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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.06.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-08
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030608014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903060801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903060801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-08
- Monat1903-06
- Jahr1903
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BezugS-PreiS i» d« H»pt«rp«ditton »der der« AuS-ab* *. stell« ebgeholt: vkrtrWrltch ».-> bet z»«t»aliaer tLgllch«, L»st«kl»»a dl« Ho -4 S.7«. Durch dt, Poft bezogen für Pruts laich n. Oesterreich vierteljührlich <»0, «1» stdktg« Lände, laut Redaktion v»d Lrpedition: IvhanniSgasse 8. tzenstprecher ISS und AL FUialovpebttiorrr»: Alfred Hah», Bnchhandlg., UuiversitLtlstr.L L. Lösch«, Katharina str. Ich ». KSuig«pl. 7, Hlmpt-Fittlür Drerdeu: Marien straßr Sch Kernsprecher Lmt I Nr. 171». Haupt-Filiale Lerliu: T«l DtMcker, Herzgl. Bayr. Hostuchhandlg« Lützowstraße 1V. Fernsprecher VI Nr. 460L. Morgen-Ausgabe. WpWr Tagcblatt Anzeiger. Mmtsklatt des Äöniglichen Land- «nd -es Königlichen ÄmtsgerichLes Leipzig, -es Nates und des Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6gespaltene Petitzeile SS R«Na»«a »ter dem 78 vor de« ten (S gespalten) 80 H. Lovellartscher und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisung«, «ch OfferNnaunahm« 28 H («xck. Port»). Extra-Vellage» (gefall anr mit o«r Morgeu-LuSgab«, oha« Postvesörterung SO.—, mit Postt^sördernug 7L—» Jinnahmeschluß str Änzrizeu: Abeud-SnsgaL«: BonntttagS 10 Uhr. Morgea-Sn-gabe: Nachmittag« L Uhr. Anzeige» find stet« an di« Expedition z» richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abends 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Pol» in Leipzig. Nr. 285. Montag den 8. Juni 1903. 97. Jahrgang. Amtlicher Teil. s Limei-1. SiliersWn - iitkksn öntti - s im Auftrage des Konkursverwalters öffentlich gegen sofortige Barzahlung versteigert werden. Leipzig, 6. Jun, 1908. Dünkel, Lokalrichter. Konkurs-Auktion Mittwoch, den 10. Juni, vor«, von ^410 Uhr an, sollen Dchützenstr. 1, die zur Konkursmasse der Schuhfabrik von Ludwig Landau, Pirmasen», gehörenden und hier lagernden Warenvorräte, bestehend vorwiegend au«: ca. 300 Paar Letzt« Nachrichten. Berit», 7. Iuai. Ja BuudeSratSkreisru ver lautet, daß wahrscheialich die Finaazminister der Einzel- staateu in einer demuächstigen gemeinsamen Kon ferenz sich über Mittel und Wege aussprechen würden, welche am sichersten dazu führen dürften, den Schwierigkeiten der Finanzlage im Reiche zu begegnen. Die letzte der artig« Konferenz fand im Sommer 1893 unter dem Vorsitz des damaligen ReichtschatzsekretLr« Frhrn. v. Maltzahn in Frankfurt am Maiu statt. * Berlin, 7. Juni. Der Reichskanzler Graf v. Bülow ist heute früh aus Doberan hier wieder eiagetroffen. * Berlin, 7. Juni. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: In der Besetzung der Kaiserlichen Konsularämter sind folgende Veränderungen erfolgt: An Stelle des zum Mtnisterrestdenten in Bangkok ernannten bisherigen Generalkonsuls Coates ist der Generalkonsul v. Syburg in Batavia als Generalkonsul nach Yokohama versetzt worben. Das neu errichtete Generalkonsulat in Dtngapore ist dem Konsul Eschke daselbst und das Konsulat in Saigon dem bisherigen Konsul in Kanton, Kallen, übertragen worden. * Berlin, 7. Juni. Nach von Wolffs Bureau ein- gezogeuen genauen