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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.03.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-27
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030327026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903032702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903032702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-27
- Monat1903-03
- Jahr1903
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Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizeianttes der Stadt Leipzig. Anzeigen.PrelS die 6gejpaltene Petttzeüe 25 H. Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4gespalten) 76 H, vor den Famüieanach. richten <6gespalten) 60 H. Tabellarischer und Ziffernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschlub für Änskigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 157. Freitag den 27. März 1903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * -einzig, 27. März. Z» den Rcichstagswahle«. ES ist erfreulich, daß dem unausgesetzten Hin» und Her raten wegen des Termins der Necchstagswahlen endlich ein Ziel gesetzt worden ist. Nach offiziöser Verlautbarung werden die Rcichstagswahle» am 16. Juni stattfinden, also genau an dem Tage, an dem die Lebensdauer des gegenwärtigen Reichstags zu Ende geht. Es scheint lange fraglich gewesen zu sein, ob man die Wahlen nicht lieber in den Herbst verlegen sollte. Wahlen im Krühjahr und Frühsommsr können allerdings für die landwirtschaft lichen Kreise sehr unbeauem werden. Unter Umstanden ist ein Tag ununterbrochener Arbeit auf -em Felde in dieser Jahreszeit viel Geld wert. Auf der andern Leite aber wäre die Hinausschiebung der Wahlen bis zum Herbst ebenso mit verfassungsrechtlichen Bedenken verbunden ge wesen, wie ihre Anberaumung zu einem früheren Termin, als dem jetzt ins Auge gefaßten. Zweifellos erreicht wird — und das möchten wir als einen nicht hoch genug zu schätzenden Vorteil ansehen —, daß die Wahlaufregung eine nicht unwesentliche Abkürzung erfährt. Nach einer par lamentarischen Arbeitszeit, die an Aufregungen so reich gewesen ist, wie die demnächst zu Ende gehende, würde eine Verlängerung des Wahlkampfes mit so viel Unangeneh mem und sogar Widerwärtigem verknüpft sein, daß in der Tat alle vaterländischen Kreise, denen daran gelegen ist, die an Anstrengungen ohnehin überreiche Zeit der Wahl bewegung von allzu großen Irrungen und Verwirrungen möglichst freizuhalten, sich in der Meinung begegnen wer den, es sei so am besten. In Wirklichkeit ist ja die Wahl bewegung seit mehr denn einen» Jahre im Gange. Aller dings wird der noch zu überwindende Abschnitt der schwierigste sein 'und er wird namentlich auch von der Opferwilligkeit und Unermüdlichkeit der nationalltberalen Partei ein nicht be scheidenes Maß beanspruchen. Wenn aber das, was noch zu leisten ist, sich auf einen so engen Zeitraum zu sammendrängt, wie er bis zum 16. Juni zur Verfügung steht, gelingt eS vielleicht auch, die Wahlaufklärungsarbeit besser zu ihrem Rechte kommen zu lassen, als möglich sein würbe, wenn die Wahlaufhetznng sich "bis zum Herbste hinziehen könnte. Daß von obenher etwas geschehen werde, um etwas Ordnung in das Durcheinander zu bringen, das in den zerklüfteten Reihen der bürgerlichen Wähler herrscht, ist kaum mehr zu erwarten! es müßte denn sein, daß GrafBülow