Delete Search...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.11.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-03
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031103019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903110301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903110301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-03
- Monat1903-11
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
2.BkilU zm LchM!WbN M AHM Nr. M, AMU, 3. November IW. sMM-AiWbZ oberste Kraft und daS richtunggebende Element in Geist«. Wir müssen dankbar jein, daß ein solchem Theodor Mommsen -f. Bon vr. Hans Hasselkamp. Mit Theodor Mommsen ist die merkwürdigste Gelehrten gestalt der Reichshauptstadt dahingeschieden. Oft und an den verschiedensten Stellen konnte man die schmächtige Figur dieses Mannes mit seinem etwas schwankenden Gange, dem zu höchster Plastik ausgearbeiteten, von langem Silberkaare umwallten Kopfe und dem merkwürdigen Blicke begegnen, der so scharf und bohrend war und dann doch wieder welt verloren in ferne Zeiten und Länder abzuirren schien. So sah man ihn in der Königlichen Bibliothek, wo er keine Spur davon wahrnahm oder wahrzunehmen schien, welches Aufsehen sein Eintritt verursachte und unverdrossen, ^mit engem Plätzchen sich bescheidend, neben dem jüngsten Stu denten arbeitete. So sah man ibn selbst in Berlins größter Leihbibliothek, eine sonderbare Erscheinung inmitten des Schwarmes seideraschelnder und sein parfümierter Damen von Welt, die sich hier das Lesefutter für ihre müßigen Stunden zu besorgen pflegen. Die unvermeidliche ^Mappe unter dem Arm, ging er durch das Riesengewühl der Straßen und Plätze, als wandelte er fern auf der Bia Flaminia. Von jener Neigung mancher Gelehrter, sich abzuschlicßen, sich rurückzuhalten, von dem „oäi protuuum vul^u«" so vieler seiner Genossen hatte Mommsen nichts. Es lag etwas urbürgerliches in ihm. Wenn er im Kreise der Studenten verkehrte, dann stellte er sich förmlich in der Unterhaltung auf gleiche Stufe mit ihnen, nahm ihnen jede Scheu, zog sie in ungezwungenes Geplauder, kurz, betonte so gar nicht den weltberühmten Forscher. Dann freilich fiel Wohl ein Wort oder ein Gedanke, der bei ihm, wie der Druck auf den elektrischen Knopf, allerlei geistige Zusammen hänge anregte, und dann konnte er, so ganz ruhig, ohne alle Prätenston, in einer Art und Weise, als ob es selbstverständ lich wäre, daß jedermann, und nicht zuletzt dem Studentlcin, mit dem er eben sprach, all dies geläufig wäre, — so konnte er dann eine erstaunende Fülle von Kenntnissen und Gedanken auSströmen, Altertum und Neuzeit, Sophokles und Bismarck, Cromwell und Treitschke berühren, geistvoll beleuchten, zu einem lebendigen Ganzen verbinden. In solchen Momenten mußte selbst der Blödeste inne werden, welch ein mächtiger und schöpferischer Geist in diesem schmächtigen Manne, welch ein leidenschaftliches Leben hinter seiner Gelassenheit wohnte. Aber um ihn ganz würdigen zu lernen, mußte man ihn auch im Kolleg sehen. Schon wird die Zabl derer geringer, die bei ihm noch Kolleg hören konnten. Auch hier war eine große Sachlichkeit und Ruhe das erste, was dein Beobachter au ihm auffallen mußte. Gar kein Brimborium, gar keine wise-su-sosus, gar kein Versuch , die Vorlesung rhetorisch, oder dramatisch aufzuputzen. Mit ziemlich dünner Stimme und einfacher Rede