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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.06.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-27
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030627028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903062702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903062702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-27
- Monat1903-06
- Jahr1903
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Reklamen unter dem RedaktionSstrich (4gespalten) 75 H, vor den Famtltellnach> richten (kgeipalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen nud Offertenannahmr S5 (exct. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Au-gabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: StachmtttagS 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. Juni. Nach der Schlacht. „Deutschland muß werden, was Sachsen ist/' so schließt der „Vorwärts" einen Artikel über den Ausfall der Stichwahlen. Den Hohn, der in diesen Worten sirr Sachsen liegt, muß sich dieses leider gefallen lassen. Aber gerade dieser Hohn wird hoffentlich dazu beitragen, daß bei den nächsten NeickStagSwablen, die vielleicht gar' nickt so fern liegen, die Herren .Genossen" in Sachsen sich bester vorbereiteten und geschlossener vorgebenden Gegnern gegen über befinden als dteSmal. Daß wenigstens auf Seiten der Nationalliberalen der ernste Wille herrscht, früher Ver säumtes nachzuholen, geht daraus hervor, daß die „Sachs. Nat.-Lib.»Korr." unsere gestrigen Ausführungen über die Schlafmützigkeit, die in der Pflege des politischen Vereinslebens seit Jahren eingerissen ist, sich aneignet und beherzigenswerte Mahnungen an sie knüpft. Außerdem kann man sich wohl der Erwartung hingebea, daß die nächsten ReichStagSwablen einem Ein vernehmen wenigstens der liberalen Gruppen günstiger sein werden alS diesmal. Wirtschaftliche Streitfragen regen nun einmal die Leidenschaften mehr auf und er zeugen schärfere Gegensätze, als rein politische. Und da die unseligen Führer des Bundes der Land wirte mit ihren extremen Forderungen eine radikale Gegenströmung schärfster Alt he,vorgerufen hatten, so wurde auch aus die gemäßigten „Agrarier" von der Art Hasses von links her ebento eingehauen, als ob sie in der Gefolg schaft der Herren vr. Hahn und Oertel sich befänden. Gerade daraus hat die Sozialdemokratie ihren größten Vorteil gezogen. Kommen nun — woran wir nach der Zusammensetzung des neuen Reichstages nicht zweifeln — neue langfristige Handelsverträge auf der Basis des neuen Zolltarifs zustande, tritt wieder Nuke im wirtschaftlichen Leben ein und stellen sich die düsteren Prophezeiungen über die Folgen der Erhöhung der LebenSmittelzölle.als mindestens übertrieben heraus, so wird sich gerade in Sachsen daS Verhältnis zwilchen Nationalliberalen und Frei sinnigen wieder so gestalten, daß von den letzteren keiner mehr daran denkt, nationalliberalen Kandidaten gemeinsam mit den Sozialdemokraten in den Rücken zu fallen. Wir hoffen daher die Zeit noch zu erleben, in der das Wort „Deutschland muß werden, was Sachsen ist", seinen unS höhnenden Charakter verliert. Uebrigens gilt das, waS wir oben über den Vorteil sagten, den die Sozial demokratie aus den extremen Forderungen der Führer des Bundes der Landwirte gezogen bat, auch für die übrigen Teile des Reiches. Die „Köln. Ztg." schreibt mit Recht: „Im ganzen haben die Stichwahlen nur noch schärfer die Züge ausgearbeitet, die sich schon bei der Hauptwahl scharf abzeichneten. Zerschmettert sind alle Häuptlinge des Bundes der Landwirte; die großspurigste oller Parteien geht mit leerer Jagd tasche und mit gedrückter Miene nach Hause. Es waren nicht die