den Urlaub, den er heute antritt, benutzen wöllte, um eine zündende Wahlparole zu ersinnen, die erkennen ließe, welchen Kurs er in der neuen Legislaturperiode zu steuern gedenkt. Vorläufig setzen die Offiziösen nur das alte Klagelied fort, daß die Sozial demokraten einheitlich und geschlossen in den Wahl kampf träten, die N a t i o n a l s o z i a l e n und der Bund der Landwirte ihnen durch die Aufstellung von Sonderkandidaturen Vorschub leisteten und auch die übrigen Parteien es an rechter Einsicht in die ihnen allen drohende sozialdemokratische Gefahr fehlen ließen. Eine solche Klage könnte wohl wirken, wenn eine äußere Gefahr drohte, sie wird aber, da dies glücklicherweise nicht der Fall ist, wirkungslos bleiben, so lange des Kanzlers innere Pläne in undurchdringliches Dunkel gehüllt sind. Wahr scheinlich will er selbst erst abwarten, wie die Wahlen aus fallen, um dann seinerseits eine Wahl zu treffen. Kein Wunder, wenn da, wo die Sozialdemokratie nicht, wie in Sachsen, zu gemeinsamer Abwehr geradezu zwingt, die einzelnen bürgerlichen Parteien von allem darauf denken, ihre eigenen Reihen zu stärken, um den leidenden Staats mann mit leiten zu können. Bundesrat «nd Jesuitengcsctz. Wie verlautet, bemüht sich die preußische Re gierung, die Negierungen derjenigen Bundesstaaten, die keine Neigung haben, der Aufhebung des 8 2 des Jesuitengesctzes zuzustimmen, anderen Sinnes durch die Vorstellung zu machen, die Autorität Preußens und Bayerns im Reiche würde leiden, wenn diese beiden größten Bundesstaaten im Falle einer Abstimmung im Bundesrate in der Minderheit blieben. Hoffentlich ist dieses Gerücht unbegründet, denn es würde dem Geiste der Rcichsverfassung wenig entsprechen, wenn ein derartiger moralischer Druck versucht werden sollte. Den beiden größten Bundesstaaten sind doch im Bundes rate nicht dazu nur 17 und 6 Stimmen zugeteilt, damit die übrigen Staaten ihre 86 Stimmen im Sinne der preußischen und der bayerischen abgeben. Die Mehrheit hat ein gutes, verfassungsmäßig verbürgtes Recht, jeden Antrag lediglich daraufhin zu prüfen, ob er dem Reiche nützt. Und kommen sie zu der Ucberzeugung, daß das nicht der Fall sein würde, so ist es ihre Pflicht, gegen den Antrag zu stimmen. Im vorliegenden Falle würden ja auch Preußen und Bayern gar nicht genötigt sein, den 8 2 des Jesuitengesetzes in Anwendung zu bringen, wenn die Mehrheit des Bundesrates seiner Aufhebung sich widersetzte. Denn nach diesem Paragraphen müssen nicht etwa in gewissen Fällen fremde Jesuiten anSiew'eiei» und einheimische interniert werden, sondern sie können ausgewiesen oder interniert werden. Wird also der preußische Antrag abgelehnt, so können Preußen und Bayern, sofern sie auf den Schutz des 8 2 verzichten zu dürfen glauben, diesen Paragraphen getrost ignorieren, was ja bereits in mehr als einem Falle schon geschehen sein soll. Die übrigen Staaten haben nicht den allermindesten Grund, lediglich deshalb, weil Preußen und Bayern etwas nicht tun zu müssen glauben, was sie reichsgesetzlich dürfen, auch ihrerseits der Möglichkeit sich zu berauben, etwas zu tun, was sie für nötig halten. Sie befinden sich übrigens, wenn sie sich gegen eine allmähliche Abbröckelung des Iesuitengesetzcs wehren, in sehr guter Gesellschaft und können Autoritäten für sich aufführen, die gegen den preußischen, von Bayern anscheinend mit Freuden