01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.08.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-11
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020811013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902081101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902081101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-11
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung «0.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: VormMag- 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an dre Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentaa» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. des Ruthes und Volizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Nr. tOt. Montag den 11. August 1902. W. Jahrgang. Amtlicher Theil. Verdingung. Die bei dem Neubau eine» Physikalischen Institute- an der Linnöstraße weiter erforderlichen Sandsteinarbciten, Siebenter Teil, sollen in» Gedinge gegeben werden. Die Preisverzeichnisse sind im UniversitätS-Rentamte (Baubureau) gegen Bezahlung zu entnehmen und spätestens am 20. August 1S02 an dasselbe portofrei uud verschlossen zurückzugeben. Die Auswahl unter den Bewerbern, welche bis 20. September 1902 an ihre Gebote gebunden bleiben, wird Vorbehalten. Diejenigen Bewerber, mit welchen bis dahin ein Veriragsab- kommen nicht vereinbart worden, haben ihre Angebote als abgelehnt zu betrachten. Leipzig, den 9. August 1902. Köntgl. Landbauamt. König!. UniversitLtS-Rcntamt. Seidel. Riemer. Ueber daS Vermögen des Kaufmanns Carl Albin Steinbach, Inhabers der Metallwaarenfabrik unter der Firma: C A. Steinbach in Stötteritz, Schönbachslraße 60, ist heute, am 24. Juli 1902, Nachmittags V.6 Uhr das Konkursverfahren eröffnet worden. Verwalter: Herr Rechtsanwalt Zieger in Leipzig. Wahltermin am 13. August 1902, Vormittags 11 Uhr. Anmeldefrist bis zum 27. August 1902. Prüfungstermin am 8. September 1902, Vormittags 11 Uhr. Offener Arrest mit Anzeiqepflicht bis zum 23. August 1902. Königliches Amtsgericht Leipzig, Abt. II Nebenstelle, JohanniSgassc 5, I., den 24. Juli 1902. Bekanntmachung. Der Betrieb der (Kastwirtbschast in dem neu erbauten Gasthofe des städtischen Schlachthofcs in Altcnbnrg, S.-A., ist auf 3 Jabre, vom 1. Oktober 1S02 bis 30. September IVO» au einen geeigneten Bewerber zu Verpachten. Für diese Verpachtung ist Termin auf Freitag, den 22. August, Vormittags 11 Uhr im Amtszimmer des Schlachthos-Direktors, Verwaltungsgebäude im Schlachthof, I. Geschoß, anberaumt. Angebote auf diese Verpachtung sind vor dem Termine versiegelt und mit der Aufschrift „Gastwirthschaft Tchlachthof-Altcnbnrg" versehen an den Schlachthof-Direktor Uetbke, Verwaltungsgebäude, Schlachthof-Altenburg, S.-A., postsrei einzusenden. Die Bedingungen, die dieser Verpachtung zu Grunde liegen, sind in dem oben genannten Amtszimmer Vormittags von 10—12 Uhr rinzusehen und können auch gegen Einsendung von 1 Mark von dem genannten Schlachthof-Direktor bezogen werden. Jeder Bieter hat diese Bedingungen zum Zeichen der Anerkennung zu unterschreiben. Der Gasthossbetrieb aus dem Schlachthofe in Altenburg, S.