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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 18.02.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-18
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190502182
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19050218
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19050218
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-02
- Tag1905-02-18
- Monat1905-02
- Jahr1905
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 18.02.1905
- Autor
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26 die großen, blauen Augen der Mutter hatten sich geschlossen. Der Ellernbauer jammerte nicht laut auf; das hatte er seiner Anna versprochen, ihre Ruhe sollte sie wenigstens haben, wenn er auch ruhelos wie ein Geist durch s Haus wanderte, bis man sie hinaustrug. Er ging hinter dem Sarge her, aber er sah nich<t auf, er sah nicht einmal, daß die ganze Dorfschaft, außer dem Beekenmüller, seiner Anna das letzte Geleit gab. Den Weg kannte er, den hatte er in den letzten Jahren oft gemacht, als er seine beiden Alten und den alten Deekenmüller nach dem Kirchhof gebracht. — Aber so weit war er ihm nicht vor gekommen, und so schwer war's ihm nicht geworden wie dieses Mal, er meinte, er müsse ein Stück Leben hin tragen. — Wie er sich scheute, ins Hans zu gehen, es war so totenstill drin. Tie andern waren noch nicht zurück, er war nur so gelaufen, um allein zu sein, einmal mußte er sich aus toben, nun konnte er jammern, sie hörte es ja nicht mehr! Hatte er laut aufgestöhnt? Er wußte es nicht, nun drang ein Wimmern an sein Ohr, sein Kind! Sie hatten es allein liegen lassen, sie hatten ihn drum gefragt, aber er hatte keine Antwort für sie gehabt. Nun hungerte und fror eS und verzog das Gesichtchen, als ob's'wüßte, was man ihm heute genommen hatte. Dem Ellernbauer war alles gleichgiltig, was noch kommen mischte auf der Welt für ihn, wozu lebte er noch? Nun gab ihm sein Gott eine Antwort; für das Kind mußte er leben und arbeiten, das kleine, hilflose Ding da, es kettete ihn ans Leben, deswegen war's da. Er hatte es aus der Wiege genommen und an die Brust gedrückt, um es zu erwärmen, dabei war's ihm selber warm zu Herzen geströmt, ja, er hatte doch noch etwas übrig für solch ein armes, mutterloses Geschöpf, für seine kleine „Dirn." Nun waren Jahre seitdem hingegangen. Es mußte eben gehen, aber gut gings nicht. Die Keine Anna war ein großes, hübsches Mädchen geworden, die die Wirtschaft im Gange hielt und alles zusammen, an ihr lag's nicht und an ihm auch nicht, wenn's bergab ging, — an dem Un frieden da mit dem Beekenmüller lag's. An dem offenen Grabe des Alten hatte er ihm die Hand hingehalten und der hatte nicht einmal hineinge schlagen, mehr konnte er doch auch nicht? Er hatte doch auch seine Ehre und seinen Hochmut! Ter Beekenmüller vergab's ihm nicht, daß er ihm den Schimpf damals angetan und den Alten nicht wieder hin aufgebracht hatte! Erzürnen tut sich jeder einmal; das vergab er ihm nicht, weil's der Pfarrer und die Leute ihn wissen ließen, daß er den Alten gemißhandelt, sonst wär's nicht unter die Leute gekommen; mochte er nioch so treu herzig und gottesfürchtig scheinen, sie glaubten nicht dran, daß es ihm wirklich Ernst sei. Ter Ellernbauer meinte auch, mehr könnte er doch nicht tun, an ihm lag's sicher nicht! Wenn sein Schul kamerad ihn an seiner kargen Habe kränkte, so war's ein Unrecht, das er zu vergeben hatte und nicht ruhig hin gehen lassen durfte um seiner Kinder willen. — Er hatte nicht einmal etwas gesagt, als der Beekenmüller an dem Erbe seiner Frau hier und da kniff und zu schmälern