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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.09.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-27
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190309270
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19030927
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19030927
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-27
- Monat1903-09
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.09.1903
- Autor
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Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Extra-Beilagen (gesolzt), nur mit der Morgen-Ausgab«, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Anzeigen.PretS die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter de« R»daktion«strich s« gespalten) 76 vor den FamUtrunach- richten (6 gespalten) 60 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher- — Gebühren für Nachweisungen und Offertenanoahm» 25 H (excl. Portos 97. Jahrgang. Nr. M. Sonntag den 27. September 1903. Für Monat Oktober kann das täglich zweimal erscheinende „Leipziger Tageblatt" zum Preise von Mark 1.00 (Mark 1,LS bei freier Zustellung ins Haus) sowohl durch sämtliche Zeitungsspediteure, wie auch durch die nachstehenden Ausgabestellen bezogen werden. Ausgabestellen des „Leipziger Tageblattes": Im Zentrum. Brühl 58, E. F. Schubert'« Nachf., Kolonialwarenhdlg. Sathariiienstr. 14. 8. Lösche, Cigarrenhdlg. 2936 Attterftr. 4 Lmckesche Leihbibliothek und Buchhdlg. I« Norden. Gerberftr. 8, H. 8. Kröger, Butterbdlg. 8624 Gneisenaustr. 12, B. Ühlich, i. Fa. Ida Hartmann, Papierddlg. Löhrstr 15, E. Hetzer, Kolonialwarenhdlg. 979 Borkstr. 82 (Ecke Berliner Straße), F. W. Kietz, Kolonialwarenhdlg. I« Oste«. Johannisgaffe 8, Hauptrtteditio« 222 vftplatz 4, Alfred Elfte, Cigarrenhdlg. Rauftschc Gasse 6, F. Fischer, Kolonialwarenhdlg. Cchßtzenstr. 5, I. Schümichen, Kolonialwarenhdlg. 1178 Lauchaer Str. 18, <L R. Reichel, Drogenhdlg. 8341 Im Lüden. Arndtftr. 85, 9. F. Canitz, Kolonialwarenhdlg. S08S vahersche Str. 45, H. Neumeister Nächst., Cigarrenhdlg. 8984 Köni««platz 7, 8- Lösche, Cigarrenhdlg. 7505 Sternwartenftr. 24, Han« Pahlitzsch, Kolonialwhdl. 2390 Zettzer Str. 35, V. Küster, Cigarrenhdlg. Im Westen. veethovenftr. 21, Th. Peter, Kolonialwarenhdlg. 3901 Frankfurter Str. 22 (Ecke Waldstr.), L. Sievers, Kolonialwarenhdlg. RanstSdter Strtnwcg 1, O. Engelmann, Kolonialwhdlg. 2151 Walvftr. 89, G. Beiterlein, Kolonialwarenhdlg. Wcstplatz 82, M. Lcißner, Cigarrenhdlg. 2402 In den Bor« und Nachbarorten. Anger-Crottendorf, B. Friedel, Cigarrenhdlg., Zwei naundorfer Str. 6, O. Oehler, Beruhardstr. 51 Connewitz, Frau Fischer, Hermannstr. 23 - Fritz Koch, Pegauer Straße 17 Eutritzsch,Moritz Nöggerath, Cig.-Gesch.,Delitzsch.Str. 25 820 Gautzsch, Job. Wolf, Ecke Ring- und Oetzscber Str. GohltS, Robert Altner Nächst, Liudenth. Str. 6 820 « Paul Schmidt, Brüverstraße 8 Kleinzschocher, G. GrÜtzmann, Zschochersche Str. 7» iu L-'Plagwitz 2586 Leutzsch, Albert Lindner, Wettiner Str. 51 in L -Lindenan Ltadenau, Alb. Lindner, Wettiner Str. 51 in 8.-Lindenau Möckern, Paul Schmidt, Brüderstr. 8 iu L-Gohli« Neustadt, Paul Kuck, Annouc.-Exped., Eifenbahnstr. 1 Neuschönefeld, Paul Kuck, Anuoncen-Exp., Eisrnbahustr.1 Oetzsch, Carl Scheffel, Eck« Ost- und Mittelstr. 6475 Plagwttz, G. Grüymanm Zschochersche Str. 7a 2586 Probstheida, Reinhard Sachse, Buchbindergeschäft Reudnitz, W. Fugmann, Marschallstr. 