Erkundigungen sind die in hiesigen Blättern verbreiteten Nachrichten, betreffend da« Auftreten an steckender Krankheiten im Neuen Palais, daraus zurückzuführen, daß zwei Kinder einer in einem der EommunS wohnenden Bedieusteten-Famili« an Scharlach erkrankt sind. * Berlin, 7. Juni. Chemiker-Kongreß. Einen Vor trag von großem Interesse hielt gestern Ingenieur Steffen« über die Herstellung von Kalksandsteinziegela, die den Gebäuden em marmorartiges Aussehen verleihen. Die Versuche, den Hartuug-prozeß an diesen Steinen sogleich vorzunehmrn, statt ihn der geringen Kohlensäure der Luft zu überlafsen, seien noch nicht abgeschlossen. Nachmittags berichtete vr. He rdeu-- Hanau unter Vorführung von Experimenten über Quarzglas, da« au« weißem Berg- kristall hergestellt wird und gänzlich unempfindlich ist gegen Säur« und jeden Trmperaturwechsrl und al« neue Errungen schaft der Wissenschaft hoch zu schätzen ist. Professor Bunte- Karlsruhe sprach über Leuchtsalz« und Beleuchtungs körper. * Riel, 7. Iuai. Gegen da« in Sachen de- Matrosen Messerschmidt gefällte Urteil ist sowohl von dem Ge- richt«h«rrn wie von dem Angeklagten Berufung eingelegt worden. * Lübeck, 7. Juni. Die Senate von Hamburg und Bremen sind gestern vormittag mit Sonderzug zum Besuch de« Lübecker Senat» eiagetroffen. Die drei Senate unter nahmen nachmittags eine Dampferfahrt nach Travemünde, wo ein Festessen stattfand. * Bremen, 7. Juni. Der Ausstand der Klempner gesellen ist heute nachmittag in einer Sitzung der aus Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden SchlichtungSkommission endgültig beigelegt worden. Die Klempaergesellen nehmen am Montag die Arbeit wieder auf. * Köln, 7. Juni. Heute vormittag würbe tm Dome der neue Wethbischof, Domdcchant Professor Josef Müller, durch den Erzbischof Fischer unter Assistenz des Bischofs Voß-OSnabrück und des Wcihbtschofs Gockel- Paderborn zum Bischof geweiht. An der Feier nahmen das gesamte Domkapitel und die Spitzen der Be hörden teil. * Wiesbaden, 7. Iuai. Der Kaiser, die Kaiserin und die hier anwesenden Fürstlichkeiten wohnten gestern der dritten Festvorstellung bei; r« wurde „Die Afrikanerin" in der Wiesbadener Neubearbeitung aufgeführt. Die Haupt rollen gaben Kalisch, Schwegler, Müller, Frau Leffler- Burckhard und Fräulein Hanger. Die Ausstattung auf kultur historisch genauer Grundlage war glänzend in den portu giesischen Scenen, voll glühender tropischer Farbenpracht in den Scenen auf Madagaskar. Da« Kaisrrpaar beteiligte sich eifrig an dem lebhaften Beifall de« Publikums; Fanfaren und Hochrufe eröffneten und schloffen auch die heutige Vor stellung, die erst um 8*/, Uhr begann. — Heute morgen besuchten die Majestäten den Gotte-dieust. Der Kaiser hatte darauf em« Konferenz wegen de« Neubaue« de« Kur hause« mit dem Baumeister Professor Thiersch, dem Ober bürgermeister v. Zbell, Exzellenz v. Hülsen und Kurdireklor Major Ebmeher. Um 1N/r Uhr hielt der Kaiser in der Uniform der Garde« du Corp« eine Parade über die hiesige Garnison mit dem 3. in Homburg stehenden Bataillon de« Füsilier-Regiment« v. GerSdvrff Nr. 80 und der Unter- osfizierschule in Biebrich ab. Die Kaiserin wohnte der Parade in offenem Vierspänner bei, ebenso sämmtliche hier anwesenden Fürstlichkeiten. Der Kaiser sührte alSdann die Fahnenkompagnie zum Schlosse zurück, von dem zahl reichen Publikum lebhaft begrüßt. Prinz und Prinzessin Friedrich Karl von Hessen sind hier eingetroffen. * Karlsruhe, 7. Juni. Wie die „Karlsruher Zeitung" meldet, fuhren