Delete Search...
Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 03.06.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-06-03
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190506037
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19050603
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19050603
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-06
- Tag1905-06-03
- Monat1905-06
- Jahr1905
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 03.06.1905
- Autor
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
- »6 mmg, daß ich Dir den Kummer trugen helfe, Du hast mm Line«, der für Dich und das Sind etwas verdient, aber Tn sollst durum nicht; Not leiden. Sieh hier dringe ich Dir allerlei aus unsernr Laden/i sie legte der erstaun ten Fran den Inhalt des großen Korbes, eine Menge Ma terialwaren in den Schoß, „und hier hast Du auch einen Taler Geld. Wenn es verbraucht ist, so sage es mir, ich verlasse Tich nicht." Mit diesen Borten drückte sie der Bauersrau eine größer« Geldsumme in die Hand. „Das bann ich nicht annehmen, Schanett!" sagte Frau Steffke, halb unwillig; und halb gerührt, „so arm sind wir ja nicht. Ich werd« die drei Monate schon durch- kommen." „Nimm doch nur, nimm doch Nur!" drängte die Jü din, „sonst quälst Du mich!" Ihre Stimme klang ängstlich und die Bauerfrau ver stand die Unruhe des redlichen Herzens. Sie reichte ihr die Hand und sagte: „Wenn es- so ist, will ich'es nehmen! Tu sollst Tank haben !" „Rein, Du!" versetzte die Schanett und trat im Abend- dunkel de» Heimweg an, aber ihr Herz war ihr ein gutes Teil leichter geworden. — ' Für die Dorfbewohner waren die drei Monate schnell genug vergangen, dem Gefangenen dünsten sie eine Ewig keit. Er führte sich gut im Gefängnis, sodaß keinerlei Klage über ihn haut wurde, aber eine verzehrende Unruhe erfaßte ihn und raubte ihm des Nachts den Schlaf, so daß er mitunter meinte, das Herz müsse ihm in der Brust zerspringen. Und an einem schönen Frühlingstage.war er frei. Er hörte schweigend die Ermahnungen Sn, die man ihm noch auf den Weg gab, dann schlug er ohne Ruhe und Rast den Weg zur Heimat ein. Tiefer Winter war «S gewesen, als man ihn 'sortgeführt hatte, jetzt war ein sonnig leuchtender Apriltag, die Störche kreisten in den Liften, die Lerchen jubelten, und an den Grabenrändern sproßte im grünen Schimmer das erste, frische Gras. Steffke dachte an seine Frau. „Wie wird sie mich auf nehmen, wenn ich nun wiederkomme, als ein bestrafter Mann?" fragte er sich zaghaft, und je näher er dem heimatlichen Torfe kam, desto schwerer wurde ihm das Herz. Er setzte sich auf einen Stein am Wege und wartete, bis der Abend kam^ niemand begegnete ihm, es gingen wenig Menschen diesen einsamen Feldweg. In der Abenddämmerung betrat er dann sein Gehöft, es toar so sauber und ordentlich wie immer^ dann kldpfte er leise an die Stubentür. „Herein!" rief die Stimme seiner 'Frau. Er grüßte stumm, sie starrte ihn an, in! dem ungewissen Schein des Saminfeuers erkannte fie ihn nichst gleich, so blaß und schmal war er geworden; dann aber flog ein Freuden straß über ihr Gesicht, „Bist Tu da?" fragte sie und umarmte ihn herzlich „sei willkommen, ich habe schon alle die Tage gedachh haß Tu kommen würdest." Liesbeth richtete sich in ihrem Bettchen empor, sie war schon zur Ruhe gegangen, aber die bekannte Stimme weckte sie auf. „Vater, lieber Vater!" rief sie und streckte ihn beide Aermchen entgegen, er nahni sie auf und drückte sie fest an sein Herz Tie Seinen freuten sich daß er wiederkam, das hatte der verzagte und innerlich tief in seinem Stolz gedemütigte Mann nicht erwartet, aber nun, da eS so war, beglückte eg ihn