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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.09.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-04
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030904019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903090401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903090401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-04
- Monat1903-09
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Bezugs. Preis i« der Hauptrxpedition oder deren Ausgabe stellen abgeholt: vterteltLhrltch 6.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau« S.7K. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich ^l 4.50, für dt« übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. Redaktion und Expedition: Iohannt-gaffe 8. Fernsprecher 153 und 222. Filialeupeditionen r Alfred Hahn, Buchhaudlg., Untversitätsstr.S, 8. Lösch«, Kathartnenstr. ». küaigSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 34. Fernsprecher Amt l Nr. 1718. Haupt-Filiale Serlin: Earl vuncker, Herzgl. Bayr. Hosbuchhaudlg„ Lützowstraße 10. Fernsprecher Amt VI Nr. 4603. Morgen-Ausgabe. WpMtr TiMblalt Anzeiger. Amts Klatt des Königlichen Land- nnd -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und des Volizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen.PreiS die Sgespaltene Petitzetle SV H. Reklame» unter dem Redaktion«strich (4gespallen) 75 vor den FamUieauach- richten («gespalten) 5V L». Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren stir Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), uur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrförderung ^l SO.—, mit Postbesörderuug 70.—. Äuuahmrschluß für Anzeige«: Abeud-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen stad stet« au die Expedition zu richten. Di» Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. E. Freitag den 4. September 1903. 97. Jahrgang. Die teilweise Arbeitsfähigkeit und die Krankenkassen. Dr. I'. Mit schwankenden, ineinanberfließenden Krank« heitSbildern und Funkttonsveränderungen hat es die medizinische Wissenschaft zu tun, mit bestimmten sestum- rtssenen Begriffen Rechtswissenschaft und Gesetzgebung. Krankheit und Gesundheit sind keine streng von einander geschiedenen Dinge, auch die Krankheit ist nichts anderes als ein Leben unter veränderten Bedingungen; wo die Grenze liegt zwischen normalen und krankhaften Ab weichungen von der Gleichgewichtslage, darüber können im Etnzelfalle die kompetentesten Beurteiler verschiedener Meinung sein. Go ergibt sich denn von selbst ein Gebiet von Grenzzuständen, die weder völlige Gesundheit, noch auch Krankheit im gewöhnlichen Sinne deS Wortes sind und der Beurteilung namentlich dann große Schwierig keiten bieten, wenn rechtliche Fragen zu entscheiden sind. Eine Verständigung der beiden, ihrem ganzen Wesen nach grundverschiedenen Disziplinen wäre unmöglich, wenn man nicht zu Kompromissen sich bereit fände; der sachver ständige Arzt muß sich bemühen, die Ergebnisse seiner Be obachtungen so zu gruppieren, daß es möglich wird, die Tatsachen einem bestimmten rechtlichen Begriffe unterzu ordnen, und dem Juristen darf die medizinische Wissen schaft nicht so fremd sein, baß er es nicht verstünde, wie es manchmal, ohne den Tatsachen Gewalt anzutun, unmöglich ist, eine scharfe Scheidung nach rechtlichen Grundsätzen dnrchzuftthren. Die größten Schwierigkeiten bieten diese