Delete Search...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.07.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-09
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030709025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903070902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903070902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-07
- Tag1903-07-09
- Monat1903-07
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
4884 den älteren LandkSteilen überwiegenden Wahlkreise anlanqt, so bat die Sozialdemokratie selbst ja bereits die nöligen Borde» reilungen getroffen, um sich dort, wo sie den AuSscklacz zwischen den freisinnigen und den weiter rechlS siebenden Parteien gibt, die Ueberlassung wenigsten» eines Mandats zu sichern. Tie sozialdemokratische Parteileitung hat bekanntlich beschlossen, die Unterstützung der Freisinnigen in diesem Falle von der Ueber lassung eines Mandats abhängig zu machen, und zwar sollen nach dem von derPartei angenomuienenBorschlage de- Vr. AronS die Freisinnigen gehalten sein, im ersten Wahlgange ihre Stimmen dem sozialdemokratischen Kandidaten zu geben, wo für daun in den weiteren Wahlgängen die sozialdemokratischen Stimmen di^m freisinnigen Kandidaten zum Siege verhelsen würden. Begrüntet ist dieser Borschlag damit, daß die Frei sinnigen sehr unzuverlässig seien und daß anderenfalls zu be fürchten stehe, sie würden, nachdem in den ersten Wahlgängen ihre Kandidaten mit Hilfe der Sozialdemokratie durchgedrungeu, beim letzten Wahlgange durch Fortbleiben von der Wabl die sozialdemokratische Kandidatur zu Falle bringen. Die Wabl- unterstützung der Sozialdemokraten für die Freisinnigen ,st daber an die demütigendsten Bedingungen geknüpft worden und dre Wahlparole des Herrn vr. Barth bedeutet in Wirklich keit nichts anderes, als die Aufforderung, sich unbedingt unter daö kaudinische Joch der Sozialdemokratie zu beugen. Bei den ReichSlagSwahlen ist verständiger weise schon die Mehrzahl der Wähler der freisinnigen Ber einigung der Barthschen Wahlparole nicht gefolgt; ob diese für die preußischen Landtagswahlen größeren Erfolg haben wird, ist unter diesen Umständen recht zweifelhaft. Zum Besuche des Präsidenten Loubrt in London. An den Besuch des PräsidentenLoubetinLondon sind von manchen Seiten weitgehende Kombinationen über englisch-französische Abmachungen geknüpft worden. Es ver lohnt sich deshalb, aus einem der Präsidentenreise gewidmeten Artikel deS „Journal des DvbatS" folgende Stelle zur Kenntnis zu nehmen: „Zn der Diplomatie gehen die Dinge nicht so rasch, man muß das Terrain vorbereiten. Aber HerrDelcassS wird mit LoidLanSdowne eine Unterredung baden, in deren Verlauf zweifellos alle die beiden Länder inter essierenden Fragen in dem Geiste gegenseitiger Aussöhnung werden geprüft werden, der künftigen genaueren Ab machungen günstig ist." — Das ist sehr vorsichtig aus gedrückt und verdient um so mehr Beachtung, je näher bas „Journal deS TsbatS" dem Leiter der auswärtigen Politik Frankreichs steht. In derselben Betrachtung des Pariser Blattes ist die Art von Interesse, wie das französisch russische Bündnis mit der Präsidentenfahrt nach London in Verbindung gebracht wird. Ganz am Schlüsse seines Artikels schreibt daS „Journal des DsbatS" hierüber: „Unser Land sieht mit Vergnügen unser BündncS mit Rußland, die Basis unserer internationalen Politik, sich mit Freundschaften verbinden, unter denen die englische nicht die am wenigsten kostbare ist." — Der Wert dieser Verbeugung nach Peters burg wird einigermaßen dadurch abgeschwächt, daß unmittel bar vorher die wechselseitigen Sympathien der Engländer und der Franzosen für einander auf die Eigenschaft ibrer