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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.08.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-19
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030819026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903081902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903081902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
- Tag1903-08-19
- Monat1903-08
- Jahr1903
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Oesterreich vierteljährlich ^il 4.50, für die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. Nr-aktion und Expedition: Fvhannisgasse 8. Fernsprecher 158 und 322. Fiiiaierpeditivne«: Alfred Hahn, Bnchhandlg., UniversitütSstr.3, U. Lösche, Üatharinenstr. 14» u. KönigSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Marien straß« 84. Fernsprecher Amt I Nr. 171S. Haupt-Filiale Berlin: Carl Duncker, Herzgl. Bayr. Hosbuchhändlg, Lützowstraße 10 Fernsvrecher Amt VI Nr. 480« Nr. M. Abend-Ausgabe. Kip)Wr TllMaü Anzeiger. Ämtslitatt des Königlichen Land- «nd -es Königliche« Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen «Preis die 6gespaltene Petitzeile LS H. Reklamen unter dem Redaktionsstrich s4 gespalten) 75 vor den Kamilteauach' nchten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenanuahme 25 H (excl. Porto). Srtra Beilagen (gesalzt), nur mit de« Morgen «Ausgabe, ohne Postbessrderuug 80.—, mit Postbesärderuag 70.—» Annahmeschluß für Anzeige«: Abeud-Ausgabe: Bormittags Iv Uhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen find stets au die Erpedttiv» pl richten. Die Expedition ist wochentags ummterbrvche» geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig Mittwoch den 19. August 1903. S7. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. August. Der sozialdemokratische Parteibcricht. Der sozialdemokratische Parteivorstand hat sür den Parteitag zu Dresden 1903 im „Vorwärts" von gestern den üblichen Bericht erstattet, der, wie dies bei allen Aus lassungen dieser Partei der Fall ist, zu Propagandistischen Zwecken bestimmt und dementsprechend abgesagt ist. Wenn man aber die darin besprochenen Talsachen, losgelöst von der Selbstbeweihräucherung, betrachtet, so wird man zugeben müssen, daß die Organisation wie die Agitation in einer Weise geordnet sind, die die Nachahmung der staatserbaltenden Parteien ver dient. Selbstverständlich ist das cum grnuo 8ali8 zu verstehen. Andere Parteien werden beispielsweise niemals fo rigoros vor geben können, wie der sozialdemokratische Parteivorstand dies bezüglich der Regelung des Ausschlusses aus der Partei zu tun beabsichtigt. Man wird in anderen Parteien nach dem Rezept, daß, wer nicht pariert, hinauSfliegt, nicht bandeln dürfen; das vertrüge sich schon nicht mit dem Maß der den einzelnen Parteigenossen zu überlassenden Selbständigkeit. Die Geschlossenheit aber, die die sozialdemokratische Organisation aufweist, Vas Ineinandergreisen der einzelnen, auch der kleinsten Teile, der lediglich auf die Erzieluug praktischer Er folge bei allen möglichen Wahlen gerichtete Charakter sind wohl nachahmenswert. Auch in der Agitation ist von der Sozialdemokratie zu lernen. Natürlich wird sich eine staatSerhaltende Partei nicht zu solchen Praktiken her geben, wie sie die Sozialdemokratie beiipielsweise mit den an die Mitglieder der ZoUlariskommission gezahlten Entschädigungen treibt. Rühmt sich doch dec sozial demokratische Parteivorstand, daß er, da die an die sonaldemokratischen Abgeordneten vom Reiche gezahlten Ent schädigungen die von der Partei an dieselben Abgeordneten gewährten Diäten überstiegen hätten, noch ein gutes Geschäft gemacht und Gelb sür die Agitation erworben hätte. Zu solchen Geschäften werden sich andere Parteien nicht her geben können. Lernen werden die staatserhaltenden Parteien