begrüßten Antrag ins Feld geführt werden können. Die „Münch. Allg. Ztg." erinnert beute daran, daß unter den im Jahre 1901 veröffentlichten Briefen Bismarcks auch ein Schreiben sich befindet, das der K a r d i n a l G n st a v v. H o h e n l o h e am 16. November 1879 an den Fürsten gerichtet hat und das folgendermaßen lautet: „Man sagt mir hier, daß die Friedensverhandlungen mit Kardinal Iacobini einen guten Fortgang haben, und ich danke Gott für diese gute Wendung der Dinge. Indes schmeicheln sich gewiße klerikale Heißsporne, daß man die Jesuiten wieder in Preußen einschmuggeln wird mit einem Passus, etwa wie folgt: „Religiöse Vereine und Gesellschaften haben freien Eingang in Preußen." Wenn nur die Jesuiten nicht genannt werden, schmeichelt man sich, daß der Passus durchgehen und die Jesuiten nachkommen werden. Glückliche Naivität! Gut ist es immer, unser Vaterland vor dieser Landplage zu hüten." Wenn man also für die Aufrechterhaltung des gesam ten Jesuitengesetzes eintritt, kann man sich auf das Zeug nis eines Kurienkardinals berufen. Ein zweiter Zeuge ist Kardinal Manning, der verstorbene Erzbischof von Westminster. Er hat keine Jesuitentätigkeit in seinem Sprengel geduldet; er hat selbst seinen Neffen, der sein geistlicher Gehcimsekretär wär, aus seiner Umgebung verbannt, als er Jesuit geworden war. Wenn man also dafür eintritt, daß 8 2 des Jesuitengesetzes aufrecht erhalten wird, der Aufenthaltsbeschränkungen vorsieht und andere Maßnahmen für den Fall, daß der Versuch gemacht wird, eine jesuitische Ordenstättgkeit im Reiche auszuüben — dann kann man sich dafür auf einen Purpurträger der Kirche berufen, der bei seinem Hingang als die stärkste Säule der römisch-katholischen Kirche in England gefeiert worden ist. Die Bundesstaaten, die sich dem Abbruche des Jesuitengesetzes widersetzen, können also sogar katho lische Autoritäten dafür ins Feld führen, wenn sie darauf bestehen, daß für sie um des Friedens willen die Brustwehr, die von Reichs wegen im Punkte der Jesuiten seinerzeit errichtet worden ist, erhalten bleibt, so wie sie jetzt drei Jahrzehnte bestan den hat. Preußen und Bayern können ja, wie gesagt, auch trotz der Erhaltung dieser Brustwehr für sich tun und lassen, was sie wollen. Oder möchten sie vielleicht für den Fall, daß die Beseitigung üble Früchte trägt, sagen können: Es ist den verbündeten Regierungen schon recht, wenn wir die Finger erfrieren; warum haben sie mit uns ge stimmt? Kulturkampf i« Frankreich. Die französische Deputiertenkammer hat die Gesuche der Predigerorden um Wieder zulassung und Gewährung der staatlichen Anerkennung mit 304 gegen 206 Stimmen ab schlägig beschieden. Gegenüber verschiedenen Rednern, die als Verteidiger der Ordensgesellfchaften auftraten, beleuchtete -er Konseilpräsident Combes in Uebereinstimmung mit dem Berichterstatter Rabier die Gefährlichkeit der Predigerorden und brachte den Stand punkt der französischen Regierung gegenüber den Kon gregationen zum Ausdruck. Combes führte im wesent lichen aus: „Die Regierung verschließe sich nicht dem be rechtigten Ansehen, das gewisse Predigcrorden sich er worben haben, indessen sei die Regierung auf Grund der kirchlichen Organisation in Frankreich zu dem Ent schluß gekommen, die Zulassungsgesuche der religiösen Orden abzulehnen. Allein der weltlichen Geistlichkeit könne das Recht der Prcdigthaltung