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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.08.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-04
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030804024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903080402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903080402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
- Tag1903-08-04
- Monat1903-08
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85,10 101,— 103.80 89.80 98.80 103,SO 87.S0 87,SO 7^80 7^10 92,S0 IS, 18 139,7S 98,SO 10S.2Ü 119,V0 133,— 152,— 13S.V0 128,80 131,90 18,70 24,— 148.7S 87,80 144,80 111,80 87,75 122,10 S2.2S 136,SO 123,10 17 7,SO 170,— 207,25 200.75 147,— 205,10 103,— 198,10 407,75 96,— 126,— 87,70 160,— 136,50 67,— 118,80 214,25 156,50 03,SO . 70,70 238,40 SttU. m/LuLr rdotsoO r ) 1325 1 > ) ) 1 ) 100,— 100^5 7325 3925 970 17800 16250 14950 2925 2275 5600 580 1400 2425 2800 2725 21580 85,30 216,05 I» cksr imisods rts 6«« väodsr. 1>riv»t- iounor ötuiUoU 177,40 90,10 81,75 218,50 388,50 183,25 17880 177,60 197,40 101,— 97,90 151,— ! Lrlsl j61000 7350 4775 3850 1 21200 i 8200 1 ) ) > 5675 6850 5400 14700 1250 2675 675 375 10100 41S0 ) 290 i ) 775 225 1700 1825 60 «iliodsr 1»" 1"» rtoriL" * l»' ol»»rä , 1 vür ,r«»a. Köusa » tuor , m « o Io 8usr Loorein w» <I/8) >o, von Bez«gS-PreiS t» der Haupterpedttion oder deren Ao-gabo» stelle» abgeholt: vierteljährlich 8.—, bel tveioialiger Üialicher Zustellung in» Hau» 8.7S. Durch die Post bezoaeu für Deutsch, land ». Oesterreich vierteljährlich ^l 4.50, sür di« übriges Länder laut ZeitungSpreiSlist«. Redaktion und Expedition: IohanniSgaffe 8. Fernsprecher 153 und 222. -Uialovp rditiorrea r Alfred Hah», Buchhaudlg„ UniversitätSstr.S, L. Lisch«, Kathartueustr. 14, u. «öuigSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: v!arieustraß« 84» Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Haupt-Filiale Serlie: Carl Duncker, Herzgl. Bayr. Hosbuchhaudlg^ Lützowstraße 10. Fernsvrecher Amt VI Nr. 4808. Abend - Ausgabe. Älistsigtt' TiilMstü Anzeiger. Amtsblatt -es Kömgkichen Land- und -es Hönigkichen Ämtsgerichtes Leipzig, -es Rates und -es Votizeiaintes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen Preis die 6 gespaltene Peützeile SS ^» Reklamen unter dem Redaktion-strtch s4 gespalten) 75 H vor den Familtennach' richten (S gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernjatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahmr 25 H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderung 80.—, mit Postbesörderuag X 70.—» Annahmeschluß für Anzeige»: Abeud-AuSgab«: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen such stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 382. Dienötag den 4. August 1903. 87. Jahrgang. Der neue Papst. *Ronr, L. August. (Telegramm.) Kardinal Sarto ist zum Papst gewählt worden. Bei der siebenten Sfumata, als zum siebenten Male das Rauchwölkchen in die Luft stieg, erfüllte sich das Schicksal. Der Papst war gewählt. Die Wahl ist auf einen Mann gefallen, der bisher so viel wie gar leine Aussichten hatte, auf Kardinal Sarto. Wir haben, sür ein protestantisches Blatt in recht ausgiebiger Weise, über den Tod des Papstes und das Konklave berichte«, und au» unseren Miltheilungen war zu ersehen, wie geheim nisvoll die Wahl vorbereitet und ein wie