aber wohl können, daß jede nur irgend mögliche Ge legenheit zur Agitation benutzt werden muß, daß man mrt dieser nicht erst beginnen soll, wenn dir Wahlen vor der Tür stehen, daß man gleich nach den Wahlen sofort wieder mit ihr einsetzen muß, daß die für die Partei tätigen Kräfte ausreichend entschädigt werden müssen, direkt und indirekt, daß die biSber allein den privaten Unter nehmungen überlassenen Gebiete sehr wohl für Partei- agitations,wecke mit benutzt werden können u. v. a. m. Daß die Sozialdemokratie in letz'er Zeit solchen Zuwachs erlangt bat, liegt zum größten Teile an ihrer Organisation und ihrer Agitation. Die staaiserhallenden Parteien sollten das beherzigen und sich danach einrichten. Born Feinde soll man lernen. Eine sozialdemokratische Absage an das Zentrum. Die „Kölnische Bolksztg." hatte dieser Tage aus Furcht vor einer angeblich zu gewärtigenden allgemeinen Alliance gegen das Zentrum bei den preußischen Land tagswahlen es nicht an Freundlichkeiten gegen die Sozialdemokratie fehlen lassen. Das Blatt hatte ver sichert, das Zentrum denke gar nicht daran, den Kampf gegen die Sozialdemokratie zur entscheidenden Parole zu machen. Dies sei um so unnötiger, als die Sozialdemo kratie gerade durch ihre Erfolge immer mehr gezwungen werde, die Revolution durch die Evolution zu ersetzen. Das sozialdemokratische Zentralorgan steht diesem Ver suche, „die klerikale Partei bei uns in empfehlende Er innerung zu bringen", durchaus ablehnend gegenüber, indem rs das Zentrum folgendermaßen charakterisiert: „Dieser Versuch der reaktionärsten Regie rungspartei, die im Reichstage nicht, und noch weniger im Landtage sich irgendwie mehr von den Kon servativen unterscheidet, sich den alten, läng st zer fetzten Mantel einer demokratischen Oppositionspartei umzuhängen, entbehrt nicht eines pikanten Reizes. Die holden Lockungen aber sind vergebens. Seit langer Zeit, insbesondere seit der Kardvrfferei, sind alle Verstellungsversuche des Zentrums vergebens." Diese doch immer recht blamable Ablehnung zärtlichen Liebeswerbens sich zuzuziehen, Hütte das rheinische Zentrumsorgan nicht nötig gehabt. Denn wenn überhaupt eine Einigung zwischen den links liberalen Parteien und der Sozialdemokratie über die preußi chcn Landtagswahlen zu stände kommt, so wird sich die Koalition fast nur gegen die Konservativen richten. Unter den 54 Landtagswahlkreisen mit 90 Ab geordneten, die vr. Arons durch gemeinsames Vorgehen der Linkslibcralen und der Sozialdemokratie erobert sehen möchte, befindet sich nur ein Zentrumswahlkrris mit einem Zentrumsabgeordneten. Gerade weil aber das Zentrum bei preußischen Wahlen für die agitatorische Tätigkeit der Sozialdemokratie nicht in Frage kommr, sollte der „Vorwärts" seinen das Zentrum so schön charakterisierenden Artikel lieber den Parteiorganen in Bayern und Baden zur Verfügung stellen. In Baden finden fast gleichzeitig mit den Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhause Landtagswahlen statH Während aber in Preußen das Zentrum im Abgeordnetenhause zwar eine große, aber nicht in derselben Weise wie im Reichs tage entscheidende Rolle spielt, kommt es in Baden darauf au, zu verhindern, daß das Zentrum zur Herrschaft ge langt ist. In Bayern haben bekanntlich die Sozial demokraten das Kunststück fertig gebracht, das Zentrum zur alleinherrschenden Partei zu machen. Wollen sie in Baden dasselbe tun, obwohl das Zentrum nach der Meinung des „Vorwärts" — und viele Auffassung ist vollkommen richtig — die „reaktionärste" Partei ist, die den „Mantel einer demokratischen Oppositions partei" längst zerfetzt hat? Wo bleibt die Logik? Die „Kreuzzeitung" plaidiert aufs eifrigste für das rasche Zustandekommen der Zentral st elle für die Bekämpfung der Sozialdemokratie. Dieser Stelle erwachse die Aufgabe der A u f k l ä r u n g und Be lehrung der