-A., umfaßt volle Gasthofs-Gerechtigkeit, mit der Berechtigung, Gäste zu beherbergen und Ausspann von Geschirren aufzunehmen. Altenburg, am 5. August 1902. Der Stadtrath. Die Verletzungen der Handelsfreiheit im Congostaat. Ein neuer „Fall Stokes". Auf der diesjährigen Hauptversammlung der Deutschen Colonialgcscllschaft in Halle machte bei der Begründung der Resolution gegen die Verletzungen der Handelsfreiheit im Congostaate Herr Consnl Ernst Vohsen auf das Vorgehen -er Behörden dieses Staates gegen den Oester reicher Ravinek aufmerksam. Letzterer stand in Ge schäftsverbindung mit der Hamburger Firma Ludwig Deuß L Co., die seit 1888 Geschäfte mit Lstasrika be treibt, namentlich den Sambesi hinauf, und in Portugie sisch-Ostafrika die Agentur der Deutschen Ostafrikalinie übernommen hat. Die Firma hat nun der bestens be kannten Londoner Wochenschrift „West Africa" ausführ liche Mitthcilungen über den Thatbestand im Falle Ravinek's gemacht. Es ergiebt sich ans dem vorliegenden Material Stoff zu neuen Anklagen gegen den Congostaat, dessen schändlichem Treiben endlich ein Ziel gesetzt werden müßte. Im Jahre 1900 befand sich Herr Deußin Ost-Central afrika, wo er die Bekanntschaft Ravinek's machte. Letzterer gefiel dem deutschen Kaufmann wegen seiner Unter nehmungslust. Er war schon zwei Jahre im Gebiete der Katanga-Gefellschaft, im Südosten des Congostaates, ge reist und hatte Maaren für etwa 80 000 ./tl erworben. An Kautschuk besaß er 45 Tonnen feinster Maare. Einige weiße Angestellte standen ihm zur Seite, daneben war er in Geschäftsverbindung mit zahlreichen schwarzen Händlern. Ravinek, ein Mann von ungefähr vierzig Jahren, besaß eine gute Bildung und gesellschaftliche Er ziehung und vermochte insbesondere mit den Ein geborenen gut auszukommcn. Er hatte sich in einem Be zirk im Westen des Conccssionsgebietes der Katanga-Ge sellschaften niedergelassen, in welchem die aufständischen ehemaligen Soldaten des Staates die Macht auSübten; ein Theil dieser Leute, die sich vor fünf Jahren gLgen d^n Staat empört hatten, lebte nördlich, ein anderer südlich vom Tangannikasee. In ihren ungemein kantschukreichen Gegenden reiste Ravinek hin und her und erwarb Kautschuk, ohne von ihnen oder den Eingeborenen belästigt zu werden; er fand im Gegentheil stcts eine freundliche Ausnahme. In dem Concessionsgebicte der genannten Gesellschaft hatte er das Recht des Handels mit Kautschuk in einem Bezirke von etwa 37 500 Quadratkilometer, wofür er dem Congostaate 40 Centimes und der Katanga-Gesell schaft 1 Francs für das Kilogramm zu entrichten hatte. Dieses Verhältniß gab zu keine» Schwierigkeiten An laß, bis die Katanga-Gesellschaft vor beinahe zwei Jahren das „6omit6 specüai ciu Xatansa" gründete. Das Con- cessionsgebict der Gesellschaft gehörte nämlich zu der so genannten Privatdomüne, wie sic durch die Erlcssse des Königs geschaffen worden war, und kraft der Cvnccssions- urkunde blieb die Ausbeutung des Kautschuks, die in der Privatdomüne Sache des Staates ist, späterer Abmachung vorbehalten. Der Staat kam mit der Gesellschaft über ein, daß das neue Unternehmen einen Anfnchtsrath von vier ldarnnter der Vorsitzende) vom Staate und zwei von der Gesellschaft ernannten Mitgliedern erhalten, und daß der Geschäftsgcwinn zu zwei Dritteln an den Staat und einem Drittel an die Gesellschaft gehen solle. Eine solche Abmachung widerspricht den internationalen Verträgen, kraft