großes Gewicht auf die völlig unabhängige und geheime Abstimmung der Kardinäle gelegt wurde. Die ganze Art des Konklave zeigt, mit welcher großen Wichtigkeit die Absperrung der Kardinäle gehandhabt wurde, und daß eS kaum möglich war, Nachrichten von innen nach außen zu bringen. Trotzdem ist so manches durch die immer verschlossenen Türen gesickert und darnach war anzunehmen, daß eS zwischen dem Kan didaten der Jesuiten Nam polla und dem angeblichen Kan didaten der Deutschen, Vanutelli, dem früheren Nuntius in München, zu einem Kampfe gekommen war. Die letzten Mitteilungen, die irgend eine Autbenticität für sich in Anspruch nehmen konnten, ^erzählen von einem Stimmenverhältnis von 18 zu 20, dann von 19 zu 29; die letzte Zahl sollte Rampolla erhalten haben. Dann aber sanken die Chancen Rampollas und er erhielt im vierten Wahlgange nur 15. Die Gegenstimmen zersplitterten sich, die meisten fielen auf Vanutelli und Agliardi. Von Sarto hörte man nichts. Auch der Name des Erzbischofs Kopp wurde genannt und zwar sollten die Ausländer für ihn eingetreten sein. Amerikanische Journale ließen sich berichten, daß insbesondere der amerikanische Erzbischof Gibbons für ihn eintrete und daß sich diesem die andern nicht italienischen Bischöfe angeschlossen hätten. Es war jedoch vorauszusehen, daß Kopp ernstlich nicht in Betracht kam, denn die Zahl der italienischen Kardinäle ist zu groß, und ihre nationale Eigenliebe zu stark, als daß sie einen Ausländer auf den Stuhl Petri setzen würden. So hat denn die Wahl hin und her geschwankt. Eins war nach den ersten Wahlgängen jedoch sicher, Rampolla kam nicht mehr in Be tracht, denn die Opposition gegen ihn war zu groß. Daß übrigens die Wahl doch noch so überraschend schnell vor sich gehen werde, hatte man nicht erwartet. Viel mag zu der immerhin schnellen Entscheidung der schlimme Gesundheitszustand des 80jährigen Kardinals Herrero y Espinosa beigetragen haben, von dein eS in vergangener Nacht hieß, daß er in den letzten Zügen liege. Auch sonst war mancher von den Kardinalen krank. Der französische Kardinal Langeniaux hatte einen sehr starken Gichtanfall und mancher andere der alten Herren dürfte sich aus den Räumen deS Vatikans hinauSgesehnt haben. So ist eS denn gekommen, daß man sich, um den Streit zu schlichten, auf einen neutralen Kandidaten ge einigt hat und zwar beißt eS, daß gerade die beiden feindlichen Gruppen Rampolla und Vanutelli Sarto erkoren hätten. Politisch ist jeder neue Papst ein unbeschriebenes Blatt. Von Sarto weiß man nicht viel; wenn jedoch die letzten Aeußerungen des „Figaro" richtig sind, so ist Sarto ein Schützling Rampollas und der Verzicht Rampollas muß ein Manöversein,umseinen Kandidaten,wenn er nicht selbst auf den Thron gelangen konnte, erwählt zu sehen. Verhält es sich so, dann ist es wohl gewiß, daß Rampolla wieder Staatssekretär wird und unter dem neuen Papst eine noch mächtigere Stellung einnimmt als unter Leo XIII. Giuseppe Sarto ist in Niese (Provinz Treviso) am 2. Juni 1835 geboren. Er ist Patriarch von Venedig und seit 12. Juni 1893 Kardinal. politische Tagesschau. * Leipzig, 4. August. Für Sen preußischen Ministerpräsidenten tritt die „Nationallib. Korresp." folgendermaßen ein: Eine von konservativer Seite beeinflußte Korrespondenz läßt durchblickcn, daß im preußischen Staatsministerium lebhafte Mißstimmung über das Eingreifen des Minister