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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.08.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-18
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030818017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903081801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903081801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
- Tag1903-08-18
- Monat1903-08
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BezugS-PreiS te d« Hanptrrpedttton oder deren An»ga-o> stell« abzebolti vierteliLhrltch ^g , bei zweimaliger tLaltcher Zonellong tn» Hau» S.7K. Durch die Post oezogeu für Deutsch» land u. Oesterreich vierteljährlich ^l 4.50, für di» übrig« Länder laut Aeüungtpreieltfta. Ne-aktion und Lrpe-Mou: Johannisgasse 8. Fernsprecher l»S nud ÜÜÜ. Fliialorpobitiono» r Alfred Hehn, Bnchhandlg., UutvrrsitLtSstr.tz 8. Wschtz Kathartaeuste. ich n. «Sntgepl. 7. Huupt-Filiale Dresden: Marftnstraße Sä. Fernsprecher Auü I Nr. 1713. Hanpi-Ftliale Serlin: T«l vuncker, Herzgl. Bayr. Hvsbnchhandlg, Lühowstraße 10 Fernsprecher Ao^ VI Ser «SOS. Morgen-Ausgabe. MpMer T Mbl alt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rolizeiamtes der Stadt Leipzig. MnzeigeU'Pret- die tzgejpattene Petitzeite LS Lh. Sletlame» «Ner de« Redaktioatstrich hägospaltea) 7» »or d« Familteaaach» richten (S gespalten) SO Dadellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühr« für Nachweisungen und Osferteuanuahme Ü» (»xcl. Porto). Srtra-Veilag« (gesalzt^ ,«r mit o« Morgen »Auögab«, ohne Postbesörderun, » »rt Postbejorderung 70.—. Lunahmeschluß für F«zeige«: Adend-AnSgad«: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Au-gab«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeig« sind stet« au di» Expedition zu rjchten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend» 7 Udr. Druck nud «erlag von E. Pol« tu Leipzig. Nr. «7. Mküttie-Lultus in Ungarn. '/. Seit der Revolutionszeit im vorigen Jahrhundert hat Ungarn dem Kaiser-Könige Franz Josef I. nicht so viel zu schaffen gemacht, als in diesen Tagen, in denen sich Krise an Krise reiht und die Opposition eine Macht ent- faltet, die in dieser Stärke seit dem alten Kossuth nicht mehr -agewesen ist. Das Ende dieser Krisen mit ihren tiefgehenden Erschütterungen ist noch nicht avzusehen; aber der österreichfeinbliche Geist in ihren Veranlassungen durch die Opposition der UwabhängigkeitSpartet ist Kossuths Hinterlassenschaft. Er spricht sich insbesondere in -en immer häufiger werdenden Räkäczi - Feiern in Ungarn aus, die eine Erinnerung bilden an den Ausbruch der UnabhängigkettSbewegung unter Franz Räkäczi H. vor 200 Jahren, den sogenannten „Kuru-enkrteg", 1703, und damit den« zurlickrcichen in noch frühere Zeit, da di« ehrst selbständigen siebenbürgischen Fürsten, darunter Stefan Botschkai, Gabriel Bethlen, Georg Räkäczi I.. Emerich Tököly, im 17. Jahrhundert zur Wahrung der Religionsfreiheit gegen Oesterreich wiederholt und er« folgreich die Waffen ergriffen. Es sind für die Krone keineswegs angenehme Erinne« rungen, die in solchen oppositionellen Feiern, obgleich Labet stets bas gute Einvernehmen zwischen dem jetzigen Könige und der Nation betont wird, immer wieder auf gefrischt und erhalten bleiben. Auch in -em Kurutzen« kriege RtkäcziS lag allerdings vom Standpunkte Ungarn einige Berechtigung, soweit er die Abstellung von Fehl- griffen und Bedrückungen