mehr, als er auszusprechjen vermochte. Er legte auf die Tecke des Bettes all' die kleinen Schatze, welche er dem Kinde mitgebracht hatte, und deS Jubelns nicht desi Freuens wollte scher kein Ende nehmen. ' Unterdessen hotte seine Frau geschäftig dep Tisch ge- deckt und das Beste aufgetragen, was> sie im Hause hatte. Steffke atz und trank, er war nach dem weiten Marsch hungrig aeworden,/unb seine Frau sah mit Freuden, daß es ihm schmeckte. Tann setzten'sie sich nebeneinander aus die Ofenbank und reichen sich die Hände, mit keinem Wort berührte die Frau die Ursach seiner längeren Ab wesenheit. „Wie ist es Tir denn ergangen?" fragte er endlich „Gut!" erwiderte sie fröhlich, „nur Tu fehltest mir. Es ist schön, daß Tu wieder da bist. Du siehst, es sieht noch alles so aus, wie stonst." Er ließ die Blicke in dem sauberen Zimmer rund um schweifen, wie behaglich sah es doch aus im eigenen Heim, wie so ganz anders als in der kahlen Gefängniszelle. „Aber hast Tu auch immer zu leben gehabt?" forschte er dann weiter. „Ja. Aber nun, lieber Mann, muß ich Tir gleich etwas sagen." Sie erzählte ihm von den Unterstützungen der Frau Jannette FuchD. „Ich wollte es erst nicht nehmen," schloß sie, „durchaus nicht, denn Eigentlich brauchte ich es ja garnichst, aber ich habe es zuletzt getan, der Frau zu Liebe. Sie quälte sich um TiK denn sie wußte, daß die Ihrigen schuld hatten au Tir." Steffke sah schweigend vor sich nieder. „Ich hatte selbst schuld!" sagte er endlich leise. Seine Frau legte den Arm uM seinen Hals. „Tenke nicht daran. Tas ist überstanden. Aber, nicht wahr, wenn Tu der Schanett begegnest,so gibst Du ihr ein freund liches Wort." , . Tas versprach der Mann, und als die Jüdin am nächsten Tage au seinem Hoftor vvrüberging, — sie hatte wohl gehört, daß er wieder da! sei, — eilte er auf sie zu und bot ihr mit kräftigem Truck die Hand. Im übrigen war in Ludwigshagen alles wie sonst. Tie Torfleute betrachteten das Vergehen Steffkes mehr wie eine Verirrung, erhörte keintböses Wort, und es war niemals die Rede davon. Er bemühte sich um Arbeit, die er auch bald bekam und war sehr fleißig, 'denn auf seiner kleinen, stets sehr in Ordnung gehaltenen Besitzung war schließlich nichst mehr viel zu tun. Aber sein Ge wehr verkaufte er und in der Judenschjänke bei Abraham Fuchs ließ er sich niemals Aschen, vor der Schanett hin gegen zog er die Mütze, wie vor dem Torfschulzen. Ties Verhältnis war dem Schenkwirt auf die Tauer unerträg lich und eines Tages redete ihn Abraham auf der Torf- straße an. „Tu kommst ja gar nicht'mehr zu mir!" be gann er mit unverhülltem Hohn, ,?Tu bist Wohl stolz ge worden?" Tem Bauern kochte es heiß i<den Adern, aber er be zwang sich „Tu meinst, wir stehen jetzt miteinander gleich weil Tu bestraft bist und ich auch!" erwiderte er. Fuchs schnippte mit den Fingern. „Pah! die Kleinig keit!" antwortete er verächtlich. „Mach doch nicht ein solch Wesen davon. Aber dem Oberförster würde ich an Deiner Stelle einheizen! Ter hat Tich ins Unglück ge bracht! Muß der Mann gleich so unverschämt sein, wenn er einen anderen auch wirklich einmal bei einem Reh betrifft?" ' „Ter Oberförster war im Recht und ich hätte un recht," antwortete Steffke nachdrücklich „Unglück hast Tu gehabt, weiter nichts!" zeterte Abraham. „Höre," und er faßte vertraulich den Bauern am Rockknopf, „der Oberförster ist fürchterlich streng mit allen Leuten. Ml zu schürf macht' schartig! Es sind schon viele, die er erzürnt hat und die ihm aufs Tach steigen wollen. Jchf will sie Tir nennen, wenn Tu es willst. Schließe Tich ihnen an, Duhbist ein starker Mensch, gib dem Herrn Oberförster einen Denkzettel,Haß er dienst unfähig wird, er hat's um Dich verdient. 