gestern abend der Grobherzog und die Großherzogin mit der Kronprinzessin Viktoria von Schweden nach Schloß Baden, wo sie bis Dienstag ver- bleiben werden, an welchem Tage die Kronprinzessin nach Schweden zurückkehrt. Die Herrschaften werben die Kron prinzessin bis Karlsruhe begleiten und sodann zu länge rem Aufenthalt nach Schloß Baden zurückkehren. — Die Teilnehmer an der Tagung der Deutschen Kolonial- gefellschaft unternahmen gestern einen Ausflug nach Heidelberg. Im Schloßrestaurant wurde das Mittags mahl eingenommen, bei welchem derHerzogJohann Albrecht zu Mecklenburg einen Trinkspruch auf die Abteilung Heidelberg der Deutschen Kolonialgesell- schäft und die Stadt Heidelberg ausbrachte. An den Großherzog von Baden wurde folgendes Tele gramm abgesandt: Die zum Schluß ihrer Tagung in Alt- Heidelberg versammelten Mitglieder der Deutschen Kolonialgesellschaft lassen ihre Dankbarkeit- Verehrung und Liebe in ein donnerndes Hoch auf Euere Königliche Hoheit ausklingen. — Unter Führung des Professors von Oechelhäuser und des Professors vr. Koch besichtigten die Gäste alsdann die Schloßruine. Abends fand eine von der Stadt veranstaltete Beleuchtung des Schlosses statt. Vor dem Mahle hatte Herzog Johann Albrecht Excellenz Kuno Fischer einen Besuch abgestattet. * München, 7. Juni. Wie die „Allg. Ztg." hört, hat Ministerpräsident Frhr. v. Podewils bei Gelegenheit seiner letzten Reise nach Berlin dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Frhrn. v. Richthofen, im Auf trage des Prinz-Regenten daS Großkreuz des Ver dienstordens vom heiligen Michael überbracht. * Pest, 7. Juni. In einer Unterredung, die der „Magyar Dzo" veröffentlicht, erklärte Kriegs minister v. Pitt reich es für unwahr, daß in dem gemeinsamen Heere irgend welche Abneigung gegen Ungarn bestehe; ebenso wenig hege Ungarn dieses Ge fühl gegenüber dem Heere. Gegenüber der Forderung, daß ungarische Regimenter nur von ungarischen Offi zieren befehligt werden sollen, wies -er Kriegsminister auf den empfindlichen Mangel an ungarischen Offizieren hin. Auf die Frage, welche Maßregeln die Heeresleitung zu ergreifen gedenke, wenn die Erhöhung des Rekrutenkontingents nicht bewilligt würde, er widerte der Kriegsminister: Die Schwierigkeit sei sehr groß; die Opposition würde nur eine patriotische Pflicht erfüllen, wenn sie die jetzt für ein Jahr geforderte Er höhung nicht hindern und sich die Geltendmachung ihres grundsätzlichen Standpunktes bei der Verhandlung des Wehrgesetzes im nächsten Jahre Vorbehalten würbe. * Paris, 7. Juni. Der ehemalige Minister Barthou hielt heute nachmittag eine Rede, in welcher er ausführte, daß die Republikaner, die bisher dem Minister präsidenten Combes ihre Unterstützung hätten zu teil werden lassen, für einen Versuch der Spaltung, dessen Erfolg als eine Schwäche des Latengeistes und als ein Nachlassen des demokratischen Vorgehens ausgelegt werden würde, nichtzu haben wären. Die von Combes und der Majorität befolgte Politik räume dem Kollekti vismus keine Zugeständnisse ein, sondern verfolge die Verwirklichung des jeder Demokratie gemeinsamen Pro gramms. Die Majorität werde ihr Werk ohne jede Uebertreibung und ohne unnütze Provokation fortsetzen. * Marseille» 7. Juni. Der Dampfer „Jnsulaire", der Gesellschaft Araissinet gehörig, stieß heute mit dem der selben Gesellschaft gehörigen Dampfer „Libau" auf der Höhe der Insel Maire zusammen und brachte ihn zumSirrken. Zahlreiche Personen büßten hierbei das Leben ein. L9 Leichen waren