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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.08.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-02
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190308023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19030802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19030802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
- Tag1903-08-02
- Monat1903-08
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.08.1903
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Mchweisungrn und Offertenannahme 25 (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbesörderung ^ll SO.—, mit Postbesörderung ^l 70.—> Anuahmrschluß für Äuzeizru: Ab end-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgea-AuSgab«: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von srüü 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag vou E. Polz in Leipzig. 97. Jahrgang. Jur Reform -es Landtagswahlrechts. Die goldene Brücke. „Nun mutz sich alles, alles wenden!" dachten die Nattonallkberalen tm Lande Sachsen, als die Re gierung die Wahlrechtsreform ankündigte, da kommandierte die Partei-Leitung richtig: „Ganzes Bataillon kehrt!" „Gewehrab!" Dieses unglück selige Kommando vom 26. Juli hat aber wenigstens etwas gutes an sich; es ist nicht „vor versammelter Mannschaft" erfolgt, seine Nichtbefolgung ist noch lange keine Disziplin- Widrigkeit, eSistkeinParteibefchlutz, nicht einmal ein Borstandsbeschluß. Das haben die Kommando führer auch sehr wohl gewußt. Die Ankündigung der Leipziger Zusammenkunft sprach noch von einer: „Besprechung der Borstandsmitglieder des National liberalen Landesvereins mit den nationalliberalen Mit gliedern der beiden Kammern über die Neugestaltung des Land- tagswahlrechtS". Das Communiqus über das Ergebnis der Be sprechung ist aber überschrieben: „Besprechung na- tionalltberaler Parteigenossen, Acnderung des Landtagswahlrechts betr." Und die Einleitung des Schriftstückes lautet: „Bei der Besprechung, welche am 26. Juli d. I. unterMitgliedern des Vorstandes des nationalliberalen LandesvcreinS und der nationalliberalen Fraktion de- Land tages stattgefunden hat," usw. Es ist unzwcifelhaftund überdies kein Geheimnis, daß die Abfassung des Communiqnes in der sorgfältigsten Weise er folgt ist, wobei sicher erst jedes Wort auf der Goldwage gelegen hat, deshalb ist es für uns ebenso unzweifel haft, daß die Teilnehmer an der Besprechung selbst ihren Beschluß nicht als unbedingt bindend haben aufgefaßt sehen wollen, daß sie also auch selb st noch jeden Augenblick ihre Ansicht ändern können, und zwar ohne irgend welche Förmlichkeit. Man verstehe uns nicht falsch. Wir proklamieren hier nicht etwa die praktische Bedeutungslosigkeit deS Be schlusses, sondern nur seine formale, und auchdas ge schieht nur aus dorn imitierten Geiste der Leipziger „Be sprechung" heraus, die vor allen Erwägungen ganz äußer licher und nebensächlicher Fragen und Begleiter scheinungen zum Wichtigsten, zum Handes.», nicht die Entschlußfähigkeit gefunden hat. Eine goldene Brücke wollen wir bauen. Nicht um Prinzipien, nicht um rechts oder links, sondern um den Rang, vielleicht um die Existenz des NationalliberaliSmuS in Sachsen wird hier ge kämpft. Wir haben Grund, dies nicht verdunkeln zu lassen, denn an Versuchen, die Entscheidung über die Be teiligung an der Wahlresormkonferenz, als einen nicht übertrieben bedeutungsvollen, rein taktischen Ent schluß hinzustellen, wird eS nicht fehlen. Deshalb müssen wir eS hier noch einmal auSfprechcn, daß die Parteileitung beim Beharren auf ihrem Beschluß sich selbst und ihre Mandanten in der ganzen Frage der Wahlrechtsreform zur Einflusslosigkeit verdammt. Freilich wird in dem Kommunique