Nationen, die zwei großen „liberalen" Völker des Westens zu sein, zurückgefübrt wird. Angesichts der russischen Regie- rungssorm uni) Regierungspraxis Hal die Anspielung auf den liberalen Westen einen sarkastischen Beigeschmack. Krieg im fernen Lsten in Sicht? Dem „Reuterscken Bureau" in Lonvon wird auö Kinglow gegenüber Niulschwang vom 7. Juli gemeldet: Zu einer ge meinschaftlichen Beratung sind in Port Arthur alle höheren russischen Beamten in China, in der Mandschurei und Korea eingetroffen, darunter außer dem Kriegs- minister Kuropatkin, der Oberbefehlshaber von Kwantun, Vizeadmiral Alcxejeff, die russischen Gesandten in Peking und Söul, Lessar und Pawlosf, sowie der Vertreter der „Russisch- Chinesischen Bank", Pokoiiloff, und der Militäragent in Peking, Desfrno. Die Beratungen werden streng geheim ge halten. Die fremden Geschäftsleute und Beamten in Niut- schwang und Port Arthur sind nicht sehr hoffnungsvoll betreffs der Aussichten einer friedlichen Lösung der Lage. Die kriegerische Stimmung der Japaner in Nord- china ist in starker Zunahme. In Niulschwang haben die Ruffen die Errichtung von Verwaltungsgebäuden im Mittelpunkte der Fremden - Niederlassungen begonnen. Teilweise auf Boden, der nach russischer Erklärung von China abgetreten ist, und teilweise auf einem öffentlichen Platze, um welchen die fremden Konsulate gelegen sind. In Niulschwang wohnende Angehörige fremder Natio nalitäten bereiten einen Protest gegen die Bebauung deS öffentlichen Platzes vor. — Etwas friedlicher lautet die folgende Meldung des „Neuterschen Bureaus" aus Shanghai vom 8. Juli: Die Beratung deS Kriegsministers Kuropatkin mit den russischen Diplomaten wird wahrscheinlich zu Gunsten der Witteschen Friedenspolitik ausfallen. Außerdem wirb uns aus Berlin von unterrichteter Seite geschrieben: Wie es ganz grundlos ist, von einer kritischen Zuspitzung der Lage in Peking zu sprechen, wo für di« europäischen Gesandtschaften schlechterdings kein Anlaß vorlieg«, Besorgnis für die eigene Sicherheit zu hegen, so ist eS auch unrichtig, die Beziehungen zwischen Rußland und Japan al» doch- gradig gespannte anzuseben. Der Gegensatz zwischen Ruß land und Japan ist in Ostasien allerdings vorhanden; aber deswegen braucht nicht befürchtet zu werden, daß dieser Gegenlatz z. Zl. eine verhängnisvolle Form annehmeu müsse. — Wir fügen folgende Meldung an: * London, 9. Juli. (Telegramm.) Die „Times" melden aus Tokio vom 8. Juli: Die Russen haben rin Kabel von Antung nach Dangtrampho durch den Vahi-Fluß gelegt, ohne Korea zu fragen. Japan hat dagegen Einspruch er- hoben, da Korea an ein Uebereinkommen gebunden fei, keiner fremden Macht eine Bevorzugung hinsichtlich einer Telegraphenlinie zu gewähren, die die japanischen Interessen be rühre. — Japan drängt aus die Oessnung des Hasen» von Wiju. Korea machte gellend, daß Rußland dem entgegen sei. Japan er widerte, ein solcher Einwand Rußland» sei völlig hinfällig, da die entscheidende Macht allein Korea sei. Deutsches Reich. * Berlin, 8. Juli. (Die Aufmerksamkeit des Kaiserpaares für die Amerikaner). Wie in Kiel die Besatzung der amerikanischen Kriegsschiffe, so batten sich während der darauf folgenden Travemünder Regattatage auch die Besitzer der dort anwesenden amerikanischen Jachten ganz besonderer Aufmerksamkeit und liebenkwürdigen Entgegen kommens von feiten des Kaisers zu erfreuen. Halte eine amerikanische Jacht einen Sieg errungen, so stieg ihr zu Ehren sofort die betreffende Flagge der Jacht auf dem „Meteor" empor und an jedem der Travemünder Tage erschien der Kaiser auf einer der prächtigen, aufs luxuriöseste eingerichteten ameri kanischen Jachten. Wie das Kaiserpaar nach Schluß der großen, sich