02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.11.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-22
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021122029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902112202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902112202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-11
- Tag1902-11-22
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Abend-Ausgabe Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Jahrgang Tonnabend den 22. November 1902. Str. 585 I 80,10 ! 86« Feuilleton l«) 017x Er war dem Gc- alles er ¬ lös« 87,78 68.« 7L7S SIAS iso« 88« 88.70 iss,so 81.— Hauvt-Filiale Serlin: KürUggrützer Straße l lS. Fenljprrcher Amt VI Sr. S3SL. Haupt-Filiale VresLe«: Sttehlruer Straße 6. Fenrsprecher Amt I Nr. I71S. umfaßt. In den evangelischen Gemeinden Augsburger Be kenntnisses wirken heuie 245, in den Gemeinden helvetischen Bekenntnisses 115, zusammen also 360 Geistliche. Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung ^il 60.—, m»t Postbesürderung 70.—» Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RcdaktionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Famtliennach« richte» (6 gespalten) K0 H. Tabellarischer nud Zifferulap entsprechen»» hoher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertrnannahmr L5 H (rxcl. Porto). !. kZ»V>- riedarL Nedaktion und Ervedition: JvhanntSgaffe 8. Fernsprecher tkS und 222. FUtalevpadtti»««, r Alfred Hahn. Buchhaodlg, UuwersttLttstr.8, 8. Uösche, «athartuenstr. 14, u. KüatgSpl. 7. die edle Fran der Mittelpunkt und die Seele des Hauseö mar. Der tz-atte und alle sprachen von ihr wie von einer Heiligen. Erna war von den Aufregungen der vergangenen Tage sehr angegriffen. Sie sah blaß und müde aus, trotz des hochroten Florkleidcs, welches sic trug. Ihre Aehnlichteir mit der Gräfin erregte bei ihrem Eintritt Sensation. Sie selbst sand sic heraus, als man ihr Ingendbilder der Lan- tvwa vorlcgtc. Später aber konnte sie ihrs geistige uns körperliche Abspannung nicht mehr verhehlen. Sie faß stumm und bleich da, bis die „Tjotja tTantc) Vitn", wie sie allgemein genannt wurde, energisch zum Ausbruch drängte. Sic brachte ihre Gäste selbst in die Fremden zimmer, half ihnen beim Entkleiden und bullte sie sorg lich ein, jede aus beide Wangen küssend, ehe sie fortciltc. Durch eine Spalte im Vorhang drang der Sonnen schein bis auf Ernas Lager und weckre sie auf. Sie richtete sich auf und rieb schlaftrunken die Augen. Drunten auf dem Wtrtschastshvs läutete eine leite Glocke. Tas Morgenfrühe, dumpfe Brüllen der Kühe drang, mit Hunde gebell untermischt, bis hinauf. Leise erhob sie sich und kleidete sich in ein leichtes, hellgrünes Zeptmrktcia, das sie sich noch in Paris angeschasfl hatte. Ein einfacher Steh kragen und ein Gürtel von schwarzem Sann hob das einfache Gewand und machte cs kleidsam. Tatjana schlic' nebenan noch fest. Vorsichtig klinkte Erna die Tür ans, nahm ein Tuch über den Arm und eilte über den Korridor, dann treppab vor das Schloß. Richt bekannt mit der Lage deS stattlichen, von zwei runden Türmen flankierten Ge bäudes, geriet sic in den gepflegte» Park, der sich bis zum Meere binstreckte. Von unwiderstehlichem Verlangen ge