Konservativen allein, welche die Agitationskraft der Agrarier nach der Lungrnkraft ihrer Wortführer eingeschätzt haben. Die agrarische Gefahr nahm im Bewußtsein des deuttchen Volkes »inen breiten Raum ein und sie hat vielfach die Stimmungen ausgelöst, die sich in Millionen von Wahlzetteln entladen haben. Der siegreiche Vormarsch der Sozialdemokratie hat zahlreiche Gründe, bei deren Aufzählung man bei der unbefriedigenden wirtschaftlichen Lage anfangen könnte, um schließlich alle Formen politischer und per sönlicher Verärgerung durchzugehe». Aber unzweifelhaft empfanden weite Kreise besonders dringend das Bedürfnis, gegen di« be drohlich anschwellende agrarische Hochflut einen schützen den Damm aufzurichten. Mancher Mann hat einen sozialdemokratischen Zettel in di« Urne gesenkt, weil er entschlossen war, in der schärfsten Tonart gegen die agrarischen Pläne seine Stimme zu erheben. Man hielt sich nicht erst bei den freisinnigen Mixturen auf, sondern griff gleich nach den Rezepten der Bebel und Singer. Die Wahlen haben die dräuende agrarische Flammen sprache verschlungen wie der Lehrer die Kreideschrift deS Schulknaben auf der Wandtafel mit dem Schwamm auSwischt. Aber geblieben ist der Wahlerfolg der Sozialdemokratie, die zu erschreckender Höhe emporwächst und sich breit und wuchtig im Reichstag hinstellt." Vergessen aber darf auch nicht werden, daß die Sozial demokratie io einer ganzen Anzahl von Wahlkreisen dem Zentrum Siege auf Kosten der Nationalliberalen zu danken hat. Wenn trotzdem die Nationalliberalen besser ab geschnitten haben, als das Zentrum, so beweist daS, baß auch in katholischen Kreisen die Abneigung g gen eine Gaukelpolitik wächst, die trotz der Selbstbeiühmung, die festeste Stütze von Thron und Altar gegen revolutionäre und atheistische Unter- wüblungen zu sein, die Wühler unterstützt, um die Regie renden zu schrecken und in dieZentrumsnetze zu treiben. Bei neuen Wahlen werden ganz besonders die Nationalliberalen von vornherein dem Zentrum ein wohlbegründeteS Mißtrauen entgegenbringen müssen. Tas Wahlbündnis der Polen und der Sozialdemokraten bat in den Bezirken Kat to wrtz-Zabrze und Pleß- Rybnik daS Zentrum aus angestammtem Besitze verdrängt. Damit wächst oie Zahl der Mitglieder der parlamentarischen Fraktionen, welche die polnischsprechendc Bevölkerung ver treten, auf 1k, und da der Wahlkreis Thorn-Kulm den Deutscheu verloren gegangen rst, auf 17 an. Wenn dieses Ergebnis vom nationalen Standpunkte als im höchsten Maße unerfreulich, ja als äußerst bedrohlick bezeichnet werden muß, so gebührt ebenso dem Ausfälle der Wahlen in den genannten Bezirken Oberscklesiens die allerernsteste Beachtung. Gerade zur rechten Zeit kommt die Kunde von der Veröffentlickung eines polni>chen Autors, die unter dem Tuet „Politische Materialien und Gedanken" eine Kritik der sozialistischen und der allpolnischen Bewegung ent hält und im „Dziennik Poznanök," abgedruckt ist. Er be handelt darin eingehend den Sozialismus auf pol nischem Boden und läßt sich über den Charakter der polnischen Demokraten folgendermaßen vernehmen: „Der Sozialismus entzündet bei uns in höherem Grade die niedrigen Instinkte als im Westen; er ver breitet in den Arbeitermassen nicht blos das Be- wußtsein der Sonderinteressen, sondern einen fana- tischen Haß gegen die höheren Klassen, die er als für die Nationalwirtschaft entbehrlich hinstellt." Die Vorgänge in Laurabütte haben dieses Urteil in vollem Umfange bestätigt. Aber weiter! Der Autor der „Politischen Materialien und Gedanken" schreibt: „Der Zweck der Organisierung der polnischen Arbeiterklasse, die um ihre Befreiung aus dem Joch des Kapitalismus kämpft, ist vor allem die Schaffung einer unabhängigen Republik