1 1516 - O. Schmidt, Kohlgartenstr 67 1739 - Beruh. Weber, Gabelsbergerstr. 11 Schleußt«, G. GrÜtzmann, Könneritzstr. 56 2586 Sellerhausen, O. Oehler, Anger-Crottendorf, Beru- hardstraße 51, part. Stünz, O. Oehler, Angrr-Crottend., Bernhardstr. 51, p. Thonberg, R. Häntsch, Reitzenhainer Str. 58 BolkmarStzorf, Paul Kuck, Ann.-Exped., Eisenbahnstr. 1 « Georg Niemann, Konradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.) Wahren, Paul Schmidt, Brüderstr. 8 in L^Gohli«. Aus der Woche. Als im vorigen Herbst zu Lübeck die Sozialdemo kraten beschlossen, 1903 ihren Parteitag in Dresden zu halten, konnte man kaum vermuten, daß die Wahl des OrteS eine besondere Beziehung zu den großen ReichStagS- wahlen haben würde, die dann schon vorüber sein mußten. Seitdem aber der Juni diese« Jahres ge rade unsere sächsische Heimat' als den fruchtbarsten Nährboden sozialdemokratischer. Mandate erwiesen hatte, wurde jede« Genossen Brust geschwellt von der stolzen und frohen Erwartung, an der Stätte des Reichstag-Sieges ein Freudenfest sonder Gleichen zu feier». Wie viel ist schon vor Wochen und Monaten vom Dresdener SiegeSfest in den sozialdemokratischen Blättern zu lesen gewesen! Auch ohne ängstlich zu sein, konnte mancher Politiker unsere« HeimatlaudeS mit Unbehagen und Sorge den Orgien dieser übermütigen Triumphatoren eatgegensehen. Weber hüben noch drüben haben sich Hoffnungen oder Befürchtungen dieser Art erfüllt. DaS Gegenteil des Er warteten ist eingetreten. Die Genossen lassen die Köpfe hängen und ihre Gegner haben zu Kleinmut auch nicht den geringsten Anlaß mehr. DaS Widersinnigste und Schlimmste sei in Dresden Ereignis geworden, so klagt heute ein sozialdemokra tisches Blatt; der große Moment habe bei der Sozialdemokratie ein kleines Geschlecht gesunden. Man habe in Dresden die AgitationSmappe der Gegner mit reichlichstem Material gefüllt. „Wir müssen unS desDresdener Parteitages schämen. Er hat nicht nur nichts geleistet, sondern der Partei schwer ver- windlichen Schaden zugefügt." Dieses Urteil, auf dessen Ton fast alle Betrachtungen der großen und der kleinen Sozialisten blätter gestimmt sind, erweist sich als richtig. Hätte vordenReichS- tagSwahlen dieser Parteitag stattgefunden, so wäre der Erfolg der Sozialdemokratie hinter den Ergebnissen des 16. Juni weit zurückgeblieben. Mit der Magerkeit des tat sächlichen Inhaltes und des Ergebnisses der Debatten hätte sich die Wählerschaft vielleicht abgefunden. Auch dem Wortlaute der von Bebel und seinem Anbange eingebrachten Resolution können wir keine übermäßige Bedeutung bei legen. Die Ablehnung höfischer Pflichten für einen etwa zu wählenden Reichstags-Vizepräsidenten hatte nichts Ueber- raschendeS. Daß eine „Politik des Entgegenkommens an die bestehende Ordnung der Dinge" nach dem Sinne weder der alten Führer noch der Massen ist, wußte alle Welt schon lange. „Der Parteitag verurteilt jedes Bestreben, die vorhandenen, stet- wachsenden Gegensätze zu vertuschen, um eine Anlehnung an bürgerliche Parteien zu er leichtern" — daß ein solcher Satz auf dem Parteitage erdrückende Mehrheit finden würde, sobald man ihn beantragte, war nie zu bezweifeln. Und schließlich ist auch die Forderung, daß die Fraktion „den Kampf wider Militarismus und MariniSmuS, wider Kolonial- und Weltmachtpolitik, wider Unrecht, Umer- drückung und Ausbeutung in jeglicher Gestalt noch energischer zu führen" habe, al« bisher, in Blättern der Sozial demokratie zu oft erhoben worden, um Anhänger oder Gegner als Parteibeschluß tiefer zu berühren. Wäre über