präsidenten Grafen Bülow anläßlich der zögernden Hal tung des Ministeriums geherrscht habe. „Man", so schreibt jene Korrespondenz nach der ihr unzweifelhaft zugesteck ten Schreibvorlage, „hat schon lange sehr unangenehm empfunden, daß die Negierungsmaxime an erster leiten der und staatsrechtlich verantwortlicher Stelle dahin neigt, die persönliche Autorität ans das Picdestal zu Hebei« und die Ministerkollegen in ein gewisses Abhängigkeitsver- hältniö herabzudrücken. Aus diesen Bestrebungen sind auch manche neueren Erscheinungen im Staatsbetriebe, wie die verspätete Staatsaktion gegen die Hochwasser schäden, zu erklären. Die in dieser Richtung hervorgc- tretenen Friktionen l-aben nunmehr ihren gefährlichen Charakter verloren." — Die Logik dieser Darstellung, welche dem Ministerpräsidenten Grafen Bülow die Ver antwortlichkeit für die Zauderpolitik der betreffenden Ressortminister und für die Ungeschicklichkeiten der halb amtlichen, vom Ministerium des Innern ressortierenden „Berliner Korrespondenz" zuschiebcn will, ist geradezu köstlich und reiht sich würdig der unanfechtbaren Beob achtung der „Berliner Korrespondenz" an, daß die häu figen Niederschläge in! Schlesien vom vielen Regen kommen^ —Erst soll deMeichskangler-Ministerpräsident di-verspätete Staatsaktion gegen die Hochwasserschäden verschuldet und schon vordem starke Mißstimmung wegen seines Auto ritätsstrebens hervorgerufen haben und jetzt, wo Dank seinem autoritativen Eingreifen, das Ministerium zur Tat gedrängt wurde, jetzt haben die vorhandenen Friktionen ihren gefährlichen Charakter verloren. Das verstehe wer will! Aber die Tendenz jener Korrespondenz, die dem Reichskanzler gern ein Bein stellen möchte, bestätigt gegen ihre Absicht, daß eben die Autorität des Reichskanzlers und Ministerpräsidenten unbedingt nötig war, um das Ministerium aus seiner Untätigkeit herauszureißen und die dreifachen, unglaublichen Ungeschicklichkeiten einer halbamtlichen Korrespondenz nur einigermaßen wieder gut zu machen. Bayerische Konklavegcdanken. Tas offizielle Organ der bayerischen Zcntrumspartei veröffentlicht unter der vorstehenden Uebcrschrift einen beachtenswerten Leitartikel, der mit großem Nachdrucke für die Ernennung eines bayerischen Kardinals eintritt. Den unmittelbaren Anknüpfungspunkt für dieses Verlangen bilden die Pläne des Kardinal-Erzbischofs Gibbons von Baltimore, der das Ueberwiegen des italie nischen Elements im Kardinalskollegimn nach dem Auf hören des Kirchenstaates für veraltet hält und möglicher weise anläßlich des Papstwechsels seiner Auffassung bei der Kurie eine praktische Folge zu geben versteht. Das bayerische Zentrumsoraan betont im Hinblick auf solche Möglichkeiten, die mit der Ernennung elnes bayerischen Kardinals für Bayern verbundenen Vorteile. ),Nicht nur", so schreibt der „Bayerische Kurier", „wäre es von hohem Interesse für Bayern, als einem größtenteils ka tholischen Lande, im Vatikan einigen direkten Ein fluß— von dem heutzutage trotz des guten Einver nehmens nicht die Rede sein kann — zu erringen, sondern es würde auch, nachdem die Gelegenheit, eine Nuntiatur erster Klasse nach München zu bekommen, wohl für immer verpaßt ist und man vielfach Klagen über den häufigen Personenwechsel bei der diplomatischen Vertretung des Vatikans hört, ein bayerischer Kardinal überhaupt jeg lichen Verkehr mit dem Vatikan unendlich