus und Liderali«mu« sich harmonisch verbinden, ist wirklicher Verlaß auf den Widerstand gegen die schwarze Macht. Pfarrer Hackenderg bat auch hier wieder seinen Mann gestellt, indem er für die vollständige Freiheit der Wissenschaft eintrat. Aber auch di« Abgg. Sattler und Friedder g Haden gegen den reaktionären Vorstoß heftigen Gegenstoß geführt, wädrend der berufene Verfechter geistiger Freiheit, der Kultus- Minister Vr. Studt, sich fast nur defensiv verhielt und seine Hauptaufgabe in dem Nachweise suchte, daß der Staat da« Ver brechen emer Verletzung der Parität zu Ungunsten ter Katho liken sich nicht zu Schulde» kommen lasse. Nein, dat tut er ganz gewiß nicht. Dem guten Herrn Studt soll soga, zu seiner und seiner ultramontauen Widersacher — fast hätten wir gesagt, Freunde — Beruhigung bescheinigt werden, daß eetoris paridu« der Katholik auch in preußischen Landen heut» oftmals den Vortritt hat. Deutsches Neich. § Berti», 14. Mär». (Dir Feststellung der Glaubwürdigkeit der Zeugen.) Line der wichtigsten, aber »»gleich »er schwierigsten Fragen de« Strafprozesses, die Feststellung der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit bet' Zeugen, wirb in einem Artikel der Zeitschrift „Das Recht" eingehend behandelt. Nach der bestehenden Praxi- gilt »er Grundsatz, daß eine »e- schwrrepe Zeugenautfaga »»Sen vewet- liefert, wenn nicht besondere Umstände dagegen sprechen. Der vcr- fasse, hat gewiß rech», wenn er diesem Opi,mi-mu- dir pessimistisch« «»schau»«, ent«e«e»setzt, daß bet »er fotzen Sutzk »»» Mein,«»«», di« »uch t» «tr-fner-ahren ge leistet werben, der Glaube an die volle Beweiskraft von Zeugenaussagen auf sehr unsicheren Füßen stehe — so lange der Richter nicht über den Charakter des Zeugen unterrichtet ist. Um dies zu ermöglichen, verlangt nun der Verfasser deS erwähnten Artikels, daß bei Entschei dungen über Vergehen und Verbrechen etwaige Vor strafen der Zeugen und namentlich der Ruf, in dem sie stehen, durch -ie Ortsbehörde und die Potizei ermittelt werden soll; um ganz sicher zu gehen, soll die Polizeiverwaltung wiederum bei dem zuständigen Geist lichen, dem Bezirksvorsteher oder dem Waisenrat und bet einem etwaigen Auskunftsburcau Erkundigungen ein ziehen. Dieser Weg erscheint uns aus den mannig fachsten Gründen als durchaus ungangbar. Zunächst würde das Strafverfahren dadurch viel umständlicher und langsamer gemacht werden. Schon jetzt vergehen, dank der Umständlichkeit des Verfahrens und der Uebev- bürdung der Gerichte, selbst bet verhältnismäßig ein fachen Sachen oft Monate zwischen der Einleitung des Verfahrens und der Hauptverhandlung, und wenn man bei Sachen mit vielen Zeugen erst bei der Polizeibehörde über Vorstrafen und Ruf jedes Zeugen, und die Polizei behörde wiederum bei dem Geistlichen usw. Erkundi gungen einziehen müßte, so liegt es auf der Hand, daß die Anberaumung der Hauptvcrhandlung hinausgczügert würde. So würde unter Umständen die Wohltat, die dem Angeklagten durch -ie größere Sicherheit in der Feststellung der Zuverlässigkeit der Zeugenaussagen er wiesen werden soll, in das Gegenteil verkehrt werden, denn jeder Angeklagte hat ein Interesse an schneller Ab urteilung. Zum zweiten aber: würde denn eine der artige Feststellung zuverlässig sein? Gewiß, die Fest stellung der Vorstrafen eines Zeugen würde exakt sein, aber wie steht eS mit der Feststellung deS RufeS, auf den der