zugestanden werden. Sobald aber der Missionar auftrete, müßten not ¬ gedrungen Pfarrer und Vikar ein gut Teil ihrer Wirk samkeit einbüßen. Nicht den Frieden, sondern den Krieg trüge! der Prediger-Mönch in den Falten seines Gewandes! Der Mönch befinde sich stets und ständig, in allen Lebenslagen und auf allen praktischen Gebieten, im Widerspruch mit der Laienwelt; er sei ein erbitterter Feind des republikanischen Staatswesens. Wenn er, Redner, auch bereitwillig die Verdienste und die glän zenden oratorischen Leistungen einzelner Prediger- Mönche anerkennen wolle, so müsse er doch sagen: selbst wenn diese Verdienste noch so groß und anerkennenswert wären, würde es doch zu den schwersten Unzuträglich keiten führen, neben der weltlichen Geistlichkeit eine andere bestehen zu lassen, die, ohne die gleichen amtlichen Pflichten zu übernehmen wie die erstere, keinerlei greif bare Erfolge auf sozialem Gebiete aufzuweisen habe, vielmehr unleugbar eine Gefahr für das ge samte Staatsleben bedeute. Keine französische Negierung habe jemals in Vorschlag gebracht, die Pre- digerordcn staatlich zu autorisieren. Würden die Mi nister und Abgeordneten der Republik so verfahren wollen, wie unter dem Kaiserreich nicht verfahren worden sei? Die Negierung werde in einigen Monaten eine Uebersicht derjenigen Niederlassungen vorlcgen, die nicht geschlossen zu werden brauchten. Die Kammer werde dann beurteilen können, wie sich die Negierung in einer Frage verhalten habe, die von grundlegender Bedeutung für die gesamte soziale Entwickelung sei." — Will man den Erfolg, den Combes zweifellos errungen hat, richtig be urteilen, so mutz man sich erinnern, daß sein Vorgänger Waldeck-Rousseau in der Ordensfrage eine durchaus ver söhnliche Haltung einnahm und daß auch ein Mitglied der gegenwärtigen Negierung, der Minister des Aeutzern Delcasss, den Bestrebungen der Kongregationen absolut freundlich gegenübcrsteht, und, wie wir kürzlich schon aus führten, die „Hoffnung Frankreichs", die gebildete Jugend sich durchaus im Banne der schwarzen Feinde der Republik befindet, es also bei der Demonstrations sucht dieser „kommenden Männer" leicht möglich ist, daß die Straße gegen ihn mobil wird. Ein Anfang dazu ist schon gemacht, wie die folgende Meldung zeigt: * Pari», 26. März. Gegen 7 Uhr abends zogen etwa 200 Studenten vor das Kammergebäude unter Hoch rufen auf die Schwestern und Karthäuser. Die Gitter wurden sofori» geschlossen. Die Studenten wurden mühelos zerstreut. Der Rücktritt des spanischen Finanzministcrs Villaverde hat an der gestrigen Berliner Börse für die spanische Rente einen Kursrückgang von 4 Prozent zur Folge ge habt. Das ist begreiflich, weil Villaverde die spanischen Finanzen in schmierigster Zeit geleitet, das Gleichgewicht im Budget und im wesentlichen die Liquidation der durch den Krieg mit Amerika entstandenen Ausgaben erreicht hat, ohne die Hülfe des Auslandes in Anspruch zu nehmen, lieber die Leistungen Villavcrdes unterrichtet genauer die soeben erschienene Schrift Max Westphals „Die deutsch spanischen Handelsbeziehungen" (Leipzig, Duncker <L Huiu- blot). Die gesamten Kriegskosten hat Villaverde auf l*w- »rä ck«r disr <25/8, von NLL- <2b/-i) idoll, »Llll» b-r!' cki-»»- «25/81 lluok ov»r »ov» 8«r >e> 2. 