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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.06.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-29
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030629026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903062902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903062902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-29
- Monat1903-06
- Jahr1903
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BeznqS.PreiS t» der Havptekprdition oder deren Ausgabe stelle» abgeholt! vterteliührltch ^l».—, bet zwrimoliaer täglicher Zustellung in« Haus -« »7k Durch dit Post bezogen sllr Deut ch. luud ». vestenkrtch vierteljährlich «.»0, für die übPg« Länder laut gettung-preislistk. Redaktion und Lrpedition: Iabanntsgast» 8. FsNtlpreche» lk8 und SSL Alfred Hs du, Vvchhandlg^ Unwersitütsstr.ch U. ttsch«, Katharinen st« Ich L Königtpt. 7. Hauvt-Filiale Dresden: Marienstraß« 04. Kernsprecher Amt 1 Ur. 1710. Haupt-Filiale Lerlte: Curl Luitcker, Herzgl. Bay». Hofbuchhaablg^ Lützowstraße 10. Urrnsvrrcher Amt VI Nr. «KOK Abend-Ausgabe. WpMrr TagMalt Anzeiger. ÄmlsAatt des Löniglichen Land- und des Hönigtichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die Sgejpallene Petitzeile LS Reklamen unter dem Redaktionsstrtch g gespalten) 7K Lh vor den Famiürnuach' richte« (Sgelpalten) KO Tabellarischer and Ziffeniiatz entsprechend höher. — Gebühren nlr Nachweisungen »ud Ofsertenannohme Lk H (excl. Porto). Erkru-Beilagen (gesalzt^ nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesvrderung ^4 SO—, mit Postbesürderuug 70.—. ^nnahmeschluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Murgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen find stets an die Expedition -n richten. Dir Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis abend« 7 Uhr. Druck uud Verlag vou S. Pol» in Leip»t» Nr. 325. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2S. Juni. Wahlnnrnhen. Ein« neue Erscheinung bet den Wahlen in Deutschland Und die Ruhestörungen, die in verschiedenen Gegenden, be sonders in Industriestädten, unmiltelbar nach den Stich wahlen statt,cefunven haben. In anderen Ländern, z. B. in Ungarn, ist man ja noch ganz andere Vorgänge gewöhnt; aber gerade in Deutschland sind bisher die Wahlen zumeist so rudtg verlaufen, daß es höchst bedauerlich wäre, wenn das ander- werden sollte Die Sozialdemokratie behauptet, die Nervosität der Polizei habe di» erregt« Menge gereizt, adrr damit findet sie nicht einmal Glauben bei der demokra tischen „Franks. Zig.", di« rund heraus sagt: »Mi« uns scheint, ist an den lkxcessen nicht zu verkrnnen, daß sie mehr oder weniger von Sozialdemokraten ousgingen. Selbst verständlich utcht von den soztalbemokratischen Leitungen, aber doch von Leuten, dle sozialdrmokratisch gesinnt waren, wc>« be sonders inOsfenbach evident wurde, wo eben, trotz der Mahnung Ulrichs, zur Ruhe der bürgerliche Gegenkandidat tätlich angegriffen und vrrletzt wurde. Solch« Vorkommnisse sind nicht nur an sich sehr bedauerlich, sondern noch eia ganz besonderer Wahnsinn, wenn Sozialdemokraten dir Urheber sind! Denn eine demokratische Partei muß vor allen anderen unbedingten Respekt vor dem allgemeinen Wahlrecht und seinem Votum haben; wenn sie ober diese- Votum mit Prügeln bekämpfen will, dann zerschlägt sie die Grundlage, auf der