infolge des lauen WmdrS überaus lang auSdehnenden Weii- fabrt aus der Lübecker Bucht MiS. Goelett auf ihrer Zackt „Nahma" besuchte, so weilte e« verschiedentlich auch auf der fürstlich eingerichteten Jacht VanderbiltS „North Star II". Auf dieser fand am Sonnabend, als dem Erinnerungstage der amerikanischen Unabhängigkeuserllärung ein Festessen statt, an dem gleichfalls der Kaiser, sowie Prinz Heinrich teilnahmen. Die „Hohenzollern" feuerte mittags l Uhr, dem Zeitpunkte, an dem bas Festessen begann, einen Salut von 2l Schüssen ab. Zn dem Feste hatte Vanderbilt die Travemünder Kuikapelle engagiert, Vie u. a. neben klassischen sowie amerikanischen Kompositionen den „Sang an Aegir", die bekannte Kom position des Kaiser», auf Wunsch VanderbiltS spielen mußte. Die großen amerikanischen Dampsjacktcn haben sich übrigens der NordlandSreise des Kaisers angeschlvssen. * Berlin, 8. Juli. (Maßnahmen gegen die Ver unreinigung der Flüsse.) lieber dieses heute hervor ragend wichtige Thema hielt Geh. Negierungsrat Professor vr. I. König, die bekannte Autoritär auf diesem Gebiete, in der Plenarsitzung des Deutschen Landwirtschaftsrates am 4. Februar d. I. einen Vortrag, der nunmehr in Berlin in P. PareyS Verlag erschienen ist. Die preußischen Ministerien der Landwirtschaft, des Handels, der öffentlicken Arbeiten und der Medizinalangelegenheilen haben unter dem 20. Februar 190l eine allgemeine Verordnung über die Fürsorge für die Neu haltung der Gewässer ergehen lassen, die den Polizei behörden aufglbt, durch Exekutivbeamte eine ständige Ueberwachung der Gewässer des Bezirks vorzunehmen, wobei dem zuständigen Baubeamlen, dem Gewerbe-Inspektor und den Medizinalbeamten stets Gelegenheit gegeben werden soll, an den alle zwei bis drei Jahre slatlfinvenden Fluß begehungen teilzunchmen. Von dieser Verordnung läßt sich eine besonders große Wirkung leider nicht erwarten. Der Exckutivbeamte, der Baubeamte und der Gewerbe-Inspektor können nur offensichtliche Verunreinigungen feststellen. Für die chemischen Vorgänge, um die es sich bei den Flußverunreini gungen meistens handelt, und die gewöhnlich äußerlich nicht erkennbar sind, bleibt nur der Medizinalbeamie übrig. Die chemischen Kenntnisse der Medizinalbeamten reichen j doch der weitem nicht auS, um diese unsichtbaren Verunleini- gungen zu erkennen und wissenschaftlich frstzustellen. In richtiger Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse üben in England, dem Lande, das am ersten und am erfolg reichsten gegen die Verunreinigung der Gewässer gesetz geberisch vorging, Chemiker und Ingenieure die ständige Fluß inspektion auS; Aerzte sind daran nur in ganz seltenen Fällen beteiligt. Die durch die Flußverunreinigung entstehenden Schäden sorge der verehrten Dame gar nicht mehr leben zu können, Auch Laura gewöhnte sich an den Verkehr des zwar ncr- vösen, doch wahrhaft gutherzigen jungen Advokaten, sie fand Gefallen an der Bemutterung, um welche Kluibcn- schädcl ebenso drollig wie herzlich bettelte, daß sich die Ge währung seiner Bitte gar nicht ablehnen ließ. Und diese Bemutterung streckte sich bald auch auf die häuslichen Verhältnisse aus, indem Laura, ohne die Junggesellen wohnung zu betreten, Anleitungen gab, das Heim des Gartons wohnlicher zu gestalten, den Freund in zarter Weise ermahnte, Kontrolle in Bezug auf Kleider und Wäsche zu üben und nicht nach Junggesellenart ungrad grab sein zu lassen. In solchen Momenten empfand Kluibenschädel es recht deutlich, daß er auf Erden keine besser zu ihm passende Frau finden könne als Laura Guggemoos, die annähernd gleichaltrig sein dirrste. Zwar soll eine Gattin immer etwas jünger sein als der Ehemann; in diesem Falle aber spielt gleiches Alter