diese Gesichtspunkte die Dresdener Tagung der Genossen nicht hinausgegangen, so würde sie weder in der Politik des Tages noch in der Geschichte der Partei irgendwie hervorgetreten sein. Allein sie hat noch ein ganz anderes Ergebnis gehabt, das recht wohl geeignet sein könnte, vor allem Denjenigen zu denken zu geben, deren Gesinnung noch nicht auf der festen Basis entweder antisozialdemokratischer oder sozialdemokratischer Anschauung beruht. Der Schwankende, der Unzufriedene ist leicht geneigt, sich dorthin zu wenden, wo er für seine Individualität größere Freiheit zu finden erwartet, als im festen Gefüge der heutigen Gesellschaft. Die sozial demokratische Partei hatte es bisher ebenso, wie ihre große Rivalin die katholische Kirche, verstanden, jedem ihrer Anhänger die Vorstellung vom Marschallstab im Tornister vorzugaukeln. Der Weg zu Bedeutung und Einfluß schien hier leicht zu sein. Heute ist der Sozialdemokratie dieser Nimbus verloren gegangen. Bebel hat in Dresden gründ lich mit dem Wahne aufgeräumt, als würde in seinem, dem maßgebenden Kreise das Recht der eigenen Mei nung anerkannt. Er hat eine solche Stellung usurpiert, daß, wie Vollmar ihm vorwarf, die absolute Freiheit deS Denkens, des Forschens, der Untersuchung der Grundsätze, der Ziele, der Taktik nicht mehr besteht. Es ist so weit gekommen, daß auch in dieser Partei der gepachteten Freiheit die maßgebenden Leute ihre eigene Ansicht um jeden Preis durchsetzen zu müssen glauben, „eigensinnig auf dieser An sicht beharren" und autoritär zu wirken suchen „nicht bloß durch die Mittel der Ueberzeugung". Auch sie sind eben nur Menschen, ja Menschen der allermenschlichsten Art. Ihr Programm setzt temperamentlose, fehlerlose, objektiv ge richtete, gefügige Individuen voraus, wahre Ausbünde an Altruismus. Wie ungezügelt aber haben sie in Dresden ihr unharmonisches Temperament sich gegen die „Genossen" aus- toben lassen! Charakterfehler, wie Eigensucht, Herrschsucht, Egoismus, zeigen sich nicht im mindesten gemildert durch jahr zehntelange Zugehörigkeit zur Partei. Die monarchischen Staats männer Nord- und Süddeutschlands haben sich im Interesse de« Reichs-Ganzen des PartikulariSmuS zu entwöhnen ge wußt. Es wäre undenkbar, daß auch nur ein Podbielski über Bayern sich so äußerte, wie Bebel. Sie genieren sich durchaus nicht, zum unzweifelhaften Schaden nicht nur der Grundsätze, sondern auch der Taktik ihrer Partei die partikularistischen Vorurteile mit voller Wucht aufeinander prallen zu lassen. Aber auch eine Klassifizierung der Parteimitglieder wird durch da« Dogma von der Gleichberechtigung keineswegs ausgeschlossen. Die miser» «untriduvns pleds kam in Dresden so gut wie gar nicht zu Worte. Die Granden der Partei betrachteten die Veranstaltung als den Tummel platz ihrer persönlichen Streitereien, deren Verlauf den Hunderten von Zuhörern interessant genug sein müßte, um sie für die Opfer an Kosten und Zeit zu entschä digen. Die Persönlichkeit dominierte hier gerade so voll ständig, wie iu allen andere» menschlichen Verhältnissen. Di« Verdammung d«r Revisionisten, di« Ablehnung d«r bürger lichen Kompromisse sind in erster Linie auf die Wirkung von Bebel« Persönlichkeit zurückzuführen. DaS stärkste Tempera ment dringt auch bei der Sozialdemokratie durch. Daher denken aber auch Akademiker und Revisionisten garnicht daran, tot zu sein. Sie werden in der Fraktion wie in den Zeit schriften der Partei ihre Arbeit nicht einsteüen. Ein Führer wie Vollmar ist nicht der Mann, auf Befehl Bebels