sie selber steht." Wenn nun zuzugeben sein mag, daß die sozialdemokra tischen Leitungen nicht dirrkt an den Ausschreitungen beteiligt waien, so sind sie doch von einer Mitichuld nicht freizu sprechen. E« ist ja mehr al« zur Genüge bekannt, zu welchem Fanatismus die Sozialvemokrali« die Masten systematiich er zieht. Sie konzentriert von Anfang an da» ganz« geistig« Inleresse des einz«ln«n auf di« Politik, d. h. natürlich die svj'alvemok>atitch« Politik. Während in dem fugen A>bitter, der von den „Genossen" in der Werkstatt, sowie >n dir Kneipe unablässig bearbeitet und als Rekiut für die Soziatvemokralie georillt wird, alle Gefühle für daS Vatrrland, die Monarchie, rrli- giöien Vorstellungen usw. abgetöiet werden, wird ihm die Partei als vaS döchstt Ideal, daS einzige Ziel und Mittel, durch daS er jemals au« seinem bisherigen Zustande heraus- gelangen und höher steigen kann, hinaestelll. Er verliert so ganz von selbst mit der Zeit jeden Trieb, duich betonreren Fleiß, einste Weiterbildung in seinem Berufe oder Sparsam keit vviwäriS zu lommen. Er kettet sein ganze« Schickial an die Partei, sucht in ihr zu einer Stellung zu kommen, die er dielen und jenen älteren „Genossen" einnrhmen siebt. Turch Vie Entsestelung deS EhignzeS bei allen „G nossen" damit, daß man in ihnen den Glauben erwecki, jeder könne es bei rührigem Eifer biS zur Würde eines Volksvertreter« bringen, wird da« egoistische Interesse mit dem Parteiinteresse identisch. Jever Mißerfolg der Partei erscheint somit dem einzelnen strebenden „Genossen" als eine Er schwerung iein«r eigenen Lanfbahn. Daraus erkläit sich zur Ge nüge die geradezu sanatuche Wut, die sich bei den Wahlkrawallrn in den Massen geäußert hat. Cbarakterismch ist eS, baß auch bei den gemeldeten Aus>chreitungen wieder dieHaupttchieier unreife Burschen noch nicht wahlfähigen Alters waren, also Elemente, Montag den 29. Juni 1903^ bei denen die Entsestelung des schrankenlosen Ehrgeize« besonder stark wirkt, die noch den Himmel voller Geigen sehen und von denen mancher gar ein zweiter Bebel zu werden hofft. Den älteren Arbeitern schlittet ickron die Lebenserfahrung mehr und mebr Master in den Wein. S>« lernen mit der Zeit einsehrn, daß e« doch nur ein« sehr begrenzte Zabl von Partkianhängrrn ist, die sich in Vie Reiben der au«erwäblten „Genossen" setzen darf. Bei künftigen Wahlen wird es sich empfehlen, in den industriellen Orten mit sozialdemokratischen Massen Maß regeln zu treffen, di« soso" ein nachdrückliches Einichieilen gegen die krawalliüchtigen Schreier ermöglichen, damit ihnen ernstlich klar weide, daß die Sozialdemokratie noch lange nichi VaS Heft in den Händen hat. Da« wird für die Ausrülner eine ernüchternde Lehre sein, die ihnen schließlich nur heilsam werden kann. Sozialdemokratie, Polen und Zentrum. Die Sieges-Hymnen der iozialdemokranschen Press« über den Ausfall der Wablen ertönen ungetckwächt in heraus fordernder und übermütiger Sprache fort. Der „Vorwärts" triumphiert: „Die Republikaner vertreten jetzt säst alle Residenzen de« monarcheiireichsten Lande« der Welt; nur Potsdam und Schwerin find noch mit knapper Not vor der Schmach bewahrt, vielleicht auch hier und da ein Duodezrrsidenzchen Wir Barbaren halten d>e rote Fahne über die bedeutsamsten Stä len deutscher Wissen schaft und Kunst: Berlin, Leipzig, München, Halle, Königs berg usw. Wir Todfeinde des