der feit 1687 nach der Besiegung und der Verdrängung der Türken aus Ungarn aner« kannten österreichischen Regierung daselbst be zweckte, und nicht die Wiederaufrichtung eine- selbst ständigen Ungarn, wie es vor der 1526 gegen die Türken verlorenen Schlacht bet Mohacs bestanden hatte. In Wien lebte man zur Zeit RLkäczis zu sehr unter dem Einflüsse der Anschauung, als habe man eS mit einem er oberten Lande zu tun, dessen Verhältnisse man nach dem Rechte des Eroberers zu ordnen berechtigt sei. Die fortwährenden willkürlichen Eingriffe und Asnderungen in Verwaltung und Verfassung deS Landes hielten di« Magyaren in beständiger Aufregung. Infolge dieser un- vernünftigen Wiener Politik Hatzte man ohnehin in Ungarn alle» „Deutsche", und die nicht lange vorher beendeten Unruhen unter Tököly glommen im stillen fort. Franz Räkäczi II. war es, der sie neu anfachte. ES war ein Enkel deS einstigen siebenbürgischen Fürsten Georg Räkäczi II. und Sohn Fran- RL- käcziS I. Dieser, seinerzeit bereit» zum Fürsten gewählt, konnte nicht in den Besitz des Throne- gelangen. Später in eine Verschwörung gegen Oesterreich verwickelt, rettet« er sich nur schwer da- Leben und starb 1778. Seine Gattin, RLkäczis Mutter, Helene geb. Zrinyi, heiratete in zweiter LH« Emerich Tököly, den Oesterreich in dem Religions kriege gegen die Krone nur zu wohl kennen gelernt hatte, und -er der letzte durch die Türken ernannte Fürst von Siebenbürgen gewesen ist. So war es Franz Räkäczi II., der seiner Erziehung wegen nach Wien gebracht worden war, schwer, den Argwohn der österreichischen Regierung zu vermeiden. In der Tat stand er schon damals mit Ludwig XIV. von Frankreich in brieflichem Verkehr. Nach Entdeckung dieses auf die Lo-lösung Ungarn- von Oesterreich bezüglichen Briefwechsels wurde Franz Rtköczi gefangen nach Wiener Neustadt gebracht, von wo ihm die Flucht nach Polen gelang. Al- bann durch Un vorsichtigkeiten der österreichischen Regierung in Ungarn der Aufstand losbrach und Räkäczi gebeten wurde, die Führung zu Übernehmen, kam er au» Polen nach Ungarn und hat hier für die Freiheit nach magyarischen Begriffen den „Kurutzenkrteg" geleitet, der, acht Jahr« während und vielfach mit großer Grausamkeit geführt, Ungarn und Siebenbürgen, die ohnehin schon durch die kaum beendeten Türkenkriege und inneren Erhebungen sehr gelitten hatten, der Erschöpfung nahe brachte. Nach dem im Jahre 1711 geschlossenen Frieden zu Szathmär, in dem auch Räkäczi begnadigt wurde, zog dieser es vor, ins Ausland zu ziehen und daselbst sein Leben hindurch Feinde gegen Oesterreich zu werben. Zuletzt von der Türkei eingeladen, ist er dort 1735 zu Rodosto gestorben. Franz Räkäczi hatte, vor allem auf Frankreich- Unter stützung bauend, da- ihn während des spanischen Erb- folgekriegeS auch materiell unterstützte, auf der Stände versammlung zu Onod in Ungarn, 1708, Kaiser und König Josef I. des Thrones in Ungarn für verlustig er- klärt, ganz so, wie Ludwig Kossuth 1849 in Debrecztn den heutigen König Fran» Josef I. abfetzte. Allerdings war auch für Räkäczi H. diese Versammlung in Onod, deren Beschluß die ausdrückliche Bedingung für ein end gültiges Schutz- und Trutzbttndnis zwischen Rtköczi und Ludwig XIV. sein sollte, wie die zu Debrecztn für Kossuth, der Anfang vom Ende. Wie 1840 Kossuth bei Btlagosch besiegt wurde, so geschah da-selbe nach Onod durch die Niederlage der Kurutzen RLkäczis bei Trentfchin. Dienstag den 