brachte er seine Sachen vor; und so konnte es denn nicht ausbleiben, daß von seinen Zuhörern sich so langsam einer nach dem andern ver flüchtigte, nachdem er jein Interesse an der Persönlichkeit des berühmten Gelehrten gesättigt hatte. Die aber, die auSharrten und sich in diesen anspruchslosen Vortrag ver tieften, hatten einen seltenen Genuß. Denn ein Genuß War es, zu sehen, wie Mommsen das unendlich verwickelte Räderwerk des römischen Staatsmechanismus mit der vorsichtigen und kundigen Hand eines Mannes, der mit der Maschine genau bescheid weiß, auseinander nahm und wieder zusammensetzte. Vom Premierminister bis »um Türhüter gab es im Palaste des Kaisers Justinian keinen Beamten, dessen Bedeutung und Stellung ihm nicht vollkommen geläufig gewesen wäre. Er lebte wahrhaft in diesen alten Zeiten, nicht als ein Mann, der sich ihnen mit Haut und Haar verschrieben hätte und darüber die Gegen wart vergessen, an deren Leben er sich bekanntlich sehr rege beteiligt hat, sondern als einer jener seltenen Geister, die gewissermaßen in einer Art von Seelenwanderung sich so vollkommen das Leben der Vergangenheit zu eigen machen können, daß es in ihnen, und durch sie auch uns, neu entsteht. Und dennoch stand eben dieser Mann der Vergangenheit, der er sein Lebenswerk widmete, mit einer merkwürdigen Unbefangenheit gegenüber. Weiß man Loch, wie lange MommsenS Römische Geschichte dem orthodoxen Philologen al« Ketzerwerk galt! In der Tat war die Rücksichtslosigkeit, mit der er den Ueberlieferungen, und seien sie noch so geheiligt, zu Leibe ging, unerhört; und Niebuhr war im Vergleiche zu ihm ein konservativer Historiker. Mommsen War eben von Hause aus nicht Philologe und nicht erfüllt von der pietätvollen Ehrfurcht des Philologen vor jedem Nestchen und jedem Bruchstücke des Altertums, sondern er war Jurist, und zwar ein Jurist mit einem überaus scharfen, kritischen, inquisitorischen Verstände. Man dürfte mit einigem Rechte sagen, daß er die ganze römische Geschichte aus die Anklagebank gefordert hat. Auf die Anklagebank forderte er die ehrwürdigen Gestalten der sieben Könige, auf die Anklagebank die Träger der großen römischen Heldennaturen; und die meisten davon bestanden vor diesem gestrengen Richter schlecht. Jene wies er als sagenhafte Schattenbilder aus dem Reiche der historischen Wirklichkeit hinaus; und Männer, die bis dahin nicht nnr den Philologen, sondern der ganzen Menschheit als Große gegolten hatten, Männer wie Cicero oder Cato oder Pompejus, zeichnete er so mit menschlich-allzu menschlichen Zügen, be leuchtete er mit einer so vernichtenden Kritik, daß sie auf einmal nackt und ärmlich, wie gerupfte Spatzen, vor unseren Augen standen. Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß Mommsen in seiner Kritik mehr als einmal über das Ziel hinausgeschossen ist. Wir beurteilen Cato unk Pompesus heut denn doch anders, als es Mommsen getan hat; die Forschung erkennt heut in den sieben Königen denn doch mehr, als die bloße Erfindung späterer Zeiten; und wenn Mommsen mit allem Nachdrucke für die Auffassung eintrat, daß die Römer von den Etruskern nichts übernommen hätten, so müssen wir nach dem heutigen Stande unserer Kenntnis gerade das Gegenteil für richtig erklären. Allein solche Irrtümer gehören zum Wesen Mommsens. Er war eine durchgreifende Natur, eigentlich eine radikale Natur; er duldete nichts