Verfasser so großen Wert legt? Wenn der Zeuge zufällig mit dem Geistlichen oder dem Ortsvor steher auf schlechtem Fuße steht, so wird die Auskunft kaum ganz unparteiisch sein. Für die von sogenannten AuSkunftSbureauS zu erteilenden Mitteilungen über den Ruf eines Zeugen aber möchten wir unS vollends be- danken. Selbst wenn aber zuverlässig der ungünstige Ruf und die Vorstrafen eines Zeugen bekannt sind, wird man darum die Zeugenaussage noch lange nicht als un glaubwürdig zu bezeichnen haben. Bei gewissen De likten, wie z. B. großen Schlägereien, ist es um den Ruf und die Vorstrafen der Zeugen oft kaum besser be- stellt, als um daS Renommee des Angeklagten; trotzdem wird jeder Gerichtshof die Zeugenaussagen solcher Leute wohl mit Vorsicht prüfen, aber st« doch nicht ohne weiteres für wenig glaubwlirdig erachten, weil ein gewalttätiger Mensch noch lange nicht fähig zu sein braucht, einen Meineid zu leisten. Umgekehrt kann ein Zeuge an.sich unbescholten sein und in gutem Rufe stehen und doch auS geheimen Gründen zu gunsten oder ungunsten deS Angeklagten in einem bestimmten Falle eine falsche Aus sage machen. Die Hauptsache aber ist, daß miT einem solchen Inquisittonsverfahren über die Zeugen Un mittelbarkeit und Oeffentltchkett der Verhandlung schrver beeinträchtigt würden. Oder sollen etwa gar die Aus künfte über Vorstrafen und Ruf der Zeugen in der Hauptvcrhandlung öffentlich mitgeteilt werden? DaS wäre eine Tortur und Grausamkeit schlimmster Art. Wir meinen, die Hauptsache wird immer der Eindruck bleiben müssen, -en der Gerichtshof in der Hauptver handlung von einem Zeugen erhält. Die BeweiSwürdi- gung im Strafverfahren ist ja glücklicherweise eine viel freiere, als im Civilverfahren, und der Richter ist in keiner Weise verpflichtet, die einzelne Zeugenaussage zur Grundlage des Urteils zu machen; er wird um so eher hinter die Zuverlässigkeit einer Zeugenaussage kommen, wenn er in der Lage ist, jeden Zeugen sehr eingehend zu vernehmen irnd ihn immer wieder mit dem Ange klagten und den anderen Zeugen zu konfrontieren Da zu würde freilich gehören, daß sehr viel weniger Fälle, als es geschieht und leider auch infolge der ungenügenden Zahl der Richter geschehen muß, auf die Liste einer Straf, kammersitzung gestellt werden. -i- Berlin, 14. März. („N attonalliberal ?*) Das Zentralorgan der Hannoverschen Welfenpartei be- richtet, daß „Vertrauensmänner" der nationalliberalen Partei am letzten Sonntag zu Kreiensen den Beschluß gefaßt hätten, im ReichStagswahlkretse Holzminden- Gan b « r S h e i m für den Kandidaten der w e l f t s ch e n Partei, RechtSanwalt v. Daun-Braunschweig, einzu treten, nachdem der alS Kompromißkandtbat aufgestellte Oberamimann Kreitz wegen der Aufstellung eines bünd- lerischen Gegenkandidaten seine Kandidatur zurückgezogen hatte. Wie wir an maßgebender nattonalltberaler Stelle erfahren, gibt es im Wahlkreise Holzmtnden-GanderSheim kein« nationalliberale Organisation. Ls bleibt daher ab- zuwarten, ob die von dem hannoverschen Welfenblatte als Vertrauensmänner der nationalltbcralen Partei bezeich neten Persönlichkeiten wirklich Vertrauensmänner der nationalliberalen Partei sind. Sollte dies wider alles Vermuten der Fall sein, so hätte dteZentrallettung der nationalliberalen Partei die dringende Pflicht, schleunigst und öffentlich da« Tischtuch zwischen sich und solchen Vertrauens- männern zu zerschneiden. Der