Militarismus herrschen Milten zwischen den wimmelnden Kasernen des Kanonenstaate-. Wir Gegner der abenteuerlichen Weltpolitik genießen das Eertrauen aller Hansastädte. Wir Zerstörer der Religion drangen selust in di« Besten de» KlerikaliSmuS «in, und auch da« Landvolk Hot uns, die wir doch — so sagrn sie ja alle — den Bauern von der Scholle treiben wollen, seine Stimmen gegeben, sofern eS frei wählen durst« und unser Wort zu ihm dringen konnte. Und schließlich sind wir „Zertrümmert! de« Parlamentaris- mu«" nunmehr feine eigentlich«» Träger, weiche den Gesetz- gebnngSmechaNtSma« arbeitsfähig machen I Kiirz, all« Kulturzentren Deutschlands und alle Kulturrlemente sind unser." Unter ihren ganz besonderen Schutz nimmt aber jetzt die SozialdrMokratie VaS Polrntum, um besten Gunst wahr- tchemlich ein eifersüchtige» Wettrennen zwischen Zentrum unv Lozialcemokratie anhrben wirv. Da« Zrutralorgan der letzteren sorgt schon heute dafür, das Zentrum de» den Polen anzuschwärzen. Es schrebt u. a.: ,,So seelenverwandt die radikal-polnischen Wähler dem Zentrum sind und jo sehr unser KlerikaliSmuS das Polentum begönnert: der bloße Umstand, daß da-Zentrum R e g i er u n g »p art«i, ge nügt, um es unmöglich zu machen. Es ist eine in der Geschichte des Zentrums unerhörte Tatsache, baß e« im ersten Ansturm gleich au- zwei festen Sitzen verdrängt wurde und in anderen Kreisen arg gefährdet war. Wer von diesem Regierungssystem ißt, stirbt daran." Von dieser Verdächtigung der Regierung^freundlichkeit wird sich Vas Zentrum al-balv zu reinigen suchen durch einen möglichst zur Schau getragenen Radikalismus und schaif« Opposition. Eine ve>artige Taktik hat eS stets zu Beginn brr Legislaturen gegenüber der Regierung befolgt, bi« letztere sich zum Verhandeln mit brm Zentrum und zur Nachgiedtg- krit gezwungen sah und aus ihn, die Rrgierungspaitri machte. Der Gang dieses Prozesses wird sich vielleicht diesmal nur ein wenig rascher vollziehen, weil das Zentrum seinen Wert al« Hauptstütze gegen dir Sozial demokraten, von denen rin nicht unbedeutender Teil gerade durch ZentrumShülfe in den Reichstag ge langte, frühzeitig genug auSzunützen bedacht sein wirv. Fast erbeiternd wirken die Versuche der „Germania", nach- zuweisen, daß die Sozialdemokratie nur eine mit dem Pro testantismus eng verbundene Ertcheinung sei. Als ob nicht am Rbein und in Westfalen, da, wo das Zentrum mit unbe<> dirigier Autoiitäl zu herrschen veimeinte, die Sozialdemokratie ebenso aiigewachsen wäre, wie in anderen Teilen Deutsch lands! Immerhin lasten diese Versuche erkennen, waS im neuen NeichSiage der Protestantismus vom Zentrum zu rr- wartrn hat. Tie westindischen Kolonien Holland« seil. Die holländische Wochenschrift „De Amsterdammer", die auf die öffentliche Meinung Holland« ziemlichen Einfluß hat, brachte küizlich einen Plan zur Sprache, der von allgemeinem Inteiesse ist. E« wurde vorgeschlagen, die westindischen Kolonien Hollands zu verkaufen. Holland besitzt bekanntlich tech« der kleinen Antillen, deren größte Enrayao ist. Diese Inseln sind meist dürre Koiallenfetsen, Cura^ao und einige andere produzieren aber Gewürz, Reu, Ma>S, Tabak u. a. und würden, fall« die Wafferverdältniste zu verbessern wären, wohl eine Zukunft baben können. Sie umfassen l!30 qkm und haben etwa 50 000 Einwohner. Seil langen Jahren bringen sie dem Mutterland«, das sich freilich nie viel