deren der Handel in dem Gebiete des Staates voll ständig frei sein nnd der Staat selbst keinen Handel treiben soll. Daß die fortlaufenden Verletzungen dicker Be stimmungen gerade für die anstoßenden Gebieksmächte, namentlich Deutschland und England, empfindlich sind, ist bereits in der Hallcschen Resolution auSgedrückt worden. Ravinek hatte eine Ermächtigung zum Kautschuk handel von einem gewissen Levögue ausgestellt erhalten, der seinerseits zur Ausstellung solcher Vollmachten durch den Gencraldircctor der Katanga-Gesellschaft, Oberst leutnant Thys, ermächtigt worden war. Außerdem hatte Ravinek die Erlaubniß, eine Anzahl Vorderlader mit sich zu führen. Nachdem nun das neue Unternehmen in Thätigkcit getreten war, beschloß es, die bis dahin in dem Gebiete der Gesellschaft Handel treibenden Emwpüer auS- zuschließcn und ihre Erlaubnißschcine cinzuziehen. Die Katanga-Gesellschaft theilte dies der Firma Ludwig Deuß <L Co. mit. Dieses Schreiben ist ein werthvolles Aktenstück in dem Proccß, den die Erben Ravinek's in Brüssel an hängig gemacht haben. Ein neuer Dircctor der Katanga- Gesellschaft, ein belgischer Major a. D. Wcynz, übernahm die Leitung der Geschäfte in Afrika und traf sofort An ordnungen, um allen freien Händlern den Betrieb un möglich zn machen. Ravinek hatte die Hamburger Firma mit der Bildung einer Gesellschaft für die Nutzung seiner Concession betraut und seine Maaren nach dem Gebiet der letzteren befördert. Es wurde ihm eröffnet, daß er, wie alle anderen Händler, das Gebiet der Katanga-Gesellschaft zu verlaßen habe. Seine weißen Angestellten mußten fort, weil sie mit Verhaftung bedroht wurden. Einige der schwarzen Händler Ravinek's wurden thatsächlich unter dem Vorwande fcstgcnvmmcn, ohne Ermächtigung Ge schäfte in Kautschuk und Elfenbein getrieben zu haben. Der Zufall wollte, daß einer dieser Händler im Besitz eines der Gewehre gefunden wurde, die Ravinek gehörten. Ravinek selbst befand sich der Vorsicht halber auf britischem Gebiet und bereitete eine Bcschwerdcschrift an die Congo- regierung in Brüssel vor. Er versuchte nun, seine Maaren aus dem congostaatlichen Gebiet heraus zu bekommen, was ihm zuerst zu gelingen schien, bis Major Wcynz und dessen Gehilfen ihren Sinn änderten und ihm den Zutritt zu dem Concefsionsgebiet verweigerten. Möglicherweise befürchteten sie, er könnte seinen Einfluß in dem von den Aufständischen beherrschten Landstrich gegen sie ausnutzen, immerhin trauten sie ihm nicht und sannen auf eine Ge legenheit, seiner habhaft zu werden. Sie stellten ihm aus englischem Gebiete, in der Gegend des Mcrusees, nach und nahmen ihn auf einem englischen Schiffe unter Verletzung der englischen Grenze gefangen. Darauf brachten sie ihn vor ein sogenanntes Kriegsgericht, dem Major Weynz und ein Richter angehörten. Daß es ein Kriegsgericht war, mögen sie vielleicht damit rechtfertigen, daß in Katanga wegen der Aufständischen noch Kriegszustand herrschte. Ravinek wurde nun zu einem Jahr Gefängniß und 1000 Francs Geldstrafe wegen unberechtigten Handels mit Kautschuk und Elfenbein und des Vertriebes von Feuer waffen verurtheilt. Außerdem wurden ihm seine Maaren, deren Menge die Firma Deuß L Co. auf 30 000 Kilogramm Kautschuk allein schätzt, wcggenommen, so daß der Congo staat mit der