praktische Grund, der hierzu nötigt, springt in die Augen: wenn na- tionalliberalc Vertrauensmänner zur Wahl eines braun schweigischen Welfen aufsordern, müssen die national- liberalen Welfen in Hannover dem hannoverschen Welsentum gegenüber in Verwirrung geraten. Die wel- fisch« „Deutsche Bolk » ztg." in Hannover ist sich darüber natürlich vollkommen klar und schreibt deshalb in froher Erwartung: „Dieser Beschluß (der nationallibe ralen „Vertrauensmänner" zu Kreiensen) ist ein erfreu- liche« Zeichen für den in den Anschauungen der braun- schweigischen Nattonalliberalen eingetretenen Umschwung >md läßt u n « für die Zukunft da« Beste hoffen." — Daran ist allerdings nicht im mindesten zu zweifeln. Gebietet mithin schon di« Rücksicht aus di« Verhältnisse in der Provinz Hannoper, daß ein wirklicher «attonalliberaler in Braunschweig »s, Kandidatur «t«a» »raunschweigisch«. Welfen keinesfalls unterstützt, so erfordert da« Gleiche die Rücksicht auf die grundlegenden Prinzipien der nationalliberalen Partei. Die braunschweigischen Welfen sind und bleiben die Vertreter eine« reich-feindlichen Par tita la rismus; die Agitation des braunschweigischen Wel- fentums hat, je länger je mehr, den Charakter der gröb sten Gehässigkeit gegen Kaiser und Reich angenommen. Bezeichnende Proben sür diese Natur deS braunschwet- gischen WelfentumS enthält in ikbersichtlicher Zusammen fassung der „Altbraunschweigische Volks- kalender für daS Jahr 1903". Darin wirb dem Deutschen Reiche frischweg die Eigenschaft eine» Bundes staates abgesprochen, um die deS „Staatenbunbeb" an des sen Stelle zu setzen; darin wird in Abrede gestellt, daß für die Angehörigen der nichtpreußischen Bundesstaaten »em Kaiser gegenüber die Pflicht der Untertanentreue besteht; darin ist jenes perfide Machwerk „Des Kaisers »Wilhelm I.) letzte Nacht" veröffentlicht, das den Schwindel behandelt, es sei dem alten Kaiser in seinen „fiebrischen Todesphantasien der anklagende Schalten seines von ihm vertriebenen blinden Vetters, des König« Georg V. von Hannover, erschienen." — Für die Mitglieder einer Par tei, die solche Agitation duldet, kann kein wahrhaft natio nalliberaler Wähler stimmen. Finden sich trotzdem — was wir einstweilen bezweifeln — nationalliberale Ver trauensmänner, die zur Wahl eines braunschweigischen Welfen auffordern, so muß derartigen Vertrauens männern der Stuhl vor die Tür gesetzt werden. * Aus Vertin bezieht bekanntlich die „Dlldd. ReichS- Korresp." ihre Meinung in preußischen und RetchSange- legenchetten, zu denen auch die religion-politi schen Fragen gehören. Da sie auch badisch-offi ziös ist, kann sie sich in diesem Falle sogar den Luxu» der Konsequenz gestatten, eine schöne, aber freilich seltene Sache. Weniger schön sieht nun da-, wa- ihr da ge schrieben wird, vom Standpunkte anderer Leut« au-, die nicht in die Jesuiten verliebt sind; aber da manchmal auch einige positive Angaben mit unterlaufen, so sind diese Berliner Briefe mitunter auch wertvoll, wie z. v. der letzte vom l8.März, in dem eS übe? die römische Erledigung de» Falle» Korum heißt: „Der Gesandte Preußens war niemal» au-ge- schaltet; er ist von Anfang bi« zu Ende tätig gewesen und zwar nicht bloß aus Grund eines formalen Auftrages. Der Fürst bischof Kopp ist nicht als besonderer Parlamen tär entsendet worden; er war zur Feier des Papstjubiläums in Rom anwesend und hat dem Gesandten