weitesten Volkskreise, denn die Sozialdemo kratie habe zum Bundesgenossen eine unsägliche Leicht gläubigkeit und Unklarheit großer Volks massen. Zn gleicher Zeit aber bespricht die „Kreuz zeitung" zum vierten oder fünften Male die Haltung der konservativen Partei bei der Ersatzwahl in Dessau, und erklärt dabei, die Parole der Konservativen heiße zwar, „unter allen Umständen gegen die Sozialdemokratie", aber angesichts des Verhaltens der Freisinnigen Bereinigung verstehe es sich von selbst, daß es zahlreiche Konservative geben müsse, die bei einer Wahl, wie der jetzt in Dessau bevorstehenden, sich nicht an die Parteiparole ge bunden erachten, sondern auf die Ausübung ihres Wahlrechts verzichten würden. Wir meinen, daß man mit einer derartigen Auslegung des an sich absolut klaren Satzes „unter allen Umständen gegen die Sozialdemokratie" Unklarheit in die großen Volks massen hineinträgt, denn wenn die konservativen Wähler in Dessau aus den verschiedenen Auslassungen der „Kreuzzeitung" entnehmen sollten, was sie bei der bevor, stehenden Wahl eigentlich tun sollen, so müßten sie ganz ungewöhnlich „Helle" sein. Wir meinen aber generell, daß, solange ein Blatt, das am Kopfe den Wahlspruch trägt vorwärts mit Gott für König und Vaterland", Klauseln macht, wenn es gilt, den Sieg einer Partei zu verhindern, die Gott, König und Vaterland regiert, es mit der Begründung der Zentralstelle zur Be kämpfung der Sozialdemokratie keine Eile zu haben braucht. Die schönsten belehrenden Schriften, die eine solche Stelle verteilen kann, und die feurigsten Agitationsreden, die sie halten kaffen kann, werden wirkungslos verpuffen, solange Organe, die die Königstreue in Erbpacht genommen zu haben vorgeben, die Praxis in Gegensatz zu der Theorie stellen. Fortschritt der Sozialreform in Rußland. Die Veröffentlichung des russischen Gesetzes über Haftpflicht der Fabrik- und Bergwerks besitzer und der Montanindustriellen bei Unfällen ihrer Arbeiter und An- gestellten, sowie deren Familienmitglieder darf als sicheres Zeichen dafür genommen werden, daß die modernen sozialreformatorischen Bestrebungen auch in unserem östlichen Nachbarreiche immer mehr Boden ge winnen. Gleichzeitig bringt sie -um Ausdruck, wie auch in Rußland die Verhältnisse mehr und mehr in die eines Industriestaates hineinwachsen. Auf der Berliner Arbciterschutzkonferenz vom Jahre 1890 war Rußland noch nicht vertreten. Vier Jahre später stellte einer der russischen Delegierten für den Mailänder Arbeiterver sicherungs-Kongreß eine Art Arbeiterversicherung für Arbeiter aller Zweige der russischen Industrie in Aus sicht. Bashor, Jahre 1880, r»«r ieboch die Haftpflicht durch das sogenannte Wyschnegradskische Pro jekt in Fluß gekommen. Es wollte zu einer Zeit, wo die Gerichtspraxis die Haftpflicht möglichst auszudehnen be strebt war, klare gesetzliche Bestimmungen schaffen, welche den Verletzten die volle Beweislast für die Schuld des Arbeitgebers aufladen sollten. Der Reichsrat lehnte das Projekt ab. Ein gleiches Schicksal hatte der im Jahre 1893 vom Finanzminister v. Witte vorgelegte Gesetzent wurf. Dieser stellte eine Haftpflicht der Arbeitgeber für industrielle, gewerbliche und Baubetriebe fest, wobei landwirtschaftliche, Speditions-, Kellerei- usw. Betriebe unberücksichtigt bleiben. Als auch dieser Gesetzvorschlag scheiterte, traten in den Kreisen von Industriellen selbst mehrfache Bestrebungen hervor, die auf eine autoritative Festlegung der Haftpflicht abzielten. Diesen Anregungen folgte das Ministerium für Ackerbau und Domänen durch Vorlegung eines vom Zaren am 5./17. April 1894 genehmigten Gesetzentwurfes über die Sicherheit der Berg- und Hüttenarbeiter. Im Frühjahre 1899 wurde dann vom Finanzministerium ein neues Projekt aus gearbeitet, auf welches insbesondere die von den Rigaer Fabrikanten aufgestellten Statuten-Grundsätze