keine Nolle, wenigstens nicht in den Augen des verliebten und verhätschelten Anwaltes. An einem Abendspaziergange konnte Kluibenschädel freudestrahlend erzählen, daß die Praxis geradezu brillant gehe und er daran denken dürfe, sich eine Braut zu holen. Laura erschrak, ein jähes Rot färbte ihre Wangen, ein Zittern lief durch ihren Körper. Christian gewahrte nichts, er schwätzte überglücklich von seinen Ersparnissen und fuchtelte mit den Armen um sich. „Ja, ich mache nun Ernst und werde um die Heiß geliebte anhalten. Vorerst aber muß ich die Erwählte meines Herzens fragen, ob sie gewillt ist, mir die Hand zum Ehcbunde zu reichen, mich glücklich zu machen, wie noch kein Mann beglückt worden ist!" Fräulein Lanra rang nach Atem. „Glauben Sic, daß ich Erhörung finden werde?" hastete Christian heraus. Nun erblaßte Laura im Gedanken, daß der Freund nicht sie, sondern eine andere Dame freien wolle. „Bitte, sprechen Sie!" Beklommen antwortete Laura: „Ich habe ja ketne Ahnung, um welche Dame Sie anhalten wollen!" Nun platzte der nervöse Mann los: „WaS? Keine Ahnung? Fühlen Sic denn nicht, was Sie mir sind? Ich kann ja gar nicht mehr leben ohne Lanra Guggemoos!" „Allmächtiger! Also wirklich ich!" Verwundert guckte Christian auf das Fräulein. „Verzeihung! Haben Fräulein denn geglaubt, ich würbe nm die Hand einer anderen Dame anhaltcn? Das ist doch ganz unmöglich! O, bitte, willigen Sie ein! Hier ans dem Spazierwege kann ich nicht gut in die Knie finken, der Leute wegen — eben bummelt wieder so ein himmellanger Boerenmörder daher —, den Verlobung»« kuß erbitte ich daheim, o, bitte, sagen Sie ja, Königin meines Herzens!" „Kann ich Ihnen, lieber Doktor, denn genügen? Bin ich denn nicht zu alt?" „Kein Wort weiter! Laura, oder keine! Nur eine Angst habe ich jetzt im Herzen: Was wird Ihr Bruder sagen?" „Ich denke, er wirb meinem Glück nicht im Wege stehen wollen!" „Gott sei gepriesen! Nun sind wir Brautleute! Heißen Dank dir, Geliebte, für dein beglückend Wort! Morgen will ich alles in die Wege leiten, damit mir schnell vereinigt werden! Es ist auch höchste Zeit —" „Wie?" „Freilich! Mir ist manchmal so bänglich zu Mute, als könnte ich das hohe Glück gar nicht mehr erleben!" Mitleidsvoll tröstete Laura und suchte Christian solche Gedanken auszureden, was ihr schließlich einigermaßen auch gelang. In der Nähe der Arztwohnung ward Kluibenschädel arg kleinmütig und ängstlich, ihm bangte vor der Aus sprache mit Guggemoos, und jählings bat er Laura, die VerlobungSangclegenheit mit dem Bruder besprechen und in Ordnung bringen zu wollen. Und hastig, über- stürzt, verabschiedete sich Christian von der Braut, ohne Kuß, ohne Händedruck. Laura schritt ins Haus, gedankenvoll, von Mitleid für den nervenkranken Mann erfaßt, dem sorgfältige Pflege erwiesen werden muß, so eine Gesundung erfolgen sollte. Von weitem Marsch heimgekehrt, nahm Doktor Guggemoos das frugale Mahl zum Abschied ein, nach seiner Gewohnheit wortlos, und wollte sich dann in die Stubierstube zurückzichen. „Einen Augenblick, bitte ich dich, lieber Andre, um Audienz!" sprach Laura. „Nanu! Weshalb so feierlich in Ton und Form? Das riecht ja fast nach einer Verlobung! Will nicht hoffen, daß mich die treue, liebe Schwester verläßt und der Gar^onmisörc auSltefert! Also raus mit der Sprache! Was ist los?" Mit Ruhe und Gelassenheit war eS in der sonst so stillen Laura vorbei, erglühend, aufgeregt erhob sich daS Fräulein, rang nach Worten und legte die Hand wie be schwichtigend auf des Bruders Schulter. Unter saurem Lächeln meinte Doktor Guggemoos: „O weh! Also richtig eine Verlobung! Na, befürchtet hab' ich ja seit langem dieses Ereignis!" „So willigst du ein? O habe Dank, Andre, heißen, innigen