nur seine, allerdings wertvolle und von allen Freun den des religiösen Friedens dankbar gewür digte Unter st ützung gestehen. ES ist sehr bedauerlich, daß man bei Behandlung des Trierer Zwischenfalles sich nicht vor offenkundiger Entstellung der Tatsachen scheut. Auch in der Agitation gegen die Aufhebung de« § 2 des JesuitengcsetzeS begegnet man noch immer der un aufrichtigen Darstellung, als beabsichtige die Regierung Nieder lassungen der Gesellschaft Jesu in Deutschland wieder herzu stellen, während eS sich nur darum handelt, deutschen Jesuiten für ihre Person die zur Zeit noch durch AuSnahme- vorschriften beschränkte Freizügigkeit zurückzugeben." Wir sind für diese Aufklärungen und Belehrungen sehr dankbar, können uns aber immer noch nicht bekehren zu der modernen Interpretation de- Wortes Toleranz: „Duldung aller ultramontanen Ansprüche", wie unS überhaupt da- Konvertieren einigermaßen schwer fällt. * Berlin, 14. März. (Neue Scheiterhaufen- briefe.) Die „Mgdb. Zig." schreibt: Auch heute noch läßt sich der tiefe Eindruck verfolgen, den die Borträge des Professors Friedrich Delitzsch und die Veröffent lichung des Briefes, den der Kaiser im Anschluß an sie an Admiral Hollmann geschrieben hat, in den weitesten Kreisen gemacht haben. In einer Zeit, in der man über den Mangel an Idealismus und an Interesse für religiöse Fragen klagt, ist da- eine Erscheinung, die nicht gerade zu Gunsten der Ankläger spricht. Doch das nur nebenher. UnS interessiert von den vielen Er örterungen, die sich an „Babel und Bibel" und an den Brief deS Kaisers angeknllpft haben, ins besondere ein Briefwechsel, dem die ,Freuzzeitung" nun chon in zwei Nummern Raum gegeben hat. Er findet tatt -wischen einem alten „Zeitungsmenschen" K. und einem X., der sich als praktischen Politiker vorstellt, der aber kein Gelehrter und noch viel weniger ein Theologe sei. Die Maskierung ist nach der einen Seite hin sehr durchsichtig, nach der anderen ist man nur auf Ver mutungen angewiesen. Aber wenn man >irst, wie in den Briefen de» L. Professor Harnack — und Nut um seinet willen scheint der Briefwechsel veröffentlicht zu sein — wegen seiner Kritik an dem Briese de» Kaisers persön lich in gehässiger Weise angegriffen und wie er geradezu als ein „posierender" Schauspieler hingestellt wird, dem eS nur darum zu tun sei, eine öffentliche Nolle zu spielen, und der sich deshalb bei jeder Gelegenheit mit seinen persönlichen Ansichten hervor- und ansdrängc, so erhält man unwillkürlich den Eindruck, als ob der be rüchtigte „Schetterhaufenbrief" in diesem Brief wechsel eine Fortsetzung erhalten sollte. Nur daß, wa- un» damal» al» Problem vorgeführt ward, hier schon in die Praxis llbergeführt worden ist. Die Scheite sind schon gehäuft und die Flammen züngeln an dem Holzstoße empor. Ob di« Scheiterhaufentaktikcr aber auch den erwünschten Erfolg haben werden und ob eS ihnen wirklich gelingt, den verhaßten Theologieproseffor von dem Kaiser abzudrängen? D Berlin, 14. Mä z. (Telegramm.) Heute morgen besichtigt« der ttaiser im Kunst iewerdemuseum em neue« ,um Gebrauch bei feierlichen Grundsteinlegungen bestimmte« Fest- »eug, besucht« sodann den Reichskanzler, tortr im Ko»ig- licken Schloff« den Boeirag de« Ebes« de« Marine-Kabinett« Freiherr» vv» Genden-Vibrau und hielt nm 1N/> Uhr «in« Besprech»»» de« Krie-«sp»l« n».
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