zur Beruhigung versprochen: „Eine Gefahr, daß die Partei ihre Einwirkung aus die Gestaltung des Wahlrechts verliere, sei nicht vorhanden; sie werde sich bei ihrer nächsten Generalversamm lung über die Einzelheiten der Wahlrechtsänderung auf Gruicd der vom Vorstande zu machenden Vorschläge schlüssig machen, sie werde, wenn die Regierung ihre Vorschläge kund gegeben haben werde, letztere der Kritik unterziehen und dann mit den verfassungsmässigen Mitteln durch Einvernehmen mit der Landtagsfraktion, Vor stellungen bei der Regierung, Petitionen an den Landtag ihren Einfluß in die Wagschale werfen können." Das kommt uns vor, als wenn jemand eine Tür durch Blasen öffnen will, während er den Schlüssel in der Tasche hat. Außerdem glauben wir nach den Proben gerade der letzten Zeit gar nicht mehr an die Möglichkeit der Entfachung eines Sturmes; bet der jetzigen Führung und Organisation kann nur noch sanft gesäuselt werden. Und der Einfluss der national liberalen Kammerfraktion? Die Antwort darauf ist eine jener Binsenwahrheiten, deren Aussprechen man sich gern schenkte; sie lautet: drei ist immer mehr als zwei, d. h. wenn die Konservativen nicht wollen, so bleibt alles beim alten. Gerade au» diesem Grunde hat ja die Regierung den Sonferenzvor- schlag gemacht, um ein eindrucksvolles Plakat im Land tage aufhängen zu können, auf da» sie zeigen kann mit den Worten: Seht, so ist die Stimmung im Lande! Es ist der Unsegen der langen Legislaturperioden und der Kartelle, daß sie die Grenzen verwischen und die persönlichen Rücksichten großzichen, be sonders wenn die Macht- und Rangverhältntfle der Kon trahenten ungleich sind. So etwas geht dann bei dem Schwächeren ganz allmählich, eS schleicht sich «in, und kommt zuletzt überhaupt nicht mehr -um Bewußtsein, bi» vor lauter Rücksichten eines Tage» die eigene Partei vor einem Abgrunde steht. Die angeführten Gründe für die Nichtbcteiligung ein zeln zu widerlegen, ist überflüssig, da die B e r an t w or - tung für die Konferenz die Regierung trägt und nicht etwa die Berufenen. Die Verfassungs frage hier aufzuwerfen, hätte man ruhig irgend einem ^oetoranckuL überlassen können, -er sie ganz gewiß auch nicht endgültig beantwortet hätte, denn in solchen Dingen gibtes keine Endgültigkeit. Nur eins möchten wir noch hervorheben. In der Begründung der Ablehnung des Regierungsvorschlages heißt es an einer Stelle: „Wie bedenklich diese- Vorgehen der Regierung sei, zeige der Umstand, daß in der Presse bereits jene Ver sammlung als Stütze der Regierung gegen über dernLandtage bezeichnet worden seil" Wenn bas auf uns gehen sollte, so beken.nen wir uns zu dieser Sünde. Ja, wir sehen in der Versammlung eine Stütze der Negierung und halten eine solche oder ähnliche Stütze sogar für unbedingt notwendig. Wir halten sie ober auch für genau sozulässig , wie jede andere. Was ist denn der Zweck der Volksversammlungen, Petitionen, Flugblätter, wenn nicht der, die Regierung oder die Stände zu stützen oder sonstwie zu beeinflussen? Warum soll das nicht auch eine von der Negierung einberufene Versammlung tun dürfen? Wer hat Bedenken darüber geäußert, daß man sich bei der Vorbereitung der Handels verträge von ReichSwegen der Hülfe sachverständiger Männer bediente, die „frei von jeder Verantwortlichkeit" waren, die sich versammelten, die debattierten und vielleicht sogar — Beschlüsse gefaßt haben? Den unumgänglichen Beweis der Wahrheit, daß die Parteiführer sich mit ihrer glücklicherweise noch unverbindlichen Entscheidung auf Robin son - Eiland begeben haben, treten wir weiter unten an. Wir haben ihnen eine Brücke zur Rückkehr geschlagen. Wenn sie nicht betreten wir-, wenn nicht gleichzeitig die Unter lassungssünden langer Jahre gut gemacht werden, so wird der