erleichtern." — Allerdings steht eine höfische Eti- kettenfrage von einschneidender Bedeutung der Ernennung eines bayerischen Kardinals im Wege. Denn an katho lischen Höfen haben die Kardinäle den Vortritt vor sämt lichen einheimischen Prinzen mit Ausnahme des Thron folgers. Zur Beseitigung der hiermit gegebenen Schwierigkeit schlägt der „Baur. Kourier" vor, nicht den Erzbischof von München, sondern den Erzbischof von Bamberg als Anwärter für den Kardinalshut ins Auge zu fassen. Wie man sieht, dürste noch viel Wasser die Isar hinabfließen, ehe ein bäuerischer Kardinal ernannt ist. Aber deswegen verliert die Forderung des bayerischen Zentrumsblattes nichts von ihrer grundsätzlichen Trag weite. Mit dem Verlangen nach einem bayerischen Kar dinal hat das bayerische Zentrum eine charakteristische Schwenkung vollzogen. Noch vor einiger Zeit, als die überragende Stellung des italienischen Elements im Kar- dinalskvllegium von liberaler Seite im deutschen Ge sa m ti n t e r e s s e abfällig kritisiert wurde, hat die Zen trumspresse im ganzen und der „Bayr. Kurier" im einzel nen solche Kritik durchaus nicht gelten lassen wollen, son dern kurzab erwidert, daß bier eine liberale Nörgelei vor- I liege und daß die Weisheit der Kurie alles aufs Beste ein- I gerichtet habe. Was dem bayerischen Zentrum Ivom deutschen Standpunkte ganz gleich gültig war, das erscheint ihm jetzt vom bayerischen Standpunkte ausals eine An gelegenheit von höchster Wichtigkeit. Nur das bayerische Interesse wird jetzt vom „Bayer. Kurier" für die Vertretung seines Verlangens herangezogen und die bayerische Selbständigkeit auch aus diesem Anlaß be tont: „Die bayerische Kirche mit rund 4 Millionen Katho liken ist Nom gegenüber ein vollkommen selbständiger Teil der deutschen Kirche." — So zeigt sich auch bei einer bedeutsamen kircheupolitischen Frage, daß die bayerischen „Patrioten" sich zu einer nationalen Auffassung nichtzu erheben vermögen. Die Parteien in Serbien. Die letzten serbischen Gemeindewahlen, welche zum überwiegenden Teile im radikalen Sinne ausgefallen sind, geben einen Vorgeschmack für die im September stattftudenden allgemeinen Parlamentswahlen. Es besteht fortan kein Zweifel, daß die radikale Partei auch aus diesem Wahlkampfe siegreich hervorgchen wird. Nach allgemeiner Berechnung dürfte sie von 160 zu ver gebenden Mandaten über 130 erobern, während der Rest den Liberalen zufiele. Angesichts dessen lenkt sich das Hauptinteresse auf die künftige Gestaltung innerhalb der radikalen Partei. Tie Frage, ob die gemäßigten oder die extremen Elemente in dieser Partei die Oberhand be halten werden, läßt sich schwer beantworten. Bei den be vorstehenden Wahlen wird die Kluft nicht so stark hervor treten, zumal da man ja in einerNeihe von Wahlbezirken, gerade so, wie dies bei den Gemeindewahlen geschehen, Kompromisse schließen wird. Demgemäß wäre die Mehr heit den von Paschic und vr. Wujic geführten Ge mäßigten von vornherein gesichert. Vom Wesen dieser Kompromisse wird es sodann abhängen, ob die Ge mäßigten diese Mehrheit in der Skupschtina auf die Dauer behaupten werden. Einmal hat die Erfahrung gezeigt, daß gewisse extrempolitische Schlagworte auch bei den ge mäßigtesten Radikalen manche zu Ueberläufern machen, sodaß während einer einigermaßen langen Skupschtina. dauer die jeweilige radikale Regierung ihre Ursprung- liche Mehrheit gegen sich zu