GerichtSkoinödie ein sehr gutes Geschäft machte. Tann wurde er einer Abtheilung eingeborener Soldaten übergeben, die ihn nach Boma, an der Mündung des Congos, zur Verbüßung seiner Strafe bringen sollten. Wir erfahren noch durch die Darlegung der Hamburger Firma, daß der richterliche Beisitzer gegen die Ver- urtheilung zu der Gefängnißstrafe Verwahrung eingelegt hatte, und daß in Boma in der höheren Instanz eine neue Verhandlung stattfinden sollte. Ravinek starb indetz unter wegs vor Kummer und Aerger und unter der schlechten Behandlung, die ihm von den rohen Soldaten zu Theil ward. Wir schließen uns den Ausführungen des englischen Blattes über diese Vorgänge vollkommen an und stehen nicht an, sie als einen neuen Schandfleck zu bezeichnen, der auf dein Congostaat lastet. Welche Folgen das Vorgehen des Majors Weynz, eines würdigen Nachfolgers des Majors Lothairc, oes Henkers Stokes', haken wird, muß sich bald zeigen, denn die Hamburger Firma hat sich an die österreichische Gesandtschaft in Brüssel mit einer Be schwerde gewandt, die hoffentlich anch von der deutschen Neichsregierung wegen der Interessen der Finna L. Deuß K Co. und von der britischen Regierung wegen der Ver letzung ihres Gebietes durch Soldaten des Congostaates unterstützt wird, abgesehen von der grundsätzlichen Noth- wendigkeit, dem allen Verträgen sowohl, als den ein fachsten Geboten der Menschlichkeit widersprechenden Vor gehen des Congostaates und seiner geschäftlichen Ver bündeten ein Ende zu machen. (D. Colonial-Ztg.) Einfall des Kurfürsten Moritz von Sachsen in Tirol 1552. Nachdruck verboten. Durch den Sieg Kaiser Karl's V. bei Mühlberg 1547 hatte die protestantische Sache in Deutschland einen schweren Schlag erlitten, der mächtigste evangelische Fürst, Kurfürst Johann Friedrich der Großmüthige von Sachsen, war Gefangener des Kaisers geworden. Zu der Zeit da sich Alles dem Gewaltigen unterwarf, glänzte eine Stadt durch Entschlossenheit und evangelische Treue, es war Magdeburg. Magdeburg hatte sich im Schmalkaldischcn Kriege nicht unterworfen, es setzte den Widerstand fort und war der Zufluchtsort Derjenigen, die um ihres evangelischen Glaubens willen bedrängt wurden. Ueber diese selbst bewußte Stadt sprach der Kaiser die Acht aus; die Ans- führ u n g derselben übertrug er dem Kurfürsten Moritz von Sachsen. Beim Ausgang des Schmalkaldischcn Krieges schien Kaiser Karl V. auch in Deutschland erreicht zn haben, waö das Ziel seiner Wünsche in allen von ihm beherrschten Landen war, die Aufrichtung einer unumschränkten Herrschermacht. Die deutschen Fürsten mußten sich dem Gewaltigen beugen, ihre bisherige Un abhängigkeit sank znm Schatten herab. Sie mußten zu sehen, wie spanische Willkür und verwilderte Truppen deutschem Recht und deutscher Sitte Hohn sprachen. Diese Vergewaltigung und das Streben, in seinem Hause die Kaiserkrone erblich zu machen, erzeugten im deutschen Volke eine solche Mißstimmung gegen Karl V., daß es nur eines Anstoßes bedurfte, um dieser Bedrückung ein Ende zu machen. In Kurfürst Moritz von Sachsen er stand nicht nur dem Protestantismus, sondern auch der deutschen Sache ein Netter. Durch das Bündniß, das Moritz mit Karl V. ge schlossen hatte, lud er allerdings den Schein auf sich, als sei er ein Verräther des