nationalliberale Heerbann entweder den letzten Zu sammenhang verlieren, oder sich um Männer scharen, die nicht auf den Bovwurf der Treu losigkeit ihrer Wählerschaft ls. „Das Vaterland" Nr. 30) mit einer Verbeugung und einer Delbst - entrecht» ng antworten. Man ist sich heute darüber klar: Nicht Prtnzipienunterschiede, sondern rein per sönliche Auffassungen stehen einer entschlossenen Kraft entfaltung der Nationalliberalen in Sachsen im Wege; die Konsequenzen daraus werden eines Tages ge zogen werden. Möchte die goldene Brücke nicht vergebens geschlagen sein! 8. PreHsttmme«. Nicht zu unserer Rechtfertigung, sondern zur bitter nötigen Orientierung aller, die e- angeht, drucken wir hier folgende Pressstimmen ab: Die .Nationalliberale Corrrspou- den," schreibt: „Der Beschluß der Mitglieder des nationallibe- ralen Laude-vorstandes und der LondtagSfraktion Sachsen«: eS empfehle sich nicht, daß Mitglieder der national liberalen Partei, vor allem solche, welche Mitglieder deS Landtag- seien, der etwa an sie ergebenden Einladung der Regierung für den zu End« August oder September ia Aussicht genommenen Beirat be- huf» Beratung einer Aenderung de« Landtagewahlrecht- Folg« leisten, bat dem sächsischen nationallibrralen Landesvorstand« heftige Angriffe zugezogen. Wan will ia diesem Beschlüsse den Ernst de« Willen- zu einer wirklich durchgreifenden Reform deS Landtag-Wahlrecht« vermissen. Obwohl die Re- iolution d«S LandeSvorstande« sich aufsällig kühl zu dieser Frage auslpricht, vermögen wir nicht zu glauben, daß di« sächsisch« national- liberal« Parteileitung sich der unbedingten Notwendigkeit dieser Re form verschließt; sie würde sich durch ihre zögernde oder zweideuttg« Haltung ia «inen unüberbrückbaren Widerspruch mit den eigenen Parteigenossen tm Laude fetzen. Die Sprach, und di« Forderungen aller nationalliberalen Blätter Sachsen», al» am 14. Juli die sächsisch« Regierung ihr« Absicht aus Arndr- rung d«S Landtag-Wahlrecht« kundgab, läßt darüber keinen Zweifel auskommen. Gleichzeitig stieß aber di« Ltusetzunq d«S Beiräte», „an der namentlich auf diesem Gebiete (de» Wahlrecht«) besonder» «r- fahreu« Mitglieder beider Ständekammern teilnehmen sollten", von vornherein auf Mißtrauen. Mau glaubt», vorauSlrhen zu müssen, daß jener B«irat vorwiegend au» reaktionär«« Elemente» zusammen- gesetzt werden und daß das Odium einer au- diesem Beirat her- vorgehendrn wiederum mangelhafteu Gesetzvorlage auch aus di» etwa an diesem Beirat teilnehmenden Nationalliberalen falle» würde. Unter diesem -eflcht-punkt l»st sich di« Teilnahme oder Richtteiloahm« der Nationalliberalen «» dieser Kommtisi« in rin» Frage der Taktik aus. Ein» vo» voruheret» ablehnend« H«I- tung «tnzonrhme» nnd sich uach dieser Richtung obiolut zu bi»d«n, scheint allerdings übereilt. Ebenso al» der willen»meiu«»g wohl der gesamt»» »attonalliberalen P»rt»i wenig ent sprechend muß di« redaktionelle Fassung de» Beschlüsse» de» LandrsvorsrandeS betrachtet werdrn, di» den unbrugbaren Entschloß aus ganze Arbeit in der Wahlrechl-fiage nicht deutlich erkenne» läßt. Wir wiederholen heul«, wa« wir damals in einer Schluß, betracht»«» über di« sächsisch« LondtaqSwahlrecht-srag« schrieben: „Es gilt jetzt für di« nationallibrral« Partei Sachsen«, all« Kräfte um sich -» sammel» »ud ne« zu organisier«, um di« alt,« Fehl« mit Entschlossenheit»«!» sogar, wie da- nationalliberol«„Leipziger Tage blatt" fordert, gegebenen Falle» mit Rücksichtslosigkeit wieder gut zu machen." Bergesseu icheint übrigens selbst vo» feiten der national, liberalen Blätter Sachsen-, daß der Lande-vorstand bereit« am 29. Dezember 1899 ia einer programmatischen Resolution die Aenderung deS sächsischen Landtag-- Wahlrecht- gefordert hatte and daß somit von den