und die stufenweise Ver gesellschaftung des Bvdens, der Produktionswerk» zeuge und der Verkehrsmittel." Hiernach ist jeder Zweifel über den Charakter der pol nisch-sozialistischen Bewegung in Oberscklesien ausgeschlossen. Die in dem benachbarten Galizien erscheinenden polnischen Organe gleicher politischer Richtung und Anschauung, der „Przeglond WszechpolSki", das „Slowo Polskie", die „Teka", die „Ojcyzna", der „CzaS", die „Nowa Reformer" sowie der >n Kattowitz herausgegebene „Gornoslonzak" u. a. m. sorgen dafür, daß diese revolutionäre Bewegung im Flusse erhalten und an Umfang und Tiefe auSgebreitet wird. Dem Zentrum aber kann der Vorwurf nicht erspart werden, daß eS, unbekümmert um den anarchistischen und deutschfeindlichen Charakter der polnisch-sozialistischen Verbrüderung, die Dinge hat ihren Lauf nehmen lassen. Die Früchte dieser Politik liegen vor jedermanns Augen. Laurahütte, Kattowitz und Pleß lprechen eine erschreckend deutliche, jedem Patrioten verständliche Sprache. Wenn nach diesen Vorgängen daS oberschlesische Zentrum sich nicht auf seine nationalen Pflichten, auf seine Verantwortlichkeit besinnt, kann der Tag nicht mehr fern sein, an dem die Leiter der in Warschau, Krakau und Lem berg bestehenden OrganisationSkomiiss der allpolniscken Nationalliga den Weg in das revolutionäre Lager Ober schlesiens finden und, ebenio wie in Laurahütte, ohne viel Besinnen zur Propaganda der Tat übergehen werben. Ein Ruf nach deutschem Sprachunterricht in Ungarn. Unter dem Druck chauvinistischer Kreise beschloß der Pester Magistrat vor JabreSfiist die gänzliche Be seitigung des deutschen Sprachunterrichts in den städti schen Volksschulen. Bis dahin waren in den beiden oberen Klassen wenigstens die Anfangsgründe der deutschen Sprache gelehrt worden. Im Erwerbsleben der ungarischen Hauptstadt ist die Kenntnis der deutschen Sprache noch immer unentbehilich. In den Volksschulen er legten die Kinder fiüher immerhin noch genug Vorkenntnisse, um die deutsche Sprache leidlich sprechen und verstehen zu können. Nunmehr zeigen sich die nachteiligen Folgen der gänzlichen Beseitigung deS deutschen Sprachnnierrichts aus den Volksschulen und gerade in magyarischen Kreisen wird geklagt, daß die Volksschüler in ihrem künftigen Brot erwerb empfindlich bedroht werden, weil sie keinerlei deutschen Unterricht mehr erhalten. Auch die Schüler, die aus den Volksschulen in die Realschulen und Gym nasien übergeben, wo die deutsche Sprache systematisch ge lehrt wird, lönnen nickt mitkommen, weil dort gewisse Glund- kenninisse des Deutschen vorausgesetzt werden. Angesichts dieser Uebelstände wird im „Pester Lloyd", einem Blatt, das sonst den magyarischen Chauvinisten zum Munde redet, dem Magistrat nahegelegt, er möge den oeullchen Sprachunterricht in den Volksschulen wieder einsühren, wenn nicht obligatorisch, so dock fakultativ überall da, wo die Eltern und der Schulausschuß es verlangen. Außerdem soll der Magistrat geeigneten Bewerbern die Erlaubnis geben, in den städtischen Schulen neben den französischen Tanzlursen (!), die dort erteilt werden, auch deutsche Sprachkurse ,u eröff nen, damit die Kreise, die sich keine deutschen Fräuleins und keine deutschen Privatlehrer halten können, in die Lage kommen, ihren Kindern die Möglichkeit zur Er lernung der AnsangSgründe der deutschen Sprache zu bieten. Ob der Pester Magistrat einsehen wird, daß er un verständig bandelte, als er auf Andränzen magya rischer Chauvinisten den deutschen Sprachunterricht in den Volksschulen gänzlich beseitigte? Darüber waren un befangene Kreise niemals zweifelbaft, daß durch diese Maß regel in erster Reihe die magyarischen Kreise selbst geschädigt würden und wir haben das auch