haben pflegt. Anderseits waren die Acnßerstlinken beim Abschlüsse der erwähnten Kompromisse darauf bedacht, ihrem Einflüsse das Heber- gewicht zu sichern. Es scheint, daß eine ganze Anzahl verkappter Extremer in die Kompromißlisten als Ge mäßigte ausgenommen wurde, und die Aufgabe habe, sich in der Skupschtina im geeigneten Augenblicke zu ent. puppen. Wie dem auch sei, soviel ist sicher, daß der Ent- Wicklung des serbischen Parteilebens fortan keinerlei künstliche Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden. König Peter ist fest entschlossen, die Parteien die Suppe, die sie sich im Laufe der letzten dreißig Jahre zubereitet haben, ganz allein genießen zu lassen. Vielleicht wird es nachher besser werden. Deutsches Reich. * DresSe«, 3. August. Zum goldenen Regie- rungsjubiläum des Herzogs von Alten burg schreibt das „Dresdn. Iourn.": »Zeute begeht Se. Hoheit Herzog Ernst von Sachsen-Altenburg die fünf- zigste Wiederkehr des bedeutsamen Tages, an dem Er den angestammten Thron Seiner Väter bestieg. Mit Gerech. Feuilleton. Sj Lo)ena. Roman von C. Deutsch. verboien. Der Lauscher stand gebannt und wie festgewurzelt auf seiner Stelle. Er brauchte sich nur ferner still zu ver halten, an dem Orte, wo er sich befand, oder leise wieder umzukehren, und dem Verderben war das Haus seines Todfeindes geweiht, mit dem er gekommen war, eine fürchterliche Rechnung abzuschließen. Zu Grunde ging das Haus und der schöne, alte, stundenlange Wald, dessen Bäume so ernst und majestätisch in der schweigenden Dunkelheit vor ihm aufstiegen. Es hatte schon seit Tagen nicht geregnet und alles war trocken und in dem einzigen Brunnen des Gebirges gewiß wenig Wasser... Er brauchte nur ruhig zuzusehen oder leise sich zu ent fernen . . . Wohl stieg dieser Gedanke in ihm auf, aber er weilte nur eine Sekunde in seiner Seele und wurde plötzlich von einem anderen Bilde verdrängt, das seine ganze Seele ausfüllte. Er sah sich in eine längst vergangene Zeit ver setzt. Es war auch Nacht und die Sterne glänzten am Himmel in der milden, friedlichen Sommerluft. Ein Haus stand auf dem Berge, hell erleuchtet, gerade wie dieses und nicht den Mann sah er, sondern sich, gebeugt über ein Bündel Reisig und mit voller Lunge den Ver derben bringenden Funken anblasen. . . Dann sah er das brennende Haus, den geröteten Himmel, hörte das Jammern und Schreien, das Brüllen der geängstigten Tiere und dann... sah er in das starre, tote Gesicht eines alten Mannes. Blitzartig war das alles durch seine Seele gefahren. Ein Zittern erfaßte ihn, er schrie auf, mit einem Sprunge war er bet dem Verbrecher, -en der Schrecken starr machte, packte ihn bei der Kehle und trat mit beiden Füßen das brennende Stroh nieder. „Ich will dich führen, wohin du gehörst", sprach Hendrik mit gedämpfter Stimme und umschloß mit seinen langen, sehnigen Fingern noch fester den Hals des ManneS, der kein anderer als der Knecht war, den Kreuzar vor wenigen Tagen weggejagt. Seit dem Eintritt Szamko Kreuzars, der still und bleich «eben dem Mädchen saß, da- nicht- weniger als heiter schien — denn es hob gar nicht die Augen von seinem Schoße aus und sah weder rechts noch links — herrschte eine ungewöhnlich ernste, ja gedrückte Stimmung unter den Gästen. Jeder gestand sich ein, daß das Paar nicht wie ein Brautpaar aussehe, sondern wie zwei Menschen, die man geradeswegs zum Tode führen wolle. Man