bürger- lichea Parteien Sachsen- die Nationalliberalen dir ersten waren, die aus Beseitigung deS Gesetze- vom Jahre 1896 drangen!" Die von der Stellungnahme der nationalliberalen Partei- leitung Sackstn „geradezu verblüffte" „National- Zeitung" erklärt: „Wir finden diese Drückebergerei au» Gründe» rein formaler Natur im Interesse der nationalliberalen Partei Sachsen-, die hier Gelegenheit gehabt hätte, sich durch entschlossene Mitwirkung wieder einmal im liberalen Sinne zu betätigen, tief bedauerlich . . ." ES wäre einer großen Partei doch wohl würdiger, wenn sie die dargebotene Gelegenheit ergriffe, selbst bei Aufstellung positiver Vorschläge mitzuwirken. Tie sächsischen Natioualliberaleu baden damit, Laß sie schon jetzt für riue Mit wirkung au der Schaffung einer zeitgemäßen Reform so gut wie versage», niemand ein« größere Freude gemacht, als den konservativen Reaktionären." Dem n a t i o n a l l i b « r a l« u „Hannoverschen Courier" wird auS Leipzig folgende Beurteilung der durch die nationalliberalen Führer geschaffenen Lage übermittelt: „Allgemein siebt man damit die ganze Reform des Wahl rechts in Sachsen für aujs schwerste gefährdet an." Die- Urteil veranlaßt da« Blatt zu nachstehender, auS irr tümlicher Anschauung über die sächsischen parlamentarischen Verhältnisse entsprungener Bemerkung: „Es wäre traurig, wenn die sächsischen Nationalliberalen gegenüber dem dortigen Wablunrecht keinen anderen Standpunkt al« den deS deatvs xvsbiäölls einzunehmen wüssten." — „Beatus possiciens" ist gut! Die nationalliberalen „Münchener Neuesten Nachrichten" lassen sich schreiben: „Außerordentlich kühl haben die Herren in Leipzig di« Angelegenheit behandelt, und nur Tadel hat die Regierung ge- erntet. Sogar ein« Aufforderung drrselbro zur Mitarbeit an der Gestaltung Le« Wahlrechte- wurde au» rein formalen Gründen abgelehnt. Unbegreiflich! Der Rrformfrage ist bet dieser Behandlung durch die Führer der Nationalliberalen ein schwerer Schlag zugrsügt worden, sehr zur Freude der Konservativen, deren Bereitwilligkeit zum Reformwerke bereit- geschwunden ist, und dir jetzt im „Vaterland" di» Regierung ob ihre» Borgehen- heftig angreifen. Wenn aber die letztere nicht wenigstens bei den Liberalen unbedingte Zustim mung und Unterstützung findet, woher soll sie dann die Freudigkeit und den Mut nehmen, ihr« Borlag« aufrecht zu erhalten? Es wird wirklich höchste Zeit, daß der Leitung de« Natio nalliberalen LandeSvereins frisches Blut zugesührt wird au« den Reihen der Männer, die ohne Rücksicht auf rechts und links Vorgehen." Und in Sachse» selbst lautet die Kritik sogar noch schärfer, was nur der ganz würdigen kann, der den herrschenden Verhältnissen auf den Grund sieht. Die „Leip- ziger Neuesten Nachrichten" erklären: „So zieht sich denn dir »ationallibrrale Partei in den Schmoll, winkel zurück, und das Werk der Wahlrechtsreform läuft Gefahr, an dieser Querköpfigkeit, an diesem ängstlichen Hasten an der dürren, doktrinäre» Schablone zu scheitern. ES ist tief bedauerlich, daß die nationalliberale Partei in Sachsen sich selbst nach de« Erfahrungen im ReichStagswahlkampfe nicht zu einer freiere» Auffassung oufschwiagr» kann, sondern in einem vrr- staubten Doktrinarismus verharrt. Man sollte doch denken, daß gerad« di» natioaalliberale Partei di« günstige Gelegenheit ergriffen hätte, in diesem Kampfe di» Führer rolle an sich zu reißen, verstummt sind aber all» schönen Reden von der gemein- famen Arbeit aller bürgerliche» Elemente, bestehe» bleibt nur di« ewig unwandelbare Macht der Schablone." Sogar die im Gegensätze zum „Batrrlande" reform freundlichen konservativen „Dresdner Nachrichten" leiten einen Artikel folgendermaßen ein: „Die Haltung der nationalliberalen Partei Sachsen- zur Reform deS