halbes; ein haarscharfer Verstand bildete die oberste Kraft und daS richtunggebende Element in seinem Geiste. Wir müssen dankbar jein, daß ein solcher Mann einmal über die römische Geschichte kam, denn im ganzen und großen hat er sie eben doch auf einen neuen Boden ge stellt und sie unS zu einer neuen Wirklichkeit gemacht, vor allem dadurch, daß er den Knochenbau des ganzen römischen Staatslebens, die Verfassung, die Verwaltung und daS Recht, geradezu genial rekonstruierte. Ein Zufall ist es nicht, daß für daS Volk, daS das klassische System des Rechtes geschaffen und alle Völker des Altertuzns und vielleicht über haupt alle Völker an unerbittlicher Schärfe des Verstandes übertroffen hat, gerade ein Jurist von haarscharfer Logik dies große Werk leistete. Und für immer bewundernswert wird es dann bleiben, wie Mommsen allmählich den Juristen und Philologen in sich zu vermählen verstanden, wie er sich zum Meister der gesamten Altertumswissenschaft gemacht und wie er sein Schaffensgebiet weiter und weiter hinausgeschoben hat, bi« es schließlich schon tief inS Mittelalter, bis zu Theodosius und Cassioda, reichte. Bei dieser seiner Eigenart mußte er in der modernen deutschen Geschichtswissenschaft eine besondere und ziemlich exponierte Stellung cinnehmen. Er hat aus seiner Gegner schaft gegen Ranke und Rankes Auffassungen nie Hehl ge macht; wir besitzen eine Zuschrift von ibm, in der er sich über diesen Punkt recht offenherzig ausließ. Rankes Objekli- vität schien ibm ein Unding. Von ihm und seiner lebens vollen Persönlichkeit ging ein Licht auS, das jede« Ding, an das er berantrat, in ganz eigener Beleuchtung erscheinen ließ. Schließlich hing seine Stellung zur Geschichts wissenschaft auch mit seinem Temperamente zusammen; denn er war im Grunde ein fast leidenschaftlicher und jeden falls in hoben, Grade lebhafter Mann. Daß er sich in seiner Ingend als Dichter versucht, daß er als Politiker temperament vollen Anteil am öffentlichen Leben genommen hat, das sind bezeichnende Züge für ihn. Es konnte nicht anSbleiben, raß er bei dieser seiner Eigenart auch viele Feinde fand. Wenn wir uns aber beut sein Wesen im Ganzen vergegenwärtigen, so haben wir doch in der Hauptsache den Eindruck: er war ein Mann, nehmt alles nur in allem. Unbillig und einseitig ist es, ihn mit „Rembrandt als Erzieber" Bismarck gegen über zu stellen, ibn, den Undeulschen, gegenüber Bismarck den Deutschen. Nein, deutsch war auch er, deutscb durch und durch; Männer wie Lessing und Kant zeigen im Vereine mit ibm, raß auch die schneidige Waffe des strengsten Verstandes dem Deutschen nicht versagt ist. Und so bleibt er ein Rubin nicht allein der deutschen Wissenschaft, sondern auch des ganzen deutschen Volkes. Evangelischer Lund. Nachdem in dem ersten Vortrane des Herrn Professor v. Drews unsere eigene, die evangelische, Kirche den Hörern in fesselnden, beschämenden und anfpornenden Bildern vorgoführt war, galt der zweite Vortrag, der am Abend des Rcforuratioussestcs in dem oberen Saale des Zentral-Thcoters gestalten ward, der Darstellung der Papstkirche. Herr L u v e r i n t e n d e n t I- i e. R v e n - neke aus Gommern fBezirk Magdeburg! sprach über: das allgemeine Priestertum des Christen und der oberste Priesterin No m. Vielleicht mochte mancher der sehr zahlreich erschienenen Hörer etwas Anderes erwartet haben, Einflechtungen von Erfahrungen