deutschen Volkes, doch die immer weitergehende Anmaßung des Kaisers und die fortgesetzte Bedrückung der Fürsten bestimmten ihn, für die Unabhängigkeit derselben und für den evangelischen Glauben das Schwert zu ziehen. In der Ausführung dieses Planes wandte er Mittel an, die der Kaiser selbst nur allzu oft gebrauchte, welsche Hinterlist und Verstellung mußten das wahre Ziel Moritzens verhüllen. Die Aus führung der Acht gegen Magdeburg bot ihm Gelegenheit, ein ansehnliches Heer um Magdeburg her zu sammeln, in aller Stille zog er aber auch Truppen in Delitzsch, Bitterfeld, Borna, Eilenburg und in Altenburg zusammen. Aus der Ansammlung der Truppen konnte Karl V. keinen Verdacht schöpfen, obwohl er wiederholt vor Moritz gewarnt worden war. Um dem Gewaltigen mit Nachdruck und Erfolg ent gegentreten zu können, schloß er mit den evangeli schen Fürsten ein Bündniß. Dieses ward ihm dadurch erleichtert daß in Süddeutschland Kaiser Karl V. gegen den Protestantismus streng vorging. Die Ver- bünbeten waren Landgraf Wilhelm von Hessen, Herzog Georg von Mecklenburg; dieses Bündniß erhielt in dem König Heinrich II. von Frankreich, der sich ebenfalls zu einem Kriege gegen Karl V. rüstete, einen mächtigen Ver bündeten, der die evangelischen Fürsten durch reichliche Geldspenden zu unterstützen versprach. Als Gegenleistung forderte er, daß die deutschen Fürsten darein willigten, daß er die französisch sprechenden Reichsstädte Cambrai, Metz, Tvul und Verdun unter seine Herrschaft bringe. Wiederholt berichtete man dem Kaiser, daß Moritz von Sachsen im Begriffe sei, von ihm abzufallen, und ihn bedrohe. Bei diesen Andeutungen äußerte der Kaiser: „Er führe in der Person des gefangenen Johann Fried rich einen Bären an der Kette, den er nur zu befreien nöthig habe, um Moritz zu erwürgen." Die Vorkehrungen zu dem Zuge nach Tirol waren von Moritz mit solch' bewunderungswürdiger Vorsicht und Geheimhaltung getroffen, daß der Kaiser über die Absichten Moritzens im Zweifel blieb. Im März 1852 brach Moritz plötzlich auf; von Leipzig zog er über Weißenfels, Naumburg, Weimar, Erfurt, über den Thüringer Wald. Am 23. März stieß Landgraf Wil helm von Hessen zu ihm, bei Schweinfurt hielt Moritz Musterung über 19 Fahnen Knechte und die Reiterei. Zu ihm gesellte sich auch Albrecht Alcibiades von Branden- burg-Culmbach, ein berühmter Söldnerführer, unter dessen Fahnen sich rasch eine beutelustige Söldnerschaar sammelte. Durch ein Manifest gaben die evangelischen Fürsten kund, was sic zu diesem Zuge veranlasse, besonders wurden in demselben die Beschwerden gegen den Kaiser hervor gehoben. Es sei, so sagten sie, ihnen stets daran ge legen gewesen, den Frieden im Reiche zu erhalten und auf religiösem Gebiete eine Verständigung zwischen den streitenden Parteien herbciznführcn, doch seien alle darauf bezüglichen Abschiede, Briese, Zusagen und Vertröstungen anders gedeutet, widerrufen und gänzlich aufgehoben worden, „man könne es den Fürsten nicht verdenken, wenn sic mit dem Munde und mit der Faust trachteten, zur Abwendung solcher Bedrängnis« der Gewissen". In Sachen der Gefangenhaltung des Landgrafen Philipp erklärten sic, „man wolle lieber Noth und Tod leiden, denn solche Infamie und Unbilligkeit länger anschen". Als dritten Pnnct führte das Manifest