'Dann muß er pensioniert werden, und wir bekommen einen' neuen Ober förster her, der doch ein Mensch ist und nicht ein Satan, wie dieser!" (Schluß folgt.) «7 Ehre. ^Novelle von Max Treu. Nachdruck verboten. Hauptmann Wegner atmete tief auf, als er daS Sitz ungszimmer des lWvenrates verließ. Ein Alp war ihm von der Brust genommen. Ter Chrenrat hatte gespro chen, nun war alles entschieden. Ter Mensch steht einer Notwendigkeit immer gefaßter gegenüber als einer Mög lichkeit, die ihn ost genug in seinen Entschlüssen unsicher und schwankend macht; die Notwendigkeit aber bereitet allen Zweifeln, aller (Unsicherheit ein Ende, und alle Ver wickelungen löst sie ttrit schprfem Schnitt. Das fühlte jetzt auch Wegner. Seit gestern abend, wo bei einem Liebes mahl im Kasino die Beleidigung gefallen war, hatte sich des sonst ruhigen und kühlen Mannes eine Unruhe^ be mächtigt, wie er sie nie gekannt, eine Unruhe, die ihn den ganzen Vormittag über rastlos von einem zum andern Orte, von einem zUm andern Kameraden gejagt hatte. Tas war nun alles überwunden: der Ehrenrat hatte ge sprochen, — es gab nur einen Weg, das Tuell. Morgen früh um 8l Uhr im Sternenwald sollte eS stattfinden. Es mußte sein! Ter Chrenkodex des Offi zierkorps verlangte es, daß schwere Beleidigungen mit der Waffe in der Hand, gesühnt würden. Und das war recht so, sagte sich Wegner. Er war Offizier mit Leib und Seele: sein Vaters längst gestorben, hatte als Oberst und Regimentskommandeur in zwei Feldzügen sein Wut für König und Vaterland vergösse» und hatte dann! den Rest seiner Tage als pensionierter General verbracht, und auf ihn, den einzigen Sohn, war des alten tapfern und ritterlichen Soldaten unerschrockener Sinn über gegangen. „Junge," hatte der alte General mehr denn einmal zu ihm gesagt, „Junge, halte Teine Ehre rein! Das ist das erste Gebot für jeden Mann, am allermeisten aber für den Offizier. Tie Befolgung unserer Standes- und Eh-rengesetze muß Pir uUverbrüchlich sein, —, es gibt nichts, was über diese zu stellen wäre!" Und schon als blutjunger Fähnrich hatte der Sohn den Worten des Vaters mit innerster Ueberzeugung zu gestimmt, und er hatte sich zugeschworen, die Gesetze der Ehre allezeit hochtzuhalten. Und in der Tat! es gab im Regiment keinen besseren, keinen tüchtigeren, keinen ge wissenhafteren Offizier als Wegner. Schjon in den jüng sten Leutnantsjahren, in denen es doch so süß ist, einmal über den Strang zjst hauem hatte er mit ziemlicher Ehren haftigkeit alles gemieden, was er irgendwie mit der'Ehre seines Standes nicht vereinbaren zu können glaubte, und als ihn Mal (jemand gefragt hatte, nach! welchen Gesichts punkten er irgendeine/ damals gerade aufgetauchitc Frage für das Offizierkorps beurteilen; würde, hatte er die stolze Antwort gegeben: „Für die Beurteilung aller Frage» des Offizierkorps kenne ich nur einen Gesichtspunkt: den der Standesehre!" Dieses Wort hatte dies Runde gemachst und dem jungen Leutnant eine Anerkennung des Königs eingetragen; die vorgesetzten Offiziere aber vom Kommandierenden General bis herab zum KvmpaHniechef prophezeiten ihm eine glänzende Laufbahn. Bor etwa sieben Jahren hatte sich Wegner als Ober- leutnant verheiratet. Eino richtige Herzens- und Liebes heirat! Tie arme Tochter eines bereits verstorbenen Majors hatte er heimgeführt; das kleine Vermögen, das er von seinem sparsamen Vater geerbt, ermöglichte ihm diese Ehe, in der er 'das vornehmste und vollste Glück sand. Er vergötterte feine Frau, und- diese liebte ihn mit der großen, warmen Liebe eines ebenso tiefen, wie edlen Frauengemüts. Im Kreise der Seinen, — mit drei Kindern, zwei Knaben uud- einem