bi« 8^4 Uhr nachmittag» geborgen. — Der „Libau" ging von Marseille nach Bastia, der „Jnsulaire" tam von Toulon und Nizza. Der Zusammenstoß fand um 12)4 Uhr mittags statt. Der Lotsendampfer „Dlechamp", welcher sich in der Nähe der Unglücksstätte befand, leistete mit einem anderen Lotsenboot und dem österreichischen Kanonenboot „Balkan" sofort Hülfe. Der „Libau" sank 17 Minuten nach dem Zusammenstoß. Die Zahl der Reisenden aus dem „Li bau" betrug etwa 200; dieHälfte wird als verloren an gesehen. Die Bureaus der Gesellschaft sind geschlossen; die offizielle Liste der Reisenden ist noch nicht bekannt. Etwa vierzig Reisende wurden von dem „Blechamp" und dem österreichischen Dampfer „Carotty" gerettet. 40 andere und etwa 17 Matrosen wurden von dem „Kanonenboot „Balkan" aufgesammelt. Als das erste Rettungsboot auf etwa 10 Meter an den Dampfer „Libau" herangekommen war, neigte sich dieser plötzlich zur Seite und seine Masten schlugen in der Entfernung von 1)4 m von dem Rettungsboot in» Wasser. Der Dampfer versank mit der Menge von Menschen, die sich an den Leitern feftklammerten — ein herzzerreißender Schrei wurde gehört, dem bald darauf Totenstille folgte. Die Maschinen explodierten und verursachten ein Äufzischen des Wassers, das ungefähr fünf Minuten anhielt. * Rom, 7. Juni. Der Besuch des Königs von Italien beim Präsidenten Loubet ist amtlich für den 16. Juni d. I. angekündigt worden. Der Besuch des Königs beim englischen Hofe ist endgtltig auf Len 15. November festgesetzt. * Madrid, 7. Juni. Der General Bourbon- Cast e l i, ein Verwandter des Königs, gegen welchen in folge der Maßnahmen des Präfekten zur Unterdrückung des Spielens in den Kasinos seit längerer Zeit ein ge richtliches Verfahren schwebte, ist vom obersten Gerichts- Hof freigesprochen worden. Die gegen -en General erhobenen Beschuldigungen wurden nicht als erwiesen er achtet. * Londo«, 7. Juni. Dem „Reuterschen Bureau" wird aus Washington gemeldet, Staatssekretär Hay habe gestern mit -em Präsidenten Roosevelt eine Be sprechung über die Fragen, betreffend die Räumung der Mandschurei und die Greuel in Kischtnew, ge habt. Die Lage der Regierung wird als schwierig hin- gestellt wegen der fortgesetzten BolkSkundgebungen gegen die russische Regierung, welche, wie eS heißt, bei letzterer angesichts der von ihr bereits abgegebenen Versicherungen befremdet haben. Der russische Botschafter Graf Cassini und der amerikanische Botschafter in Petersburg, Mr. Cornick, würden den Präsidenten Roosevelt in einigen Tagen besuchen und sich bemühen, eine offene Verstän digung zwischen den beiden Regierungen herbeizuführen. * Londo», 7. Juni. Aus Anlaß der jährlichen Sonntagskollekte in den Kirchen zu Gunsten der Hospitäler wohnten der König und die Königin, Prinz und Prinzessin von Wales, Herzog von Cambridge, Herzog und Herzogin von Connaught mit Töchtern und andere Mitglieder der königlichen Familie dem NachmittagsgoiteSdienste in der St. Paulskathedrale bei. Das KöntgSpaar fuhr mit der Prinzessin Viktoria in einem offenen Vierspänner, von der Volksmenge begeistert begrüßt, und wurde am West portale der Kirche von der Geistlichkeit, dem Lord» Karl der Dicke. ReisehumoreSke von WtlhelmGeorg (Braunschweig). Nachdruck verboten. Der Amtsrichter Karl Meyer, der in dem bequemen Schaukelstuhle auf der Veranda des Hotels mehr lag, als faß, war ärgerlich trotz des goldenen Sonnenscheins, der heute, nach einer regnerischen, schrecklichen Zeit Las idyl lische Harzburg überstrahlte. Ihn