um sie gekümmert bat, nur Kosten. Die Unzufriedenheit in der Hauptstadt Wilbelmstav bat denrk auch bereit« den Wunsch nach eineni Kiagqrnwechsel laut werden lassen, da Holland nicht in der Lage ist, diese Zustände zu ändern. Es bat alle Hände voll zu tun Mit seinen andern not leidenden Blsiz-ungen. Hinzu kommt, daß die Inseln völlig unbeschützt sind und besonders nach Fertigstellung des Panama kau al« leicht zu Konflikte» Anlaß geben könnten. Für Amerika muß der Besitz einiger Stützpunkte vor diesem Kanal von bobem Wert sein. Der „Amster- d^.nmer" sieht daher «ine Ve,'peisu»g durch die Vrrein igten Staaten früh oder ipät koch kommen. Das Blatt meilit alio, eS sei eine gesunde Politik, diese gefährlichen unv un- i ützen Inseln rechtzeitig abzustoßen, unv glaubt, Amerika weide wohl etwa 50 Millionen Gulden dafür zahlen wollen, umsomehr als die dänischen Pläne ja abgesprungen seien. Den Dänen hatte e« für ibren viermal kleineren Besitz NU« Millionen Gulden gebolen. Wie die Dinge einmal liegen, ist dieser Plan für Holland sehr der Ueberlegung wert. Er wird, so schreibt man den „Berl. N. R." aus Amsterdam, den Naiionalstolz nicht sehr verletzen, da uuS noch dir großen oslinviscbcn Kolonien bleiben. Der praktische Sinn der Holländer wird dem Gedanke« wohl einige Au«, sichten e,öffnen. Shanghai eine englische Stadt 1 Au« Shanghai, den 25. Mai, schreibt man un«: In der letzten Zeit bat hier eine ziemlich lebhafte Agitation in britischen Kreisen für die Bildung eines ZweigvereinS des englischen Flott,nvereioS (Naval Bague) staitgcfunden. Da« war in ganz Ostasien der Fall unv da« Ergebnis bler war, daß sich hier etwa 150 Leute zur Gründung eine« Zweig verein« zusammentaten. Unter ihnen befanden sich die an- gesebnsten Kauilcuie, die Mitglieder de« englischen General konsulate«', tlne Anzahl englischer Beamten der internationalen Nieverlaffung usw. An sich wäre die Sache wohl kaum 97. Jahrgang. der Berichterstattung wert, und das umsoweniger, al« auch der deutsche Flottenvrrein hier seit Jahr und Tag «inen Zweigveirin bat, der numerisch seinem jüngeren britischen Vetter jedenfalls gewachien, vielleicht sogar überlegen ist. Interessant an der G'ünbung war nur rin kleiner Zwiichen- fall, unv dieser verdient tatsächlich die allgemeinste Beachtung. Einer der Redner der konstituierenden Versammlung — uod zwar einer, der durch seine Stellung einen weit gehenden Einfluß unter seinen Landöleuten hat — führte nämlich wörtlich das Folgende aus: „E- ist nicht da« erste Mal, daß hier in Shanghai di« Gründung eine- englischen Flottenvrrein« angeregt wird. Al« seinerzeit der Verein daheim gegründet wurde, wurde hier bereit- angeregt, einen Zwrigverein in- Leben zu rufen. Damal- gewann indessen die Ansicht die Oberhand, daß «S in einer internationalen Nieder lassung wie Shanghai nicht ratsam sei, nationale Bestrebungen zu fördern. Auch schien r« zweifelhaft, ob ein derartiger Zweig verein hier von irgend welchem Nutzen sein könne. LS schien, al» wurde der kleine Windhauch, der von hier auegehen könnte, längst leine Kraft verloren haben, bi» er nach Hanse kommen könnte, um dort die Segel deS Flotlrnverein- zu schwellen. Aber seit jener Zeit haben sich die Verhältnisse eiwa« geändert. Lor allem sind wir hier nicht mehr so koemopolitijch, wi, wir eS früher waren. Verschiedene Umstände sind ringetreteo, die un« etwa« mehr auf uns