suchte, für seine paar Lebensjahre langte es ihm, was der Ellern hof hergab! — Für sich hatte er's nicht getan, sich hier ins nasse Gras geworfen, um aus ihn wie auf einen Feind zu lauern, damit er's ihm ins Gesicht schleudern konnte, daß er ein Schuft, ein Dieb sei, daß er's öffentlich be schwören wolle, daß er ihn selbst beim Stauziehen ge troffen, — wenn er's nicht ließe, — vor Gericht. Sein einziges Kind sollte nicht noch einmal in die Fremde zu fremden Leuten ziehen müssen, weil sein Bater ein Kopf hänger gewesen und nicht den Mut gehabt, dem Beeken müller öffentlich zu antworten! Hatte er aufgestöhnt? Da, hinten am Ginsterzaun rührte sich etwas, — kam es näher? Er duckte sich im Gras! Wie ihm das Herz pochte! War's der Beekenmüller wirklich? Feige war er nicht, er fürchtete sich nicht vor dem da, er hatte sich nie vor ihm gefürchtet, vor keinem Menschen; aber einen, den die Welt für ehrlich hält, wie einen Verbrecher zu überführen, das faßt an, zumal Wenns ein Schulkamerad ist, da gehört mehr dazu als Mut. War's auch ehrlich? — Jst's recht, einen Menschen anzu schleichen wie ein Stück Wild? Der Ellernbauer wußt's nicht, aber das Herz pochte ihm zum Zerspringen, ihm war's, als habe er's schlechte Gewissen und Nicht der Beekenmüller. — Tas waren behutsame, schleichende Schritte, sie kamen näher. — Er hob den Kopf aus dem Grase, doch er sah noch nichts, der Danrpf stieg.weiß und gespenstisch aus dem feuchten Grund. „Der Fuchst bad't siä/', sagen die Leute. Der Ellernbauer, meinte, er sei noch nie so dicht gewesen der Nebel, oder tat's die Auf regung, er sah keinen Schritt mehr vor sich Ihm war's, als krieche etwas heran, war's wirklich der Fuß eines Menschen? Er meinte die Beek näher zu hören, den leisen, gurgelnden Laut des Wassers, welches näher kam, die Beek mußte übergetreten sein. Nun war's so weit, wie Beekenmüller es haben wollt', bis an den Mund ging's ihm. Der Ellernbauer sprang auf die Füße. Er meinte noch die mächtige Gestalt verschwimmen zu sehen, die der , Nebel geisterhaft vergrößerte. „Fritz Haller!" schrie er ihr nach im Laufen; aber er überholte ihn nicht, nur das Wasser stieg höher. War das wirklich der Beekenmüller gewesen, der das Stau in die Höh' gezogen ? Ja, er fühlte es mehr, als erst wußte. Er hätte es beschwören können, — und doch war's ihm, als habe er ein Gespenst gesehen. Er hatte noch immer ge hofft, daß er sich geirrt, — um der Kinderzeit willen, wo sie so fest und treu zusammengehalten — und wegen der Toten. Ihm wurde es schwer, als müßte er einen Bruder verklagen. Als er die Nacht Heimschlich ins Haus, da waren ihm die Glieder wie zerschlagen. Wochen und Monate lang lag er da und phantasierte von der Nacht da draußen, von dem Beekenmüller und dem Wasser, das der freige geben, nun müßten sie alle ertrinken! Als er wieder aufstand, war der Ellernbauer ein ge brochener alter Mann, die Gestalt zusammengezogen, ge beugt, wie unter der Last der Jahre und das schwarze Haar gebleicht. Ein Gedanke war in ihm reif geworden, wie er so ruhig dagelegen, so oder sv, es ging nicht anders! Als er kümmerlich genesen war, da fuhr er in die Stadt und verklagte seinen Schwager, den Beekenmüller, auf mut willige Schädigung des Ellernhofes, — der nächste Tag brachte die Entscheidung. 