persönlicher Art, — da der Redner lange Jähre als Bot- schaftsprediger der deutschen Botschaft in Rom mitten im Hanptlager der Römischen tätig war. Aber auch ohne daß dies geschah, merkte man dem Redner an, daß er ge wohnt war, dem Uebergrcifen römischen Wesens nachzu gehen, und auch die mehr theologischen.Ausführungen, die er bot, waren für die Hörer interessant genug, da sic geig- < ten, welche unendlich gewaltige Klml immer noch grund sätzlich und tatsächlich .zwischen der evangelischen Kirche und der Kirche Roms gähnt, und daß es ganz undenkbar ist, daß, wie manche auch bei uns träumen, von jener Seite aus Friede gewünscht wird und Friede möglich sei. Der Vortragende führte zunächst aus, daß, wenn einem alten Worte gemäß „nur an deutschem Wesen einst die Welt genesen" soll, dazu unbedingt erforderlich ist, daß unser deutsches Volk, soweit es auf dem Böden der Reformation steht, sich aus dem Schlaf der Gleichgültigkeit aufraffe und sich in christlicher Kraft erneuere. In Frankreich, Oester reich, Spanien ufw. erschallt der Ruf: Los von Rom! und das Volk der Denker könnte es stiimpfsinnig hinnehmen, daß römischer Geist bei uns im Reichstag usw. immer mehr herrscht? Je mehr römischer Geist sich in Deutschland fest setzt, desto mehr wird der deutsche Beruf verkümmert nnd schließlich vernichtet. Um deqVaterlandes, unserer Kirche und unseres eigenen Heils'lvnllin müssen wir uns darauf besinnen, wo die Wurzeln deutschen Wesens liegen. Die ganze Organisation der römischen Kirche ist ein fort gesetzter Angriff; das schlimmste an ihr sind nicht die Greuel, die sie gern verhüllt sehen möchte, sondern die Grundsätze, deren sie sich rübmt. Es sind gähnende Abgründe, die in Lehre und Leben der beiden Kirchen sich auftun, in der Frage nach dem Grunde des ewigen Heils und nach den Ntttteln, sich das selbe anzueignen. Die römische Kirche hat die evangelische Heilsordnnng, wie sie die Apostel, wie sie Petrus und Paulus verkündeten, verkehrt und verneint. Priester gewalt, Jurisdiktion der Bischöfe, Unfehlbarkeit und sou veräne .Machtvollkommenheit des Papstes — das sind die Instanzen, die die Kirche erfunden und cingeschoben hat. Die Worte des Apostels Petrus vom allgemeinen Priester tum stehen in direktem Gegensatz zu der Lehre seiner an geblichen Nachfolger. Dieses allgemeine Priestertum aller Gläubigen lehrt nicht bloß die Schrift, sondern auch die apostolischen Väter. Die römische Lehre begrub die Lehre der Schrift immer mehr, der Priester ward zum Mittler zwischen Gott und Mensch, bis das Tridentiner Konzil sich geradezu gegen das Wort der Schrift wendet, da dieses die Hierarchie verneine! Daß der Herr das Hirtenamt eingesetzt hat, wissen wir aus der Schrift, aber kein Hirten amt mit göttlicher Vollmacht. Ter römische Obcrpriester ist nun gar nach der Lohre der Kirche sichtbares Haupt der Kirche. Durch das vatikanische Konzil 1870 ist auch die wesentliche Gleichheit des päpstlichen und des bischöflichen Amtes aufgehoben und nur das Papal- oder Kurialsystem geblieben. Der Altkathvlik Döllinger meint, daß vati kanische Konzil sei nur mit der berüchtigten „Räuber synode" zu vergleichen. Die Bischöfe sind dadurch Beamte des Papstes geworden. Diese Verschiebung ist für den Staat nicht ohne Bedeutung; statt einflußreicher Unter tanen sind jetzt die Bischöfe Beamte eines fremden Souve räns. Paul V. nannte