das Verhältniß der Fürsten nnd des Reiches zum Kaiser auf. Es sagt: „Sic hätten den gegenwärtigen elenden Zustand des sehr geliebten Vaterlandes mit angesehen, wie, gegen den Eid des Kaisers, die Deutschen mit fremdem KricgSvolkc überzogen worden, wie ihre Rechte nnd Sicherheit ge kränkt, wie man die deutsche Nation in unerträgliche, viehische, erbliche Servitut, Joch nnd Dienstbarkeit bringen Feuilleton. Discretiou — Ehrensache! Ein lustiges Gcschichtchen von Hans Reis. Nachdruck vkrbotcu. Grete Lohmann stand am Fenster des eleganten Schweizer Hotels und beobachtete mit lebhaftem Interesse o«c vor diesem aus- und abwvgcnde Menge. Waö war das für ein buntes, lustiges Treiben hier! So etwa- hatte sie sich in ihrem kleinen Landstädtchen kaum träumen lassen. Sic öffnete das Fenster, lehnte sich weit hinaus u»d athmcte mit Entzücken die frische, würzige Gebirgsluft ein. Eifrig spähten dabei ihre Augen nach recht» und link». Erwartete sic doch keinen Geringeren al- ihren Bruder Fritz, der heute mit dem NachnjittagS- schnellzuae eintresfen sollte. - Die Blicke deS jungen Mädchens wurden plötzlich durch eine» eleganten Landauer gefesselt, der vor dem Hotel »orfuhr, und dem ein Herr entstieg. Sic beobachtete dies »it Interesse. Dann bog sie sich plötzlich hastig vor und unterdrückte nur mit Mühe einen Jreudenruf. Mein Gott, wo hatte sie nur ihre Augen gehabt? Der -rotze, schlanke, blonde Herr, der soeben angekvmmen, das war ja Fritz — ihr Bruder Fritz! Sie stürmte zur Thür, den Corrtdor entlang und die Treppe hinab. Der Bruder kam ihr schon entgegen, immer ei» paar Stufen zugleich nehmend. Athemlo- blieb Grete stehen, so daß das Licht deS TreppenfcnsterS voll auf ihre reizende Gestalt fiel. Sie breitete die Arme aus und jubelte: „Fritz, Fritz! Liebster, einziger Fritz!" Der junge Mann stutzte einen Augenblick und faßte sic fester ins Auge» dann aber breitete auch er die Arme aus, nahm den Rest der Treppe mit wenigen Sätzen, und — zwei junge, heiße Lippenpaare fanden sich in innigem Kusse. Plötzlich jedoch richtete sich Grete erschreckt auf. Sie wußte eigentlich selbst nicht, warum; aber — der Kuß des Bruders war so eigen gewesen, so — sonderbar. Noch nie zuvor hatte Fritz sie „so" geküßt. Das junge Mädchen starrte dem vermeintlichen Bruder in das lachende Antlitz. Mein Gott — was war denn das?! Das war ja zwar auch ein großer, schlanker, blonder Herr, der auch mit dem Erwarteten einige Aehn- lichkeit hatte; aber — ihr Bruder Fritz war das nicht! Mit einem heftigen Ruck befreite sich Grete auS den noch immer sie umschlingenden Armen, und Thränen des Zornes funkelten in ihren Augen, als sie in höchster Em pörung hervorstieb: „Aber, mein Herr — das ist ja unerhört! Das ist — eine beispiellose Frechheit!" Im Davoneilen hörte sie dann noch, wie ihr der falsche Fritz lachend nachrtef: „Aber, mein gnädiges Fräulein, „Sie" hatten doch die große Güte, mir diesen äußerst liebenswürdigen Empfang zu bereiten, und i . .". „OHN Krachend warf Grete die Thür ihres ZimmerS hinter sich ins Schloß. Das mußte sie sich sagen lassen — sie — die stolze, trotzige Grete Lohmann! Als der Ersehnte dann eine Viertelstunde später that- sächlich eintraf, da war der Empfang, dxn sie ihm be reitete, bei Weitem nicht so enthusiastisch, wie