trieben, wanderte sic zum User hinab. Tie Vögel jubi lierten. Der Wind rauschte im Laube. Es war ein kösi licher, frischer Sonunermvrgcn, durchwürzr von einem salzigen Secbauch und Llumcndüstcn. Eine Lteinballustrade schloß die letzte Terrasse gegen den Strand hin ab. Erna hastete durch den weichen Sand der Dünen und deS Strandes bis zum Wasser, das nur in leichten Wogen kämmen bcranrauschtc und leise zerstob. Sie warf sich auf den Boden und starrte hinaus, biü die blendende Sonne ihre Augen zum Schließen zwang. Sic atmete tief und lange. Wie das Wohltat, ah! Eine Hoffnung von Glück, eine süße Ahnung vou kommender Erfüllung durch drang das Mädchen. Hierher mußte Ludwig Antvk eilen, vou hier mußte er sich die Geliebte holen, und jauchzend wollte sie sich in seine Arme werfen. Jetzt spürte sie, daß kv" u- 0 in ki««' e" ir kttzst ,»W ok Vo«-, w 10, 1170 1000 820 Isvrt-r kokten- io 27. 8. NE Ulö0 8 tu, I61>0 cUücl- ., Ä7c> 8. »0. 30 8. L 2^0 6.,, Tie evangelische Kirche in Oesterreich. Nicht unbeträchtlich ist das Wachstum der evangelischen Kirche in Oesterreich in den letzten 20 Iabren gewesen. Jin Iabre 1880 zählte man 390 530, im Iabre 1890 436 720, im Jahre 1900 aber 494 567 Evangelische. Bon den im Jahre 1900 erni'ilcllcn Evangelischen waren 365 454 Lutheraner, 128 557 Reformierte und 556 Herrnhuter. Außerdem gab es noch 1104 Anglikaner und 4l8 Mcnnoniten. Aus die einzelnen Kionländer vert-ilcn sich die Evangelischen in folgender Weise: Niederösterrcich 6.5 465 (davon 58 052 Lutheraner, 7408 Refor mierte und 5Herrnhuter),Ove,Österreich 18373,Salzbuig 1284, Steiermart 13 159, Kärnten 20 383, Kcain 414, Triest und Gebiet 1804, Gor; und Giaviska 354, Istrien 477, Tirol 3232, Vorarlberg 1535, Böhmen 145 141 (davon 72922 Lutheraner, 71 736 Reformierte und 483 Herrnbulei), Mähren 64 418 Z26 605 Lutheraner, 37 760 Reiormierle und 53 Herrnhuter), Schlesien 91 747, Galizien 45 331 (40 004 Lurberaner und 5327 Reformierte), Bukowina 19 273 und Dalmatien 182. Zn Wien allem lebten 1900 54 369 Evngelüibe, in Wiener Neustadt 1003, in Lmz I63l, in Salzburg 901, in Graz 3958, in Klagenfurt 760, in Laiback 236, in Triest 1792, in Gvrz 221, in Innsbruck 489, in Prag 3771, in Rcichenbcrg 1224, m Brunn 2467, in Iglau 252, in Olmütz 319, in Troppau 782, in Bielitz 4662, in Lemberg 2833, IN Czernowitz 3547. Sehr ansehn liche evangelische Gemeinden gibt cs ferner in Noidböhmen, zum Beispiel in Asch, Roßbach, Neuberg, Eger, Fleißen, Karlsbad, Komotau, Brüx, Teplitz, Turn, Dux, Kloster grab, Karbitz, Aussig, Bodenbach-Telsche», Rumburg, WarnSdors, Friedland, Gablonz, im tschechischen Sprach gebiete Böhmens und Mä renS, im polnischen Sprach gebiete Schlesiens (Uüron, Wechsel, Bystiitz, Tcschen, Kameral- Ellgoth), in einigen Dörfern Oderösterreiche, Steieima ks und Kärntens. Enclich sind auch die zahlreichen deutschen Kolonien in Galizien und der Bukowina zu evangelisch. Infolge ccr naiürlichen Vermehrung und zahlreichen Uebertrille ist die evangelische Kirche Oesterreichs seil Ende 1900 um weitere 20 000 Srelen gewachsen, so daß sie heute 515 000 Seelen Tie katholische Fakultät in Straßburg. Mit der Meldung, daß demnächst die Perjonalsragen be treffs der katholisch-theologischen Faknliät in