18. August 1903. S7. Jahrgang. Nichtsdestoweniger stirbt der starke Gegensatz gegen Oesterreich und die Habsburger in Ungarn, wie gerade auch die Revolutionszeit im vorigen Jahrhundert bewies, und jetzt der große und, wie es scheint, erfolgreiche Feld zug gegen Sie gemeinsame Armee und ihre deutsch« Organisation beweist, nicht aus. Der RLkäczi-Kultus, wie Flammen aufsteigend in allen Gegenden Ungarns und Siebenbürgen», ist berufen, ihn zu nähren. Zwar fiel sie größte Feier in der Stadt Kaschau, in der ein Reiter- tandbild für Räkäczi errichtet werden soll, nicht ganz zur Zufriedenheit der Arrangeure aus, obwohl sie auch eine Räköczi-Reliquien-Ausstellung ins Werk setzten. Aber das hatte verschiedene Ursachen und kommt nicht in Be tracht neben der allgemeinen Zustimmung in den Räkäczi- geist und die Räkäczi- und Kosiuth-Jbee eines unab hängigen Ungarns. Es ist jedenfalls lehrreich, die jetzigen Zustände in Ungarn historisch zurückzuverfolgen Deutsches Reich. 6. ü. Berlin, 17. August. (Die sozialdemo kratischen Gewerkschaften im Jahre 1002.) Der Vorsitzende der Genrrallommisston, Abgeordneter Legten, gibt soeben die übliche Zusammenstellung über die Gewerkschaften 1002. Obwohl da» genannte Jahr zu den wirtschaftlich günstigen nicht gehört, haben die fast aus nahmslos sozialdemokratischen Gewerkschaften Loch einen nicht unbedeutenden Zuwachs erfahren, sie zählen jetzt 733 206 Mitglieder gegen 677 510 im Jahre 1901, das ist eine Zunahme von 55 696 oder 8,2 Prozent. 1893 zählten ie nur 223 540 Mitglieder, auch in den nächsten Jahren war die Zunahme nur sehr schwach, erst vom Jahre 1897 ad trat das starke Wachstum etn. Zu den 738 206 Mit gliedern der zentralorganisierten sozialdemokratischen Ge werkschaften kommen noch 10 090 Lokal-organisierte, so daß also insgesamt die sozialdeistolkratifchen Gowerffchaften 743 296 Mitglieder zählen, die Ende de» Jahre- 1902 in ihren Kassen 10253 559 hatten, 1891 hatten sie ymr 425 845 Freilich ein bitterer Tropfen fällt doch in den Freudenbecher Lek sozialdemokratischen Gewerkschafts führer: 16 V e r bä n - e — eS gibt im ganzen 60 — hatten eine Abnahme an Mitgliedern zu verzeichnen; eS waren dies -ie Barbiere, Bauarbeiter, Bildhauer, Böttcher, Formstecher, Gärtner, Glasarbeiter, Handschuh, macher, Kupferschmiede, Lederarbeiter, Porzellanavbetter, Sattler, Seeleute, Steinarbeiter, Steinsetzer und Ber- golder. Zudem ist bas Prozentverhältnis der in einzelnen Berufen Organisierten überaus gering (Bäcker 6,41 Prozent, Barbiere 3,18 Prozent, Fleischer 2,80 Pro zent, Gärtner 0,55 Prozent, GastwirtSgehülfen (Kellner) 0,02 Prozent, HandlungSgebülfen 0,01 Prozent). Don den einzelnen GewerkschaftSverbänden standen an Mitglieder, zahl derjenige ber Metallarbeiter obenan; er hatte 128 842 Mitglieder,- e» folgen die Maurer mit 82 228, Holzarbeiter mit 70 800, Bergarbeiter mit 41 804, Textilarbeiter mit 88 158, Fabrikarbeiter mit 38 840, Buchdrucker mit 88 380, Zimmerer mit 24 502, Schuhmacher mit 20 588. Nach Pro- zenten berechnet repräsentieren die 788 208 sozialdemo kratisch organisierten Gewerkschaften doch erst 14,42 Pro- zent der in den Branchen überhaupt be- schäftigten Arbeiter. Buchdrucker und Buch- druckercihülfsarbeiter sind zu 70,38 Prozent ge werkschaftlich organisiert, e» folgen die Bildhauer mit 85,30 Prozent, die Kupferschmiede mit 54,10 Prozent, die Handschuhmacher mit 48,58 Prozent, die Glaser mit 44,82 Prozent, die