selbst anweisen und un« dazu gebracht haben, Shanghai mehr als eine englische Stadt zu behandeln, denn al« ein kosmopolitisches Gemrindewejen." Der laute Beifall, den diese letzten WortedeS Redners begleiteten, bewies, daß der Redner mit seiner Ansicht keines wegs allein dastrht, vielmehr eine Saite angeschlagen hat, die bei seinen Zuröreru, unter denen, wie gesagt, nicht einer der angesehensten Engländer SbanghaiS, augesangen beim Generalkonsul und den Edefs der großen Banken unv Handel-Häuser, dem Vorsitzenden des internationalen Siavl- raiS unv der Beamten der internationalen Niederlassung fehlt«. Man «rlennt daraus, weshalb man englischer- seitS im vorigen Jahre vir Gründe nicht gleich für die Räumung Shanghai« von der internationalen Beiatzung finden tonnte. In der „englischen Sladl" war natürlich für ei» deutsches Regiment kein Platz. Deutsches Reich. ff Berlin, 28. Juni. Eine En ll chä d igung «pflich t der Be rufSgeno ssensch aft für Unfälle in sremden Betrieben besteht bekanntlich, wenn sich diese Unfälle bei BktriebSbanvlungen ereignen, zu denen ein der BerusSgenoffen- schast angehörenver BelnedSuniernehmer den Auftrag gegeben und für welche er Löhne zu zahlen hat. Anders liegt dir Sache jedoch, wenn es sich um mehrere Betiiebe bandelt, die für R-ch- nung desselben Unternehmers unierdalten werden. DaS Ge- welbe-UlNallversicherungsgesetz geht grundsätzlich davon aus, raß die Be>chästigung in einem bestimmten Betriebe entspeivend ist jUr dieve'sicherungerechlliche Zugchöi l. keil derjenigen Unsälle, die sich bei vieler Beschäfligungercignen.Wenn nun ble augesüdne Bestimmung über dir Haft pjlicht der Berussgenonen- ich asten «ine Abweichung von vielem Grundsätze anordnet, sollen damit zweifellos nur Tätigkeiten getroffen werben, die sich innerhalb eines ganz benimmten KieiieS von auS dem Betriebe sich ergebenden Beziehungen adfpielen und ge- wisselmaßen eine Äu-dchnung deS Betriebe» über F-uillet-n. Hotel Alpenrose. Roman von Arthur Achleitner. v.uu vruck verboten. Ambros stutzte ob dieses freien Benehmen-. „Erquickend kühl ist eS hier und angenehm das Dämmerlicht. GS müßte prächtig sein hier Sekt zu trinken." „Bedauere sehr! Es ist nicht ungältgsg, hier Lttatlvnen abzuhalten. Wollen Gnädige lesen, so steht die Bibliothek ans «ine Stunde zur Berfllgunq. Außerdem btn ich gern bereit, ausgewählte Blicher der Gnädigen auf das Zimmer zu schitttn." „O, sehr liebenswürdig? Wirklich ein keiner Mann! Ich gestehe aber gerne, daß cs >ntr ein ungleich größerer Benutz ist, mit Ihnen zu plaudern, als ein vielleicht recht fabeS Buch zu lesen." „Sehr gütig, aber meine Zeit ist gemessen und ein Hotelier zur Hochsaison ist ein schlechter Gesellschafter. Also wollen Gnädige gefälligst sich entscheiden." „Aber pressieren Sie doch nicht so arg, Herr Tsckiurtsch- beraerl Oder bin ich Ihnen zu wenig hübsch?" maulte das fesche Dciv, erhob sich und trippelt« auf den Hotelier zn, ihm schelmisch und unter kokettem Lächeln in di-' Augen blickend. „Na, reden Sie, gestrenger Herr! Sind Sie ein Varbar, fürchten Sie sich, mit einer nicht eben häßlichen Dame ein vertraulich Wort zu wechseln?" „Fürchten? Ich wüßte nicht weshalb! Doch auf den Ruf meines Hause» muß ich allezeit bedacht sein, da» ist Ehrenpflicht!" „Aber natürlich, bester Herr Gastgeber! Immer da» Dekarum bewahrt, da» ist ja in dieser Welt von Schein und