Straßburg ent- sch cven werben sollen, trifft eine Mitteilung zusammen, der zniolge die pb>losophi,che Faluität der Straßburger U ilversität zum Ersatz für den nach Heidelberg berufnen Pioicssor Windelbanv einen katholischen Gelehrten, Prvlejsor Bäumker in Bonn, neben dem protestantischen Plosestvr Eucken in Jena vorgeschlagen hat. Die „Germania" ist mit diesen Vorschlägen sehr zufrieden; sie bezeichnet Bäumker alS „einen hochangeiebeucn gläubigen Katholiken" und Eucken als „einen der Vorurteiles-eieslen, auch katholisches Leben nach besten Kiäficu würdigenden Protestanten." Somit iß jedenfalls erwieien, daß die Stiaßbuiger philosophische Fa- kuliät, der anläßlich der Affäre Spahn so heftige Borwü-se gemacht wurden, obgleich sie auch damals einen kat.wlischen Gelehrten, nur eben nicht Herrn Spabn, auf die Vvrlchlags- liste gesetzt hatte, durchaus vorurteilslos verfahren hat; neben dem in Slraßbrng verbleibenden liberalen Lek»er der Philosophie, Prof-ssor Th. Ziegler, will sie zur Ausfüllung der entstandenen Vakanz einen Dozenten berufen scheu, der sogar den Beifall der „Germania" bat. Dieies Blatt bebt weiter hervor, daß die Fakultät bei dieser ihrer Enttcbeidung keinerlei Rücksicht zu nehmen balle auf die zukünftige katholisch-theologische Fakultät; man wisse noch nicht, ob ihre Errichtung zur Folge haben werde, daß eine der beiden philosophischen Prosissuren jederzeit einen Katho liken zum Inhaber haben mug — heiße es doch, daß im Rahmen der theologischen Fakultät selber eine katholisch- philosophische Professur geschaffen werden solle, die unter dem Einflüsse des Bischofs mit einem Theologen zu besetzen sei. „Unter dem Einflug des Bischofs" — bas teilet zu de> Fiage, wie der Einfluß der kirchlichen Oberen auf die Be setzung der Projessnren der katboloch-theologischen Fakuliäl geualiet werden soll. Es ist >chon früher bargelcgt worden, baß hauptsächlich hiervon die Beurteilung vieler Schöpfung abbängen wird. Selbstverständlich kann katholische Theologie heutzulaze nur von Proiessoren gelehrt werden, die für ihre Lebie die Billigung der Hierarchie besitzen: ein an derer Professor würbe keinen Studenten der katholischen ihn fallen und stimmte in der Hoffnung, daß die ver bündeten Regierungen für den Antrag Tri mb orn am Ende doch zu haben sein würden, für diesen Antrag, der dann auch mit 143 gegen 106 Stimmen angenommen wurde. Ob das bereiiS em Resultat der bisherigen Verstand igungö- veriucke ist? Jedenfalls beweist eS, daß vaS Zentrum in nachgiebiger Stimmung sich befindet. Uno jedenfalls werden die Versuche fortgesetzt. Wie verlautet, haben gestern die Konservativen, die Reichspartei, die National liberalen und das Zentrum Fraklionssitznngen ab gebalten, die außer Besprechungen über den Inhalt einer Verständigung die Wahl von Delegierten zum Zwecke halten, denen die Aufgabe zusalle» soll, in Koiiscrenzen mit dem Reichskanzler die 'Angelegen beit Weiler zu betreiben. Von den Konseroanven sind als Vertreter bezeichnet worden die Herren v. Normann und Graf Limburg-Stirum, von der Neich.'paltei die Herren von Kardorfs und Stockmann. Die Zentrumsslaklion und die Nationalliberalen haben noch keinc Mitglieder zu dem bezeichneten Zwecke gewählt; ihre Besprechungen haben nur Fiagen gegolten, die nächster Tage in den Plcnarbera- tuugen zur Sprache kommen. 