Landtagswahlrechte« und speziell zu dem Vorgehen der sächsische» Regierung in dieser Frag« findet, soweit e« sich bi- jetzt überblicke» läßt, »irgend« et» Wort dar Zustimmung." Und nun kommt da« Bitterste und Böseste, nun kommt da«, wa« wir der Partei-Leitung gern erspart hätten un nur mit Widerstreben abdrucken; die Chemnitzer „All gemeine Zeitung" schreibt: „Sine solche einmütig, Verurteilung ihrer seltsamen Politik verdeu di« natioaalliberale» Barteisührer kaum er wartet hab,^ Da« zeigt aber, daß sie ohne jede Fühlung mit -er -sfentlichen Meinung sind, der schlimmst« Lor. wurf, der einer Parteileitung gemacht werden kann. Wir habe» in letzter Zeit wiederholt Beweis« dafür erhalten, daß die Männer, di, Zait a» da, Spitz« de, »atiouallib«. rala, Varta« st,Han, in hi« Verhältnisse nicht mehr rach» tziietup« i!«,. Lurch ihr lange« Pak tieren mit den Konservati»«» hab,» st, den Blick für da« »erloma, wa« eiarr liberale» Parte« nottu», da- unselig« Kartell hat ihnen da« Rückgrat gebrach,». S« ist in der Tat höchste Zeit, daß «Ine Berjünguug in der Parteileitung «in- tritt, soift könnt« r« sich ereigne», dass di« nattonalliberole Partei Sachs,»« u»r »och au« lauter alten Generäle» besteht, denen di« Truppen desertiert find." Kann «ineKritik überhaupt vernichtender sein? Aus -er Woche. Die geniale Fähigkeit, ia der einzelnen Erscheinung stets da- allgemeine Gesetz zu entdecken, hat den Worten deS großen Bismaick, dessen bei der fünften Wiederkehr seines Todes tages mit Wehmut und Dankbarkeit sich zu erinnern ge boten war, auch für die Fragen der hastenden Gegenwart bleibenden Wert gesichert. Es ist manchmal, als habe er mit Sehergabe künftige Entwicklung vorgeahut. Und doch ist es immer nur der scharfe Blick sür die Erscheinung de« Tages, der ihn auf den Grund der Dinge schauen läßt. So finden wir auch für den neuesten Vorgang in unserem Parteilebeo, für die Verschmelzung der Nationalsozialeu mit der Freisinnigen Vereinigung eine geradezu klassische Er- klärung in einer Reichstagsrede vom 12. Juni 1882. „Die Fraktion," so sagt er da: „ist etwas, was sich ja als eine große Bequemlichkeit deS politischen Verkehrs für jeden neu eintrelenden Abgeordneten erweist. Wer sich nicht berufen suhlt, der großen Gesamtheit de» Reichstages persönlich gegenüberzulrelen, der findet eine ansprechende Vermittelung in dem Eintritte in eine Fraktion." Und wir finden ferner in den „Gedanken und Erinnerungen" de» großen Manne» die Beobachtung, daß die verschiedenen Wege mancher Fraktionen auf dein politischen Kampfplätze nicht durch Verschiedenheit der poli- tischen Ansichten, Grundsätze und Ueberzeugungen in jedem Ein zelnen zu einer Gewissen-fr age und Notwendigkeit würden. Der Kristallisation-Punkt ist oft „nicht ein Programm, sondern eine Perlon". Ursprung und Ende der nationalsozialrn Partei sind mit dem Hinweise auf diese Beobachtung zum großen Teile erklärt. Bedeutende Persönlichkeiten wie Naumann und Sohm fühlten sich zu individuell, um im Rahmen einer der alten Parteien, obwohl wir deren wahr- baftig schon genug hakten, Raum und Befriedigung zu finden. Heule haben sie, weniger für ihre Personen, als für ihre Partei-Angehörige», zumal für den erneu zum Ab geordneten gewählten erkannt, daß ihre Bedeutung denn doch nicht auSreicht, um „der großen Gesamt heit des Reichstages persönlich gegrnüberzutretea." Sie suchen bequemen Schutz unter dem Dache derjenige» Partei, bei der sie Hauptteile ihre« Programm- verwirklicht gruben. Dieser «schritt stempelt sich zum politischen Mißerfolg insofern, als sie nur bezeugen, daß ihre Partei sehr überflüssig gewesen ist, daß sie von Anfang an besser getan hätten, sich mit der Rolle deS Sauerteiges in anderen Gruppen zu begnügen. Ueberraschen konnte das Fiasko niemanden. Denn wie schroffe Gegensätze gab »S selbst noch m den Reihen dieser kleinen Schaar, deren Zwiespältigkeit be dingt wurde durch die Unmöglichkeit, national und sozial demokratisch — denn diese Bedeutung hatte für manche von ihnen nur zu oft daS „sozial" — zu gleicher Zeit zu sein. So haben sie eS eigentlich nirgends darüber hinaus gebracht, Zünglein an irgend einer Wage zu sein, was denn auf die Dauer doch kein ersprießliches Wirken zu nennen ist. Ungunst der äußeren Umstände dal endlich den Aus schlag gegeben zum Entschluß, auf eigene Parteidilduog zu verzichten. Der ganze Vorgang sollte nicht gar zu schnell vergessen werden. Er sollte auch künftig als Warnung dienen vor «Überschätzung der Unmöglichkeit, mit anderen sich zu ver- tragen, ein Stück des Persönlichkeits-Bewußtsein» dran- zugeben zum Vorteile der Allgemeinbeit. Derartige Selbst bescheidung zu üben, liegt den Anhängern der nationalen und monarchischen Parteien umso näher, als ihre schlimmsten Gegner, Sozialdemokratie und Zentrum, es meisterbast ver stehen, sich vor dem Fehler de-Separatismus zu külen. Die Haltung des bayerischen SozialisteasührerS v. Bollmar ist hie,sür geradezu vorbildlich. Der Mann denkt gar nicht daran, die sozialdemokratische Partei zu verlassen. Und wir tief ist der Gejftniatz zwischen ihm und Bebel. Die letzte Münchner Rede v. Vollmar» ist für daS polrernde Jatransigententum der alten Häuptlinge und ihrer lärmenden Gefolgschaft vom „Vorwärts" in dem Grade vernichtend, daß in diesem Blatte selbst jetzt die Frage der Bizepräsidrntschast nicht mehr abgetan werden kann mit ein paar demagogischen Redensarten. Die Fähigkeit, innere Krisen so weit zu überwinden, daß die Parleisolidarität erhalten bleibt, läßt die „Genossen" denn auch dem im Herbst staNsindenden Dresdener Parteitage ebenso zuversichtlich entgegensehea, wie der Kölner Parade die schwarzen Herren. Sehr viel Neues werden diese beiden Veranstal« ungen jedoch kaum bieten, obwohl seit der letzten Tagung der . sozialdemokratische Wahl- erfolg und der Tod des Papstes Ereignisse gebracht haben, durch welche die beiden größten Parteien des Reich-tageS nahe berührt werdrn. DaS liebe Zentrum wird e» schon versteben, sich auch dem neuen Papste anzupaffen, sich würdig seines Segen» zu machen. Denn Ziele und Wege de« KlerikaliSmuS, die Har- monie von Priestertum und politischem UltramontanismuS lassen sich so leicht nicht verlegen oder stören. Zwei Kundgebungen deutscher Bischöfe aus den letzten Tagen sind dafür geradezu typisch. Einige vierundzwanzigj Stundru hatte man glauben können, Bischof Benzler von Metz, der Mann de« Kaiser-, habe eS einmal fertig gebracht, nationalen Er wägungen vor den klerikalen Anträgen den Bortritt zu geben. Man körte, er habe di« Bitte auS Frank- reich ausgewiesener Mönche, sich für ihre Niederlassung im Reichsland zu verwenden, abgewiesen. Der Irrtum ist schnell beseitigt worden. Im Gegenteil, Benzler hat sich eifrig bemüht, diesen Ordensleuten bei den wrltlicheu Behörden Vergünstigungen zu verschaffen. Einzelne von ihnen bat er in seine Diözesangeistlichleit auf- genommen. Er hat also „alle- getan, wa» vom katholischen und lothringischen Gesichtspunkte au- für die au« Frank- reich auögewieseneo Geistlichen geschehen konnte." Nicht große, aber doch eine gewisse politische und nationale Be- deutung hat diese Episode. Der Gedanke ist nicht abzuwrise», daß es der franjösilchen Republik höchst unbequem sein muß, wegen ihrer ant,republikanischen Machenschaften au-gewiesrn« Mönche sich unmittelbar an der Grenze ans,«del» zu sehen. Da- Demsch« Reich aber hat nicht de» gelingst«! Anlaß, der klerikal« Sach« za Sieh« «ia« der »achbar-R,publik an-
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