ärgerte heute alleS! Vor allem war ihm fein gewaltiger KorpuS — der ihm den wenig ästhetischen Spitznamen „der dicke Meyer" ein getragen — im Wege. Wenn er durch den Hotelgarlen ging, hörte er die übermütigen Backfische kichern: „Der dicke Meyer ist ja auch schon wieder da!" Bekam er Briefe von einem seiner Freunde, so begannen sie mit den Worten „Lieber Dicker!" Lauschte er unbeachtet dem Gespräch der Rechtsanwälte und Kollegen, so vernahm er sicher die Adjektiv« „dick" und „gemütlich". Gegen das ominöse Wort „dick' konnte er nicht pro- testieren. 240 Pfund waren eben kein« Kleinigkeit! Aber dagegen wollte er sich verwahren, daß er ein „Phlegma- ttker" sei. Je mehr er über sein Schicksal nachdachtc, desto wüten der wurde er. Aergerltch sprang er endlich aus, zündete sich eine Cigarette an und stülpte den Dtrohhut ins Ge nick. Bequemlichkeit ging ihm nun einmal über alles. Er liebte S die Kleider nicht zu eng, di« Hüte möglichst i» Nacken und die Stiesel möglichst weit zu tragen. Auf dem Wege zu den „Eichen" begegnete ihm sein Ttschnachbar, ein spindeldürrer hannoverscher Hauptmann außer Diensten, mit dem er sich angefreundet hatte. „Gehen Sie heute mit ins Theaters" fragte der alte Herr. „Meine Frau behauptet, man dürfe „Julius Cäsar" nie versäumen; die klassischen Verse Sbakesveare« müsse ma« auch i« Rosenmonat hören. Sie drückte mir noch, damit ich mich gewissenhaft vorbereiten könne, das Bänd chen in die Hand. Hören Sie nur die ideal schönen Verse: „Laßt wohlbeleibte Männer um mich sein. Mit glatten Köpfen und die nachts gut schlafen . . ." „Daß -och der Teufel diesen hageren Cassius hole!" dachte der dicke Meyer. In leichtem Geplauder schritten beide den „Eichen" zu, wo sie dicht vor dem Musiktempel nahmen. Man chlürfte seinen Kaftee, kritisierte die Berliner BankierS- rauen, die in Harzburg so gern ihre Toiletten zeigen, und reute sich -er guten Musik. Gegen 8 Uhr kam des Hauptmanns Töchterlein mit glühenden Wangen und zerzaustem Haar vom Tennis plätze. DaS weiße Matrosenkleid stand dem Backfisch ent zückend und die schwarzen Löckchen, die in malerischer Un ordnung unter der Mütze hervorquollen, machten daS feine Gesicht nur noch anmutiaer. „Zum Anbeißen", dachte der Amtsrichter, der dienst beflissen einen Stuhl für Fräulein Jenny herbeiholte. Der Backfisch hatte seine Helle Freude daran, wie der Amtsrichter schwitzend und keuchend mit dem doch gar nicht schweren Stuhl berankam. „Wissen Tie, wie Sie auSsehen, Herr Amtsrichter?" „O weh", dachte Meyer, „sie zielt auf meine Körperfülle. Dann sagte er: „Wie ein Mann, dem mehr als zwei Zent- ner Körpergewicht eine Kleinigkeit ist, wenn es gilt, schönen Damen einen Dienst zu erweisen!" „O, wie galant, mein verehrter Ritter Falstaff", er widerte Jennv. „Auch daS noch, mein Fräulein? Wußten Sie keinen besseren Vergleich, als diesen bramarbasierenden Ritter?" „Verzeihung", stammelte Jenny. „Aber daran ist die Musik schuld. Hören Sie nur, man spielt „Die lustigen Weiber von Windsor". Gut gelaunt intonierte der Amtsrichter: „Wie freu' ich mich, wie freu' ich mich, wie treibt mich das Verlangen — mal wieder heut', mal wieder heut', das Weibchen zu umfangen!" „Ei, ei", neckte des Hauptmanns Töchterlein, „der dicke Amtsrichter kann ein Schwerenöter sein." „Und warum soll er'S nicht fein könnend Fräulein Jenny sah ihn mitleidig an. „Nun, wie ein Sanguiniker sehen Sie nicht aus, und die pflegen eher Schwerenöter zu sein, als als " „Phlegmatiker!" fiel Meyer ein, während