188,10 118,10 IV4« 43.— 127.75 IIS.— 118« IS.— 188,80 85.60 I4S.7S loo.so 83.78 4480 117« 117« 170,— 140.— 188« 180,— 118,78 8440 128.— 178,— SSI,— 78.75 IIS« 167« ISO.— 73« 178.28 W e» — I SV.SL 'tMgcr TligMM Anzeiger. Änttsölatt des Höttigkichen Land- und des Äönigkiche« Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Nolizei-Ämleo der Ltadt Leipzig. SIS« 88 45 , 216,70 l» 80« 16S.40 6S.7K «0.60 334.78 1,3.78 168,— 173« 16S.78 87.60 88,78 88« dsrtotrL» 8»oLso -ckosrris er. >. Köder. 22. !ko- 3,01 8« 6,47 7,— 8,18 7,IS 6>- 487 16.18 Ännahmeschluß für Irrigen: Abeud-AuSgab«: Lormittog» 10 Uhr. Morgeü-ÄuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stets an dl« Expedition zu richte». Die Expeditio» ist wochentags ununterbrochen geöffnet vou früh 8 btS abends 7 Uhr. Haß gegen den Besitz, gegen Schönheit und Glanz empor. Ihr verdüstertes Gemüt mar für revolutionäre Ideen vor bereitet und nur zu empfänglich. Darum wirkte der Fana tiker PrzemSky vom ersten Tage auf sie ein. Borts sprach ilir niemals vou Liebe und behauptete, ihr Acußeres nicht zu bemerken. Sic war ihm Kamerad und begeisterte Schülerin. Sie wurde sein unbedingtes Werkzeug. Ihr Geld, ihre Schmucksachcn flössen in die allgemeine Kusse. Ohne daß sie recht wußte, wie eS geschah, wurde sic zur Spionin. Sic erzählte alles, was sie in ihren Kreiieu hörte, wieder. Es schmeichelte ihr, Mittelpunkt und Gebende zu sein. Ans seinen Befehl hätte sie freudig selbst die verhängnisvolle Bombe geschleudert. Der letzte Abend auf Wassili Ostrom, die schwer er kämpfte Anwesenheit dort, außerdem der Kampf im Halb dunkel, die Schüsse, der erschossene Bundeöbrudcr, der sich so gesmictt als der Vetter ihres Vaters anfgespiclt, das alles hatte furchtbar auf sic gewirkt. Das junge Mädchen, noch vor kurzem fanatisierte Nihilistin, war jetzt nur nv.h ein lebensmüdes, bebendes Kind. Tatiana zitterte vor Sehnsucht, allem zu entsagen und in das Kloster zu flüchten. Erna Bolmann war klug genug, ihr nicht zu wider sprechen. Sie ließ Tatiana sich erleichtern und drang nur auf baldige Abreise zur Gräfin Lantvwa, die ihre Auf forderung wiederholt hatte. Acht Tage später reisten die beiden jungen Mädchen in Begleitung einer Zofe und deS Dieners Iwan nach Wi- borg ab. Dort stiegen sie um, fuhren bis zu einem kleinen Ort in der Nähe des Besitzes, von wo der gräfliche Reise- wagen sic abholte. Gegen abend kamen sie in Schloß Lan- toivko an und wurden in ihre Zimmer geführt. Erna betrachtete von ihrem Erker aus ergriffen den Sonnen untergang über dem blaugrün, dann opalfarben schillern den Meere. Zum Souper gerufen, fanden sie nur den Grafen Lau- tvw, das Urbild eines biederen Landwirtes, seine Schwester und seinen einzigen Sohn Viktor, einen be scheidenen Jüngling von siebzehn Jahren, mit seinem Er zieher anwesend. Ten Vorsitz bei der Mavl-cü fühlte Ludovika Lantow, die Scknvcster des Hausherrn. Tie Grä fin mußte sich entschuldigen lasse«. Sie war sehr leidend und lebte streng nach den Vorschriften des ArzteS. Seil geraumer Zeit war sie durch eine nervöse Lähmung der Füße an einen Rollstuhl gefesselt und hatte die Leitung der Wirtschaft der Schwägerin abgetreten. Obwohl sie nicht anwesend war, fühlten die Ankömmlinge Loch, daß Das Findelkind. Roman von Ernst Georgi). Nachdruck verboten. Ueberatl leuchteten Fackeln. Der lauge Herr staub auf recht. Ihm brachte man Meldungen. Neben ihm standen, von Schutzleuten gescsse.t, die Gefangenen. PoUzeisoldaten mit geladenem Revolver hielten Wacht. Eine bedeckte Ge stalt lag am Boden. Ter Anführer sprach mit Kola. Ein Polizist hielt eine Laterne hoch und leuchtete jeder der gebundenen Krauen ins Gesichl. Er erkannte Tatiana, die ohnmächtig zusammenbrach, als er sie anrcdetc. Erna trat neben sie. Zwei Männer trugen sie, während Erna und Kola neben ihr schritten, bis zu einem kleinen Wagen. Erna mußte sich zu ihr setzen. Mit diesem Gefährt ge langten sie bis zu der großen Nikolai-Brücke, wo ein statt licher Landauer ihrer wartete. Der Gras warf den Gen darmen sein Portemonnaie zu. Er stieg mit Erna ein. Die noch immer besinnungslose Komtesse wurde aus den Vordersitz gebettet und mit einer Decke umhüllt. Die Fahrt ging direkt nach Pawlowsk. „Gott fei Dank, gerettet!" rief Kola. „Morgen wollte die Närrin sich mit dem Polen trauen lassen. Dann wollte man sich in Dänemark treffen, und dort sollte von drei der Verschworenen das Attentat an unserem teuren Herrscherpaare zur Ausführung kommen. Heute sollte das Los die Mörder bestimmen." „Entsetzlich! Woher weiß man das?" „Aus den Papieren, die man gefunden, und ständniS der einen Studentin, die vor Angst zählte!" „Wer ist das Haupt der Verschwörung?" „Der Einarmige, ein polnischer Graf." „Hal man alle gefaßt?" „Bisher hat man leider PrzeivSky noch nicht, wie vom Erdboden verschlungen. — Schade!" „Und was wird aus den übrigen?" Kola seufzte unwillkürlich, ehe er antwortete: „Ich denke, sie kommen auf Lebenszeit in die sibirischen Berg werke!" Ihre Aufmerksamkeit wurde abgezogen, denn Tatiana regte sich. „Boris, wo bist du, mein Boris?" murmelte st» »irr. Theologie als Zuhörer haben. Mit dieser Tatsache hat man von vornherein rechnen müssen, wenn man es als einen Vor teil vom staatlichen Gesichtspunkte auS erachtete, daß die künftigen kaiholiichen Priester des Elsaß nicht mehr in einem bischöflichen „großen Seminar", sondern an der Universität Straßburg ihre wissenschaftliche Boibildung erdalten sollen. 'Aber auch bei voller Ancikennung jener Talsache kann der Einfluß einerseits des Staats, andericiis der Kirche aus die Anstellung der Proiessoren sehr verschieden geordnet sein. Es bleibt abzuwarten, wie dies für Straßburg geschehen ist. Die „Fikf-Ztg " schreibt, eS sei „so viel durckgcfickert, daß man mit einiger Sichcrbcit annebmen darf, nicht nur die Anstellung und auch die Absetzung (!) der katbolisch - theologischen Universitätslehrer in Straßburg werde in Zukunft mehr vom Straßburger Bischof abbängen, als von den staatlichen Behörden, sondern es werde der katholischen Kirche auch bei der Besetzung der Lehrstühle in den anderen Fatulläten ein bestimmender Einfluß eingeräumt werden". Ganz so wird cs ja hoffentlich nicht werden; aber leider ist die Be sorgnis nickt unbegründet, daß mit der katholischen Faknltäi der Straßburger Hochschule nicht nur ein unwissenschaftlicher Fremdköiper — nm mit der „Köln. Ztz." zu reden — cin- gesüak, sondern auch wenigstens dieser Fremdkörper fremdem Einflüsse mehr als deutschem zugänglich gemacht werden wird. Bezugs-Preis 1» d<» Horrpterpeditton oder den lm Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestelle» abgrholt: viertrljührlrch 4.KO, — zweimaliger täglicher Zustellung tu» Hau» » K.K0 Durch die Post bezogen für Deutschland u Oesterreich viertelfShrlich.4! S, für die übrige» Länder lautZeitung-prei-listr. Erna ergriff ihre Hände. „Mut, Tatiana Nikolajewna, Sie und Boris Przewst» sind gerettet. Er ist entkommen!" Die Komtesse sing an zu zittern. Die Besinnung tum ihr wieder. Frostschauer machten ihre Zähne aufeinander schlagen. Dann weinte sie krampfhaft, sprach aber kern Wort mehr. Sic duldete, daß Eina sie umschlang und warm ciuwictclte. Mit der Kraft zum Widerstande war es vorbei. Tief i« der Nacht kamen sie in der Datsche au. Tie Scherojeiv war allein zurückgckchrt. Tatianas und Ernas Verschwinden hatte alle alarmiert. Die ganze Diener schaft war wach. Trotzdem gelang cs Erna, die Komtesse in ihr Zimmer zu bringen, ohne daß man ihre Verkleidung bemerkte. Die vor der Oesfentlichkcit äußerst geheim gehaltenen Prozesse wurden noch in Petersburg geführt. Daun wur den die Verurteilten nach Sibirien verschickt und ver schwanden damit aus den Reihen der Menschheit. Tie Polizei forschte nach dem Aufenthalt eines der Hauptver- schwvrencn; aber der junge Pole Aoriü Przcwskl) schien von dem Erdboden verschwunden. Das tatkräftige Einschreiten des Grafen Kola Wvsakin, die „besiegelte" Diskretion der obersten Behörden wirkten Wunder. Keinc Seele erfuhr, daß Tatiana zu dem Bunde gehört hatte. Kein Verhör, kein Schritt der Untersuchung drang bis zu ihr. Tatiana verharrte zwei Tage in dumpfem Schweigen in ihrem Veite. Dann brach ihre Kraft, ihr mühsam auf recht gehaltener Troy zusammen. Wie ein hülflvses Kind klammerte sie sich an die junge Gesellschafterin. Ihr Ge heimnis, die Qualen der unausgesetzten Verstellungen lasteten auf ihr. Während der stundenlangen Wande rungen durch den Park offenbarte sie sich Erna Bolmaun. In heißem Mitgefühl lauschte diese der traurigen Ge schichte eines unterdrückten jungen Fraucnherzens. Voll Temperament und Liebessehnsucht war die junge Komtesse als häßliches Entlein von allen zurückgcstoßen worden. Zuerst von der enttäuschten Mutter, die sich des eigenen Kindes schämte und es im Kinderzinnner verborgen hielt. Dann, als das Kind zum Mädchen heranreifte und in die Gesellschaft cingesührt wurde, fühlte cs seine ab stoßende Unschönheit noch mehr. Die Gesellschaft mit ihren Glossen, die spürenden Augen, die Witzbolde verschonten das arme Geschöpf nicht. Tatiana wurde herb und un freundlich. Bon den Ihrigen mißtrauisch behandelt, verspottet und verachtet, lebte sie nun. Und in ihr keimte ein starker Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. November. Ein Schritt zur Verständigung2 Im Reichstage erwartete man gestern fast allgemein eine Ueberraschung, da — seltsamerweise — zu Beginn der Sitzung mlt ziemlicher Bestiiumlheit verlautete, die Ne gierung werde dem „Verwenvungsparagrapbeu", den die Kommission auf besonderes Betreiben des Zentrums nitt einer Stimme Mehrheit dem Zolltarisgesctzc ewgesügt bat, schließlich zustimmen. Dieser Z Na bestimmt bekannt ich, daß die auS den etböhten Lebensmittelzöllen zu erwartenden Mehreinnahmen thesauriert und für eine am l. Januar 19l0 ins Leben tretende Arbeiterwitwen- und Waisen versicherung verwendet werden sollen. Die Ueberraschung wurde aber ganz anderer Art, wie man erwartet halte. Ter Reicheschatzsekretär Frbr. v. Thielmann trat entichieden gegen den Kommissionsbeschluß auf und südrte u. a. aus, eS sei unmöglich, eine Witwen- unv Waisenvcrsicherung, die auch von der Regierung angestrebt werde, auf schwankenden Ein nahmen zu begründen, deren wirkliche Höbe niemand berechnen könne. Er erinnerte in diesem Zusammenbang an die Un annehmbarkeit der bisher gesüßten Minimalzollbeschlüsse und bezeichnete eine Witwen- uns Walsenversicherung ol>»e Beiträge der Arbeitgeber und Arbeiter als undurchführbar. Der Reichs- schatzsekreiär kündigte ferner an, baß das Reichsbudget, bas er nach Weihnachten vorzulegen babe, ein Defizit von 150 Milllionen Mark aufweisen werde. Es sei widersinnig, in einem Augenblick, wo man für Deckung eines solchen Fehlbetrages zu sorgen babe, über zniünstige, in ihrer Höhe unsichere Ein nahmen verfügen zu wollen. DaS Defizit werbe hoffentlich kein ständiges werden, aber eventuell würben Bier uno Tabal zu erhöhten Abgaben herangezogen werben müssen. Nock ichärfer gegen bie gesetzliche Feplegung der Verpflichtungen des § Ila erklärte sich namens der bayenschen Regie rung und einer Reibe anderer Bundesstaaten der bnye- rische BundeSratrbevollinächtigte Frbr. v. Stengel, ter davor warnte, sich den Volksmassen gegenüber in Ver sprechungen festzulegen, von denen kein Mensch wisse, ob unv waun sie eingelöst werden könnten. Wenn der Hauptzweck der Vorlegung des ZoUtariscntwurjs, die Hebung der heinn- zchen Landwirtschaft, er,eicht werde, müßten ja ohnehin die Mehrerträge aus den Lebensmittelzöllen bald wieder zurück gehen. tz lla schränke auch bas Budgetrecht des Reichstages ein. Nicht ganz so entschieden aber lprachen sich die beiden RegierungSvertreter gegen den Antrag Trim vorn, durch den der Kommissionsbeschluß dahin eingeschränkt wirb, baß die Mehrerträge aus den Zöllen für Gerste und Hafer und ein der Vermebrung der Bevölkerung ent- Iprechender Prozentsatz der Mehrerträge aus den LebenS- miltelzöllen von der Verwendung für die Witwen- und Waiseri- versicherung ausgeschlossen sein jollen, und gegen den schon mehrfach erwähnten Antrag Rettich, die verbündeten Re gier ungea durch eine Resolution auszuforbern, einen Teil der zu e»hoffenden Mehreinnahmen zu einer Witwen- und Waisen versicherung bcizusteuern, auS. Nachdem nun über diese drei Anklage — Kommission, Trimborn und Rettich — sowie über ewige andere längere Zeil debattiert worben war, kam wirklich eine große Ucderrajchunz: sür den Kommissions beschluß, den vom Zentium eingefügten H üa, erhoben sich nur die Sozialdemokraten; das Zentrum ließ Bricswechscl zwischen Chamberlain und Botha. In dem gestern veiöffentlichten Brief au Botha schreibt Chamberlain: Die Ausgaben für die Konzentrations lager, welche seit dem Friedensschlüsse in großem Umfange zu Organisalionen umgewandelt sind, die den Boeren die Rückkehr in die Heimat ei möglichen sollen, und deren Koste» ml Betrage von 200 000 Plunb monatlich von Len NeickS- bcbörden getragen werden, stellen eine sehr ansehnliche Er höhung der bewilligten Urterstützungssummc dar. Tic Kosten für die Konzentrationslager betragen seit ihrer Errichtung über 3 Millionen Pfund Sterling. Ver nünftiger Weise düife man nicht daran zweifeln, daß da durch nur das Leben von Tausenden von Frauen und Kindern erhalten werden solle. Bezüglich BolbaS Klage, daß die Konzentrationslager noch immer beibehaltcn würbe», erwidert Chamberlain, wenn man nur die erforderlichen Kosten berücksichiige, liege eS im Interesse der Regierung, diese Lager abzujchaffen; sie würden nur aus Gründen ter Menschlichkeit bcibehalten. Niemand beklage mehr alö die englische Regierung die hohe Sterblichkeit in de» Lager» infolge von Masern und Lungenentzündung, eS sei aber kein Mittel, das Geld und Wissenschaft bieten konnte, gespart worden, um die Sterblichkeit herabzusetzen. Chamberlain erwähnt sodann, daß große Summen aus Transvaal von der Republik während des Krieges nach Europa geschickt seien, und sagt, die Regierung wünsche nicht die Frage aufzurollen, wie das Geld ausgegebcn sei, soweit eS rechtmäßig verwendet sei, aber zweifellos sei ei» großer Ueberschuß vorbanden, der berechtigter Weise der Reichsregierung als der Nachfolgerin der früheren Republik zukomme und den sie dem UllterstützungsiondS binzusügen möchte. Er, Chamberlain, hoffe, daß Botha ibn darin unterstützen werbe, die Personen ausfindig zu machen, denen das Geld anvertraut wo, den sei, und von ihnen eine Aus stellung über die Verwendung und den vorhandenen Ueber- sckuß zu erlangen, da die Kolonialregierung ihrerseits im vollen Umfange die Veraniwortlichkeit für die Unter haltung mittelloser Waisen einschließlich der Erziehung übernehme. Chamberlain gibt zu, daß eine große Anzahl von Farmen zerstört sei; die Verluste seien aber weil übertrieben. Die Regierung hoffe aufrichtig, daß diecifrigen Bemühungen der lokalen Regierungen.unlerstützl burck die Mitarbeiterschaft deS Volkes, einen nicht geringeren Wohlstand Herstellen werden als vor dem Kriege. — Botha richtete daraus am l2. November an Chamberlain ein Antwortschreiben, in welchem er ausführt, bis zu der Rede Chamberlains vom 5. November hätten die Boeren immer angenommen, die drei Millionen seien zu einer teil weisen Entschädigung für Kriegövrrluste bestimmt; VaS sei auch MilnerS 'Anschauung gewesen, wie aus dessen Depesche vom 1l. Juni hervorgehe, und unter die,en Umständen lei der Aufruf der Generale veröffentlicht worden. Botha erwähnt dann m feinem Antwortschreiben die Er klärung Chamberlains, die Bewilligung der drei Millionen siehe ohne Beispiel in der Geichickte da, und sagt, auch alle anveren Umstände hätten kein Beispiel in der Geschichte. Die Hergabe der drei Millionen sei eine der Bedingunge n sür die Niederlegung der Waffen gewesen. Bon nach Europa geschickten Geldbeträgen sei ihm — Botha — »o/Lndr »rdotso., l s vrrsk h 87« sl — 0l 3100 1SSO0 ol — — «tv o »3000 ttbOOO 0 — 0I3V7S 0 12180 0 3825 I 2300 4100 0 550 S- 1350 2425 0 785 l 1180 iS 2378 iO 1370 016300 SSO '8; 300 I —E 4600 ick 3875 >0 — >O 3400 X) 225 18280 wj 4<x) X>! — w — 8300 io! 1800 I IO iv 230 iO —
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