und des Parteitages seine Anschauungen zu ändern. Er wird in Bayern schalten wie früher, wird mit den Führern der anderen Parteien im Reichstag sich bei gegebenen Anlässen ebenso besprechen wie bisher. Die Sozialdemokraten haben seit Jahren darauf ge pocht, daß sie eS sich leisten könnten, in aller Oeffentlichkeit ihre Partei-Angelegenheiten zu behandeln, ihre Gegensätze auszutragen. In der Tat hat Dresden bewiesen, daß die Genossen Dinge vertragen können, an denen andere Partei gebilde stracks zu Grunde gehen würden. Aber es hat auch bewiesen, daß selbst der robusteste Parteimagen zersetzenden Giften auf die Dauer nicht Widerstand zu leisten vermag und daß die einst mit Recht gerühmte sozialdemokratische Partei disziplin nur noch in den Beschlüssen und den Geldspenden zum Ausdrucke kommt. Mit erfreulichem Geschick haben gerade in einem solchen Augenblick die Jungliberalen die Forderung nach regelmäßigen öffentlichen Parteitagen der Nationalliberalen erneuert. Eisenach hat bewiesen, Hannover wird beweisen, daß die nationalliberale Partei trotz der in ihr ver tretenen Gegensätze vollste Oeffentlichkeit sehr wohl ver trägt. Es ist aber doch etwa« Gutes um die Tradition, die gesellschaftliche Sitte, den feineren Anstand. Der mit der an geblich so verrotteten Kultur ausgestattete Politiker findet ganz natürlich die Form, in der er den Gegensatz so auS- spricht, daß er den anders denkenden Parteifreund nicht verletzt. Schon der Kontrast mit dem widerlichen, teilweise unanständigen Dresdener Gezänk wird demHannoverschen Parteitage werbende Kraft zu verleihen beitragen. Wir dürfen aber auch sonst nicht dabei stehen bleiben, daß momentan die Führer der Sozialdemokratie abschreckend gewirkthaben. Wir müssen dafürsorgen, daß ausden Kreisen des monarchisch gerichteten Bürgertums Mißstände verschwinden, die der Sozialdemokratie Zuzug verschaffen. Soldatenmißhandlungen, wie im Falle Breidenbach, Aus schreitungen, wie sie der Fall Hüßner, wenn auch nur als Ausnahmen, gebracht hat, müssen rücksichtslos unter drückt werden. Der Kampf gegen die Sozialdemokratie muß dabei stets in würdiger Form, ohne Ge hässigkeit und Scharfmacherei, geführt werden. Daß auch die Staatsmänner diesen Weg als den richtigen erkennen, dürfen wir nach dem Verlaufe der Danziger Arbeiterempfanges hoffen. Wenn wir an die unglück selige Improvisation von Essen vergleichend zurückdenken, müssen wir uns durch Form und Inhalt der kaiserlichen Ansprache an die Werftarbeiter doppelt sympathisch berührt fühlen. Wir begrüßen eS als günstiges Omen, daß in Danzig nicht nur körperlich, sondern auch geistig neben dem Monarchen der Kanzler gestanden hat. Die „Zukunst" über Len Dresdener Parteitag. Auf -em sozialdemokratischen Parteitage in Dresden ist es bekanntlich dem Herausgeber der Zukunft", Maximilian Harden, nicht gut ergangen. Bebel und sein Stab haben ihn heftig angegriffen und -ie .Fieviskonisten", denen er häufig die Spalten der „Zukunft" geöffnet hatte, haben seine Ver teidigung nur lahm geführt. Das hat ihn veranlaßt, in der ,„Zukunft" unter der Überschrift „Bebel und Genossen" einen Artikel zu veröffentlichen, dem noch eine Fortsetzung folgen soll und der mit don „Genossen" abrechnet. Von seiner früheren Stellung zur Sozialdemokratie sagt er ein leitend: „Wenn je eine, dachte ich, ist doch die sozialdemokratische Be wegung ein Aufstand allzu lange geknechteter Geister. Ihr Ziel hielt ick' immer für unerreichbar, ihre Kulturarbeit aber für die erfreulichste Leistung einer politisch unfruchtbaren Zeit." Der Dresdener Parteitag hat ihn anderen Sinnes ge macht: „Drei Tage lang hat der Parteitag, die höchste Instanz der deutschen Sozialdemokratie, von der ich nie etwas verlangt, die ich nie gesucht, der ich mich nie mit dem leisesten Wunsch ge näherthabe, auf mich geschimpft, denNamen, die Lebensarbeit des Abwesenden ohne eine Schamregung besudelt. In dieser ehren werten Volksversammlung saßen mindesten» acht Menschen, die mich kennen, mich umworben, Gefälligkeiten jeglicher Art von mir erbettelt und mich, als Dank für nahrhaftere Speise, die sie bei mir fanden, mit Bewunderung bewirtet haben. Die Hälfte hat feig geschwiegen, die andere Hälfte hat mitgelogen und mitgeschimpst." Zuerst nimmt sich Harden dann Herrn Bebel vor, von dem er u. a. sagt: „Wir finden alles, was er in Dreeden über innere und äußere Politik gesagt hat, unglaublich öde und albern; Bebel beherrscht die stärkste Partei Deutschland« mit der unbeschränkten Macht eines asiatischen Despoten. Sein Wille geschieht. Er ist Zensor, Richter, Oberfeldherr, König, Gott. Er unterbricht jeden Redner, der ihm nicht behagt, mit rohen Schimpfwörter, und perfider Verdächtigung." Hierauf geht er zu den .-Revisionisten" über, von denen er im allgemeinen sagt: „Ich will betveisen, baß die Herren Georg Bernhard, Heinrich Braun, Paul Göhre, Wolfgang Heine den Parteitag, der ihnen höchste Rechtsinstanz ist, be logen haben." Ueber Georg Bernhard sagt Harden u. a.: „Er hat an meinem Tische gesessen, den Verkehr mit mir wie eine Wohltat gesucht, überschwenglich eben erst für die Stunden gedankt, die ich meiner knappen Zeit zur Erörterung seiner Ge schäfte abstahl, und für das Hülfeversprechen, das ihm den Uebergang zur Selbständigkeit ermöglichen konnte» — und tat jetzt, als kenne er mich gar nicht näher und habe meine Leistung stets mit Mißbehagen gesehen. „Harden hat unsere Partei in ganz ungehöriger Weise angeulkt." „Als Harden schrieb, Bebel sei recht alt geworden, habe ich mich gefragt, wie man nur solch dummes Zeug schreiben könne." Das war alles. Nach einer Rede, worin Bebel mich mit einer H... verglichen hatte, beteuerte Bernhard ihm seine tiefe Verehrung. . . . Und nachdem er seine Genossen in den Glauben versetzt hat, er habe jede Ge meinschaft mit mir abgeschüttelt, schickt er mir au» Dresden brieflich und telegraphisch seine „ergebensten Grüße" und meldet, er werde, sobald er zurück sei, „persönlich sofort alles aufklären". Natürlich erhält er keine Antwort. Als er heimgekehrt ist, klingelt er bei mir an, wird unsanft abgewiesen und schreibt mir am 20. Septeinber: „Nach allem, was vorgefallen ist, will ich mich Ihnen keineswegs aufdrängen. Aber ich habe das Be dürfnis, mich mit Ihnen auszusprechen, um Ihnen nicht als ein Undankbarer zu erscheinen. Ich bitte Sie daher, mir Zeit und Ort einer Zusammenkunft zu bestimmen." Natürlich erhält er wieder keine Antwort. . » Bon Herrn Göhre erzählt er u. a.: „Die Gründe seiner Trennung von Naumann, seine« lieber« tritts zu Bebel veröffentlicht er in der „Zukunft". Glaubens bekenntnisse. denen jeder ernste Mensch die sauberste Stätte sucht; und Göhre war Pastor. Im Mai ist er ungemein dankbar da für, daß ich ihm erlaube, seinen Artikel als Massenbroschürc zu vertreiben. Immer derselbe herzliche Ton. Im Oktober 1902 wird mir eine gedruckte Adresse überreicht, die mir nach zehn jähriger „hingebender, aber auch weitwirkender Tätigkeit" Glückwünsche bringen soll, nnd zu den 430 Unterzeichnern gehört auch: „Paul»Gühre, Schriftsteller inSteglih". sJmFebruar 1903 erklärt der Vorstand der sozialdemokratischen Partei die Mitarbeit der Genossen an der „Zukunft" für unschicklich. Im März schickt Genosse Göhre mir einen Artikel über den „Glauben des Kaisers". Als er darob gescholten wird, setzt er seinen Namen unter die Behauptung, der Artikel — den Frau Lily Braun mir ausdrücklich als eine Demonstration gegen die Parteircgcnten angekündigt hatte — sei cingeschickt worden, ehe der Vorstandsbeschluß bekannt war. In Dresden stellt er sich, als kenne er die „Zukunft" kaum; er hat sie „mit Flüchtigkeit und Sorglosigkeit behandelt"." Am längsten beschäftigt sich Harden mit Heinrich Braun, von dem er einige höchst schmeichelhafte Briefe veröffentlicht und von dem er am Ende sagt: „Genosse Stadthagen sagt, ich sei charakterlos und verächt lich. Genosse Bebel... brüllt, nur moralisch tief gesunkene Sub jekte könnten für die „Zukunft" schreiben. Und Genosse Braun, mein zärtlicher Bewunderer, Genosse Braun, der un vergleichlich sanftere Angriffe auf mich eine Parteischande ge nannt hat, der dankbare, treue, ehrliche, stets zu höchstem ethischen Pathos gestimmte Genosse Braun, hat nach alledem nichts anderes zu sagen als: „Ich habe nie eine Zeile für die „Zukunft" geschrieben und meine Frau ist seit Monaten ent schlossen, nicht mehr für die „Zukunft" zu schreiben."" Bei Heine, den er den „Kopf -eS Wurmes" nennt, bricht Harden ab. Der „Vorwärts", der den größten Teil dieser harten Anschuldigungen veröffentlicht, wagt ihre Berechtigung nickst entschieden zu bestreiten. Er ist der Ansicht, daß Harden „wirklich schlimme, vielleicht auch un gerechte Worte über sich hat ergehen lassen müssen", un begleitet seinen eigenen Auszug aus dem Artikel mit den Worten: „Es Hilst nichts. Was in Dresden eingerührt wurde, muß durchgefressen werden." Guten Appetit! Uebrigens antworten bereits zwei der Angegriffenen: Bernhard mit einer sehr gewundenen Erklärung, in -er nur die Behauptung interessant ist, er sei in Dresden zu bestürzt gewesen, um eine ordentliche Ant wort zu geben, und Bebel, -er sich vorgenommen zu haben scheint, HardenS Urteil zu bekräftigen, statt zu entkräften. Denn er redet von einem Rattenkönige schamloser Fälschungen, maßlosen Ucbertreibungcn und Unwahrheiten, ohne auch nur -en leisesten Versuch einer Wt-erlegung zu machen. Deutsche- Reich. 6.8. Berlin, 26. Sptember. (Die Landtagswahle» in Berlin.) Die sozialdemokratische Agitation für die Landtaaswahlen in der Reichsbauptstadt ist eine außer- ordentlich rege, obgleich sie sich vorläufig nur in einem enaen Kreise bewegt und lediglich eine Hausagitation ist. ES sind bei den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhause in der UI. Abteilung insgesamt nur 14,7 Proz. der Wähler er schienen, im IV. Landtags-Wahlkreise, der, wenn er sich auch mit dem Reichstagswablkreise nicht deckt, doch die Masse der sozialdemokratischen Landtag-Wähler enthält, sogar nur 10,2 Pro;. Das wird jetzt anders werden, wenigstens in Bezug auf die sozialdemokratischen Urwähler. Und dann ist cs so gut wie ausgeschlossen, daß in den Urwahl- bezirken des M. und de« IV. Landtagswahlkreise« andere als sozialdemokratische Wahlmänner gewählt werden. Im HI. Landtagswahlkreise standen den 1358 resv. 1316 freisinnigen Wablmännern zudem 782 resp. 718 konservative Wahlmänner gegenüber; eine Stichwahl in diesem Wahlkreise ist sonach beirr ah« sich«. LllrrduH« find di« Konservativen
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