Unvollkommenheiten alles menschlichen Wissens namcnt- lich bei streitigen geistigenZuständen; nicht minder bedeut sam sind sie in der Unfallrechtspflege, wo eine exakte, zahlenmäßige Abschätzung des Schadens verlangt wird und endlich in der Praxis der Krankenversicherung, die nur zwei Kategorien von Erkrankten, Arbeitsfähige und nicht Arbeitsfähige, kennt. Wenn ein von schwerer Krankheit Genesener in der Rekonvaleszenz allmählich die geschwundenen Kräfte wiederkehren fühlt, so wird er sich gleichwohl nicht sofort wieder mit aller Wucht in die Arbeit stürzen, sondern ganz allmählich Geist und Körper an die Anforderungen deS Berufes zu gewöhnen suchen; er wird zunächst nicht mehr und nicht länger arbeiten, als sein subjektives Em pfinden ihm anrät und dieses langsame, vorsichtige Wieder eintreten in die Berufsarbeit erscheint für die Mederge- winnung der vollen Arbeitskraft von hoher Bedeutung. Bei den Versicherungspflichtigen ist der Arzt bisher nicht in -er Lage, in ähnlicher Weise diese heilsame Wiederge wöhnung an die Arbeit durchzuführen. Das Gesetz kennt, wie gesagt, nur Arbeitsfähige und nicht Arbeitsfähige. Wenn der Kranke in die Rekonvaleszenz eingetreten ist und wieder leistungsfähig zu werden beginnt, dann ist eS notwendig, schon damit er nicht allzulange der Berufs tätigkeit entwöhnt wirb, ihn wieder arbeiten zu lassen. Das ist aber, wie die Dinge heute liegen, nicht ander- möglich, als indem man ihn „gesund schreibt", d. h. als arbeitsfähig meldet. Vielleicht in der Mehrzahl aller schwerer verlausenden Krankheitsfälle bedeutet bas einen empfindlichen Mangel. Wie die gesamte körperliche und geistige Diät, so möchte man auch die Arbeit in strenger Individualisierung gena.u dosieren und bas Matz der Leistungsfähigkeit unter den gewohnten Arbeitsvcrhältnissen erproben, die Aufgaben allmählich schwieriger gestalten, bis der Rekonvaleszent nicht allein Körpcrkraft und Gewandtheit, sondern, was nicht weniger wichtig, auch baS alte Selbstvertrauen wiebergewonnen hat. Das ist heute leider fast unmöglich. Die geringste Arbeit, sei es auch nur im Haushalt, die der Rekonvalens- zcnt probeweise übernimmt, setzt ihn der Gefahr auS, wegen Berstotzes gegen die statutarischen Bestimmungen der Krankenrenten verlustig zu gehen; gute Freunde und ge- treue Nachbarn sind gewöhnlich rasch bet der Hand, die Sache aufzubauschen und den Missetäter zu denunzieren, und wenn eS dem Arzt auch gelingt, den Kaflmvorstand davon zu überzeugen, datz in gewissen Fällen mässige Ar beit nicht als ordnungswidrige- Verhalten, sondern alS' Anwendung eines Heilmittels zu betrachten ist, so sind solche Vorkommnisse doch so ärgerlich und zeitraubend, datz man sie, wo irgend möglich, zu vermeiden sm-i. Aber selbst wenn man diese Unannehmlichkeiten mit in Kauf nimmt, so sind doch die geringfügigen Arbeiten im Haus halt nicht das Richtige, sie genügen nicht um die Wider- stanbSkrast zu erproben und den Rekonvaleszenten a l l« mählich zu höheren Leistungen erstarken zu lassen. Eine ärztliche Dosierung der angemessenen Arbeitsleistung wäre aber eben nur möglich, wenn entsprechende Bestim- mungen in -aS Gesetz ausgenommen würden. Ganz unabhängig von einander ktnd vor kurzem von zwei verschiedenen Seiten, von dem Nervenarzt Vr. Hoefl- maier in München und von dem Stuttgarter ärztlichen Vereine, Vorschläge in diesem Sinne gemacht worden, die im Prinzip« miteinander übereinstimmen. SS soll der Be griff der halben, oder