sich Vize-Gott, Papst Julius einen anderen Gott auf Erden, und Pius IX. fprach von sich: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Die katho lischen Zeitungen preisen den Papst nicht bloß als Re präsentanten Jesu Christi, sondern als Jesus Christus selbst unter der verborgenen Hülle des Fleisches. Daher ist, wenn er spricht, nicht zu prüfen, sondern einfach zu gehorchen. Selbst das sämtliche Lei-blatt redet von dem Papst als dem Erlöser der Völker, sieht in der Person des Papstes den gegenwärtig dargcstellten Christus! Was der Papst amtlich redet, gilt 200 Millionen als unanfechtbares Glaubensobjekt. Dabei darf der Papst nach dem Syllabus sich nicht mit dem Fortschritt, der Kultur versöhnen. Der Kampf für die Kirche und ihre „Freiheit" — diese bedeutet die volleBel-errschung des vrivaten Lebens durch die Kirche — führt von selbst zumKampf gegen alles anders gerichtete. Wo bleiben die Interessen des Volkes, die der Staat zu vertreten hat, die Interessen des Staates, der evangelischen Kirche, der der Staat seine Kultur verdankt? Eine An- crkennung der „göttlichen" Rechte des Papsttums, auch in kleinen Dingen, ist gleichbedeutend mit der dl-sicht, die cvairgelische Kirche lahmzuleaen. Wir protestieren ge wissenshalber nnd von Rechts wegen gegen solches Papst- tum und danken Gott, der uns durch die Reformation von diesem schrecklichsten Irrtum befreit und zum allgemeinen Priestertum zurückgeführt hat. Wir geloben, letzteres in unserem Leben zu beweisen, dann werden wir siegen! — Reicher Beifall dankte dem Redner. Es sei noch aus dem dankenden Schlußworte -es stell vertretenden Vorsitzenden hervorgehoben, daß die Erfor dernisse, die die evangelische Beweg»,rg an den Bund stellt, sich auf monatlich 50 000 .L belaufen, also unsere früheren Angaben noch übersteigen. Mögen die hohen Ziele des Bundes auch bei uns weiteres Interesse und Unterstützung finden und darum auch der nächste Vortrag, der am g. November abends 8 Uhr im Zentral-Theater l Eingang DHomasring) stattfindet, recht zahlreich besucht werden. I-. Verein für die Geschichte t.'eip;iys. Der Verein für die Geschichte Leipzigs hielt am Mittwoch, den 28. Oktober, im Wagncrsaale des „Thüringer Hofes" seine erste Sitzung im neuen Vcreinsjalxre ab. Nach der Eröffnung berichtete der Vor sitzende, Herr Oberlehrer Mangner, über die ein gegangenen Mfchcnke und gab dem Wunsche Ausdruck, daß auch im begonnenen Semester die Arbeit des Vereins eine ersprießliche sein möge. Den Vortrag l-atte Herr Schulrat Professor I). vr. Müller übernommen. Er sprach über „Leipziger Orientfahrer im 17. Jahrhundert". Ein leitend wies er auf die religiösen, politischen, wissen schaftlichen und Handelsinteressen hin, die zu allen Zeiten Oricntfahrten veranlaßten. Eine dieser Unternehmungen war die merkwürdige Reise der von Herzog Friedrich III. von Hvlstein-Gvttorp mit großen Kosten ausgerüsteten Gesandtschaft nach Persien, welche handelspolitischen Zwecken dienen sollte. Die wissenschaftlich gebildeten Teilnehmer an dieser Expedition hatten sich ihre Bildung fast durchgängig an der Leipziger Universität erworben. Der bedeutendste unter ihnen war der 1803 in Aschers leben geborene Adam Olearius llatinisiert für Oel- schläger). Er hatte in Leipzig studiert, war hier Kon rektor au der Nikvlaischulc und Mitglied des kleinen Fürstenkollegs geworden und ging 1033 von hier