wußte nicht, wer von den beiden mehr zu bedauern sei: der Bursche, der leichenblaß dasaß, oder das Mädchen, dessen nicht häßliches, aber unbedeutendes Gesicht von der Aufregung ihrer peinlichen Lage und der Hitze des Zimmers dunkelrot gefärbt war. Wie gesagt, die Gäste waren ziemlich still geworden, um so lärmender benahmen sich Pavel und Janek; der Unterschied zwischen den beiden war nur, daß bei Janek die Ausgelassenheit erheuchelt war, die Witze erstorben ihm im Munde und das Gelächter kam gurgelnd aus der Kehle, wenn er zufällig das Angesicht seines Sohnes streifte. Die Suppe war aufgcgessen und eben hatte man das Fleisch aufgetragen, als im Flur draußen schwere Tritte sich hören ließen, die Tür aufgcstoßen wurde und Hendrik, den Brandstifter noch immer am Halse festhaltend, ein trat. „Der wollte den roten Hahn hier aufs Dach stecken; ich ergriff ihn, als er hinter der Scheuer Feuer anlegtc", sagte der Hirte ohne jede Einleitung und stieß den Burschen in die Mitte der Stube. Die Aufregung, die jetzt entstand, läßt sich nicht be schreiben. Kreuzar erkannte seinen früheren Knecht und war von der Wahrheit dieser Aussage überzeugt, die übrigens sehr bald noch dadurch bestätigt wurde, daß man in den Taschen desselben Schwamm und Feuerzeug fand, die Kleider Spuren von Stroh an sich trugen und die Hände rußig waren. Janek bat seine Gäste, sich wieder niederznsetzen, und befahl den Knechten, den Kerl zu binden und in den Keller zu werfen. Morgen mit dem Frühesten sollte er nach Neutra spediert werden. Bald war der Befehl ausgcführt, und nachdem es geschehen, trat eine Stille ein, daß man das Fallen einer Nadel hätte hören können. Es fühlte jeder, daß eine Gewitterschwüle in der Lust des Zimmers lag, und jedes Auge war auf das magere, eherne Gesicht des Hirten gerichtet, der in der Mitte der Stube stand, die nie fehlende Gnba auf den eckigen Schultern, die leere Pfeife im Munde und ein düsteres, verzehrendes Feuer in den Augen. — Wie ein Raubvogel ließ er seine Blicke über die Versammlung schweifen, dann blieben sie auf einem haften. „Wenn du glaubst, Janek Kreuzar, ich sei ge kommen, dein Haus vor Schaden zu wahren, so irrst; ich hab' das nur so mitgenommen." Ohne Antwort abzuwarten, ging er an Janek vorbei und auf Szamko zu, und als er neben ihm stand, legte er ihm die Hand auf die Schulter und sagte mit einer Stimme, die ein seltsames Gemisch von Zorn, Hohn und schreien dem Schmerze war: ,Ze, Bursche, was tust denn hier? Wie kommst du denn dazu, hier in Lust und Freud bei einer fremden Dirn' zu sitzen, derweil sich mein Kind zu Hause die Augen aus dem Kopfe weint? Mit wie vielen willst dich eigent lich versprechen?" Jetzt ging Kreuzar auf ihn zu: Hendrik Josefak, ich verbiet' dir, mein Fest zu stören. Hast du was, so komm zu mir, aber nit heut'." „Ich hab' nichts mit dir, weder heut', noch morgen", unterbrach ihn der Hirte. „Ich weiß nicht, wer du bist, ich kenn' dich nit. Ich hab' nur mit einem zu tun, der Szamko Kreuzar heißt, und da ich gehört, er sei in diesem Hause, so bin ich hergekommen, und da ich ihn hier finde, wird er mir Rede stehen, hier vor allen Leuten." Er hatte schon längst die Pfeife aus dem Munde und ans den Tisch gelegt. Jetzt packte er Szamko an beiden Schultern und schüttelte ihn mit gewaltiger Kraft. „He du, ist dir mein Mädel nachgelaufen oder du ihr? Hat sic dir ihre Lieb' aufgedrängt oder du ihr? Red' red'! — oder —" „Ich, ich", antwortete Szamko, ohne eine Bewegung zu machen, sich den Händen des Hirten zu entziehen, und mit einer Stimme, als set der Erlöser und nicht der Rächer erschienen. „Ist sie dir nit ausgewichen auf Schritt und Tritt, war sie nit kalt gegen dich und hat dich an deine Eltern ge mahnt, und nicht eher nachgegeben, als bis du ihr mit einer Mordwaffe das Wort entrissen hast?" Ein allgemeiner Ruf des Erstaunens ließ sich hören. „Es ist alles so wahr, wie Gott über uns ist." „Und selbst, nachdem sic dir gezeigt, wie lieb du ihr seist, hat sie dir nit immer zugered't, ruhig abzuwarten, bis deine Eltern gutwillig einwilligen würden? Hat sie dir zu deinem letzten Schritt zugered't oder bat sic gar ein Sterbenswörtel davon gewußt?" Auch dies gestand der junge Man»« und bekräftigte es mit einem Schwur wie zuvor. Der Hirte ließ Szamko los, richtete seinen Blick auf die teils erstaunten, teils bestürzten Gesichter der Gäste und sagte dann: „Dies hab' ich da vor allen Leuten hören wollen, und jetzt hört auf meine Worte. Dieser Bursch' gehört meinem Kinde, und solange ich leb', wird er kein anderes Weib hcimführen, oder es gibt ein Unglück, wie noch nie. Ich hab' ihn nicht gelockt, ich hab' ihm mein Haus verboten und ihn behandelt, wie einen, den man überall lieber sehen mag, als zwischen seinen vier Wänden. Ich Hab s getan, weil ich nit mit dem zu schaffen haben wollt', der den Namen Kreuzar führt. Ist es aber einmal so gekommen, daß er sich mit Gewalt mein Mädel zu eigen gemacht hat, dann ist das eine andere Geschicht'. — Ich hab' nichts als die Tochter, sie ist mein einziges Glück und meine einzige Freud' auf Erden, ich lieb' niemanden auf der Welt als sie, und wer ihr auf solche Weis' ein Haar krümmt, eine Trän' ausprcßt, dem sind die Tag' auf Erden gezählt, so wahr ich hier steh'. Janek Kreuzar nimm dich in acht; du hast mich schon einmal zu Grund gericht', mein Kind lass' ich nit von dir elend machen." „Du drohst mir, du?!" unterbrach ihn Kreuzar, alle Mäßigung vergessend. „Erstarrt dir nit die Zung' im Mund' darüber, daß du solche Worte dem Mann sagst, dessen Vater du grausam zu Tode gebracht und dem du das Haus über dem Kopf angezündct hast?" „Nimm den Tod meiner Mutter und meines Vaters dagegen. Jetzt hab' ich dir dein Haus vor Schaden ge rettet; wir sind mehr als auitt", versetzte der Hirte mit einer starren, unbeweglichen Ruhe. „Und was ich vorher gesagt hab', das wiederhol' ich nochmals: Weh' dir, weh' deinem Sohne, wem« er mein Kind sitzen läßt!" Nachdem Hendrik seine Drohung mit feierlichem Ernst geschlossen, wendete er sich um und wollte zur Tür schreiten, doch Szamko war schon an seiner Seite und sprach: „Wartet, Hendrik Josefak, ich geb' mit Euch, ich —" „Ihr bleibt hier, junger Bursch', ein Unrecht wird nie mit einem andern gut gemacht", unterbrach ihn von der Tür her eine ernste, volltönende Stimme. Auf der Schwelle stand der junge Pfarrer und hinter ihm Hornak. Neuntes Kapitel. ' Der Pfarrer hatte schon eine ziemliche Zeit in dem halb- dunklen Flur verweilt und durch die offene Tür alles ge- sehen und gehört und wären die Gäste nicht so ganz von Hendrik in Anspruch genommen gewesen, so hätten sie ihn gewiß auch schon bemerkt. Warum hatte ihnen Kreuzar nicht gesagt, daß er den Pfarrer als Gast
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