Schwindel die Hauptsache." „Gnädige meinen daü Dekorum!" „Aber natürlich! Glauben Sie zum Beispiel, daß der heute anaekommcne Mvnokle-Herr wirklich rin Kammer herr ist?" „Im Meldezettel steht so!" „Jawohl, und nicht» Gewiss«» »riß man nicht!" Ich kann «ich ütn echt oder nicht echt der Gäste nicht weiter kümmern; bei der Abrechnung zeigt'S sich schon, ob Gold oder Talmi." „Ganz richtig, Herr Hotelier! Ich hätte aber doch gerne Ihre Meinung darüber gehört, ob der Monokle-Herr wirklich ein Kavalier ist." „Ich kann eine Meinung nicht äußern, habe ja mit dem Herrn weiter nichts gesprochen, ihm nur da» letzte freie Zimmer angewiesen. Ich kann ihn doch nicht fragen!" „Aber natürlich nicht! Ich glaubte nur; es heißt doch, die Hotelier» seien große Menschenkenner und wüßten auf den ersten Blick zu erkennen . . ." Tschurtschberger lachte. „Aber natürlich, bester Herr! Glauben Sie vielleicht, ich hätte nicht bemerkt, daß Sie mir bei meiner Ankunst einen gewissermaßen forschenden Blick gewidmet haben?!" „Ich sollte . . .?" „Aber natürlich! Gestehen Sie es nur ein, es hört un» hier ja niemand!" „Gnädige verlangen ein Geständnis? Nun, di« Wespentaille ist mir ausgefallen!" „Sonst nichts?" rief die Dawc und neigte sich mit dem Oberkörper vor, um die schöne Büste noch mehr in Geltung zu bringen. „Pardon, Gnädigste! Wir kommen an ein Thema, da» über die Grenzen geht, die einem Hotelier den Gästen gegenüber gezogen sind und bleiben müssen." „Mir sind hier sa doch unbelauscht —-!" „Aber keinen Augenblick vor Ueverraschung sicher. Ge- statten daß ich mich empfehle!" „Bleiben Sie doch noch einen Augenblick; e» interessiert Mich wirklich, eine kleine Beichte aus Ihrem Munde zu vernehmen. Sie brauchen mir nicht zu sagen, daß ich hübsch btn. Oder haben Sie mich etwa gar im Verdacht einer Insolvenz?" „Aber, Gnädigste!" „Oder erregt cs Ihr Mißtrauen, weil ich ohne Be gleitung reise?" „Bitte sehr, e» reisen heutzutage Damen sehr häufig allein!" „Sie üben also Toleranz-" „Wieso? Warum soll ich tolerant sein? Wi« meinen Gnädig« da»? Doch nicht etwa in Bezug auf die Haus- vrbnung?" „Huhu! Pfeifen und singen in den Hotelzimmern ist »erboten, bi« Schlüssel sind in der Office ab,»geben, di« Gäste haben sich Puntt zehn Uhr nacht» zu Vett zu be geben; flirten ist verboten, ebenso sich^ntt Schuhen aus den Divan zu legen, dito daS Spucken auf den Teppich! hahaha!" Tschurtschberger guckte verdutzt auf daS quecksilbrige Persönchen und überlegte einen Moment, ob das absonder liche Benehmen wirklich nur auf daS Konto Langeweile zu setzen sei. „Nun, Herr Hotelier, wo bleibt Ihre Antwort?" sagte die Dame und legte ihren schönen Arm auf Ambros Schulter. Ein feiner zarter Bcilchenduft wehte Tschurtschberger entgegen, verlockend genug ward die Situation, aber auch bedenklich für den Hausherrn, zumalAmbroS keineAhnung hat, wer dieses cptravagantc Persönchen wirklich ist. Die Vernunft mahnte zur Vorsicht, aber ein Kribbeln im Körper und etwas wie Herzklopfen verriet, daß Ambrvö noch der Jugend sich erfreut. Was könnte geschehen, wenn in diesem diskreten Raum das fesche Weib in die Arme ge- nommen und tüchtig abgckiißt würde? Verlockend genug kommt daS reizende Persönchen ihm ja entgegen, und nahezu sicher spielt hier die Langeweile ihre Nolle als ge schäftige Kupplerin. Wie die Dame auch noch die andere Hand auf Tschurtsch- bergerS Schulter kegle, und