8) io V<xr- L00- oo»- <24/8, »rro- o»ek > voo lloov f<i»I0 <2ü/8> dorx, <25,8) ,Lor- »por» »rot» > <t«r <2K8> rork. Fettilleton. igs Miß Kachel Saltonn. Roman von Florence Marryat. Nachdruck verboten. „Haben Sie in der letzten Zeit viel gemalt?" „Nein, ich habe keinen Pinsel angerührt und werde es auch kaum wieder tun. Ich habe keinen Gefallen mehr daran. Ich sagte Ihnen ja schon, daß ich sehr unbeständig in meinen Neigungen bin." „Nun, Sie können sich ja diesen Luxus gestatten. Ich möchte dagegen wissen, was autz uns armen Künstlern würde, wenn wir den einen Tag malten und am nächsten die Staffelei Beiseite stießen? Wir würden niemals wirk liche Künstler sein. Aber gestatten Sie mir, zu sagen, daß ich besseres von Ihnen erwartete. Ihre Versuche waren so vielversprechend, daß Sie Ausdauer haben müßten. Mit Ausdauer werben Sie, wie ich Ihnen innner sagte, mit der Zeit gut zeichnen lernen." „Ich werde nie etwas gut machen!" rief Rachel leiden schaftlich, „weil es mir an Geduld und Bescheidenheit, wie an allen anderen Tugenden fehlt! Ich bin wie ein steuer- loseS Boot auf dem Meere, das von den Wellen hin und her geworfen wirb. Keine zwei Sekunden lang bin ich der gleichen Ansicht. Mein Stolz verdirbt alles. Er hat mein Leben zerstört . . ." Hier stockte Rachel plötzlich. Sie hatte heftig und ohne Ueberlegung gesprochen, und sah, daß sic weiter gegangen war, als sie wollte. Geoffry kam ihr zu Hülfe. Er wünschte sich keine Wiederholung des Auftrittes in Esther- stone. „Ich verstehe sehr wohl, was Sie meinen", sagte er; „aber ich wiederhole, daß Sie sich zu hart beurteilen. Wenige Leute arbeiten systematisch, wenn sic nicht zur Arbeit gezwungen sind. Ich verstehe vollkommen, daß Ihr Ltzben durch die Ansprüche, welche Ihr Freundeskreis macht, und durch die Pflichten, die Ihr Besitztum mit sich bringt, so ausgefüllt ist, daß Ihnen wenig Muße für die Ausübung von Talenten bleibt. Aber es kann doch die Zeit kommen, wo es Ihnen leid tut, meinen Rat nicht befolgt zu haben. Das Leben bringt nicht immer Rosen, und es gibt Zeiten, die Ihnen hoffentlich selten beschieden find, wo wir dankbar sind für eine Arbeit, die uns von unseren Gedanken abzieht." . „Zieht Ihre Arbeit Äe von den Ihrigen ab?" fragte Rachel bedeutungsvoll; denn sie sehnte sich nach einer Ge legenheit, Gcoffry zu sagen, daß sie das zwischen ihnen Borgefallene bedauerte. Aber er verstand nicht, was sie meinte. „O ja!" sagte er warm. „Während ich male, denke ich an nichts anderes." „Ich wollte, ich könnte auch den Lethetrank finden", bemerkte Rachel. „Wie Sie sehen, versuchte ich es mit Lord Vivian; aber es war ein vollkommener Fehlschlag." „Ja; es war eine etwas zu starke Kur. Ich hatte Sie für verständiger gehalten. Als ich die Nachricht erfuhr, bildete ich mir natürlich ein, daß es «ine Heirat aus Neigung sei." Sie hatten während dieses Gespräches das Ende des Gartens erreicht und saßen auf der niedrigen Steinbalu strade, die denselben umgab. Es ivurde rasch dunkel und alle möglichen beschwingten Geschöpfe flogen durch die Luft. Gelbe Schlingrosen wuchsen an der Mauer, und bei dichten Zweige hingen bis auf den Boden herab, und während Gcoffry Salter sprach, ergriff Rachel einen der langen Bltttenzweige und hielt ihn vor ihr Gesicht, damit ihr Gefährte ihre Züge nicht bemerken sollte. „Dachten Sic wirklich", sagte sie langsam und mit Nach druck, „daß es eine Neigungsheirat war, Mr. Salter?" „Ich hatte eine zu hohe Meinung von Ihnen, um etwas Anderes zu denken, und was Sie mir vorhin sagten, be weist mir, daß ich recht hatte, Sie für zu hochgesinnt zu halten, um das zu tun, was täglich geschieht: nämlich ohne Liebe zu heiraten. Ich freue mich daher nm Ihretwillen, daß das Experiment fehlschlug." „Nur um meinetwillen?" „Warum quälen Sie mich mit dieser Frage, Miß Sal- tonn? Sie kennen die Antwort. Sie wissen, daß ich trotz aller Hoffnungslosigkeit mich nicht freuen kann, wenn Sie einen anderen Mann heiraten; es wäre gegen die Natur. Aber Sie können mir glauben, daß ich nichts so sehnlich wünsche, als Sie um jeden Preis glücklich zu sehen." „Glücklich!" wiederholte das Mädchen bitter. „Ich werde nie glücklich sein. Ich werde mein Leben lang elend sein." Als sie dies sagte, klang ein Schluchzen aus ihrer Stimme, das Geoffry nicht entgehen konnte. „Liebe Miß Saltonn", sagte er, ihr ein wenig näher rückend, „Rachel! Lassen Sie mich als Freund zu Ihn«» reden. Ich sehe, daß Sie gelitten haben, daß Sie vielleicht noch leiden. Unsere unglückliche Begegnung bereitet uns beiden Kummer. Aber hören Sie mich an: cs ist kein Vorwurf damit verknüpft, das muß unser Trost sein. Es war weder Ihre Schuld, noch die meine, obgleich es klüger von mir gewesen wäre, einzusehen, welche Gefahr in meinem längeren Verweilen in Ihrer Gegenwart lag. Die Scheidewand zwischen uns haben wir nicht selbst aus gerichtet; aber sie ist nnübersteiglich, sie ist von Eisen, und wir würden uns nur verwunden, wenn wir dagegen schlügen. Könne»» wir denn also nicht versuchen, unser Leid zumGutcn zu lenken?Vicllcicht wurde cs uns gesandt. um uns davor zu bewahren, zu selbstbewußt und zu hoffnungsvoll zu werden. Versuchen Sie es in diesem Lichte zu betrachten. Ich kann es nicht ertragen, Sie so niedergeschlagen zu sehen. Lassen Sie mich keine so traurige Erinnerung mitnehmen, sie würde mich überall verfolgen." Rachel schüttelte den Kopf, während Tränen auf d«n Rosenzweig in ihrer Hand fielen. „Ich kann nicht darüber fortkommen", sagte sie, schwer atmend. „Sie sagen, es war niemandes Schuld; aber es war die meine. Ich brachte es über uns beide, und ich habe Sie, dessen Genie ich so bewunderte und beneidete, unglück lich gemacht, habe Ihr Leben zerstört." „Nein, nein, denken Sic das nicht!" warf er eifrig ein. „Das kann niemand tun, solange mein Gewissen frei ist. Selbst als diese Krankheit mich befiel . . ." „Brachte ich auch diese über Sie?" rief sie aus. Er lächelte traurig. „Nun, ich habe Ihnen nicht ver hehlt, daß ich gelitten habe . . . wie wäre es anders mög lich? Wahrscheinlich wirkte mein geistiger Zustand auch auf meinen Körper und machte mich für die Krankheit empfänglich. Darin liegt nichts Ungewöhnliches." „Und es mar nur mein abscheulicher Stolz, mein Eigen dünkel. der zwischen uns stand." „Nein, Miß Saltonn, das dürfen Sie nicht sagen. Es war viel mehr. Wir können die Tatsache nicht ans der Welt schaffen, daß es verschiedene Klassen und Stände gibt, und das wird andauern, so lange sie besteht. Es ist unser Unglück, daß wir in verschiedenen Kreisen geboren sind, aber es ist weder Ihre, noch meine Schuld." „Und der Abgrund kann nicht überbrückt werden?" sagte Rachel mit leiser Stimme. Geoffry Salters Herz schlug zum Ersticken. „O Rachel! Bedenken Sie »vohl, was Sie sagen!" rief er aus. „Spielen Sic um Gottes willen nicht mit mir! Erinnern Si« sich an Ihre Familie, an die Anschauungen Ihres Standes! Vermöchten Sie solche ungeheuren Hindernisse zu über, winden?" „Wir könnten so. glücklich sein", seufzte sie. „Glücklich! Ich wage die Morte nicht ausznsprechen, die mir auf den Lippen schweben. Es gab einen Augen, blick — Sie können ihn nicht vergessen haben — wo Sie zu mir sagten: Geoffry, ich liebe dich! Daran habe ich Tag und Nacht gedacht, im Fieber und Delirium, in Schwäche und Einsamkeit. Geoffry, ich liebe dich! Menn ich diese Worte noch einmal von Ihrer süßen Stimme ernst und freiwillig hören könnte, während Ihre Hand in der meinen ruhte, dann wäre ich, glaube ich, im Himmel. Aber Sie haben zu reden. Sic sind die Prin zessin und ich bin der Bürgersmann." Als Antwort fühlte Geoffry Salter, wie eine zitternde, kalte Hand sich in die feine stahl, während Rachel ihm ihr Haupt entgegen neigte und flüsterte: „Geoffry, ich liebe dich." War es ein Wunder, wenn alle seine guten Vorsätze in nichts zerflossen und ihre Lippen sich zum zweiten Male fanden, um ihr Glück zu besiegeln? Rachels ganze Zu rückhaltung war verschwunden. „O, Gcoffry! Können wir es nicht überwinden", murmelte sie, „all dieses schreckliche Vorurteil und Ge rede! Ich bin so elend ohne dich gewesen. Mein Leben schien mir nicht mehr des Lebens wert. All mein Sonnenschein war mit dir aus Catherstone gewichen." „Geliebte! Und glaubst du, daß ich nicht auch elend war — noch einmal so elend vielleicht wie du, Rachel, — weil du die Macht hattest, mich jeden Augenblick zurück zurufen, während ich nur hoffnungslos fern stehen konnte. Dachtest du jemals daran, mich zurllckzurusen, Ray?" „O, sehr oft! Aber dann kam die Furcht vor meinen Verwandten und was sie darüber sagen würden, und hielt mich zurück. Ich bin sehr konservativ erzogen, Geoffry! Ich gestehe, daß ich voller Vorurteile bin. Und es würde mich entsetzlich verletzen, wenn ich ein Wort gegen dich oder deine Familie hören mutzte. Davor würde ich ebenso zurückschrccken wie du leibst. Können wir nicht dies alles vermeiden ? Können mir uns^leinen Plan ausdenken, wie wir glücklich sei»! und dem Sturme entrinnen können, der sofort über uns hereinbricht, so bald unsere Absichten bekannt werden?" „Ich verstehe dich nicht, Rachel", gab der junge Mann zur Antwort. „Es ist unmöglich, uns zu verheiraten, ohne daß die Welt die Tatsache erfährt." „Ich bin reich, weißt du", fuhr das Mädchen hastig fort, „reich genug, um dich der Notwendigkeit jeder Arbeit zu entheben, und ich bin frei wie der Vogel in der Luft. Rette mich, Liebster, vor dem Skandal und den Vorwürfen. Ich fürchte nichts mehr als das " „Natürlich werde ich dich retten", bekräftigte Gcoffry. „Vom Augenblicke an, wo ich ein Recht dazu habe, stehe ich zwischen dir und jedermann. Du mißcraust mir doch nicht, Rachel?" „Nein, nein! Aber ich glaube, du verstehst mich nicht ganz. Könnten wir nicht England verlassen und uns anderswo ansiedeln? Wenn wir in Catherstone lebten, würden sie alles herausspüren, und sie würden cs uns nie vergessen." „Die Tatsache meiner Geburt, meinst du? Daß mein Vater einen Laden hat ?" „Ja. Zürne mir nicht, Geoffry" — denn der sunge Mann hatte sich etwas von ihr zurückgezogen —, „du weißt, mir würde es nichts ansmachen; ich liebe dich. Aber die Welt ist so bitter, und ihre Pfeile würden uns gleichmäßig treffen."
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