Steinsetzer mit 48,20 Prozent, die Litho- araphen und Steinbrucker mit 42,20 Prozent. Bon den Metallarbeitern sind, obwohl sie die absolut meisten Mit- Glieder zählen, doch nur 24,11 Prozent gewerkschaftlich sozialdemokratisch organisiert. In 27 Berufen sind mehr als 20 Prozent und in 15 Berufen mehr als 80 Prozent der Berufsangehörigen in ber sozialdemokratisch-gewerk- schaftlichen Organisation. Seit 1801, seitdem eine genaue Statistik vorltegt, hatten die Gewerkschaften eine Ge sa m t e t n n a h m e von 82 287 748 und eine Gesamt ausgabe von 85 254 181 Um rund 10 Millionen Mark war die Einnahme der Verbände im Jahre 1902 höher al» im Jahre 1891 und die Ausgabe steigerte sich um rund lsi/s Millionen Mark. Für Unterstützungen wurden in dem genannten Zeiträume 24 256 544 > verausgabt, für Streiks 18 046758 D i e B e i t r a g »l e t st u n g d e r Mitglieder war tn den einzelnen Verbänden enorm; so zahlte jeder Notenstecher pro Jahr 78,40 ^t!, jeder Buchdrucker 54,26 jeder Bildhauer 89,99 Berlin, 17. August. (Auch ein „Mause- rungS"-Soi;1albenpoHrast.) Herr vr. Arons, der bekanntlich beinahe vom ersten Berliner Wahlkreise in den Reichstag gewählt worden wäre, gilt als Mause» rungS-Polittker. Daß aber die Freisinnigen, die wenigstens zum Teil sich von der „Mauserung" etwas ver sprechen, gerade an den „gemäßigten" Sozialdemokraten ihre gefährlichsten Feinde haben, hat Herr vr. AronO dieser Tage in einer Rede über die preußischen Landtag», wählen bewiesen. Er bat auf «inen bestimmten Wahl kreis'rkwplifi»rr, der von den Sozialdemokraten bei den preußischen LanbtagSwahlen gewonnen werden könnte, und gerade dieser eine Wahlkreis gehört zum freisinnigen Besitzstände, nämlich der III. Berline r L andtags- Wahlkreis. Im übrigen war seine Rede den Frei- sinnigen gegenüber durchaus auf den Ton gestimmt, „und folgst du nicht willig, so brauch' ich Gewalt". Er führte au»: „Mir ist immer ein offener Reaktionär lieber ge wesen, als ein aalglatter und weicher Liberaler, der von schönen Versicherungen trieft, aber stets auSweicht und niemals stand hält, wann ich ihn fassen will. Beim ehr- lichen Reaktionär weiß ich, woran ich bin, bei jenem nicht. Und die Li bera le n müssen einsehen lernen, daß sie ohne Verbindung mit der Arbeiterpartei den Fort schritt ernsthaft nicht mehr vertreten können. Nollen sie das nicht, so verdienen sie -««Durch fall. Dan« ist es auch ganz gleichgültig, oh «pb wieviel sogenannte Freisinnige, Demokraten ober Liberale im Landtage sitzen." Herr Arons will auch Garantien da gegen haben, daß -te Freisinnigen etwa „mogeln. Freisinnige Wahlmänner-Kandidaten sollen nur dann unterstützt werben, wenn sie bei ihrer Aufstellung erklären, gegebenen Falls für einen sozialdemokratischen Abgeordnete n-K an- bi bat en stimmen zu können, damit die freisinnigen Wahlmänner nicht etwa nachher erklärten, es sei ihnen aus allerlei persönlichen Rücksichten unmöglich, für einen sozialistischen Kandidaten etnzutreten. Sollte Herr Arons, der bei der Aufstellung ber Kautelen so vorsichtig und um sichtig ist, vielleicht ein wenig an sich selbst als sozialistischen Abgeordneten denken, zum Ersatz für das entgangene NeichStagSmanbat? Wenn Herr AronS als sozialistische Schwalbe im preußischen Abgeordnetenhause zwitscherte, so würde ksieseS freilich nicht den gerade von ber Sozial- demokratie so beklagten plutokratischen Charakter einStthen. -st- Berlin, 17. August. Heber die