Jenny purpurrot wurde. Sie fühlte, sie war zu weit gegangen und verstummte, weil sie nicht weltgewandt genug, ein Ge spräch, bas auf einem Riff saß, wieder flott zu machen. Das Erscheinen des Dienstmädchens half beiden aus der tödlichen Verlegenheit. „Gnädiges Fräulein, der ,SanS" ist fort!" berichtete dieses ängstlich. Als ich ihn vom Burgberg herunter bringen wollte, riß er aus und verschwand tm Gebüsch." Ein Blitzschlag aus heiterm Himmel würbe nicht die Wirkung gehabt haben, wie diese Hiobspost. Fräulein Jenny weinte, der Hauptmann fluchte, und der Amts richter tat so, als ginae ihm die Dache furchtbar nahe. In Wirklichkeit freute er sich, daß den „HanS", einen viel zu gut gefütterten Fox, der Teufel geholt hatte, der wahr scheinlich deshalb extra vom Blocksberg herüber ge- kommen war. Jetzt faßte Meyer einen heldenhaften Entschluß. „Meine Gnädige, ich werde den Burgberg bis zum Gipfel erklimmen und Ihnen den „Hans" wiederbringen — lebend oder tot!" „Nein, nicht tot!" „Wie, St«, Herr Amtsrichter, wollten bei dieser Hitze den Berg absuchen? DaS ist zu viel! Das dürfen Sie nicht wagen! DaS schadet Ihnen!" warf der Haupt mann ein. „Ich werde Ihnen beweisen, daß auch ein Dicker seinen Posten ausfüllen kann!" Mit kurzen, raschen Schritten schob Meyer die Zickzack, wege des Berges hinauf. Bald war er de» Blicken der ihm Nachschauenden entschwunden. „Ein gefälliger, brillanter Kerl!" meinte der Haupt mann mit einem ernsten Blick auf sein Töchterchen, daS gsutrot wurde. „Schade, daß er so stark ist!" antwortete dieses leise. Anderthalb Stunden später, als man im Hotel beim Souper saß, erschien der dicke Meyer wieder, den Fox an einer Leiue führend. „Heureka!" kam es triumphierend von seinen Lippen. „Karl der Dicke hat der Welt bewiesen, daß Konsequenz immer zum Ziele führt! Von der Spitze des Berge- habe ich ihn herunteraebolt!" Von allen Seiten wurde dem dicken Meyer zu dieser Bravourleistung gratuliert. Kleine Ursachen — große Wirkungen. Jenny fand den galanten Dicken auf einmal riesig nett und eigentlich gar nicht mehr „so sehr dick", und selbst ,HanS^, der ewig mürrische und bissige, gewöhnte sich jetzt rasch an den Amtsrichter. Bier Wochen später empfahlen sich Jenny und Karl den erstaunten Hotelgästen als — Verlobte. * * Als daS Paar im Juni des nächsten Jahre- — nachdem sie Ostern vorher Mann und Frau geworden — zur Kur nach Harzburg kam, erklomm eS natürlich auch den Burg berg. Ungefähr auf der Hälfte deS zurückgelegten Wege- blieb Meyer plötzlich sieben und deutete auf die im Gebüsch angebrachten Hängematten. ,<Hier müßte ich eigentlich unserem Glück einen Gedenk stein setzen, denn hier war eS, wo ich ruhte, während ein Kalbes Dutzend Waldarbeiter, die mir begegnet waren, für klingende Münze weiter oben den Wald absuchten nach deinem Fox." „Ach, du Renommist!" sagte seine Krau schmollend. „Du bist also gar nicht bis oben gewesen?" „Wo werd' ich denn nach oben gehen, wenn ich'S unten bequemer haben kann", meinte der dicke Meyer, wischte sich mit dem rotsetdenen Taschentuch die vom Schweiß feuchte Stirn, drehte sich auf dem Absatz herum und sagte etwas schüchtern: „Komm, Jenny, wir kehren um. Den Rest sparen wir unS auf für morgen. Sir John Falstaff wär« den Berg auch nicht gern geklettert!" Langsam folgte seine Frau. „Daß soll er büßen! Morgen schon muß er nach Karls bad", nahm sie sich vor, heimlich die Fäustchen ballend. Und sie hat'S -urchgesetzt!
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