Dank! Ich weiß das Opfer z» würdigen, ich werde aber auch als Frau bei dir nach dem Rechten sehen, für dich sorgen . . ." ,Halt, Laura! Niemand kann zweien Herren dienen! sind oft Im Interesse der Industrie unvermeidlich, müssen aber ausgeglichen werden. Da aber der richtige Ausgleich zwischen den Beieiiigten in rechl vielen Fällen scheitert, sei eS an den übermäßig bohen Forderungen der HauS- und Grundbesitzer, sei r» an ver Hartnäckigkeit der industriellen Betriebe, gegen die der kleine Besitzer kostspielige Prozesse nicht anstrengen kann, so ist eS notwendig, daß die Verwaltungsbehörden hier einschreiten. Durch Einsetzung von Fluß-BeaussichtigungSkommiisionen mit beson- dern Fluß-Inspektoren, welchr die Verunreinigungen di« an die UrsprungSquellen genau verfolgen und durchNatunvTat aus Vie Anwendung technisch möglicher Abhülsemittel hinwirken, könnte außerordentlich viel für die Reinhaltung der Gewässer ge schehen. Unbedingt erforderlich ist eS aber, daß ein Chemiker Mitglied dieser Kommissionen ist. Heute hätte jede Regierungsbehörde Gelegenheit, ohne große Ausgaben unter den mit der Lebensmittelkontrolle beauftragten Chemikern sowohl geeignete Kräfte sür die Flußbeaussichligung, als auch einen Dezernenten in chemische» Fragen zu gewinnen. Da die königlichen Regierungen und Medizinalkollegien wohl fast ebensoviel rein chemische als gesundheitliche Fragen zu be urteilen haben, so würden sie nach Hinzuziehung von Chemikern erheblich mehr leisten können. — Der „Bert. Lok.-Anz." schreibt: „Von einer Reihe Berliner Blätter wurde gestern abend die Nachricht ver- breitet, der Kaiser werbe im Falle Ablebens des Papstes seine Nordlandreise verschieben und an den Bestattungsfeierlichkeilen in Rom teilnehmen. Wir werden hierzu von zuständigster Seite zu der Erklärung ermächtigt, daß diese Meldungen absolut falsch sind. Der Kaiser und die Kaiserin werden deS außergewöhnlich guten WelterS wegen noch einige Tage in den rügcnschen Gewässern segeln. Dann wird der Kaiser die Norblandreise programm mäßig antreten." — In den Neichsämtern wird jetzt an der Auf - stellung desEtats für das nächste Haushaltjahr ge arbeitet. In etwa o bis 8 Wochen sind die ersten Auf stellungen beim Retchsschatzamt einzureichen. Der Heeres- und der Flottcnetat treffen erfahrungSmäßig später ein. Für die Einberufung des neugewählten Reichstags ist ein Termin noch nicht in Aussicht genommen. Es versteht sich aber von selbst, daß die Disvvsitivnen der Leitung der Neichsgeschüfte so getroffen sind, um, sofern cs nötig sein sollte, den Zusammentritt des Reichstags jederzeit hcrbei- znführcn. — Nach einer Bonner Meldung der „Rhein.-Westf. Ztg." wird der nächstjährige Militäretat eine Forderung von 2—3 Millionen Mark zur Vergrößerung des Wahner Schießplatzes ausweilen. Die Vorverhandlungen mit den Bokenbesitzcrn, u. a. der Gemeinte TroiStorf, seien so weil gediehen, daß die Forderung in den nächsten Ncichchaus- haltSetat eingestellt werden lönne. — Durch das Hinschciden des Polizeipräsidenten a. D. v. Hergenhahn in Frankfurt a. M. hat die natio nalliberale Partei einen schmerzlichen Verlust er litten. Allzeit ein eifriges Mitglied der national liberalen Partei, gehörte der Verstorbene als Parlamen tarier Ausgangs der achtziger Jahre der nationalliberalen Fraktion des Abgeordnetenhauses an. — Bald nach dem Kriege 1870/71 wurde er von seiner Stellung als erster Rat beim Civilkvmmissariat in Lothringen auf den Posten des Polizeipräsidenten von Frankfurt a. M. berufen, den er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1887 inne hatte. Die rege Anteilnahme für die Partei wird dem Verstor benen stets ein freundliches Andenken bei den Partei