Ambros an sich zu ziehen be- gann, erinnerte der Hotelier sich seiner Hauspflichtcn und deS Rufes seines HauseS. Sanft löste er sich los, bat nm Einschuldigung und verließ das Bibliollielziunncr, auf- atmend wie von einem Alp befreit. Jin Korridor traf Tschurtschberger das Ltubemn idchen dieses Stockwerkes und fragte die Zimmert» Lina nach der Zimmernummer jener eleganten Daine. Lina, eine dralle Landschönheit mit großen Augen, au» welchen starke Sinneslust loderte, pries sogleich dieNoblefle der Wiener Dame in Bezug auf Trinkgeld und gute Be- Handlung. Diese Auskunft verscheuchte den leisen Verdacht. In der Office suchte Ambros den Meldezettel, konnte aber nicht viel daraus entnehmen, denn e» stand weiter nichts zu lesen denn: Tlwine Tauschkern, Privat, Wien. Di« Ru- briken: Rrisebegleitung, Dokumente, Tag der Abreise usw. waren nicht ausgefüllt. „ES wird doch wohl nichts andere» als ein Ausfluß der Langeweile sein!" dachte Ambro» und widmete sich den Gästen, welche »Iber Fahrgelegenheit ins Engadin Auskunft wünschten. Der Menschenstrvm flutete »um Abend in» Hotel zu rück, im Speisesaal wie in den RestaurantloUtllUltrr» ward es lebhaft, die Dienerschaft hatte zu springen, um den Anforderungen der Gäste zu genügen. Tschurtschberger überwachte den Betrieb, erwies Honneurs, erteilte je nach Ansprache im gleichen Idiom Auskünfte, mahnte Kellner und Heben zur Eile, und be gab sich dann auch in die übrigen Räume, wo sich Gäste breit gemacht, denen die Saalpreise zu hoch sind. An einem Tisch saßen die Herren vom SozictätSzimmer hoch droben und befolgten den Rat bezüglich Erzielung eines „Kauvuenschlafes". Mit Hallo begrüßten diese Zecher den freundlich grüßenden Hotelier un- lobten den Rötel als süffigen Wein. In einer behaglichen Ecke hatten Basold und Tochter Platz genommen, und unweit davon saßen Hotelgäste, die nicht eifrig genug die Agathenburg preisen konnten und großes Interesse für Altertümer bekundeten. Während Irma blasiert vor sich hinslarrte, widmete der Vater seine ganze Ausmerksamkeit den über Kunst raritäten debattierenden Tischnachbarn und beteiligte sich schließlich selbst am Gespräch mit der Frage, ob die Herren etwa auch den Speisesaal in der Agathenburg besichtigt hätten. Statt Antwort zn geben, verstummten die Herren. Keineswegs hierdurch entmutigt, sprach Basold: „Ich glaubte nur aus Ihrem eifrigen Gespräch über Kunst raritäten auf Altcrtumsfreundc schließen zu dürfen, und zu dieser ehrenwerten Gilde zähle auch ich Der Erker jenes SpcisesaaleS muß ja daS Interesse jedc» Altertumsfreundes erwecken." „Ja, ja!" erwiderte einer der Herren, und blinzelte und vergewisserte sich durch einen Griff über den Besitz deS Notizbuches. Diese Armbewegung erweckte in Basold einen ihn selbst überraschenden Verdacht, denn genau so hatte sa auch er vor Tisch sich vergewissert, daß die wertvolle Nutzen scheibe sich im Portefeuille befinde. Und in einem An flug von Bosheit meinte Basvld: „Haben di« Herren viel leicht im Erker deS Spetsesaales die interessante Inschrift auf einer Butzenscheibe gesehen?" verlegen meinte der Herr: „Sie meinen wohl den vermerk über das Rittergelage vom 17. Mär- bi» zum vincenzitag?" Verblüfft rief Vasvld: „Wie? Woher wissen die Herren daS?" Derselbe Herr antwortetet „Nun, e» steht sa doch «uf »er Vutzenschel»« z« lefenN
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