nicht ohne Einfluß blieben. In einem Punkte war dieser Entwurf gänzlich original. Zum ersten Male wurde die Haft pflicht für das „professionelle Risiko" ohne Einschränkung anerkannt; die Krage nach der Schuld des Verletzten ward überhaupt gar nicht erwähnt. Auch dieses Projett beschränkte sich bloß auf industrielle Arbeiter im engeren Sinne. Landwirtschaftliche Arbeiter, in der Spedition und Kellerei oder bei Bauten beschäftigte, sowie die Arbeiter in kleineren Betrieben (mit weniger als 15 Arbeitern, falls sie nicht Motore oder Explosivstoffe verwenden oder letztere Herstellen) blieben ausgeschlossen. Im Laufe des Winters 1899/1900 wuvde dieses Projett von Kommissionen, an welchen Vertreter verschiedener Ministerien, sowie eingeladene Sachverständige teil nahmen, geprüft. Nachdem es dann weiterhin nach Ab änderung in einzelnen Punkten vom Reichsrate gut geheißen worden, fand es die kaiserliche Bestätigung und gelangte jetzt zur Veröffentlichung. Daß dieser wichtige Schritt weitere nach sich zieht, ist wohl mit Sicherheft vorauszusehen. Der Kampf nm die Arbeiterfrage in Transvaal. Aus Johannesburg, 27. Juli, schreibt man uvS: Den Sitzungen der Parlamente sind die Sitzungen der Untersuchungskommissionen gefolgt. Die eine berat schlagt über die Wohnungsnot in Johannesburg un anderen Plätzen, die andere über die brennendste Frage der Gegenwart für ganz Südafrika: die Arbeiter, frage. Die Beratungen der letztgenannten Kom mission sind um so wichtiger, als es von dem Berichte dieser Kommission abhängig sein wind, ob asiatische Arbeiter eingeführt werden sollen oder nicht. Daher ergibt sich auch als Hauptzweck und als Ziel der Be ratungen und des Verhöres von Sachverständigen die Beantwortung der einen Hauptfrage: ist es möglich, unter den günstigsten Umständen, den Bedürfnissen ent sprechend, in Südafrika geborene Schwarze zusammen- zubringen und ohne Anwendung von Zwangsmitteln zur Arbeit zu veranlassen? Diese Frage soll in sach gemäßer Weise entschieden werden und bisher verläuft alles in ruhiger Weise. Zu dieser Hauptfrage haben -mei »»Mhevoll» Stcllrms tysk-.p- 'i,',». Partei der Kapitalisten, welche behauptet, daß die Be ratungen der Kommission nutzlos seien, da alle Versuche schon gescheitert und an sich zwecklos seien, da es arbeits fähige Schwarze in der nötigen Zahl gar nicht gebe. Die zweite Partei, welche man als den Mittelstand und die arbeitende weiße Bevölkerung bezeichnen kann, be- hauptet, daß ein ernstlicher Versuch, südafrikanische Schwarze in genügender Anzahl zusammenzubringen, überhaupt noch nicht gemacht ist; die erste Partei will asiatische Arbeiter einführen, die andere Partei will Asiaten nicht haben, selbst nicht um den Preis, daß die gesamte Industrie und das Land darniederliegen sollte. Die beiden Parteien bekämpfen sich in öffentlichen Ver sammlungen und durch die Zeitungen, besonders aber auch durch Riesenplakate an den Anschlagsäulen und Hauswänden. — Kürzlich wurde auch hier einer der jetzt so beliebten Wettläufe üsier eine größere Distanz ab- 1 gehalten. Die Mitglieder der Börse wetteiferten im Eil- I marsch nach Pretoria. Bei dieser Gelegenheit verteilten I die Chinesenfeinde an die zu vielen Hunderten beim Feuilleton. nj Renate von Grieben. Roman von Hermann Birkenfeld. Nariwruck verbalen. „Frydag wußte das alles gestern zu erzählen; er hat'S von seiner Mutter, die von der alten Radlow'n, die im Pastorat wäscht, und Radlow'n von Schlotter, der wohl nicht dicht gehalten hat. Aber was sehen, nein, stieren Sie mich denn an, als wären Sie Mitglied der medizi nischen Prüfungskommission an der Friedrich Wilhelms- Universität und ich ihr Opfer?" - „Wer?" „Was?" „Ich meine, wer —" ,Mer das erzählt hat? — Konrad Frydag, seine Frau Mama, Mutter Radlow, David Schlotter — da hätten Sie die Tonleiter noch einmal." „Ach was! Wer jenen Briefwechsel mit ihm gehabt haben soll — Fräulein Frydag, sagten Sie?" „Herr Nachbar, ich bitte doch sehr! Justinchen — Schwester meines besten Freundes — die sowohl, wie Fräulein von Grieben stehen chimborassohaft über Naturen von Killmannschem Kaliber." Hier seufzt Georg Volkhard. „Und, wenn die eine mich auch so kühl läßt, wie Hirn- beereis, und die andere mir so schnuppe wie möglich werben muß — ich fürchte, ich könnte recht unangenehm werden, träte jemand einem der zwei Mädel zu nahe." ,L?on wem redeten Sie denn? Ich habe schlecht auf gemerkt —" „Das läßt Ihnen der Neid. Sprach von der über- spannten kleinen Hollig, die mein dicker Oberkollege Everking angeschmachtet, daß er sich nächstens 'ne Falte in den Rockrücken legen kann." „So!" macht Volkhard und sieht zum Fenster hinaus. „Schaffner!" mrft auf der nächsten Station sein Reise, geführte. „Tun Sie mir für diese fünfzig Pfennige den Gefallen, 'mal den Zug entlang zu fragen, ob irgend ein anständiger Mensch einen Skat mitspielt. Hier fehlt der dritte Mann." „Warum das?" fragt Vollhard. „Meinen Sic, 's wäre interessant, noch fünf Stunden von Ihnen angeschwiegen zu werden? Sie spielen doch?" „Meinetwegen!" Der Grübler in der Ecke scheint zu einem Entschluß gekommen zu sein. „Sie wohnen wieder Artilleriestraße 49?" „Vier Treppen links", antwortete Buschkorn pathetisch. „Wann ist Ihr Examen vorüber?" „Wenn's gut geht, in fünf Tagen, sonst die -weite Auflage in einem halben Jahre." „Vielleicht besuche ich Sie dann —" „In sechs Monaten?" „Nach den fünf Tagen." „Soll mich freuen, ein bißchen den Bärenführer zu spielen —" „Nein, ich meine Ich kann mich auf Sie verlassen, wenn — wenn ich jemanden nötig hätte —" „Donnerwetter! Sie wollen doch nicht -» —? Aber wenn mein ganzes Korps soll Ihnen zur Verfügung stehen. Säbel xlace oder Pistolen, ganz egal." Vollhard lächelt leise. Auf der folgenden Station bringt der Schaffner wirk lich den dritten Mann, und Erich holt seine Karte aus der Tasche. * * * „Sie haben's, weiß der Teufel, doch unbändig gut gegen mich armen Schlucker", sagt Lothar von Grieben, und schickt seine Geieraugen, wie Freund Nothnagel sie nennt, in dessen ganz behaglicher Garsonwohnung spa- zieren. „Dorotheenstraße, eine Treppe — meine Hvf» wohnung ist dagegen die reine Schlafstelle." Albert von Nothnagel schlürft, ohne seine halb liegende Stellung auf der Chaiselongue zu ändern, phlegmatisch den Rest der Taffe Bouillon, die er zum Frühstück zu ge- rfteßen pflegt, sieht seinen langen Freund mit einem völlig indifferenten Blick an, wischt sich mit dem rotseidenen Taschentuch der Hausjoppe den starken blonden Schnurr bart und raucht seine Cigarre weiter. „Ich fürchte, Verehrtester, wir leiden an Nach. Wirkungen", hebt Grieben wieder an, indem er sich vor dem Sofatische in einen Sessel wirft, und, die Hände in den Taschen seines neuen Paletots, die Beine weit von sich gespreizt, den Leutnant a. D. anblinzelt. Der schießt einen Blick zu seinem Besuch hinüber wie eine gereizte Dogge. „Das Defizit von gestern abend mit dem rheinischen Schlotbaron gleiche ich beute wieder aus. Meine Sorge! Aber Nachwirkungen — zum Henker, ja, bei diesem Negenwetter im Juli — das zieht mir ins Barometer da unten." Er zeigt auf sein linkes Knie, das er sorglich in eine Decke gehüllt hat. „Das infame Rheuma! Und daran ist so'n Grieben mit seinem kitzlichen ?oint ck'stonneur! schuld! Na, von allen Griebens ließe sich so was — ich meine den koiut ä'bonneur — nicht sagen, zum Beispiel von Ihnen — he?" „Fragt sich, wer von uns sich da am meisten vorzu- werfen hätte." „Donnerwetter, Lothar, reizen Sie mich nicht! Ich bin in einer Stimmung — der Frühbesuch des Monsieur Kreutz hat sie wahrlich nicht verbessert." „Der Zukunftsverlegcr des „Donnerwetter"? Was wollte denn der?" „Lächerliche Frage! Endgültige Antwort. Ohne die würde er nicht achtundvierzig Stunden mehr zögern, sich anderweitig zu engagieren. Und der Kerl hat recht; ein neues Tageblatt — so'n Ding will insceniert sein. Um Gottes willen keine Ueberstürzung, ist Kreutzers Parole, und meine auch. Auf Ihre literarische Erfahrung pfeifen wir alle beide." „So! Sagen Sie, haben Sie eigentlich schon mal etwas drucken lassen — außer Visitenkarten, meine ich?" „Als ob's auf das Geschmier ankäme! Ihr Journalis- mus — baß Gott erbarm'! Ihr Name allein wäre im stände, jeden anständigen Abonnenten zu verscheuchen. Aber Chefredakteur von Nothnagel, Leutnant a. D. — das zieht." „Und kitzelt Sie nebenbei, jawohl", höhnt Grieben. „Aber das ist mir ganz gleich, die Ehre, als Chef- und Sitzredakteur zu fungieren, überlasse ich neidlos anderen. Als Spiritus rector bin ich doch unentbehrlich." „Stimmt — leider! Und deshalb wollte ich. Sie er- munterten Ihr Hasenherz endlich zu einem energischen Aufflackern und entzögen Ihrem Fräulein Schwester nicht länger Ihre werte Existenz. Sich wie ein Schul, junge von Killmann nasführen zu lassen, auf der Leim- rute der acht Tage Frist kleben zu bleiben — 's ist, weiß Gott, zu erbärmlich?" „Und doch lag es so sehr in seinem Interesse, sein Ver sprechen zu halten, daß ich vollauf berechtigt bin, an ein unvorhergesehenes Neisehindernis des edlen Walter zu glauben. Seit meinem Besuch in Sölde sind doch auch erst elf Tage verstrichen." „Die Woche hat nur sieben, und Kreutz ich habe keine Lust, mit dem Unverschämten noch länger zu ver- handeln. Besorgen Sie das! Wenn er Sic jetzt sieht — hähä, Nothnagel schickt aus seinen kleinen Augen einen listigen Seitenblick über Lothars Gestalt — Sie schauen ja nun, Dank dem Bettelpfennig, den Sie Herrn Walter ent zogen, wieder passabel aus, und die häßliche Geschichte mit Ihrer Kaffe ist ja auch aus der Welt — können also saus xene zu Kreutz gehen." Lothar steht auf, zerrt ärgerlich an seinem mit der Brennschere ausgezogenen Schnurrbart, tritt dann vor den Spiegel, holt aus einem silbernen Etui ein winziges Bürstenpaar, mit dem er sich durch sein glattes Haar fährt, und fingert dann in der Halsgegend, -wischen Kehlkopf und Hemdkragen herum. „Fühlen Sie sich beengt?" lachte sein Freund. „Wissen Sie, was ich glaube? Sie fürchten wirklich, Freund Walter möchte Ihnen an die Kehle springen. Nee, Männeken, Kopf hoch! Courage — na, meinetwegen mag er sie haben — aber das von der Wertlosigkeit des Lebens ohne Ihre hübsche Schwester, das — daS glaube ich ihm nicht, und brächte er mir's auf 'nen königlich preußischen Stempelbogen schriftlich. Sie haben's ja damals, nach der Verhandlung mit ihm und nachdem sich der Sektdunst bei Ihnen verzogen hatte, auch nicht recht geglaubt, und sind deshalb noch ein paar Tage in Riedstädt geblieben, mit dem vernünftigen Vorsatz, sich doch lieber an die Schwester zu wenden. Nur Sie — taten es nicht." „Weil ich keine Gelegenheit fand." „Auch auf der Eisenbahn nicht? Sieben Stunden mit ihr in demselben Zuge?" „In ein Damencoupv dringen? Sie sind verrückt!" Nothnagel ist ebenso wenig empfindlich, wie sein Freund. „Ach so, das Coupv. Na ja. Aber irgendwo hätte sich doch eine Anknüpfung gefunden — ein Aufenthalt auf einer Station." „Nirgends — was ich Ihnen schon ein -uyendmal sagte. Und zudem — je näher Berlin —" „Um so tiefer sank Ihnen das Hasenherz. Jetzt aber wär's endlich Zeit zum Handeln. Am besten ist — utsch, dies Rheuma!" Mühsam entwickelt sich der Leutnant seiner Decke und hinkt nach seinem Besuch hin. Da steht er nun, klein, rundlich, in dem stark geröteten Gesicht ein paar lebhafte Acugletn, die, als er Grieben an einem seiner großen Paletotknöpfc faßt, eindringlich an ihm emporblinzeln. „Am besten ist, ich bringe Sie hin. Kann so lange draußen bleiben." „Wo?"
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