fort, um sich der nach Persien gehenden Gesandtschaft anzu schließen. Tie Reiseerlebnisse legte er in der nach seiner Rückkehr veröffentlichten „Moskowitischen und per uanischen Reisebeschreibung" nieder. Außerdem lieferte er, in Persien mit der Landessprache vertraut geworden, eine Uebersctznng von Saadis „Gulistan" unter dem Titel „Persianisches Roscntal". In beiden Werken zeigt sich der Verfasser als einer der besten Prosaiker seiner Zeit. Ter Herr Vortragende schilderte nun sowohl die vor bereitende Reise, die in den Jahren 1633 und 1634 unter nommen wurde, um die Erlaubnis zum Durchzuge durch Rußland zu erhalten, als auch die von 1635 bis 1639 währende eigentliche Reise, die über Moskau und Astrachan nach Ispahan führte. Diese Schilderung wurde illustriert durch den Vortrag des der Heimat gewidmeten Abschiedslicdcs, der stilistisch und kulturgeschichtlich inter- Zsanten Reiseinstruktion, sowie durch Streiflichter auf das von Olearius treffend und packend beschriebene sittliche, kirchliche nnd Volksleben in den von der Reisegesellschaft berührten Gebieten. Hohe Bedeutung erhält die „Reise beschreibung" durch die Mitwirkung von Paul Flemming, der gleichfalls in Leipzig studiert und sich, durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges von lncr verscheucht, der persischen Erpedition an geschlossen hatte. Er schildert die wichtigsten Ereignisse der Reise in gebundener Form. Die erlebten Abenteuer nnd Gefahren, besonders aber die Anschauung kräftigen nnd blühenden deutschen Lebens im althansischen Reval geben seinen Gedichten, obwohl nicht frei von der ge schraubten Rhetorik und dem gelehrten Pedantismus jeinex Epockx', echte, lcbenswarmc Empfindung, Kraft und Würde des Ausdruckes, eine Rhythmik und sprach liche Melodik, die sie über den größten Teil der Erzeug nisse seiner Zeitgenossen erheben. Als der Herr Vor tragende geendet hatte, dankte der Vorsitzende im Namen des Vereins in herzlichster Weise. Die Zuhörer schloffen sich mit lebhaftem Applaus seinen Worten an. Vor Schluß der Sitzung teilte Herr Oberlehrer Mangner noch mit, daß es ihm nunmehr gelungen ist, die ehemalige Leipziger Studentenwohnung Goethes authen tisch fcstzustellen. Es unterliegt nunmehr keinem Zweifel mehr, daß sie sich im Hose der „Großen Feuerkugel", vom Neumarkte aus rechts, im zweiten Stockwerke befunden hat. Ihre Stelle wird vom Verein für die Geschichte Leipzigs durch eine Tafel kenntlich gemacht werden. L. L. 6a;ar von Kinderarbeiten ;um Vesten des Kinderkrankenhauies. Wiederum, wie in früheren Jahren, hat sich in unserer Stadt eine Gruppe edler, menschenfreundlicher Frauen vereint, um einem Liebeswerke, das der Unterstützung und Förderung eines den kranken Kleinen dienenden Unternehmens hülfreicher Fürsorge gewidmet sein soll, ihre ganze Kraft zu weihen: dem Bazar zum Besten des Leipziger Kinderkrankenhauses, der in den Tagen des 10., 11. und 12. November in den Sälen des Zentral-Theaters abgehalten werden wird. Ein Bazar von Kinderarbeiten! Die Schülerinnen sämtlicher Mädchenschulen Leipzigs, der öffentlichen sowohl wie der privaten Anstalten, haben zu diesem Wohltätigkeitswerkc beigesteuert und aus nahmslos hübsche, sauber und geschickt ausgeführte weibliche Handarbeiten cingeliefcrt. Selbst die ärmsten unter den Kleinen haben es sich nicht versagt, und sei es auch nur ein Buchzeichen, ein Wäschcband, ein