freunden sichern. — Eine RegierungSkommijsion des preußischen Ministe riums für Handel und Gewerbe, bestehend aus dem Geh. RegierungSrat vr. v. Seefeld, RegierungSrat und Schul rat Lachner, sowie Direktor l)r. Dunckcr bereist während deS Monats Juli die süddeutschen Staaten sowie die Schweiz, um die Einrichtungen des gewerblichen Unter richts und Fachschulwesens eingehend kennen zu leinen. Die Studienreise begann mit dem Großherzoctum Hessen, dessen Zentralstelle für die Gewerbe die obere Verwaltungs behörde sür die gewerblichen Unterricktsanstalten und die Gewerbcvereine bildet. Die vielverzweigten Einricktungen dieser Bchöide, welche die Negierung vor nahezu 70 Jahren inS Leben gerufen bat, drei Facksckulen deS Landes, die Fach schule sür Elfenbeinschnitzerei, Drechslerei und Kunsttischlerei zu Erbach i. O., Vie Kunstgewerbcschule in Mainz und die Baugewerk- und Gewerbeschule zu Bingen wurden eingehend gewürdigt. — Der Kampf um die Lohnbücher in der Konfektion wird von beiden Seilen mit Erbitterung geführt. Nachdem die GeschäfiSiiihaber und die Zwischenmeffter »ch entschieden gegen die Lohnbücher auSgespiochen haben, wrack sich eine Bermmmluug von Konsektionsarbeitrrn und -Arbeiterinnen sür deren Beibehaltung aus. Es wurde behauplet, daß die Mehrzahl der Zwijcheumrisler aus die Bundesralsverordnung gor keine Rücksicht nehme und, obwohl seit deren Inkrafttreten bereits ein Vierteljahr verstrichen sei, keine Lohnbücher auSgegeben hab«. E« ward« be schlossen, entschieden aus der Durchführung der Lohnbücher verordnung zu bestehen. — Der erste Kongreß polnisch-katholischer Arbeitervereine Deutschlands soll im Herbst in Berlin staltfinden. Hauptsächlich ist die Errichtung eines General- sekretariateS der polnischen Arbeiterbewegung, mit Ausschluß der sozialdemokratischen Vereine, sowie «ine gemeinsame Regelung des UnterslützungewesenS in Aussicht genommen. — DaS verschleierte Bild — deS „Radebeuler Tageblatts" wird durch Vie folgende Zuschrift eines Mit arbeiters der „Tägl. Rundschau" enthüllt: Mit Bezug aus die Meldung von einer Agitation für eine Aenderung des RcichstagSwahlrechts erfahren wir folgendes: Bereit- seit längerer Zeit gibt ein Herr vr. A. Giesebrecht in Deggen dorf bei Hamburg in zwangloser Reihenfolge Korrespondenzen heraus, welche die verschiedensten politischen Fragen unter dem Gesichtspunkte einer anderweiieu Gestaltung des Reichstags wahlrechts behandeln und wesentlich die Beseitigung des ge heimen Wahlrechts zum Ziel haben. Diese Korrespon- denzen gehen an Zeitungen und Privatpersonen, besonders auch an Industrielle, bei denen die Anregungen des vr. Giesebrecht bisher am meisten Interesse gefunden haben. Im allgemeinen hat das Vorgehen des Vr. Giesebrecht in der Oeffentlichkeit nirgends Unterstützung gefunden, am allerwenigsten aber haben der Sache konservative Kreise ihre Teilnahme zugewendet. Und. um diese Omelette so viel Lärm? Jedenfalls entspringt die Korrespondenz dem tiefgefühlten Bedürfnisse des Herausgebers nach Einnahmen und erfüllt diesen Zweck haupnächlich infolge der Bequemlichkeit der Bezieher, die das Zurücksenden oder das Abbestellen versäumen. Denselben Gründen verdanken ganz seltsame andere Korrespondenzen ihr Entstehen und Fortbestehen. — Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Bekanntmachung, be treffend den Anschluß Dänemarks an das Berner internationale Urheberrechtsilbereinkommen vom v. September 1886. — Ministerialrat v. Frauendorfer auS München, dessen Ernennung zum bayerischen Eisenbahnminister im Herbste dieses Jahres erwartet wird, ist mit mehreren Herren der General- direklion der bayerischen Staatseisenbahnen hier eingetroffen, um von der Organisation der preußischen Staats bahnverwaltung genauer Kenntnis zu nehmen. Er ist schon vom Minister Budde empsangen worden. — Der Botschafter der Bereinigten Staaten von Amerika The Hon. Cdarlemagne Tower hat Berlin verlassen. Während seiner Abwejendeit führt der Erste Botschaftssekretär H. Percival Dodge, die Geschälte der Botschaft. —Der chilenische Geiandte Francisco A. Pinto hat Berlin verlassen. Während der Tauer seiner Abwesenheit führt der Erste Legationssekretär Wenceslav Bial-Solar die Geichäste der Ge'andtichast. * Hamburg, 8. Juli. Der Verein für Sozial politik hält seine diesjährige Generalversammlung in den Tagen vom 14. bis 10. September hier ab. Ans der Tagesordnung steht: ij Die Lage der in der Seeschiffahrt beschäftigten Arbeiter «Referenten: Prof. Vr. E. Krancke- Berlin und Inspektor Pvlis-Hamburg); 2) die Störungen im deutschen Wirtschaftsleben während der Jahre 1000 ff. «Referenten: Prof. vr. Sombart-Breslau; Geh. Hofrat vr. Hecht-Mannheim über Geldmarkt und Bankwesen und vr. Jastrvw-Berlin über den Arbeits-markt). * Posen, 8. Juli. Die „Pos. Ztg." schreibt: Gestern ist uns die Klage des MajorS a. D. Endell zugestellt worden. Gleich zeitig mit uns ist der Generallekcelär Eberl anqeklaqt den der Mawr im Verdacht hat, uns Las Maleriai zu Leu Artikeln geliefert zu haben, durch die sich Endell beleidigt fühlt. Letzterer hatte wegen dieser Artikel unter dem 2S. März und 10. April Straf verfolgung gegen uns beantragt, wurde aber unter dem 9. Juni damit abgewielen, da „mangels ein.s öffentlichen Interesses" sür die Staatsanwallichalt kein Grund zum Einschreiten vorlag, und ihm der Weg der Privaiklage anheimgestellt. Diesen hat der Major nunmehr beschritten. Die Verhandlung wird wohl gegen Ende August stattfinden. * Im Wahlkreise M-Gladbach wird eine Neuwahl zum Reichstage vorgenom men werden müssen. Der Ver treter dieses Kreise«, der ullramontane Professor an der Universität Münster, ist zum ordentlichen Professor derselben Fakultät ernannt worden. Nach dcn gesetzlichen Bestimmungen erlischt mil dieser Beförderung auch daS Mandat. Der KreiS ist dem Zentrum sicher. * Weimar, 8. Juli. Wie der „Weim. Ztg" mitgeteilt wird, find der Großherzog und die Frau Großherzogin gestern abend über Stullgair und Zürich nach St. Moritz (Engadin) abgereist, wo die Frau Gioßherzogin zum Kur gebrauch mehrere Wochen verweilen wird. Ter Großberzog wird bis nach dem Geburtstage der Frau Großherzogin dort verbleiben und sich dann voraussichtlich aus kurze Zeit wieder nach Ettersburg zurückbegeben, nm zum GeburlStage der Frau Erbgroßherzogin gegenwärtig zu sein. Im Ehestände erwarten dich genug Pflichten, dein neues Hauswesen nimmt dich vollauf in Anspruch! Uebcrlasse nur den alten Bruder seinem Schicksal! Werd' nicht so schnell zu Grunde gehen ohne die stille, sorgsame Schwester, für die zu sorgen bis an mein Ende ich glaubte bestimmt zu sein. Nun wird eben ein anderer für meine gute Laura zu sorgen haben. Wann ist die Verlobung erfolgt?" „Heute abend!" „Wo?" „Auf dem gewohnten Spaziergang am Kalvarien berg." „Dacht ich's doch! Wenn es nur nicht ein Kalvarien- gang für dich wird!" „Aber, Andre! Du bist doch sonst nicht abergläubisch, und der Leidensgang des Heilandes darf nicht mit Menschenschicksalen verglichen werden!" „Stimmt! Wollte ich auch nicht, war nur gewisser maßen der Ausdruck einer Sorge, den ich nicht recht definieren kann. Ich will deinem Glücke wahrlich nicht hinderlich sein; aber ehrlich gesagt: es wäre mir lieber gewesen, wenn -u die Gesundung des Neurasthenikers abgcwartct hättest." „Es geht Christian so schon bedeutend besser, und als seine Frau kann ich mich seiner Pflege doch viel inten siver widmen denn bisher, und ich bin überzeugt, daß es mir gelingen wird, Christian von seinem Nerven- leiden zu befreien." Doktor Guggemoos wiegte den Kopf und meinte dann: „Möglich! Zur Zeit wir- die bei einer Verlobung un vermeidliche Aufregung -em jungen Mann sicher eine Verschlechterung eintragen. In seinem Interesse ist eine baldige Hochzeit zu empfehlen." „O, habe Dank, liebster Bruder!" „Nichts zu danken! Du mußt selbst wissen, wie es dir um das Herz ist. Liebst du ihn, ist er dir in ehrlicher Liebe zugetan, gut, heiratet euch und werdet glücklich! Du bist verständig und auch über die Klirtjahre hin aus .. ." „Ja, ich habe Christian auch auf mein Alter auf merksam gemacht und . . ." „Und?" „Christian vermag darin kein Hindernis zu erblicken, ihn beglückt mein Ja-Wort, und ich werde mein Geschick preisen, so eS mich mit ihm verbindet." „Gut! Meinen Segen hast du, und alles weitere zum Ehebunde Nötige werde ich pflichtgemäß besorgen. — Nur auf Eines möchte ich dich heute schon aufmerksam machen. Eine Braut hat naturgemäß großen, ja aus schlaggebenden Einfluß, benütze diesen Einfluß dahin, daß du den Verlobten bewegst, von gefährlichem Medi- ztnteren abzulaffen. Ich habe Kluibenschädel im Ver dacht, daß er mit Brom, Morphium usw. arbeitet; das schadet und bringt dcn Mann herunter, wenn es ihm vor übergehend ja Erleichterung gewähren wird. Verbiete ihm insbesondere dcn Gebrauch von Schlaserzeugungo- mitteln, zu welchen Neurastheniker gern greifen und sie ost unsinnig anwenden. Du mußt über ihn wachen. Am liebsten würde ich den Mann vor dieser Verlobung untersucht haben, doch das ist ja zu spät, ihr habt euch gebunden, Gott gebe seinen Segen und verhüte jegliches Unglück!" Laura gelobte strenge Befolgung dieses ärztlichen Nates und küßte den Bruder, der sein Leben lang der treue Beschützer gewesen, tiefbewegt und dankerfüllt, und Doktor Guggemoos empfand etwas wie Abschiedsschmcrz in der Brust. In seiner trcubiederen Art machte er der Scene ein Ende und spottete über sich selbst: „Nun wird der alte Medizinkastcn gar Gefühlsduscler, nee, dat jiebt's man «ich! Gute Nacht, Herzensschwester!" Schwupp, schlug der Bezirksarzt die Tür hinter sich zu, und wischte sich eine Träne aus dem Auge. „So! Weg mit menschlicher^Rührung, die Wissen schaft habe allzeit ihr Recht! Nun die allerneuesten Ent deckungen studiert, und eine Trabukko dazu geraucht!" brummte Doktor Guggemoos, und setzte sich an den von einer Lampe erleuchteten Schreibtisch zu nächtlicher Geistesarbeit. Durch das offene Fenster strich der Bergwind säuselnd herein, erquickend, belebend, und vom Licht angclockt flatterten alsbald Nachtschmetterlinge und Käser der Lampe zu. Der Blick fiel auf eine Streifbandsenbung, die sich zur Hälfte in ein wissenschaftliches Werk verschoben hatte. Doktor Guggemoos riß die Schleife weg und widmete seine Aufmerksamkeit dieser medizinischen Zeitschrift, in welcher ein Artikel farbig angestrichen war, ein Aufruf zur Unterstützung einer Petition des großen Aerztever« eins an daS Parlament nm Ausmerzung der Anzeige pflicht für Aerzte der Behörde gegenüber. Ausfllhrlich war zu lesen, in welche Kolltsionsgesahren der Arzt ge raten könne, in Strafe und Trübung seines Leumundes, so der Arzt Hülfe dem gewährt, der sich in Not vertrauens voll an ihn wendet. Zahlreiche Beispiele belegten das Thema über daS Berufsgeheimnis des NrztcS und enthielten einen Der- gleich zwischen dcn Gesetzen einzelner Staaten in dieser Angelegenheit. „Glücklich der, dem ein Konflikt auS dem Berufs. gcheimniS erspart bleibt!" flüsterte Doktor Guggemoos und legte dcn Cigarrenstummcl in die Aschcnschale. (Fortsetzung folgt.)
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview