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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.10.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-01
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021001025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902100102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902100102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-10
- Tag1902-10-01
- Monat1902-10
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«HM geringeren Kosten als bisher verbundene Bildung fick an- zueignen. Die nen einzurichtrnden Kurse werden umfassen Handelsgeschichte und Handelsgeographie, Bank- und Münzwesen, geiverbliche und kommerzielle Gesetzgebung und deutschen, französischen, italienischen und spanischen Sprachunterricht. Die englische Presse begrubt zwar diesen Gedanken sympathisch und gibt sich der Hoffnung Inn, dast seine Verwirklichung nnd die allgemeine Ver breitung einer gediegenen wissenschaftlichen Vorbildung unter den kaufmännische» Angestellten der Geschäftshäuser dazu beitragen werden, den ausländischen Markt, der zu einen» nicht geringen Teil bereits dem britischen Erport- gcschästc verloren gegangen sei, soviel wie möglich wicdcr- zngewinncn. Dabei wird aber nicht verschwiegen, das» als eine mindestens gleichwertige Ursache des Rückganges der englischen Handelsbeziehungen mit dem Anstande das allzu geringe Einkommen anzuschen sei, das von der Mehrzahl der Handelsfirmen ihren Angestellten, Verkäufern, Beamten n. s. w. gezahlt wird, und man läßt durchblicken, das; diese Mit arbeiter der gewerblicher» uud kommerziellen Verriebe in jeder Beziehung höhere Leistungen answeisen wurden, wenn man ihre finanzielle Lage erfreulicher gestaltete. Deutsches Reich. /V Berti»», 30. September. l V v r b e r e I t tt n a e n zum nativnallibe raten Delegierte n- rage.j Zur bevorstehenden Eisenacher Tagung bekundet sich überall in der nativnalliberalen Partei das regste Interesse und das gerecht fertigte Verlangen nach einer geschlossenen Ein heitlichkeit der parlamentarischen Ver tretung der Partei in allen Hauptfragen ans geistigem, politischem und wirtschaftlichem Gebiete, wobei in ent- ichiedenster Weise der liberale Grundcharakter des Nativ- nalliberalismnö betont wird. Am nachdrücklichster» ge langte dieser Wunsch gerade in jener Provinz zum Ans- dnrck, wo in den letzten Jahren das nationalliberale Ele ment schwere Kämpfe gegen die konservativen und gegen den Bund der Landwirte durchzufechten hat, in der Pro vinz Hannover. Trotz der überwiegend agrarischen Be völkerung dieser Provinz steht der hannoversche Bauern stand dennoch nnr zu»»» geringster» Teil unter dem Bann der übertriebenen agrarischen Forderungen, und es ist deshalb bezeichnend, dast gerade Hannover mit seinen vor wiegend agrarischen Interessen seine nationalliberalen Delegierten mit der Weisung versieht, auf dem Eisenacher Tage dahin zu wirken, dast die Partei unter keinen Umstünden iin Zolltarif über die Sätze der Regie rungsvorlage hinauSgehe. Eine ähnliche Anschauung be herrschte den Delcgierteutag der badischen national liberalen Partei. Dort in Baden hat die .Klosterfrage — ein Kulturkampf in» kleinen, bei dein aber doch mehr auf den» Spiele steht, als die Zulassung einiger Männerklöster — das geistige Interesse vor der augenblicklich leider alles beherrschenden nnd verwirrenden wirtschaftlichen Frage in den Bordergrnnd gerückt. Ans all den bisherige»» Kundgebungen nnd Zurüstungen zum Eisenacher Tage läßt sich mit Genugtuung die Zuversicht entnehmen, dast die liberalen Grundsätze der Partei nicht an Boden ver loren haben, sondern vielmehr von neuen» kraftvoll Wnrzel fassen werden. ö. 0. Berlin, 30. September. Uber die An- mufter »lngen von Vollmatrose n u n ü Schiffsjungen bei der dcntsche »» Handels - m arine enthalt das IU. Heft des Jahrganges 1902 der „Vierteljahrsyefte zur Statistik des Deutschen Reichs" einige Angaben, nach denen 1901 im Ostseegebiet 3383, im Rordseegebiet 15 467 und im ganzen deutschen Küsten gebiet 18 850 Vollmatrosen (üMt dagegen 19 431), ferner im Ostseegebiet 817, im Rordseegebiet 3542 und überhaupt 4359 l 1900 3787) Schiffsjungen bei der deutschen Handelsflotte angemustert worden sind. Wegen veränderter Erhebungöweise ist ein genauer Vergleich mit früheren Fahre» nicht mehr ausführbar. Die durchschnitt liche Monatsheuer betrug für Vollmatrosen 1901 im Ost seegebiet 58 .< im Nordseegebiet 64 .L. und überhaupt 63 (1900 62 .F.), für Schiffsjungen in» Ostseegebiet 18 im Nordseegebier 14 .4<, überhaupt 15 .4( (1900 ebensoviel). Da die Zahl der Aumusterungen zu dein Bestände der deutschen Kauffahrteischiffe in Beziehung steht, so sind auch für diesen die Hanptposten mitgeteilt. Hiernach waren an registrierten deutschen Seeschiffen «Kauffahrteischiffe) mit einem Bruttoraumgehalt von mehr als 50 Kubikmeter (17,65 Reg.-Tons) im deutschen Reich vorhanden: Zahl der NLUmqeball iu Reg.>T»nS regelmäßige Schiffe drittle netto Besatzung um 1. Januar 1902 3 959 3 080 504 2 093007 50946 dagegen am 1. Jan. 1901 3883 2 826400 1 941 645 50 566. — Das Erbprinzenpaar von Meiningen reist am l. Oktober, einer Einladung deS Königs von Rumänien folgend, von BreSlau nach Sinaja. Die Rückreise erfolgt am 10. November. — Die vereiniaten Ausschüsse des BundeSratS für Handel und Verkehr und für Justizwesen, sowie der Aus schuß des BundeSratS für Handel und Verkehr hielten heute eine Sitzung. — Bon den nationalliberalen Mitgliedern derZoll- tarifkommission, vr. Blankenborn, Vr. Beumer, I)r. Paasche, Sieg, ist zu tz 10a der KommissiooSbeschlüsse erster Lesung (Berbot der kommunale»» Schlacht- und Mahlsteuern) der Antrag gestellt, ihn durch folgende Resolution zu er setzen: „Tie verbündeten Regierungen zu ersuchen, den» Reichstage nach Annahme deS nenen Zolltarifs einen Gesetzentwurf vorzulegen, der bestimmt, dast für Rechnung der Kommunen oder Korporationen, spätestens vom 1. Januar 1910 an, Abgaben von Getreide, Hülsen» fruchte», Mehl und anderen Miihlensabrikaten, mit Ausnahme der zur Bierbereitung bestimmten Malze, desgleichen von Backwaren, Lieh, Fleisch, Fleischwaren und Fett nicht mehr erhoben werden dürft» nnd daß die entgegenstehenden Bestimmungen unter Ziffer I nnd in 8 7 der Ziffer II LeS Art. V des ZollvereinSvrrtrageS vom 8. Juli 1367 und des Gesetzes voin 27. Mai 18A5, betr. die Ab änderung des ZollvereinSvertrages, aufgehoben sind." — An» 1. Oktober d. I. sind drei Jahre verflossen, seit das ans Anlaß der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs erlassene preußische Gesetz über die Versetzung der Richter in den einstwe»ligen Ruhestand in Kraft ge treten ist. Ein großer Teil der alten Richter, die nicht mehr die Kraft oder die Neigung in sich suhlten, sich in das neue Gesetzbuch hineinzuarbeiten, ließ sich in der Zeit vom 1. Oktober 1899 bis 1. Januar 1900 in den einstweiligen Ruhestand versetzen, wobei ihnen sür einen dreijährigen Zeitraum das volle Gehalt belassen wurde. Die auf dies« Weise am 1. Oktober 1899 auSgeschiebenen Beamten sind nun mehr an» 1. d. M. in den endgültigen Ruhestand getreten und erhalten von jetzt ab die ihnen gesetzmäßig zustehente Pension. Es ließen sich vom 1. Oktober 1899 bis 1. Januar 1900 insgesamt 279 richterliche Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzen, nämlich 14 Senatspräsidenten, 21 Land- gerichlSpräsidenten, 26 OberlandesgerichtSräte, 21 Land- gerichlsdirektoren, 63 Landgerichtsräte und 134 AmtsgerichtS- rätc. Bon ihnen sind seitdem gestorben 5 SenatSprästdenten, 5 Landgerichtspräsidenten, 6 OberlandesgerichtSräte, 5 Land- gerichlSräte und 24 AmtSgericbtsräte, zusammen also 45 Richter, während 234 noch am Leben sind. — Gerüchte, welche von einem früheren Zusammentreten deS preußischen Landtages, etwa für die Mitte No vember, sprechen, finden vorläufig wenig Glauben. Ob sich freilich ohne Mitwirkung derjenigen Abgeordneten, die im preußischen Abgeordnetenhaus« sich im Genuß von Diäten befinden, im Reichstag ein beschlußfähiges HauS wird er möglichen lassen, ist eine andere Frage. — Eine Protestbewegung gegen den Oberkirchenrat zu Gunsten deS Predigers Neid Hardt in Hamburg ist gegen wärtig in Brandenburg a. H., woselbst Neidhardt früher mehrere Jahre an der Katbarinenkirche gewirkt hat, im Gange. Eine Bersammlung in Brandenburg drückte Neid hardt ihre Berwunderunz und ihr tiefstes Bedauern auS. — Staatssekretär Kraetke hat seine Dienstreise Lurch Mecklen« bürg jetzt begonnen und ist, nach kurzem Aufenthalt in Warnemünde und Rostock, in LndwigSlust eingetroffen, wo heute Abend groß« Tafel stattfindet. In der Begleitung Les Staatssekretärs befinden sich Oberpostral Wagner und Postrat Menny. — Auf einem Mißverständnis beruht die Mitteilung, der Staatssekretär des Neichsschatzamis sei von einem Trauersall in seiner Familie betroffen worden. ES handelt sich um Len Unter st aatSsekrrtär im Reichsjchatzamt,- Lieser wird im Laufe dieser Woche hier zurückerwartet. — Ter Landwirtschastsminister v. Pod biet Ski ist gestern aus Einladung des Grobherzogs von Mecklenburg-Schwerin zur Teilnahme an Lei» Hosjagden in Friedrichsmoor bezw. JaSnilf auf Schloß Ludwigslust eingetroffen. — Hier an gekommen sind der Präsiteut des evangelischen Lber-KirchenralS v. vr. Barkhausen, vom Urlaub; der Unter staatssekretär im Ministerium der öffentlichen Arbeiten Fleck vom Urlaub. Nbgereist sind der Minister der öffentlichen Arbeiten Budde nach der Provinz Schlesien; der dänische Gesandte in London, Bille, von hier nach Kopenhagen, der bisherige Militär- attachö bei der hiesigen Botschaft der Bereinigten Staaten von Amerika, Oberst Kerr, nach Bremen, um von dort die Rückreise nach New Jork anzutreten. - Tanzig, 30. September. Die Beisetzung der sterblichen Reste vr. von Goßters erfolgt auf dein Kirchhof in der Halben Allee zu Danzig an der Seite seiner Gemahlin. Auf dem Friedhof befindet sich das Goßlrrsche Erbbegräbnis. * Posen, 30. September. Der »Germania" wird ge meldet: Erzbischof v. Stablewski erließ zusammmen mit den Domkapiteln von Gnesen und Posen einen Aufruf für Sammlungen, damit dem verstorbenen KardinalLedochowSki in» Posenex, Dom ein würdiges Denkmal errichtet werde. — Unter der Überschrift „Die Pfeifgeschichte" veröffentlicht die „Pos. Ztg." folgende Zuschrift des Stadtverordneten vorstehers Vr. Lewinski in Posen: Vor der letzten Sitzung der Stadtverordneten tagte in einem anderen Saale des Rathauses der Finanz- und Bauausschuß und beriet über Len Erwerb eines Platzes sür die Maschinenbaufchulr. Während dieser Sitzung fragte einer der polnischen Stadtverordneten den Ltadtverordnetenvorsteher km pnvaten Gespräch, ob er beabsichtige, dem Oberbürgermeister Witting den Dank sür seine Tätigkeit auszusprechea. AIS der Vorsteher die- sür selbst« verständlich erklärt«, ersuchte der betr. Stadtverordnete, die Polen vo« diesem Danke ausdrücklich auSzuschließeii. Der Stadtverordnetenvorsteher lehnte solche» mit den» Bemerken ab, daß er nicht namens einzelner Parteien, sonder» namens der Stadtverordnrtenversainmlmig spreche» werde. - Hieraus er hielt er die Erwiderung, Laß die Polen da» Wort ergreift» würden, um ihrerseits dagegen zu protestiere». Ter Stadt- verordiiclenvolsteher entgegnete, daß er hierzu das Wort nicht werde erteilen können, und begründete es auf die Frage, warum nicht, dahin. Laß rS nicht üblich uud nicht angängig sei, derartige Kundgebungen des Vorsitzenden zum Gegenstände einer Diskussion zu machen. Der betreffende Stadtverordnete sagte daraus: „Run, dann werden wir pfeifen". Um unliebsame Szenen in Gegen- wart Les Oberbürgermeisters zu verhüten, erklärte sich der Stadt- verordnetenvotsteher nach einer Welle bereit, dem Wunsche insoweit Rechnung zu tragen, Laß er in seiner Rede die abweichende Stellung der Polen kurz erwähnen wolle, womit diese einverstanden waren und sich sür befriedigt erklärten. Als darauf in die Plenarsitzung ringetrelen werden sollte, machte der Vorsitzende dem Herrn Ober bürgermeister von dem Geschehenen Mitteilung, um ihm die Er klärung sür das Nachfolgende zu geben, und bestieg seinen Platz, um die Sitzung zu eröffnen und die Ansprache zu halten. In diesem Augenblick trat der Herr Oberbürgermeister an ihn heran und bat ihn, den Tank völlig zu unterlassen, da ihm dies unter den obwaltenden Umständen nicht angenehm und eventuell noch später dazu Gelegenheit vorhanden sei. Ta der Oberbürgermeister trotz der seitens deS StadtverordnetenvorsteherS dagegen erhobenen Bedenken dabei verblieb, so mußte diesem ausdrücklichen Verlangen entsprechend in jener Sitzung die beabsichtigt« Ansprache unterbleiben. T Düsseldorf, 30. September. Der Großherzog von Baden gab beute Mittag ein Frühstück, zu welchem u. a. der Oberpräsident Nasse, General-Oberst v. Loö, Wirk licher Geheimrat Krupp, Oberbürgermeister Marx und Geheimrat Lu eg Einladungen erhalten hatten. Um 4 Uhr Nachmittags besuchte der Großberzog nochmals die Aus stellung und nahm hierbei die Borstellung von Mitgliedern des Arbeitsausschusses und von Vertretern verschiedener Kriezervereine entgegen. Im Kruppschen Pavillon hatte der Wirkliche Geheimrat Krupp die Führung übernommen. Der Großherzog wurde überall vom Publikum lebhaft begrüßt. D Würzburg, I. Oktober. (Telegramm.) Der frühere ReichstagSabgeordnetr, Mitglied de- Zentrums, Privatier Necker mann ist gestorben. * Aus der Pfalz. Eine interessante Enthüllung machte in einer am Sonntag nachmittag in Landstuhl ab gehaltenen öffentlichen Volksversammlung der nationalliberale Vertreter des Wahlkreises im Reichstage, Abgeordneter Fitz, Ellenstadt. Fitz teilte, nachdem er über seine Stellung zumZoll- tarif, über das Branntweinsteuergesetz und die Zuckerfrage ge sprochen und für die nächsten ReichStagSwahlen in derPfalz einen zum Siege der Gegner führenden Kampf zwischen National liberalen nnd Bündlern in Aussicht gestellt hatte, mit, daß anfangs März d. I. der Wortführer der pfälzischen Bündlcr, Chefredakteur Max Treutler, in Neustadt in einem Nebenzimmer des bayerschen Landtagsgebäudes Herrn vr. Schaedler ein Bündnis für die kommenden Wahlen in der Pfalz vorgeschlagen habe. Schaedler soll das, ohne sich sür die Stichwahlen zu binden, sür die Haupt wahl e n a b g e l e h n t haben. Treutier werde diese Tatsache ab- zuleuguen suchen, doch gebe er ihm zu bedenken, daß die Wände deS bayerischen Landtagsgebäudes Ohren hätten. WaS dir Zolltariffrage anlange, so erklärte Fitz, nach Ablehnung des KompromißaatrageS durch die Negierung für die Re gierungsvorlage stimmen zu wollen. Redner hat sich zu einer solchen Stellungnahme entschlossen, weil er glaubt, daß diese Zollsätze immerhin einen wesentlichen Vorteil gegenüber den heutigen Berhältnissen bedeuten und »veil die Geschichte lehrt, daß extreme Zölle keine Dauerhaftigkeit haben. Ab geordneter Fitz, ver nicht mehr kandidieren will, erklärte sich bereit, in dem Falle, daß die Bersammlung mit seinem Ver halten in der Zolltarisfrage nicht einverstanden ist, sein Mandat schon jetzt in die Hände der Wähler zurückzuzeben. Die Vertreter deS Bundes der Landwirte hatten die an sie ergangene Einladung zur Beteiligung an der mit einer Der- trauenSkundgebung für Fitz endenden Versammlung abge lehnt. („Allgem. Ztg/") D Karlsruhe, 30. September. Staatsrat Eisenlohr wurde unter Ernennung zum Geheimen Rat 1. Klasse in den Ruhestand versetzt. An seiner Stelle wurde Geheimer OberregierungSrat Roth zum Generaldirektor der StaatS- eisenbahnen ernannt. * München, 30. September. Die akademische Katzen musik, die den Kammerpräsidenten vr. v. Orterer vor einigen Tagen gebracht sein sollte, ist schon über 12 Jahre verklungen, was die „Allgem. Ztg." veranlaßt, mit Kanonen nach dieser Ente zu schießen. Übrigens wurde dem vr. v. Orterer von Eichstädt, seiner bisherigen außer parlamentarischen Wirkungsstätte, das Ehrenbürzerrecht ver liehen. D München, 1. Oktober. (Telegramm.) Ter Negierungs direktor bei der Regierung ter Pfalz, Freiherr von Andrian- Werburg ist zum Regierungspräsidenten von Nieder bayern ernannt worden. Frankreich. * Brest, 30. September. Ter Kabinetchef des Marinc- ministeriuniö ersuchte die Arsenalarbeiter, welche wegen des ihnen aus finanriellen Gründen zwangsweise auferlegten Ruhetages iu den Ausstand treten wollen, dies aus zuschieben, bis der Minister seine endgültige Entscheidung getroffen habe. Großbritannien. Verurteilung. * London, l. Oktober. Gegen die irischen Parlaments mitglieder Dusfy und Roche ist heute unter der Anklage, in ihren Reden Drohungen auSgestoßen zu haben, vor den» Gerichtshof verhandelt worden, dem die Vergehen gegen das Ausnahmegesetz unterstehen. Duffy war nicht erschienen; er wurde zu zwei Monaten Gefängnis, Roche zu vier Monaten, beide aber auch für diese Zeit zur Zwangsarbeit ver urteilt. Rußland. Finnisches. * Die Abschiedsgesuche des Präsidenten dcS Wiborger HofzerichtS, Forsiuaiin, und des Senators Gornborg, sind vom Senat befürwortet worden und ihre sörmliche Ge nehmigung steht unmittelbar bevor. — Der Gouverneur von Nyland, Kaigorodow, einer der eifrigsten Betreiber der Russisizierung, hat insgesamt 232 800 an Geld strafen sür Unterlassung der Wahlen zu den Wehr- pflichtSauSschüslen den Gemeinden auserlegt. Da die Einsprüche der Gemeinden zum Teil in der End instanz abgewiesen worden sind, beginnt man jetzt mit der zwangsweisen Einziehung der verwirkten Strafen, ohne jedoch Erfolg zu haben. Die Pfandgezenstände, meist die Armenhäuser der Gemeinden, werden von niemandem ge kauft. — Die Auswanderung hält an. So reisten mit dem letzten Dampfer 325 Personen von Hangö nach Amerika. — Zwei ordentliche Professuren sür russische Staatskunde und Geschichte, für russisches Staatsrecht und russische Rechts geschichte sollen an der Universität Helsingfors er richtet werden. Asten. inne Heirat ii» China. * Peking, 30. September. (Reuters Bureau.) Prinz Tfchun, Bruder deö Kaisers, hat sich mit der Tochter des GroßsekretärS Hng»lu, dem höchsten und einflußreichsten Beamten Chinas, vermählt. Es heißt, diese Verbindung sei geschlossen worden, um den» Thron einen Erben zu sichern. Hohe Beamte stellten dies jedoch in Abrede. Japan. * Dem japanischen Parlamente wird in der nächsten Tagung, wie die „Nowoje Wremja" erfährt, ein Gesetzentwurf zur Einführung der zweijährigen Dienstpflicht unterbreitet werden. Außerdem wird beabsichtigt, die von der Militär dienstpflicht Befreiten mit einer Wehrsteuer zu belegen. Weiler werde die Regierung beim Parlament die Errichtung einer japanisch-chinesischen Bank mit einem Grundkapital von 20 Millionen Hm beantragen. Afrika. Marokko. * Der Pariser Correspondent deS „Observer" berichtet: „Ich weiß aus vorzüglicher Quelle, daß Delcassö eine bewaffnete Intervention in Marokko für eine Mög lichkeit der nahen Zukunft hält. Zu diesem Zwecke hat er sich bereits die Zustimmung Italiens verschafft und wird natürlich bei Rußland auf keinen Widerstand stoßen. Er scheint nicht viel Wert darauf zu legen, was Spanien wohl dazu sagen könnte. ES sind aber natürlich England nnd die Vereinigten Staaten in Betracht zu ziehen. Die hauptsächliche Korneinfuhr Marokko? kommt auS den Ver einigten Staaten. Daß Delcassö dies Projekt seit einiger Zeit im Sinne hat, bestätigt mir der Reisende Jean Heß, der soeben von Marokko zurückgekehrt ist. Er erzählt mir, daß die Ge sandtschaft, die auf Wunsch des Sultans von Marokko aus geschickt wurde, um die maurisch-algerische Grenze festzusetzen, auf Grund von Instruktionen aus der Heimat idren Auftrag nicht ausführte und so die Möglichkeit offen ließ, bei passender Gelegenheit einen Streit zu eröffnen, der Frankreich die Berechtigung geben würde, in Marokko ein zumarschieren. Die französischen Truppen an der maurisck- algerischen Grenze sind auf diesen Einmarsch sorgfältig vor bereitet, und die Offiziere fragen ungeduldig, wann der Befehl zum Vormarsch eintreffen würde. Heß ist übrigens jedenfalls nicht an -er Wiege gesungen worden, und ex suchte sich nun ihrer in seiner Weise zu erwehren. Der Stern der Truppe war die Tochter des Direktors. Isa, oder eigentlich Isabel Cazador. Weiße AtlaSschuhe, fleischfarbene Wolltricots, nnzählige »veiße Gazeröckchen, kaum bis zum Knie reichend, wie sie die Damen vom Battet i ragen, dann ein rotseidenes spanisches Jäckchen, reich mit Goldfransen bestickt, und ans dem wundervollen üppigen tchwarzen Haar ein kaum handgroßes rotseidcnes Häub chen — so erschien Isa während der Vorstellung. Sie war die Hautperson. Sie sammelte ein. Augenblicklich stand ne, mit einem zierlichen spanischen Rohrstöckchen in die Luft wippend, auf dem Falltreppchen, das aus den» Wohn wagen zur Erde herniederführte. In ihren» Gesicht prägte äck, der eigentümliche vornehme Stolz der Spanierin aus. Sie schien zu fragen: „Lohnt sich's denn auch, daß ich mich euch Gesindel zeige?" Ihre lebhaften, feuchtglänzenden Augen, die sonst so stift und träumerisch unter den langen schwarzen Wimpern hervvrblickten, sahen jetzt gering schätzig und frostig über den Platz hinweg. Tie fror nnd mochte wohl denken: Das also ist das berühmte Deutsch land? Welch jämmerliches Land nnd Volk, das nicht ein mal eine genügend warme Luft hervvrbringt! Wären »vir doch in Spanien geblieben! Gleichwohl wnhtc gerade sie am allerbesten, daft ihre Vorstellungen in Deutschland mindestens das dreifache brachten, als anderwärts, »vo das Volk so ausgesogen nnd bettelarm war, daft cs nichts geben konnte, selbst wenn es »rollte. „Oomwenoer ckonc, Aonsleur ^nxuste!" rief sie dann in einem sehr guten Französisch dem Ausschreier zu, während sie gleichzeitig einen, sonderbaren Wesen, das binter der großen Pauke saß und die Augen unverwandt >vie betend auf Isas Gestalt heftete, mit der Gerte Zeichen machte, daft er mehr Lärm mit seiner Pauke machen sollte. „Milons, allon-i, Mozzo!" rief sie dem rothaarigen bnck- ligen Kerl hinter der Pauke gntmütig lachend zu, worauf der Mozzo mit einer wahren Bcrserkerwut auf seine Pauke tvsschlug, als wäre sic sein schlimmster Feind gewesen. Die Vorstellung begann, die Pauke dröhnte, eine Trom pete schmetterte, Isa selbst nahm ein Tambourin zur Hand, das sie rasselnd nnd klimpernd schwang, dazwischen die belle, schreiende Stimme des Clown, Monsieur August, der in einem harten, gebrochenen Deutsch begann: „Komme' Sie 'er, Mademoiselle Ftfine" — Mademoiselle Fifine war — eine Gans, die Monsieur August mit künst lerischer Meisterschaft dressiert hatte, «ine Glanznummer der Compaüia, die nie ihrer« Effekt auf das hochverehrte Publikum verfehlte — „komme' Sie 'er, Mademoiselle, und zeige' Sie den 'o'e Errschafte', was Sie gelernt. Achtung!" Die Gans stand stocksteif still. - « - -»i' »> - - > > „Wie macht der 'Err Unteroffizier, Mademoiselle Fifine? Eins, zwei, eins, zwei, eins, zwei!" kommandierte Monsieur August »veiler, und die Gans »nachte wie ein Rekrut auf dem Exerzierplatz langsamen Schritt über den ganzen Teppich hinweg, den man auf der Erde ansge- breitet hatte. Das sah so drollig nnd lächerlich aus, so ernst haft-dumm, daß die Zuschauer kein Auge von der possier lichen Szene verwandten. Man lachte laut auf, man stritt nnd drängte sich, um besser zn sehen, wie die Gans in lang sam-feierlichen» Schritt mit ihren breiten Latschen über den Teppich marschierte. Besonders die Kinder waren steif vor Staunen. Sv etwas hatte mar« noch nie gesehen nnd Monsieur August muftte immer vor» neuem Eins, zwei, eins, zwei kommandieren, nm die Schaulust von groß nnd klein zu befriedigen. Monsieur August war ein richtiger Künstler. Niemand ahnte bei der herzerquickenden Komik der Szene die Aus dauer, die Engelsgeduld, die feine Beobachtung der charak teristischen Eigentümlichkeiten des Tieres, die Monsieur August aufgewcndet hatte, nm die Dressur zn ermöglichen. Der junge, hübsche Mann in dem grotesken Clownkostüm hatte Liebe zn seinem Fach nnd suchte darin seinen Meister. Er Ivar in der Tierdressnr nnerreicht und dressierte nicht nur Madniviselle Fisine, sondern auch Hunde, Affen, Flöhe, in deren Natur er sich mit den» Ernst dcS Natur forschers vertiefte. Er hätte bei jedem großen Zirkus eine gut bezahlte Stellung erhalten können, aber Monsieur Aiignst blieb bei der Compania Cazador — der schönen Isa wegen. Er machte sich Hoffnung auf die Hand Isas und kalkulierte, mit ihr zusammen einst einen selbständigen Zirkus zu eröffnen. Es mußte schon ein hübsches Geld dazu vorhanden sein. Die deutsche Reise stellte sich — wie man in diesen Kreisen sagt — als ein „Schlager" dar, nnd Monsieur August dachte demnächst mit seinen Absichten hervorzutrcten. Er spielte mit dem Direktor Cazador auf eins zu vier, das heißt, Monsieur Angust bekam ein Viertel der Einnahme, der Direktor und seine Familie drei Viertel, der Mozzo bekam nichts. Nur das Esten. So konnte sich Monsieur August aber auSrechnen, daß der Direktor jetzt stark gegen dreitausend Franken in der Kaffe haben mußte, wenn nicht schon darüber. Damit konnte zur Not ein geschlossener Zirkus errichtet und die Einnahmen verdreifacht oder verzehnfacht werben. Er träumte von Millionen, natürlich nur von zukünftigen. Soulis, Renz, Sanger und andere, die ja auch „mit nichts" angefangen, waren seine Vorbilder. Ein Schutzmann kam. Doktor Herwarth, dessen Träumereien sich wieder mehr um daS schöne Hans des Rechtsanwalts Habicht konzentrierten, hatte schon vorher beobachtet, »vie ein Diener ans dem Hause herauskam, den Schutzmann au das Gartengitter »fies und leise mit ihm sprach. Wahrscheinlich hatte man sich im Hause über den Lärm auf der Straße beschwert. „Was ist denn hier los" fuhr der Schutzmann in die Vorstellung hinein, „was zum Teufel fällt Ihnen denn ein, hier einen solchen Mordspektakel zu machen? Sofort machen Sic, daß Sie von hier wegkommen." Direktor Cazador trat ihm entgegen. „Ich habe meinen Gewerbeschein", sagte er ruhig und vollkommen frei von jedem fremdländischen Accent, sogar mit einem Anflug einheimischen Dialekts. „Sie haben mir nichts zn befehlen." „Ach was, Gewerbeschein", erwiderte der Schutzmann, „was Sie da machen, ist kein Gewerbe, sondern einfach Straßenunfug und ruhestörender Lärm " „Das verstehen Sie nicht " „Ruhe!" herrschte ihn der Beamte, nunmehr selbst auf gebracht über den Widerstand, an, „Sie scheeren sich sofort von hier weg, sonst arretiere ich Sie mitsamt Ihrer ganzen Sippschaft. Luchen Sie sich einer« Platz für Ihr soge nanntes Gewerbe, wo Sie wollen " „Ich habe diesen gewählt." „Hier geht daS nicht. Die Einwohner beschweren sich über Sie. Vorwärts marsch." Damit ging der Schutzmann auf den Mozzo zu, um zunächst die entsetzliche Pauke zur Ruhe zu bringen. „Lassen Sie die Leute nur weiterspielen", sagte jemand aus dem Zuschauerkreis, „die Kinder wollen auch ihren Spaß haben." Direktor Cazador blieb einen Augenblick ruhig stehen, sandte einen giftigen Blick nach dem Hause des Rechts anwalts hinüber und fuhr sich dann seufzend mit der Hand über Stirn und Augen, als wolle er etwas auS seinem Gedächtnis wegwischen oder vor seinen Blicken ver bergen. Plötzlich änderte sich aber die Szene. Die Frau Dirck- torin erschien auf -em Kampfplatz. In rotwollenrm Unterrvck und ausgetretenen, formlosen Filzschuhen kain sie ans dem Wohnwagen heraus, dick, streitbar, schreiend und gestikulierend »vie eine echte Zigeunerin, rot im Ge sicht, aufgeregt und zornig iin höchsten Grad. Jin Nu war sie vom Wagen herunter und dicht bei dem Schutz mann, den sie so heftig am Ärmel herninrift, daß ihm dabei der Helm von» Kopfe fiel. Eine Flut von Schimpf worten ergoß sich über den verdutzten Beamten, dem die wütende Frau mit den knrzfingerigeu, fleischigen Hündchen in höchst verdächtiger und bedrohlicher Weise vor dem Ge sicht hin- nnd herfnhr. Dabei schallte ihre kreischende, schrille Stimme »veit über den stillen Platz mit seilten vvi- nehmen Hünsern, so daß sich hier nnd da die Fenster nnd Balkontüren öffneten nnd neugierige Gesichter erschienen, nm nach den» ungewohnten Spektakel ansznschanen. Der Schutzmann, der seinen Helm wieder aufheben wollte, den der Mozzo verächtlich mit den» Fuß fortgestoßcn hatte, sah sein Ansehen in Gefahr. Er vcrstand natürlich nicht, »vaS die wütende Fran sagte — die Fran Direktorin sprach nur spanisch —, aber das; das keine Schmeicheleien waren, das begriff er sehr wohl. „Vorwärts, ans die Wache!" rief er nun auch laut un erregt. „Sie sind arretiert, alle miteinander!" Das schien nun die Fran Direktorin vollends aus dein Händchen zu bringen. Ihre Bewegungen wurden hef tiger, krampfhafter, ihre Stimme überschlug sich, ihr Ge fickt wurde kupfcrbrann. Ihr Gatte nnd ihre Tochter sprangen ängstlich hinzu, nm sic zu beruhigen, aber ohne Erfolg. Frau Cazador geriet in eine krankhafte Erregung und hatte offenbar jede Gewalt über sich selbst verloren. Der Schutzmann, um der widerlichen Szene ein Ende zu machen, packte sie am Arn» und wollte sie fortziehen, — da brach plötzlich ein dicker Blntstrom ans ihrem Munde, und die Fran siel ohnmächtig, zuckend und über und über mit Blut bedeckt, in seine Arme. Nun freilich schwieg die Pauke, statt dessen drängte und stieb, schrie und lärmte alles um die blutende und bewußt lose Fran herum, die der Tchutzmann langsam ans den Teppich niederlieft, »vo soeben noch Mademoiselle Fifine ihrer» Parademarsch exekutierte. Doktor Herwarth sprang sofort hinzu, kniete bei der Frau nieder nnd suchte sich über ihren Zustand zu orientieren. (Fortsetzung folgt.)
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