wiederholt ausgesprochen. Mit einer Sprache, die nur von acht Millionen Menschen gesprochen wird, kommt man nicht weit. Die Magyaren, soweit sie vorwärts streben, müssen eine zweite Sprache hinzulernen und wenn sie aus Deutschenhaß nicht etwa das Russische oder Französische oder Englische bevorzugen, so bleibt ihnen kein anderer Ausweg, als sich in der deutschen Sprache möglichst zu vervollkommnen, die von allen intelligenten Kreisen Mittel- und Osteuropas bis nach Konstantinopel und Athen verstanden und auch gesprochen wird. König Peter I. von Serbien hat den Thron seiner Väter bestiegen, und wenn ibm auch von verschiedenen Seiten die Anerkennung vorläufig noch versagt wird, so hat er sic doch von denjenigen Souveränen erhalten, auf deren freundschaftliche Gesinnung ibm alles ankommen muß: vom Zaren und vom Kaiser Franz Josef. Letzterer antwortete auf die Notifizierung der Thronbesteigung telegraphisch in französiscker Sprache: „Seiner Majestät dem König von Serbien, Belgrad. Indem ich von der Mitteilung, die Eure Majestät mir soeben machten, Kenntnis nehme, in der Sie mir die Voll ziehung des Aktes anzeigen, der Eure Majestät in den Besitz der souveränen Gewalt mit dem Titel König von Serbien setzte, wiederhole ich Jbncn gerne alle die Wünsche, welche ich für Ew. Majestät Wohl und für dasjenige Ihres Volke- hege. Franz Josef." Nach einem Belgrader Telegramm deS „Berl. Lok.-Anz." antwortete als erster der Deutsche Kaiser. Seine ebenfalls in französiscker Sprache abgefaßte Depesche hat hiernach in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut: „Ich habe die Anzeige, durch welche Eure Majestät mir die Mitteilung von Ihrer Thronbesteigung machten, empfangen und nehme von dieser Mitteilung Notiz. Ich hege die Hoff nung , daß Eure Majestät Ihr Bemühen darauf richten werden, daß die guten Beziehungen, welche seither zwischen Deutschland und Serbien geherrscht haben, in Zukunft aufrecht erhalten und sich weiter entwickeln werden. Ich gebe Lein Wunsche Ausdruck, daß die Regierung Eurer Majestät eine Periode des Friedens und des Fortschrittes für Ihr Königreich inaugurieren möge. Wilhelm." Die von unS gleich als nicht verbürgt bezeichnete Meldung, Deutschland habe sich der Haltung Englands angeschloffen und mache die Anerkennung von der Bedingung des Straf vollzugs an den Mördern deS Königs abhängig, erweist sich also als irrig. Sonst meldet man nur nock: * Sofia, 26. Juni. Der Fürst erhielt ein Telegramm des Königs von Serbien, in welchem dieser seine Thronbesteigung an zeigt und zugleich sein Vertrauen auf die von Seiten des Fürsten und der Bevölkerung von Bulgarien Serbien entgegen gebrachten Sympathien ausjpricht. Der Fürst sprach dem König seinen Glückwunsch zur Thronbesteigung aus und gab den Wünschen Fettillctsn. A Hotel Alpenrose. Roman von Arthur Achleitner. -/,uria>ruck verboten. Blasiert fragte Fräulein Irma Vasold, die mit Papa Basold seit einigen Tagen im Hause wohnt, den Hotelier, was zum Zeitvertreib bis zur Dinerstunde unternommen werden könnte. Immer höflich und gefällig, zählte Tschurtschberger eine Reihe von kleinen, doch lohnens werten Ausflügen auf und erwähnte selbstverständlich auch die hoch über dem Dorfe thronende alte Veste Agathenburg, welche eine entzückende Aussicht auf die umrahmende Firnwelt gewähre. „Danke! Es wird wohl nicht viel los sein dort oben; ist ja immer die gleiche Geschichte: Berge, etwas Schnee darauf, Wald uwd Wasser, man kennt das langweilige Einerlei schon und sieht dergleichen viel schöner im Theater!" „Nach Belieben, gnädiges Fräulein! Nur erlaube ich mir, ergebenst zu bemerken, daß unsere Felskolosse doch echtes Eis tragen und wirklich Gletscher sind!" „Danke! DeS Zeitvertreibes wegen will ich hinauf steigen! Lohnt es sich, Papa mitzunehmen oder wollen Sie mich begleiten?" „Der kleine mühelose Aufstieg zur Burg lohnt sich in jeder Weise! Ich selbst kann zu meinem Bedauern nicht von Hause fort, der Wirt muß im Hotel bleiben und den Betrieb überwachen. Gehorsamster Diener, gnädiges Fräulein!" sprach Tschurtschberger «uh begab sich an das Restaurantbuffet. „Zum Sterben langweilig ist's in diesem Alpennest, und der Wirt ein Klotz!" murmelte das blasierte Fräulein und holte dann Papa Vasold aus seinem Zimmer zum Spaziergang. Herr Vasold bewohnte ein elegantes Gemach, dessen Fenster einen überwältigend schönen Ausblick auf die imposante Gebirgskette bot, doch der schwerfällige Mann hatte für landschaftliche Reize keinen Sinn, er saß rauchend am Schreibtisch und studierte den letzten Kurs zettel, sowte geschäftliche Ausschreibungen. Als Irma ein trat, richtete Basold einen unwilligen Blick auf die Tochter und brummte über Störung wichtiger Be schäftigung. ,^8ater, du mußt mich auf die Agathenburg begleiten!" sagte Irma gelassen. „Agathenburg? Kenn' ich nicht! Wird wohl auch so ein altes Gerümpel sein, wie alle anderen in der Gegend! Alles geplündert, ausgeraubt von Malern und Kunst händlern! Ich habe zu tun!" „Ach was! Der Wirt empfiehlt den Besuch, und da wir noch drei Stunden Zeit bis zum Diner haben, muß etwas unternommen werden. Allein mag ich nicht hinauf steigen!" Einigermaßen belustigt, meinte der beleibte Güter makler und Spekulant: „Seit wann ist denn das Fräulein ängstlich und wünscht am helllichten Tage schützende Be gleitung? Ich denke: ein Frauenzimmer, das allein Ueberbrettlvorstellungen besucht und zu später Abend stunde ohne Gardedame in den Straßen der Großstadt geht, wird wohl in der Bergmelt keinen besonderen An fechtungen ausgesetzt sein. Oder sind es kindlich zärt liche Gefühle, die meine Begleitung wünschenswert er scheinen lassen? Wär' mir etwas Neues in unseren Be ziehungen!" „Lächerlich! Gefühlsduselei ist längst überwundene Sache! Doch ist es mir angenehm, mit dir zu gehen und einen Menschen um mich zu haben. Diese Ruhe und Stille hier macht mich nervös, ich kann die Natur nicht vertragen, eine alberne Gegend ohne Offiziere oder Schauspieler! Also komm!" „Na, wenn es sein muß! Ich bin ja ein gutgezogcner Vater! Weißt du, ob es Antiquitäten auf der Burg gibt?" „Ich weiß gar nicksts, interessiere mich für dergleichen Unsinn auch ganz und gar nicht!" Vasold steckte die geschäftlichen Papiere in die Tasche seines eleganten Sommerrockes, nahm Strohhut und Stock und begleitete seine Modepuppe zum Hotel hinaus. Während Irma gleichgültig und achtlos den steilen Pfad hinaufstieg, widmete Vasold doch manche» Blick den nngemein malerischen, oft verwahrlosten Häusern des Dorfes, die dem Pfade bis zur oberen Terrasse folgten, dann aber zurückbltebcn. „Muß 'mal stöbern in diesen Steinkästen, vielleicht finde ich noch alte Sachen!" pfauchte, nach Atem ringend, der behäbige Mann. „Kannst du ja, Vater, aber in die Wohnung bringst du nichts, das sage ich dir! Ich will kein Ungeziefer im Haufe haben! Scheußlich, dieses alte Gerümpel in einer fashionablen Stadtwohnung! Paßt auch gar nicht zum ,Hugend"-Stil!" „Na ja, ich will ja nur mein Zimmer mit Anti quitäten schmücken! Du bleibst sicher verschont! Also das da vorne auf dem Felskegel ist die Agathenburg, hm, hübsche Lage, der Kerl von Raubritter hat was ver standen, die richtige Truyburg, famoser Ausblick auf die Straße, so Kaufleute einherzogen mit ihren Krachtwagen und abzufangen waren. In einer Stunde konnte sicher alles geschehen, ein gutes Geschäft gemacht sein, ohne Ge fahr, ohne Geldrisiko. Beneidenswerte alte Zett! Gott, wie lange muß unsereiner warten, bis sich das Kapital mit lumpigen sechs Prozenten verzinst! Uff!" „Wenn du auf so steilem, steinigem Pfad lange Reden hältst, ist es nicht zu verwundern, daß dir der Atem ausgeht!" „Infame Steigung! Ueberhaupt eine arg bucklige Welt da drinnen! Und wie die Sonne herunterbrennt, ganz afrikanisch!" ' „Ich spüre gar nichts!" „Ja, du hast eben Fischblut in den Adern! Möchte wissen, wie sich 'mal dein Mann zu solcher Kälte verhält!" „Laß doch solche Bemerkungen, die nichts ändern und nichts nützen! Wer weiß, ob ich überhaupt heirate! Nötig ist es durchaus nicht, eher hinderlich fiw den wahren Lebensgenuß! Wir modernen Menschen . . ." „Uff! Geh' mir weg mit deinen modernen Ansichten! O, ich hätte energischer sein, dein Leben wie deine Ge danken bester überwachen sollen, ja, ja, die ganze Er- ziehung ist verpfuscht und aus dir so eine Großstadt pflanze geworden, die nichts taugt, nichts fühlt. Uff!" Achselzuckend schritt Irma in den Burghof, hinter drein stampfte schwitzend Vasold, der den heran- humpelnden Kastellan sogleich zur Führung durch die Burgräume engagierte, die Bemerkung Irmas, daß dies doch unnötig sei, ignorierend. Man begann den Rundgang zu ebener Erde und be sichtigte die schaurigen (belasse, in welchen verschiedene Marterwerkzeuge hcrumlagcn. Emsig erklärte der Kastellan diese Foltcrinstrnmentc und wies auch Riemenpeitschen vor, mit welchen sich fromme Gefangene gegenseitig znr Kasteiung bearbeitet Hütten. Vasvlds Interesse wuchs, als man den gut erhaltenen Spcisesaal betrat. Zu holen war hier allerdings nichts, der Kastellan versicherte, daß vom früheren Schloßbcsitzcr alles Wertvolle weggcnommen worden sei. Geblieben sei nur eine interessante Butzenscheibe, die aus dem 16. oder 17. Jahrhundert stammen dürfte. „Wo ist dieselbe?" rief Vasold. Achtlos verließ Irma den Saal. ,Z>ier, mein Herr, im Erker. Belieben zu lesen, was ein Ritter einst mit seinem Diamanten eingekritzelt hat: „Am 17. Marzi hat das Lausfen angehcbt und bis St. Vincenzidag gedauert und alle Tag ain Rausch gehabt."" „Die Butzenscheibe muß ich haben für meinen Erker! Was kostet sie? Ich zahle jeden Preis!" Der Kastellan bedauerte, die wertvolle Scheibe nicht abgeben zu können. „Seien Sie doch vernünftig! Kein Mensch merkt es, wenn Sie eine andere Butzenscheibe hier einfügen, es genügt eine gewöhnliche Lcheibc, das Schloß wird da durch nicht entwertet." „O doch, mein Herr! Bedenken Sie, welchen Wert eine solche Antiquität aus der Ritterzeit hat! Ich könnte die Entfernung des Scheibchens gar nicht verantworten!" betenerte der Kastellan, ließ aber den Besucher nicht aus den Augen. „Leien Sie vernünftig! Ich müßte sonst die Scheibe stehlen! Just so ein Ding mit solcher Inschrift fehlt mir im Erker!" „Es wird nicht gehen!" meinte der Kastellan und tat, als horche er etwaigen Schritten neu kommender Besucher. „Schnell, schnell! Reden Sie, bevor andere Besucher kommen! Ich gebe Ihnen fünfzig Kronen für daS Butzenschcibchen! Ja?" „Gott! Wenn uns jemand sieht beim Auönehmcn der historischen Scheibe — ich würde meinen Posten ver lieren!" „Drum machen Sie schnell! Hier das Geld!" rief Vasold und entnahm seinem Portefeuille die Banknoten. Hastig griff der Vurgvcrwalter das Geld und steckte es ein, um sodann mit auffälliger Gewandtheit die Butzenscheibe von der Bleiumrahmung loSzulöscn. ,Zier, mein Herr! Ich rechne auf Ihre Diskretion! Und nun bitte, verlassen wir schnell den Saal!" „Mit Vergnügen! Besten Tank!" schnatterte erregt Vasold, barg die kostbare Butzenscheibe in seinem Notiz buche »nd trippelte dem hastig schreitenden Kastellan nach. Für die herrliche Gletscheraussicht hatte Vasold
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