Mädchen hatte ihn Frau Elisabeth im Laufe Ker Jahr« beschenkt, — fühlte sich still«, schweigsame Mann am wohlsten; da legte er al Ernst ab, da war er Sink mit seinen! Sinder», da tritt« er vor -en Lugen der glücklichen 'Mutter als Bär KM Zimmer herum zum unendlichen Jubel der Kleinen, d» ließ er sich geduldig Po» seine» Baben in Zügel wM Kandare spannen, um danM mit Knrn durch die Wohnung zu jagen; da ließ er fichj von seinem'kleinen Mädchen ebenso geduldig die Künste ihrer Puppe' vorführen un lachte unter dem Jauchzen des KindeS unbändig über die zwitschernden und piepsenden Töne, die auS dem «Uh- fernen Mund hervorquollen; da haute er den Treten, die ihm mit staunenden Augen zuschauten, aushem Bau vast» die geheimnisvollsten Wunderwerke auf/ unk sie' dann lächelnd von den zerstörungslustigen kleinen Händen zer- trümmern zu lassen, tzrnd da las er endlich wenn die müden Kinderaugen sich zum Schlummer geschlossen hat ten, seiner Frau mit seiner klangvollen, wohllautende« Stimme aus den Werken der Dichter und Denker, die er seit früher Jugendzeit schon hochschätzte. Nun war plötzlich in 'dieses Idyll der Witz gefahren. Ein Wortwechsel im Kasino mit dem Oberleutnant R , der für Wegner einer der unsympathischsten Menschen war,, hatte sich wohl «auch unter dem Einfluß des genossene» Meines, zu immer größerer Schärfe zugespitzt; schließlich waren, ehe die Kameraden'Ks verhindern kannten, von der einen Seite schwere Beleidigungen gefallen, die von der .- anderen Seite erwidert wurden, und dann waren die Tinge den üblichen 'Weg gegangen: Herausforderung, Ehrenrat, morgen früh das Tuell, und zwar unter! ziem lich schweren Bedingungen. R. war als vortrefflicher Pistolenschüße bekannt; Wegner verhehlte sich nicht, daß, obendrein bei der G«- - reiMeit des Gegners, pich Gefahr für ihn eine bedeutende war. Aber ein Schwanken gab es nicht; es mutzte so sein; eine andere Äsung war nicht vorhanden; die; Ehre gebot es. Und warum denn ohne weiteres annehmen, daß da» schlimmste eintreten werde? Tie Sache konnte jal unblutig verlaufen, vielleicht eine leichste Verwundung — ja, so konnte sie verlaufen. Aber wer war dafür Bürge? Und wenn nun das Gegenteil eintrat, wenn man ihn morgen vormittag kalt, starr heim-- brachste zu den ahnungslosen Seinen, in der Schläfe oder im Herzen ein kleines/rundes Loch — ja, so könnt« es auch verlaufen. Und was dann? Wegner schüttelte stch leicht, als ihm diese Gedanke« kamen, während er durch die dicke, regenschwere Novembev- luft seiner Wohnung zuschritt. Trübe Nur flackerten di« Laternen, in den Straßen wogte der Nebel auf unk nieder, und wie drohende Gespenster starrten Ine kahle« Linden zu beiden Seiten der Äratze zum Himmel empor^ während zu den Füßen des Wanderers hier und da ei« einsames, welkes Blatt raschelte. Just dass richtige »etter zum Sterben / : Er fuhr zusammen^ Er» fühlte, dah er jetzt nicht vor seine Familie treten dürfe? ein 'scharfes' und liebende» Fraucnauge müßte ihm seine Gedanken von der Stirn ablesen können. Und niemand, am allerwenigsten aber sie, sein geliebtes, treues Weib, sollte, durfte daS> geringste ahnen; tiefstes Schveigen mußte über den Vorbereitungen lagern, die vielleicht der» Tod eines Menschen, eines treuen; Gatten, eines sorgenden Zasters einleiteten. So wollt« , es das Gebot der Ghre^, so wollte ess Sitte und Her kommen. > . . Er trat in ein an der Straße liegendes Tast und be» " stellte sich; ein Glas Wein. Einige Zeitungen wollte e« lesen, nm auf ander« Gedanken zu kommen, und dann heim mit frohem, heiter«« ^esichst, wie sonfh heim! » .
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview
Next Page
Forward 10 Pages
Last Page