wie Hoeflmaier will, der teilweisen Erwerbsfähigkeit in das KrankenversicherungSgesetz aus genommen werden. Hoeflmaier, von dem die detaillierten Vorschläge auSgehen, will die Arbeitsfähigkeit nicht etwa, wie es in der Unfallversicherung üblich ist, nach Prozenten der Leistungsfähigkeit bestimmt wissen, sondern einfach nach -er Länge der Arbeitsdaucr, nach der Zahl der zu gewährenden Arbeitsstunden. Jeder, der in der Kranken versicherung praktisch ntttzuarbeiten hat, wird -»geben, daß das ein außerordentlich glücklicher Gedanke ist, dessen Verwirklichung die Sache sehr einfach gestalten würdtz, Es wäre dem Arzt auf diese Weise sehr leicht gemacht, den Rekonvaleszenten ohne Ueberstürzung seinem Berufe wiederzugeben und den weiteren Verlauf der Genesung sorgfältig zu überwachen. Die Frage, welche damit aufgerollt wurde, ist keines wegs rein ärztlicher Natur, sie hat auch eine recht erheb liche volkswirtschaftliche Bedeutung. Die Schwierigkeit, den vorliegenden Krankheits- und Kräftezustand unter das Schema der gesetzlichen Bestimmungen zu bringen, nötigt den Arzt sehr häufig, die Arbeitsunfähigkeit länger zu bescheinigen, als sie streng genommen in absolutem Sinne besteht. Abgesehen von den vermutlich gering fügigen Summen, die so eigentlich überflüssiger Weise an Krankcnrenten ausgezahlt werden, müssen auch eine ganze Anzahl von Kranken durch das monatelange, untätige Hindämmern der Arbeit entfremdet werden; aus fleißigen, eifrigen Arbeitern werden träge, unlustige Men schen, denen nichts erwünschter ist, als wo möglich bald wieder in den Genuß einer Kranken- oder noch besser einer Unfallrente zu gelangen. Nicht weniger bedenklich sind die Folgen für den braven Arbeiter, der in der Sorge um seine Familie dem Arzt keine Ruhe läßt, bis er ihm die Wiederaufnahme der Arbeit gestattet. Die vorzeitige unzweckmäßige Uoberanstrengung rächt sich bei nicht sehr guter Widerstandskraft mit Rückfällen aller Art oder dauernder Schwächung der Konstitution. Namentlich bei Nervenkranken hat man in dieser Beziehung üble Er fahrungen gemacht; die vorn Arzt versuchsweise als ar beitsfähig bezeichneten konnnen oft schon nach kurzer Zeit wieder mit allen möglichen Klagen, sodaß sie nicht selten mit Unrecht in den Verdacht des Simulantentums ge raten. In anderen Fällen wirken die öfteren fehlge schlagenen Versuche, die Arbeit wieder aufzunehmen, der- art auf den Gemütszustand, datz bauernde Arbeitsun fähigkeit das Endresultat ist. Man hat sich in den letzten Jahren mit außerordent- lichem Kostenaufwand bemüht, -er Verbreitung der Tu berkulose Einhalt zu gebieten, man hat sich dabei aller dings beinahe ausschließlich von den herrschenden bakte riologischen Anschauungen leiten lassen und den dispo nierenden Momenten, der Erblichkeit, den konstitutio nellen Schwächezuständen nur wenig Beachtung geschenkt. Die Erfahrung der meisten ärztlichen Praktiker läßt aber keinen Zweifel darüber, daß die aus erblichen oder anderen Einflüssen hervorgegangene Schwächung der Widerstandskraft die Hauptsache ist bei dem Erwerb der Tuberkulose. Es ist nun gar nicht zweifelhaft, baß die vorzeitige Aufnahme der Arbeit nach schwächenden Krank heiten im Verein mit den anderen Schädlichkeiten, die den Arbeiter in der Rekonvaleszenz so häufig treffen, ein ge wichtiger Faktor ist, um die volle Genesung aufzuhalten oder eine sonst vielleicht überwundene Konstitutions schwäche zur dauernden zu machen. Man ist heute so eifrig bemüht, im Kampfe wider die Tuberkulose nichts unver- sucht zu lassen, man scheut vor keinem Opfer und keiner Mühe zurück; es wäre doch vor allem notwendig, die Wurzeln des UebelS aufzudccken, und zu ihnen gehört neben der unzureichenden Ernährung in Krankheiten und in der Rekonvaleszenz die allzuschnelle Uobernahme der Berufsarbeit in vollem Umfange. Durch ärztliche Rege lung dieses UebergangeS, durch langsame Wiebergewoh- nung an die Lasten und Unbilden des Berufe» würbe sich sicherlich so manches Leiden, da» schließlich mit völliger In- valtdität endet, imKeimeschon ersticken lassen. Dazu bedarf es nur der Einführung der teilweisen Arbeitsfähigkeit in baSBersicherungSwessn. Wenn einmal die gesetzliche Unter- läge gegeben ist, dann werben auch die Arbeitgeber schon im eigenen Interesse Mittel und Wege finden, um ihre Be triebe derart einzurichten, daß auch für die vorübergehend in ihrer Leistungsfähigkeit Beschränkten echsprechende Arbeitsgelegenheit geboten ist. Deutsche- Reich. * Leipzi», 8. September. Auf Antrag de« hiesiyea Ober staatsanwalt» und Beschluß de« hiesigen Amt«gencht« sind die Beilage d«r Nr. 200 der „Leipziger Volkszeitung' vom 81. August, da« Hauptblatt der Nr. 201 der „Alten burger Volkszeitung^ vom 1. September und die Bei lage der Nr. 208 der „Volkszeitung für da« Mulden tal' vom 3. September wegen einer der Wiener „Zeit" ent- nommenen Noti,, in der »ine Beleidigung de« deutschen Kaiser« enthalt«» sei» soll, polizeilich beschlagnahmt worden. Di« verantwortlichen Redakteur« der drei Zei tungen, die „Genossen" Lüttich, Hellmann und Schöpflin in Leipzig, wurden fest genommen. Die drei Blätter werden zum Teil aus demselben Satzmaterial hergestellt. Berlin, 3. September. (Die Jagd auf die „Ver räter' am RrichStaqSwablre cht.) Die verfehlten und unglücklichen literarischen Privatunternehmungeu der Herren Or. Giesebrecht und I)r. Fränkel lassen da« Gespenst einer „Verschwörung gegen daS allgemein« Reichstagswahlrecht' nicht ruhen. Jede rein akade mische Wahlrechts-Erörterung brandmarkt die sozial demokratische Presse als Attentat auf das Wahlrecht. Aber nicht bloß die Sozialdemokratie. Es gefallen sich liberale, weiter links stehende Blätter ebenfalls darin, die bösen Nationalliberalen als „Verräter' am Wahlrechte zu bezeichnen, weil die Giesebrechtsche und die Fränkelsche Sammelliste der Geldbeiträge einige Namen von national liberalen Männern aufwirS. Wie diese Listen entstehen, hat kürzlich Reichstagsabgeordneter l)r. Böttger in Abwehr deS mit seinem Namen getriebenen Mißbrauche« erörtert, ähnlich haben das auch die Herren Abg. Frhr. vonHeyl und Zuck sch werd t und der Generalsekretär Or. Zabel getan. Die wiederholten Erllärungen der nationalliberalen Fraktion und Partei, sowie in dielen Tagen die der nationalliberalen Jugendvereine sollten doch zum mindesten die linkslibe ralen Gruppen zur Einstellung der fruchtlosen Jagd auf die Nationalliberalen bewegen, oder, wenn sie dieser sportlichen Leidenschaft nicht widerstehen können, die eigenen Jagdgründe zu erforschen veranlassen. Angesichts unferer heftigen wirtschaftlichen Kämpfe und Gegensätze werden Vorschläge, wie dieser oder jener Erwerbsstand am nachdrücklichsten seine Vertretung im Reichstage finde, niemals verstummen. Aber diese Ziele beanspruchen alle mehr oder minder eine Reform des Reichstagswahlrechts, die auf Zusammensetzung deS Reichstags nach Berufs- nnd Eiwerbsständen hiuauSläuft. Ungemein interessant ist nach dieser Richtung ein im „Berliner Tageblatt' am 8. März erschienener Artikel über „Die Vertretung von Handel und Industrie im Parla ment". Er tritt in der Form einer Zuschrift an daS „Berliner Tageblatt' auf. Es wird darin geklagt, daß die Zahl der im Besitze von Reichstags- oder Landtags mandaten befindlichen Vertreter deS Handels und der In dustrie iu keinem Verhältnis stände zur Zadl der Vertreter der Landwirtschaft usw.; eS wird ferner daran erinnert, daß Deutschland beute keineswegs Agrarstaat, sondern in erster Linie Industriestaat sei. Ob dem jüngst begründeten „Bund der Kaufleute' das gelingen werde, waS jein Anti pode, der Bund der Landwirte, erreicht habe, sei indessen zweifelhaft und so dränge sich die Frage auf, ob sich nicht in anderer Weise dem anerkannten Uebelstande abdelseu lasse und ob r« nicht ein Mittel gebe, dem Handel und der In dustrie Mandate im Reichstage bezw. Landtage zu ver schaffen, deren Besitz nicht jedeSmal zu erkämpfen wäre, sondern ihnen gesetzmäßig zukäme. Ein solches Auskunft-- mittel sei in Oesterreich gefunden worden. Die in Oester reich bestehenden Handels- und Gewerbekammern hätten gesetzlich da« Recht, in die einzelnen Provinziallandtage wie in den Reichsrat Abgeordnete zu entsenden. Der Artikel führt dann fort, nachdem er die Bestimmungen der öster reichischen Gesetze ausführlich wiedergegeben hat: „Der deutsche Reichstag zählt 397 Mitglieder; Handelskammern gibt es im deutschen Reiche weitaus über 100; wenn es auch aus geschlossen erscheint, daß ähnliche Bestimmungen betteff« jeder Handel«- kammer möglich sind, so wäre es doch immerhin erwägenswert, ob nicht dem fühlbaren Mangel an Vertretern deS Handels und der Industrie im Reichstage dadurch abgeholfen werden könnte, daß den vereinigten Handels- und Gewerbekammern jeder Provinz je ein Mandat gesetzlich überlassen würde, welches gemeinsam von den der Provinz angehörigen Handelskammern einem ihrer Mitglieder übertragen werden könnte. Der Handel nnd die Industrie Deutschlands, die durch ihre Arbeit während der letzten Dezennien den Staat zu der wirtschaftlichen Be deutung rmporhoben, die Deutschland heut« etnnimmt, ihn in den Stand setzt, mit England und Amerika um die Hegemonie im Welthandel zu kämvfen, verdienen eine Anerkennnng ihre- Wirken«, und diese möge ihnen durch die Zuteilung von Reichstagsmandaten gegeben werden." Jene Zuschrift bezweckt also die Anregung auf bessere Vertretung d«S Handels und der Industrie auf Kosten de« jetzt bestehenden Reichstagswahlrecht«! Das „Berliner Tageblatt^ lehnte jene Vorschläge nicht prinzipiell ab, sondern begleitete sie mit folgender Bemerkung: Pj „Wir haben von dieser Anregung gern Kenntni« gegeben. Wer sie hat für di« nächsten Wahlen noch keine praktische Bedeutung. Einstweilen kommt e« darauf an, auf anderem Wege eine geeignete Vertretung von Handel und Industrie Im Parlament in Aussicht zu nehmen. Dann mögen diese Vertreter auch der Frage näher treten, ob eS sich empfiehlt und ob eS durchführbar erscheint, unsereu Handelskammern nach österreichischem Muster Eingang in das Parlament zu verschaffen." Wir gestehen, daß wir obige Vorschläge ebenfalls al- rein akademischer Natur betrachten, die sich bei dem bestehenden Wahlrecht eben nicht durchführen lassen. Wir identifizieren auch da« „Berliner Tageblatt' gar nicht mit der Zuschrift vom 8. Marz, obwohl »« letztere nicht prinzipiell zurückweist. Aber die Helle Entrüstung und da« Kesseltreiben möchten wir doch nicht erleben, wenn rin unglückliche« uationallibe- rale« Organ einem solchen Vorschläge Raum gegeben hatte! - Berlin, 8. September. (Di« Taktik d«r „Vor sichtigen'.) Der „vorwärts" druckt mit lebhafter Zu stimmung riaen Artikel de« „Genosse»" Parvn« in der „Weltpolit k" nach, i» de» Parvu» gegen da« Austräger» der Gegensätze ans »em Dresdner Parteitage plädiert. Für Parvu« find zwei Gründe maßaebeud: Einmal müsse sich die Partei nach dem großen Siege auch groß zeigen u»d zweiten« sei dt« veranlass»»» (die» ist natürlich der Bizepräfidentenstrrtt) z» germgfügig, als daß eine groß angelegte Diskussion auch zu einem großen Ergebnis führen könnte; die bereits vorhandenen MeinungSgeaeusätze seien uur auS diesem geringen Anlaß scharf aufeinander geplatzt. Mit seiner letzteren Auf fassung beweist Parvu» eine» starken Mangel an historischem Sinn. Nur zu oft ist in der Geschichte die Veranlassung zu gewaltigen Kriegen und umwälzenden Ereignissen Vergleichs» weisesehr geringfügig gewesen; wir erinnern nur auS der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhundert« au den Krimkrieg und an den deutsch-französischen Krieg. Es kam eben immer darauf an, daß genügend schwerwiegende „MeinungSgegensatze' vor handen waren, uod dann entsprach daS „Ergebnis der groß an gelegten Diskussion' doch auch dieser großen Anlage selbst. Wenn also Parvu- zugesteht, daß «iefgebende Meinungsverschieden heiten innerhalb der sozialdemokratischen Partei vorhanden sind, so könnte eine groß angelegte Diskussion auch sehr be deutsame Ergebnisse haben, wenn man auch die Veranlassung als geringfügig anseben mag. Nun zu der Forderung von Parvu-, daß die Partei nach dem großen Siege sich auch nun groß zeigen müsse. Davon könnte nur dann die Rede sein, wenn der große Sieg erfochten worden wäre durch große und über legene Geister; er ist aber tatsächlich erfochten worden durch eine glänzende Organisation und die bewundernswerte Ausbildung jene» Drills, dea die Sozialdemokratie bei militärischen Einrichtungen so gern verspotte». Diese- so vorzüglich gedrillte Heer kann wohl siegen, besonder» wenn der Gegurr an politisch-militärischer Ausbildung weit zurück steht, aber wie sollte «S in der Lage sein, sich nach dem großen äußerlichen Siege auch innerlich groß zu »eigen? Die» ist um so weniger möglich, als der geistig bedeutendste Teil der Führerschaft jener quantitativen Minorität angehört, die in Dresden rank dem bewährten Drill der Massen nieder gebrüllt werden wird. Daß klügeren Köpfen, zu denen ja ParvuS sicherlich gehört, vor dem Defizit auf dem Partei tage bange ist, ist nur natürlich und so ist e» auch begreif lich, daß der „Vorwärts' den Parvu-schea Aeußerungen hiuzusügt: „Bedürfen gewisse Fragen wirklich noch einer Aus tragung, so können wir sie ohne Not vertagen.' Berli«, 8. September. (Zur Frage der Wurmkrankhett.) Mit Rücksicht auf -te zahlreichen Erkrankungen am Wurmkrankheit im rheinisch-westfäli schen Bergwcrksbetrtcbe und auf die politische Ausschlach tung dieser bedauerlichen Tatsache durch die Sozialdemo kratie dürften Mitteilungen von Interesse fein, die in der „Sozialen Praxis" vr. Joseph v. Fenyvessy über den Stand der Wurmkrankhett tn Ungarn macht, wo sie länger als bei uns grassiert. . Die Polemik deS Verfasser» gegen angeblich übertreibende Mitteilungen tn der bent- schen Presse interessiert weniger als die Feststellung der Tatsache, daß die bisherigen Versuche und Ergebnisse auf dem Gebiete -erHeilung der Wurmkranken und der Verhinderung der Verbreitung der Seuche be rechtigte Hoffnung auf ihre erfolgreiche Bekämpfung geben. Diese Auffassung gewinnt dadurch an Wert, datz sie nicht nur ausgesprochen, sondern statistisch belegt wird, vr. v. Fenyvessy teilt darüber folgende» mitt „Tatsächlich wurde das Auftreten dieser Krankheit in dem Bergrevter Schmerz (Scheumitz), Restcza, Anina und Brennberg fest gestellt; jedoch hat die Seuche infolge der Anwendung ent- sprechender hygienischer Maßregeln auch an diesen Orten teils gänzlich anrgehört, teils nimmt sie zusehends ab. Im Bezirk Selmecz z. B. waren noch im Jahre 1880 80 bis 90 Prozent der Arbeiter, hauptsächlich die tn den wärmere« Gruben (Franz Josef-, Sigismund-, Max- und Karl- schacht) beschäftigten, vom Vlutwurm infiziert. Auch die Pochwerkarbeiter blieben von der Krankheit nicht ver- schont, da sie im Winter tn den Gruben verwendet wur- den. Durch die Anwendung der vorerwähnten hygie nischen Maßregeln gelang eS jedoch schon tm Jahre 1892, die Bergwerke von der Krankheit gänzlich zu be freien, und seit dieser Zeit wurde der Blutwurmi weder am Arbeitern, noch Überhaupt in den Gruben vor- gefunden. In Resicza waren 1887 3,7 Prozent, 1882 1^9 Prozent, 1897 0,7 Prozent Und 1801 0,8 Prozent der Arbeiter wurmkrank, 1802 dagegen kam keine einzige neue Erkrankung vor. Ebenso ist die Krankheit in Anina im Abnehmen; 1001 bis 1902 sind insgesamt 24 Erkrankungen, d. h. 0,84 Prozent der ganzen Belegschaft verzeichnet worden. In Brennberg hat die Seuche ihren Höhepunkt im Jahre 1986 erreicht, da damals 85 Prozent der Arbeiter wurmvehaftet waren; seit dieser Zeit zeigt die Statistik der Erkrankungen folgende Verhältniszahlen: 1898 47 Pro- »ent, 1899 26 Prozent, 1900 28 Prozent, 1801 12 Prozent, im Jahre 1902 nur noch 8 Prozent, Und diese sind auch leichteren Charakters... Auf Veranlassung der Berg. Werksbehörden wurden durch die interessierten Gruben besitzer seit langem die weitestgehenden Vowsichts- und Repressivmaßregeln in Anwendung gebracht, deren ge- wtssenyafte Durchführung durch die genannten Behörden ununterbrochen streng bewacht wirb. Die Bemühungen derselben waren auch vom Erfolg gekrönt, da heute rmter den 73 000 Grubenarbeitern Ungarns kaum 200 neue Fälle zu verzeichnen sind." vr. v. Fenyvessy teilt schließlich noch mit, daß da» ungarische Finanzministerium den Berg- werkSbistriktSarzt tn Schemnitz zum Inter na No- nalen Kongreß für Hygiene nach Brüssel entsenden werde, um dort tn die Debatte über die Wurm« kranAett einzugretfen. Entsprechen die von dem Ver fasser angegebenen Zi, fern den Tatsachen, was ja doch «r- ,»nehmen tft, >o ist zu -offen, daß auch Sei uns die Aus breitung der Wurmkrankbeit bald auf ein Minimum zu- rückgeführt wirb, da unsere Behörden und Aerrzte an Kenntnis und Gewissenhaftigkeit sicherlich nicht hinter den ungarischen zurückstehen. » BerNa, S. GepternVer. („Alkohol-Merk- blatt") Um die Kenntni» von den Nachteilen und ge- sundheitlichen Gesochren, die der übermäßige Genuß geistiger GetränLe im Gefolge Lat» in weiten Kreisen zu verbreiten, hat La» Kaiserliche Gesundheits amt ein Merkblatt -erauSgegeben, welches Len Titel führt: „Gegen, den Mißbrauch geistiger Ge tränke! Alkohol.Merkblatt? ES gleicht in Format und Ausstattung d«n bereit» früher erschienen«»
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