er cs von der kleinen, lebhaften Schwester sonst gewohnt war. Die de- primirte Stimmung, in die sie der schreckliche Mensch ver setzt hatte, war Schuld daran. Hoffentlich reiste er noch heute ab, und sie brauchte ihn niemals wiederzusehcn. Ein tückisches Schicksal hatte es aber doch anders be schlossen; denn als sie sich mit Vater und Bruder zum Abendessen auf der Terrasse einfand, war diese noch ziem lich menschenleer, und nnter den Wenigen saß Jener, dem sie nie wieder im Leben zu begegnen hoffte, nur einige Tische von ihnen entfernt. Beim Anblick deS jungen Mädchens überflog ein schmunzelndes Lächeln sein hübsches und angenehmes Ge sicht. Grete erröthcte vor Zorn und setzte sich so, daß sic dem Verhaßten den Rücken zukehrtc. Ein lebhafter Aus ruf ihres Bruders bewog sie Hann aber, sich wider Willen umzuschcn. „Was seh' ich? O, ihr guten Geister! Mein Roderich!" hatte Fritz vergnügt citirt und war — Grete traute ihren Augen nicht — mit allen Zeichen deS Entzückens auf den blonden Herrn zugcstürzt. Dieser erhob sich lebhaft, eilte dem Bruder entgegen und umarmte und küßte ihn herzlich. Mein Gott, daS war ja ein Menschenfreund in des Wortes verwegenster Bedeutung! Bei dem schien es Princip zu sein, Alles, was ihm in den Weg kam, einerlei, ob Männlein oder Weiblcin, in harmloser Fröhlichkeit abzuküssen. Diesen schmählichen Verdacht mußte sie ihm indes; in Gedanken gleich wieder abbitten; denn der Bruder stellte ihr diesen als seinen liebsten Freund auS der Studienzeit, als den Assessor Fritz Eichstädt, vor. Auf die liebenswürdige Aufforderung deS Land- gerichtsraths nahm dann der junge Assessor an Gretes Seite Platz, ohne sich durch das kalte Wesen des jungen Mädchens abschreckcn zu lassen. Zwischen den drei Herren entspann sich bald eine leb hafte Unterhaltung. „Wissen Sic auch, liebster Eichstädt", sagte der Land- gerühtSrath in deren« Verlauf, „daß Sie mit meinen« Sohn Aehnlichkcit haben. Es fiel mir gleich auf." „Oh, das haben schon mehr Leute gefunden", lachte der Assessor und warf einen Blick auf seine Nachbarin. „Ja, wahrhaftig", bestätigte Fritz. „In Jena wurden mir immer seine unbezahlten Rechnungen zugcschickt, und ich sollte absolut für den Bruder Leichtfuß blechen." „Na, na, untergrabe Du hier nicht meinen guten Ruf", wehrte der Assessor. „UebrigcnS — habe ich sogar auch in letzter Zeit ein ganz reizendes Bciipiel für diese Achn- lichkeit erlebt." „In letzter Zeit? Nanu? Wie ist denn das möglich? Erzähle doch", drängte Fritz neugierig. Grete «vars den« Assessor einen «vüthcndcn Blick zu. Um Gottes willen, er würde doch nicht . . . Der aber lehnte sich behaglich in seinen Stuhl zurück, blicS der« Rauch seiner Cigarre in kunstvollen Ringen in die Luft und meinte dann gelassen: „Ja, das war in der That das reizendste kleine Aben teuer, das ich jemals erlebt habe, und ich möchte eS um die Welt nicht missen! Erzählen freilich — erzählen läßt sich die Geschichte leider nicht. Es heißt hier: DiScretion Ehrensache!" Gottlob! Grete atbmcte erleichtert auf. In dieser Beziehung wenigstens schien er ja anständige Gesinnungen zu haben. Da der Assessor schon gut in der Umgegend Bescheid wußte und sich als vorzüglicher Cicerone erwies, so unter-
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