2. Ein nebeliger Märzmorgen war's, der anbrach Die Sonne stand wohl am Himmel, aber sie schien nicht, so dicht wogten die Nebelwolken auf und nieder zwischen ihr und der Erde. Dem Ellernbauer wär's eine Freude ge wesen, ein gutes Zeichen, wenn sie geschienen hätte. Die schneeschweren Wolken da oben, das war ihm, als drück ten sie ihn auf die Brust und nähmen ihm den Atem. Ob es heute gar nicht Tag werden wollte? Er kannte doch den Weg so gut und hatte ihn oft gemacht, aber wenn er nicht drauf achtete, war er herauch so gleichmäßig ver schneit waren Wiesen und Feld. Hier und da ein verkrüp pelter Baum oder Strauch der half^kym und der Anna wieder hinein und dann ging's. beschwerlich weiter. Die 27 Pferde dampften, so arbeiteten sie, um den leichten Schlitten zu ziehen, bis an die Weichen ging ihnen der Schnee hier auf dem Landweg Der Bauer hätte es ihnen gern erspart, aber der Termin war da und feine Füße trugen ihn kaum noch die Gicht hatte ihn wieder hart angefaßt. Der Beekenmüller und sein Sohn gingen zu Fuß. Um nicht mit dem Ellernbauer und seiner Anna zusam menzutreffen, machten sie einen Richttveg durch das Holz. Er schämte sich wohl, so ohne Zeugen, — die alte Zeit lag -wischen ihnen. Da vor Zeugen war er der rechtliche, reiche Mann, nur vor dem Ellernbauer war er nicht mehr als der Fritz Haller, der ihn an Erbe und Habe ge schmälert hatte. — ' „Friedrich Johann Felten, Sie haben den Müller Friedrich Haller angeklagt, daß er von seinem Mühlenrecht fälschlich Gebrauch gemacht, Ihnen das Wasser auf Wie sen und Acker geschwemmt, mehr als zum Betrieb der Wassermühle nötig gewesen? Können Sie das beweisen?" fing der Amtsrichter das Verhör an. „Haben Sie der Anklage Ihres Rechtsanwalts noch etwas hinzuzufügen?" Die Blicke des Richters und der Zeugen richteten sich auf den Mann, der sich jetzt langsam erhoben hatte, und seine gebückte Gestalt gewaltsam aufrichtete. Das Gesicht war blaß, Sorgen und Kummer hatten mit unbarmher ziger Hand drauf geschrieben in tiefen Falten und harten Linien. Es rührte sich keiner, so still war's, daß mau das hohe Atmen des Ellernbauern hören konnte — und eigen tümlich gepreßt kam das „Ja", von seinen farblosen Lippen. „So sprechen Sie." ' Der Beekenmüller hatte sich aufgerichtel bei denk „ja", er wollte doch sehen, was nun Kommen würde. Fast drohen- stand er da, die aus den Höhlen getretenen rot unterlaufenen Augen voller Haß auf den Gegner gerich tet, die Faust bebte ihm in der Tasche. Er hätte den da niederschlagen mögen, der's wagte, ihn, den reichen Beekenmüller, öffentlich anzuklagen. Er hatte an sich gehalten, um dem Redner vorhin nicht in» Wort zu fallen, und das war nur die Wiederholung der Klage, aber was sollte nun kommen? Der Ellernbauer sah nicht den drohenden Ausdruck in dem Gesicht des Müllers, er wollte nicht aufsehen, es mußte heraus. „Herr Amtsrichter", Hub er an. „Jedem sein Recht! Ich weiß wohl, daß es das Recht des Wassermüllers ist, das Wasser auf- und abzustauen, daß er dafür die Beek rein halten Eß und das Mehl uns um ein Zehntel Schäffel billiger gibt! Tas ist alles Recht und ist auch billig, ist von jeher sv gewesen, sein Bater und Großvater habens nie gemißbraucht. Ich habe zwanzig Jahre auf dem Ellernhof gewirtschaftet, das Wasser ist mit jedem Jahre gestiegen, und woher kommt das? Weil die Beek seit zehn Jahren nicht gekrautet ist, wies ihr zukommt. So wild und reißend ist sie früher nie gewesen. Der Strom will sein Bett, wie alles Ding seinen rechten Platz haben will, oder es richtet Schaden an. In den letzten zehn Jahren hat die Beek zwei Fuß Ufer mir weggerissen von meinem Grund und Boden. Ich wollt' auch die missen, wenn ich nur mein Gras in den Wiesen ernten könnte; denn davon leb' ich Was habe ich von den Wiesen, wenn das Wasser mir das Heu wegtreibt in den Nächten?" Ter Beekenmüller wollte auffahren, — aber der Richter wehrte ihm. „Ja, Herr Amtsrichter, in den Nächten, sagte ich und ich wiederhol's. Wer den Tag bei seiner Arbeit fürchtet und sein Licht auf seinen Wegen, der hat keinen rechten Weg eingeschlagen!" Ter Ellernbauer holte aüS, als ginge ihm der Atem aus, und dann stieß er hervor: ,Zch habe den Beekenmüller in der Nacht selbst gesehen, al» er daO Stau aufgezogen, am andern Tag war » Wasser auf den Wiesen, wie alle Morgen in der letzten Nachwahl!" Ter Beekenmüller stieß einen Wutschrei aus „Ta» ist nicht wahr, Herr Amtsrichter! Da» lügt er, in der Nacht kann nur das Raubzeug seh'«, der Mensch nicht — und" — der Richter hatte Mühe, den Zorn de» Müller» zu steuern. „Johann Felten, Sie haben das Wort, — wie und woran haben Sie den Beetenmüller erkannt in der Dunkelheit? Können Sie Ihre Aussage eidlich erhärten?" Der Ellernbauer hatte die schwielige Hand vor'» Ge sicht gelegt, in dem es furchtbar arbeitete. Jetzt ächzte er auf bei der Frage des Richter». ,Lch soll einen heiligen Eid darauf ablegey, ob» Wirtz» lich der Beekenmüller gewesen ist, den ich gesehen habe. Sein Gesicht habe ich nicht sehen können, seine Gestalt ists gewesen, und ich Hab s gefühlt, daß er » sein mutzte. Tas Wasser ist gleich gestiegen, wie er fort war, da» ist mir genug!" Der Ellernbauer stieß eS heraus, hastig hei ser. Er war aschfahl geworden, und zitterte am ganzen Leibe, sich den kalten Schweiß von der Stirne wischend, fuhr er fort: „Nein, Herr Richter, beschwören könnt' ich'» nur, wenn ich kein Gewissen hätt, aber ich will» nicht, und wenn ich auch mein Lebtag glauben werd, daß er'» ge wesen ist! Wenn ich drum den Prozeß verlöre und ein armer Mann würde, die Beet mir den Ellernhof weg schwemmte, auf dem ich groß geworden, st> müßt ich» lei den, denn ein Meineidiger will ich doch drum nicht werden!" Kraftlos war er auf die Bank gesunken, den grauen Kopf gegen die Schulter der Tochter legend. Sie beugte sich ängstlich über ihn, die Tränen standen ihr in de« großen, grauen Augen. « „Laß nur, Anna! Zu Ende geht» noch nicht mit mir. Der Mensch muß manchen Stotz aushalten; selbst wen»'» einem das Herz fast abstößt, muß man stille sein. Wein' nicht, Anna!" . Er hörte den Verteidiger sprechen, und was der ihm haarscharf und klar widerlegte, — aber er verstand de« Sinn nicht, — ihm schwindelte. Nur al» der Beeken müller aufstand und auf seine AMage hin sich verteidige« wollte, da horchte er auf. „Herr Amtsrichter, verehrliche Zeugen, ich frage, ob ein Mann in meinen Jahren nacht» einem Jungenstreich nachgeht, denn mir bringtsj keinen Nutze», was dem Lllern- Hof Schaden bringt. Ich habe Wasser genug auf der Mühle und an Nahrung fehlts ihr auch nicht. Wie sollt ich sonst darauf kommen? In der Nacht ist ein ordent licher Mann müde nach der Arbeit, die Ruhe und de« Schlaf läßt man sich nicht nehmen, — die besten Jahre habe ich auch hinter mir! Reden ist nicht meine Sache, das überlasse ich meinem Vvrsprecher!" Der nahm hierauf wieder da» Wort, uud er wußte es zu führen, jedes Motto, jede Möglichkeit zu erschöpfen; — aber es läßt sich eben alles erschöpfen, so trat eine Pause ein, denn auch die Zeugen hatten ihr Gutachten abgegeben. Es war ein beängstigendes Schweigen bi» der Richter wieder das Wort ergriff. „Müller Friedrich Haller, ich frage Sie, ob Sie sich' von jeder Verdächtigung der Anklage de» Ellernbauern reinigen wollen und können durch einen Eid, — wodurch Sie jeder Verdächtigung die Spitze abbrechen?" Einer durste zum Eide zugelassen werden, der Ellern bauer hatte ihn verweigert; — schwur ihn der Müller, dann hatte er den Prozeß gewonnen, wenn nicht, wider rief er seine Verteidigung, eS war zu spät! Eine unheimliche Stille entstarch. Anna Felten sah mit großen, bangen Augen tzuas
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