gestricktes Waschläppchen, ihre Gabe dem Bazar darzubrtngen. Alle zu diesem Zwecke verfertigten Gegenstände, es sind ihrer an 8000, die zmn Verkaufe stehen werden, wurden nur im häuslichen Fleiße hergestellt, nicht aber in- den weiblichen Handarbcttsunterrichtsstundcn der Schulen. Selbstver ständlich geschah dies unter dem Einflüsse der Lehrerinnen. Ihnen, die mit Rat, Ermahnung und Anweisung auf das eifrigste und aufopferndste den Kindern zur Seit« standen, sowie dem Entgegenkommen der Direktoren ge bührt der allergrößte Dank. Wie aber auch di« Kinder der an dem Bazar beteiligten 65 Schulen unserer Stadt es verstanden haben, aus dem Lehrgänge heraus un unter der Anleitung so erfahrener und tüchtiger Lehrerinnen etwas Schönes, etwas Gediegenes und Kunstvolles weiblicher Handarbeit zu schaffen, das lehrt der Inhalt der einzelnen reich bedachten Bazargruppen mit seinen vielen sinnigen und hübschen Zier- und Ge- brauchs- und Spielgegenständen. Wie sind diese mit er staunlicher Sauberkeit und Sorgfalt und in vielen Fällen mit einer wirklich bewundernswerten Kunstfertigkeit ge arbeitet! Als eine KunstgewcrbcauSstellung unserer Kleinen könnte man, und auch mit Recht, den Bazar be zeichnen. Tabei sind viele praktische Sachen darunter. Wie emsig haben doch die Kinder gestickt, gestrickt, genäht, appliziert und gehäkelt! Es bietet sich eine reiche Aus wahl aller möglichen weiblichen Arbeiten: Tischläufer, Tischdecken, Servietten, Paradehandtücher, Nachttaschen, Häkelarbeiten von größter Mannigfaltigkeit, von den ein fachsten bis zu den feinsten, Kindcrkleidchen und -Jäckchen, Kindermützcl-en und -Röckchen, Spitzen und Einsätze für Gardinen und Vitragen, Decken und Läufer, Schürzen ohne Zahl und in jeder Wahl, weiter ganze Stötze von Tablettdecken, Kissen in prächtiger Ausführung, russische Durchbrucharbeiten, Durchzugarbeiten und vieles andere Schöne in Tapisserie und Knüpfarbeit, endlich noch Holz arbeiten und ähnliches, kurz, alles, was das Herz sich nur wünschen kann. ES ist hier reiche Gelegenheit ge boten, für das Wohltun auch den Dank einzutauschen. Möchten sich recht viele für das edle, menschensreundlichc Werk erwärmen! Verein für Volksmokl. Die Turnerschaft des Vereins legte am Freitag durch ein Schauturnen öffentlich Zeugnis von dem Stande und den Ergebnissen ihres Turnbetriebes vor einer größeren Zuschauermenge ab. Die in der Turnhalle des Vereins hauses vor sich gehenden Aufführungen brachten zuerst einen Aufzug der Turnerichastsmitglieder, der zu einer in Reihen und Rotten geöffneten Ausstellung führte. Hiernach nahm der Vorsitzende, Herr Emil Ulbricht, Ge legenheit, die Gäste und Turner zu begrüßen. Bei den dann unter Leitung des Herrn Turnlehrers Striegler ge zeigten Freiüblmgen,andenensichdes beschrcmktenRaumes wegen nicht alle Mitglieder beteiligen konnten, waren die Bewegungen des Ankreisens in gefällige Verbindung mit einer Reihe anderer Bewegungen gebracht, wodurch ein schönes turnerisches Bild vor den Zuschauern entrollt wurde. Zu der zweiten Nummer des Turnprogramms, 'dem Geräteturnen, traten 12 Riegen an. Dabei waren Turner aller Alters- und Fertigkeitsstufest in regem Wetteifer mit sichtlichem Erfolg bemüht, allenthalben schönes Turnen zu zeigen. Auch die Turnerinuen- abteilung steuerte zu dem Wohlgelingen des festlichen Turnens eine Aufführung bei. Tie von dieser Abteilung