ArbeitS- -eit ber Gehülken, Lehrlinge un sonstigen Angestellten in solchen Comp- toiren -eS Handelsgewerbes und'kauf- männischenBetrieben, die nicht mit offenen Ver kaufsstellen verbunden sind, ist bekanntlich vom Kaiser, lichen Statistischen Amte eine Erhebung angestellt worden. Sie hat den Zweck, festzustellen, ob und wie weit die gegenwärtig übliche Arbeitszeit nach dem Maß -er An strengung mit Rücksicht auf die Gesundheit -er in solchen Betrieben tätigen Personen etwa als übermäßig anzu, sehen sind, ob sich hierin eventuell eine Aenberung treffen lägt, un- welche Gründe gegen eine gesetzliche Regelung sprechen. Dem Vernehmen nach verhält man sich be sonders in den Hafenstädten Deutschlands ablehnend gegen eine Regelung der Arbeitszeit in den Comptoiren durch die Gesetzgebung, da durch eine Beschränkung der notwendigen Bewegungsfreiheit die Interessen von Handel und Verkehr geschädigt werden würden. Auch meint man, Handel und Industrie Deutschlands hätten schon infolge der Beschränkungen durch die Arbeiterschutz, aesetzgebung und der finanziellen Lasten des Arbeiterver- sicherungswesenS gegenüber der ausländischen Kon- kurrenz auf dem Weltmärkte einen schweren Stand, sodaß auf diesem Gebiete der Gesetzgebung für längere Zeit Ruhe eintreten solle. * Berlin, 17. August. „Die Kaiserinsel" über- schreibt ber „Vorwärts" folgenden Artikel: „Höchst sonderbare Pläne werden gegenwärtig in Hoflreisen erörtert. Die geplante große und sehr kostspielige Heerstraße, die vom Berliner Schloß über Pichelswerder schnurgerade nach Döberitz führen soll und deren Zweck nicht recht ersichtlich war, würde danach ihre eigentliche Bestimmung in einem Projekt erhalten, das auf gewisse ebenso unbegründete wie düstere Stimmungen schließen läßt. Der Plan geht dahin, auf der Insel Pichelswerder ein Aamilienschloß des KaiserS zu errichten, das der kaiserlichen Familie zum künf tigen Aufenthalt dienen soll. Die ganze Insel soll in den Besitz der Krone überführt und dann streng von der Außenwelt abge sperrt werden. Durch die Döberitzer Heerstraße könnten dann in kürzester Zeit Truppen um die Insel konzentriert werden. Aber diese Hohenzollernsche Veste soll nicht nur strategisch militärisch, sondern auch politisch geschützt werden. Man geht mit dem Gedanken um, die Insel, den Heerstraßen-Bezirk und die Spandauer Staatswerkstätten zu einem besonderen Verwaltungsbezirk und — ReichStagS-Wahlkreis zu vereinigen, in dem nur noch „Angestellte des Kaisers" wohnen würden und somit die schreckensvolle Möglichkeit auSgeschaltet wäre, daß der Bezirk des Schlosse» von einem Republikaner vertreten würde. Und diese Sicherheitsmatzregeln würden end lich in der Reform gipfeln, datz die Truppen der Ga'rde nicht mehr direkt auSgehoben, sondern aus den Elite mannschaften der anderen Truppen ausgewählt würden. Es ist charakteristisch, datz die Hofleute, die solche Pläne schmieden, anscheinend nicht einmal daran denken, daß die Herstellung eines neuen Reichstags-Wahlkreises nur auf gesetzlichem Wege erfolgen kann und der Zustimmung dc» Reichstages bedarf. . . . Datz man aber bei Hofe geflissent lich — ohnejedenAnlatz — derartige Aufruhr phantasien verbreitet und den Thron nur noch auf einer militärisch geschützten Insel für gesichert hält, zeigt, datz allerlei Geister tätig sind, welche ein Interesse daran haben, durch Erregung schwarzer Vorstellungen die Geschäfte der Reaktion und des Junkertums spekulativ zu fördern." So sehr man auch einen solchen Plan — an den man übrigen» schon deswegen nicht zu glauben braucht, weil ihn der „Vorwärts" mittetlt — bedauern müßte, so sehr mutz man sich über dieHeuchelei entrüsten, die der vorwärts" in seinem letzten Satze treibt. Die „Erre- ginig schwarzer Vorstellungen" brauch» wirklich nicht mehr künstlich betrieben zu werden; für die sorgen die Herren „Genossen" schon ganz allein. O Vertin, 17. August. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ltg." hört, der Oberpräsivrnt von Heffen-Naflau, Graf Zedlitz oTrittzschler, werve »«« vderpristdenten »sn Schlesien ernannt werd«. (Wie gemeldet, war Graf Zedlitz gestern zur kaiserlichen Mittagstafel im Neven Palais bei Pottdam geladen. — Red.) O deeltn, 17. August. (Telegramm.) Die „Nordd. Ma. Ztg." meldet: Heute vormittag versammelten sich die Offiziere nnv Beamten de» KriegSministeriums, um von ihrem bisherigen Ebef Abschied -u nehmen. Krieg-Minister ». Eine« dankte dem General ». «atzler für sein dem Personal erwiesene» Wohlwollen und überreichte eia« Porzellaavas« mit Ansicht« des Krieg-ministerial- grbaudeS. General v. Goßler dankte und verabschiedete sich herzlich von seinen bisherigen Mitarbeitern. — Wie nachträglich gemeldet wird, bat auch di« Kaiserin de« Geheimrat ». Levdrn zu seinem LOjädrigen Doktor- Jndilän« «inen Glückwunsch zukommen lassen. — Für die bevorstehenden preußischen LandtagS- wablea beginnt jetzt auch da« Zentrum sein Verhalten gegenüber der Sozialdemokratie zu bestimmen. Es scheint danach, daß von einer alle bürgerlichen Parteien um fassenden Parole gegen die Sozialdemokratie diesmal noch weniger di- Rede lein kann, a>« bei den Reich-tagSwablen. So sagt die „Köln. BolkSzig.", bei den bevvrstebenben Land tag-Wahlen werde mehr noch al» bei den Reichstags wahlen ein Bündnis der verschiedensten Parteien gegen das Zentrum zustande kommen, namentlich wachse un verkennbar die Neigung in allen liberalen Kreisen, mit den Sozialisten zu paktieren. Nichts wäre heule verkehrter, als wenn das Zentrum eine allgemeine Frontstellung gegen die Sozialdemokratie macken wollte; eine Bekämpfung dieser Partei in Bausch und Bogen wllide leicht zur Abweisung auch berechtigter Bestrebungen führen. Man müsse im Auge bthalten, daß innerhalb der sozialdemokratischen Partei derjenige Teil bei einer wacksen- deu Zahl der parlamentarischen Mandate immer stärker werden würde, welcher nicht Revolution, sondern Evolution wolle. — Der christlichsozial« Parteitag findet am 23. September in Mülheim a. d. Ruhr statt. G Flensburg» 17. August. (Telegramm.) Di« hiesige Stadtvertretung hat au» städtischen Mitteln für di, Urber- sckwrmmten in Schlesien und Pofen eine Beihülse von 1000 bewilligt. («) Wilhelm-Höhe, 17. August. (Telegramm.) Zur Mittagstafel bei dem Kaiser und der Kaiserin war heute der deutsche Botschafter in Konstantinopel Frhr. Marschall v. Bieberstein geladen. -r- Altenburg, 16. August. Der voa der Wirksamkeit einer im Gew er b e-AufstcktSdieaste beschäftigten Assi stentin erwartete Nutzen scheint in unserem Lande nicht ein- getielen zu sei«. Wenigsten- begehrt mau in den Kreisen der Arbeiterinnen des Rats der Assistentin fast gar nicht, obwohl diese in allen Städten deS Landes Sprechstunden nach Feierabend abbält. Gewerberat Boeharsch schreibt hierüber in seinem Jahresberichte folgende»: Obwohl di, Termin» öffentlich bekannt gemacht waren, «ar der Besuch ein entmutigend geringer. In der Zeit vom 1. Juni bi» Schluß de» Jahre» fanden 87 solcher Doppelstunden statt, die insgesamt von 30 Personen, und zwar 17 Männern und 13 Frauen aus gesucht wurden; in Altenburg und Roda sand sich überhaupt niemand em. Die Anliegen, die vorgebracht wurden, waren sämtlich derart, datz sie ebensogut dem männlichenAussichtebeamten hätten onvrrtraut werden können. Auch bei sonstiger Belegenheit ist nicht eine einzig« Arbeiterin an die Assistentin mit einem Besuche irgendwie diskreter Natur herangetreten. Die Gewerkschaften in Alten burg glaubten noch ein übriges tun zu müssen und wählten eine weibliche Vertrauensperson, an die die Arbeiterinnen sich wenden sollten, und die dann erst der Assistentin die Anträge übermittelte. Aber auch von hier ist nicht eine einzige Anregung erfolgt. Wenn man also bei der Anstellung gerade einer weiblichen Hülf-krast im Gewerbeaussichtsdienst in erster Linie von dem Gedanken geleitet wurde, den Arbeiterinnen di« Möglichkeit zu geben, rückhalllo» ihre Be schwerden und Wünscht anzubringen, so hat sich, wie da» hier auch von vornherein nicht ander» erwartet worden ist, schon jetzt gezeigt, daß hierfür ein Bedürfnis nicht besteht. Die Erklärung hierzu wird man vornehmlich in dem Indifferenten, eigenartigen Charakter der Arbeiterin zu suchen haben. Loch liegt meine» Erachtens hierin nur der gering«« Teil der Aufgabe, di« der Assistentin zuzuweisen ist. Bi«! wichiiger ist ihre Mitwirkung bei der Ermittelung und Be urteilung der allgemeinen Arbeittverhältniss« der weiblichen Arbeiter schaft, wo dem männlichen Beamten naturgemäß die Möglichkeit, tiefer einzudringen und ein zutreffende» Urteil sich zu bilden, nur schwer gegeben ist. Dir Assistentin wird also nicht auf Aurrgungen au» der Arbeiterschaft zu warten haben, sondern sich solche selbst suchen und schaffen müssen durch fleißige» Beobachten der gewerb lichen Verhältnisse." Oesterreich - Ungar«. Zur Krise. * Pest, 1K. August. Die Reise de» Kaiser» Franz Josrf hierher wird dadurch verzögert, daß Oesterreich große Schwierigkeiten erhebt gegen dir Gewährung von Zugeständ nissen an Ungarn in der Arm erfrage. Ohne »lese Zu geständnisse aber wird sich hier kaum jemand an die Kabinettsbildung heranwageo. E» wird bestätigt, daß die Krise sich sehr in vir Länge ziehen wirb. Dänemark. * Kopenhagen, 17. August. (Telegramm.) Der Generalgouverneur von Kreta, Prinz Gevrg von Griechenland, ist hier zum Besuche des Hoseö ein- getroffen. Orient. Die Unruhe« in Makedonien. * London, 16. August. In hiesigen diplomatischen Kreisen verlautet, die Entsendung des russischen Ge schwader» nach den türkischen Gewässern sei die Folge deS Abkommens zwischen Oesterreich und Rußland und bezwecke eine Kundgebung gegen die Türkei. Infolge der Vorgänge in Makedonien und der Ermordung des russischen Konsuls in Monasttr werde die militä- rifcheBcsetzung Makedoniens durch Trup pen der sechs Großmächte -iS zur Durchführung der notwendigen Reformen geplant. Wie ein Blatt er- fahren baden will, empfing infolge der Entsendung der russischen Flotte tn die türkischen Gewässer Admiral Domville die Anweisung, mit einer starken Abteilung seiner Flotte sofort nach dem östlichen Mittelmeer abzu- gehen. * Sonftantinopel, 16. August. (Wiener Korr.-Bur.) Auf Grund eines Berichtes deS Generaltnfpektors Hilmi Pascha teilt di« Pforte mit, daß LchntzederKow-
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