unter Musikbegleitung glatt durchgcturnte Gruppe von Keulenübungen vereinigte ansprechende Wohlgefälligkeit mit tüchtiger körperlicher Durcharbeitung zu einem har monischen Ganzen. — Nach den Turnerinnen marschierten die von der Turncrschaft zum 10. Deutschen Turnfest entsendeten Musterriegcn au'f, von denen die eine eine Gruppe von Stabübungen außergewöhnlicher Art und die andere schwierige Hebungen am hohen Reck zeigte. Ein Kürturnen am fZarren, das der zweite Turnwart, Herr Carl Guthe, leitete, beschloß das Schauturnen. Als Nach leier wurde dann im Saale dcS Vereinshauics eine Fest kneipe abgehalten, der durch verschiedene Ansprachen, ge meinsame Gesänge, zündende Vorträge und turnerische Ausführungen ein allgemein zusagender Inhalt gegeben war. Am Sonntag trat an Stelle der belehrenden und er baulichen Unterhaltung eine Theaterausführung der deklamatorischen Abteilung des Vereins. Es gelangte das vieraktige Lust'piel „Ter Salontiroler" von Gustav von Moser zur Aufführung. Die Rollen des Stückes waren recht gut besetzt, nnd die Inhaber beziehent lich Inhaberinnen derselben hatten fleißig gelernt, be kundeten Verständnis für ihre Aufgabe und spielten flott und sicher, so daß der Inhalt des Stücks zur besten Geltung kam, so weit die beschränkten Rmrmvcrhältniffe, welche eine freie Entlastung des Tvieles stark beeinträchtigen, dies ermöglichten. Es war die Leistung der Mttwirkenden nm so mebr anzuerkenncn, was seitens der zahlreichen, sich vortrefflich unterhaltenden Zuhörerschaft anch in leb haftester Meise zum Ausdrucke kam. Ernennungen, Verletzungen rc. im öffentlichen Dienste. Departement des Kultus und öffentlichen Unterricht«. Zu besetzen: die Kirchschulstelle in Oberschöna. Kollator: die oberste Schulbehörde. Einkommen: 1200 Grundgehalt, 120 Honorar für den Fortbildungsschul- nnrerricht, 710,20 c/t aus der geistlichen Bcsolduugslasse, 45 .V Ertrag aus den Dienltländcreien und Amtswohnung. Gesuche sind bis zum 18. November an den Kgl. Bezirksschulinspckior Schulrat Or Winkler in Freiberg einzurcichen; — zn besetzen Ostern 1904: die ständige Lchulstelle zu E b- math bei Oelsnitz i. V. Kollator: die oberste Schulbehörde. Einkommen außer freier Amtswohnung und Gartcngenuß 1200 Grundgehalt, hierüber 110 für Fortbildungsschul- und S5 für Turnunterricht. Bewerbungen bis 20. Novem ber an den Kgl. Bezirksschulinspektor Or. Gäbler in OclS- nitz i. V.; — zu besetzen sind Ostern 1904 einige Hülfs- lehrerstellen an der Allgemeinen Stadtschule zu Zittau. Bewerber, welche im laufenden Jahre die Wahlfähigkeits Prüfung abzulegcn gedenken, wollen ihre Gesuche nebst Zeug nissen und Lebenslauf unter Angabe ihrer Milikärverhälrnisle bis 15. November an den Siadtrat daselbst einreichcn. Gehalt 1300 Aus -em Geschäftsverkehr. k Daß der gute Geschmack und die Sparsamkeit den obersten wie den untersten Schichten unseres Volkes noch nicht abhanden gekommen sind, beweist die große Verbreitung, die das reine Manzenfett „Palmin" der Firma H. Schlinck L Cie., Mann- beivl, in wenigen Jahren in allen Kreisen gefunden hat. Palmin ist tatsächlich der vollwertigste Ersatz für Butter, weil es absolut reines Naturprodukt ist. i 2L0, 2.00,1.80,1.80 Ist. ff» V- IK, IMlMk WM 11.40, IL0,I.VV, 0.90 Ist. ff» V- Iß, dMMWll im KMmol. LH U -U-MüoßsrplLtr, l». 6.1-KMSllll, iUS-r
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview