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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.11.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-17
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031117019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903111701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903111701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-17
- Monat1903-11
- Jahr1903
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VezugS.Preis der Ha»p««tpeditton oder deren Vlosgab»- pelle» odgedolt^ vc»rtrl>ährltch 8 —, bei zwermaltger tägltcher ü»stell»ng tat Hau» 8.7L Durch dir Poft bezogen für Deutsch- laad ». Oesterreich vierteljährlich ^i «.»0, für dt» übrige» Länder lo»1 geUun-spretsllste. Redaktion and Lrveditio«: Ivbannt-gaffe 8. Fernsprecher l53 und WZ. F1ttat»»veditt»»»«, TkkredHah», B»chhandl,„ llntverfltätsfi,.^ L. Lösche, »atharinenstr l«, ». Köntgspl. 7. Havpt-Filiale vreodea: vrarienstraße SL. Aernfprecher Ämi I Nr. 1713. Haupt-Filiale Serlin: T«l vuncker, Herzgl Boyr. Hofbuchhandlg» Lüyvwstroße 10. Fernsprecher KuU VI Nr. 4008» Morgen-Ausgabe. KiWMr TagMM Anzeiger. ÄmLsVlatt des Lönigkichen Land- und des Äönigsichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen.PreiS die -gespaltene Petlt-eile 2V Reklame» unter dem Nadaktivasstrich (ägespaUea) 75 vor de» Kamllteoirach- richten <8 gespalten) KO Dobellarilcher and tzissernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertrnannahm« 8b («Lcl. Port»). Ertra-Vetlagu» (gesalzt^ n», mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbejördenmg ^l SO.—, mrt Postbesörderung 70-—» Iinnahmeschlaß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Vkorgen-Lu-gaber Nachmittags 4 Uhr. Anzeige» find stets au di» Expedition zu richten. Dir Expedition ist wochentags ununterbrochen gröffaet von früh 8 dis abends 7 Uhr. Druck and Verlag von E» Polz in Leipzig. Nr. 58t. Dienötag den 17. November 1903. 97. Jahrgang. Gegen Lebet. HI Chemnitz, 15. November. Auf einer Wiese bei Leubsdorf fand heute nachmittag eine von Len Sozialdemokraten einberufene Volksver sammlung statt, zu der sich, da Bebel als Redner an gesagt war, aus dem ganzen Gerichtsbezirk Augustusburg viele Zuhörer eingefunden hatten, etwa 1200 an der Zahl, darunter die Hälite junge Burschen; ein Viertel Gegner, die aus Neugier gekommen waren. Bebel sprach etwa 2 Stunden, — lediglich bekannte Dinge in bekannter Be leuchtung. Für ihn gibt eS noch die Verelendung-- wie die Konzentrationstheoric. Tann Heer, Flotte, Schulden, Steuern, Zölle, Knebelung der Bolksrechte, — das übrige kennt man ja. An Umschmeichelung der Masse lieb er es nicht fehlen; <8 gibt auch nichts an Gütern dieser Welt, an Rechten und Freiheiten, was er ihr nicht iu Aussicht gestellt hätte; sie braucht nur den Zukunfts staat mit ihm einzurichten, um ohne Druck seitens des Arbeitgebers bei geringster Arbeitszeit herrlich zu leben. Sensation erregte eS, alS nach Bebel der Abgeordnete Patzig sich zum Worte meldete, — endlich einmal tritt man also den Sozialdemokraten gegenüber unv, wenn schon, denn schon, der Anfang wurde mit Bebel selbst ge macht. Man kann sich die fieberhafte Erregung der jungen Burschen, die zu Hunderten um das Rednerpult herum standen, kaum vorstellen. Die älteren aber empfanden es als Erlösung, daß nun einmal den „Genossen" entgegen- getreten werden sollte. Freilich kam der nationalliberale Redner nicht weit. Die Einleitung hörte man eben noch an. Wie er aber auf die einzelnen Punkte der Rede Bebels einzugehen gedachte und gleich mit dem Zolltarif anfing, war es rasch zu Ende. Die jungen Burschen führten sich derart auf und der Vorsitzende, „Genosse" Riemann auS Chemnitz, machte so gar keine Anstalten, dem Redner Gehör zu verschalen, -aß dieser abbrechen mußte. Die wesentlichen Ausführungen des Abgeordneten Patzig mit den Zwischenrufen usw. sind folgende ge wesen: „Ich benutze Liese Gelegenheit, einmal zu der sozial demokratischen Wählerschaft zu sprechen, nachdem es ihr von Parterwegen verboten worden ist, in Versammlungen zu kommen, bei denen ich mitwtrkte. In Eppendorf hat man gestern sogar eine dichte Postenkette gestellt, damit nur ja kein Genosse an den Gasthof herankam, in welchem ich zu den Wählern sprechen sollte. Sie haben vorhin von Herrn Bebel so viel von der Freiheit und Gleichheit tm Zukunftsstaate gehört. Sie haben auch England rühmen hören, wo jeder Methodistenprediger die nächste beste Bank im Hydepark besteigen und vom Untergang der Welt predigen kann, wo auch jeder Parkwächter zu- hören darf, wenn er nicht- anderes zu tun hat. Soviel ist mir aber seit gestern Über den Zukunftsstaat klar: zu mir dürfte dieser Parkwächter nicht kommen, wenn ich über die Mängel des ZukunftSstaates und seinen Untergang predigen würde. Wahrscheinlich käme dann überhaupt keiner durch die Postenkette durch. Ein Vor geschmack von der Freiheit tm ZukunttSstaat! Nun hat Herr Bebel zunächst von der Veranlassung zu dieser Ersatzwahl geredet. Seine Genosse Goehre sei zu rückgetreten, weil er das landesübliche Maß von Tadel und Kritik nicht habe vertragen können. Mer so ist die Sache doch nicht gewesen. Ich stelle lediglich fest, weil mir und uns Vertretern der bürgerlichen Gesell- schäft das übrige dieses Gezänks sehr gleichgültig sein kann, daß Goehre von Herrn Bebel selbst in Dresden der Borwurf gemacht wurde, er sei Marodeur, dem nichts weiter gebühre, als ein kräftige- Pfui! — und Laß dieses Pfui sich in Berliner Versammlungen vielstimmig wieder holte. Ich habe den Eindruck und kann es Goehre nach, empfinden, daß er sich aus den parlamentarischen Rethen schleunigst wieder zurückgezogen hat, weil ihm diese Um- gangSformen doch nicht paßten. Tas ist doch nicht die Sprache, mit der man den Gegner, geschweige den Ge- nossen regaliert, und weil Goehre sich nicht gewöhnen mochte, derart mit Pfui und wieder Pfui den Umgang mit Genossen öffentlich zu pflegen, ist er au- der Oesfent- lichkeit zurückgetrcten. Dies ist der eine Grund, weshalb Sie jetzt das Vergnügen haben, eine Neuwahl zu voll- ziehen. Der andere Grund liegt in der Sache, und auch der ist von Herrn Bebel sehr auffällig umgangen worben. Herr Bebel fragt, was wir denn wollten; es sei Loch nur die Umschreibung des Programms gewesen, wenn er sagte: „Ich will der Todfeind dieser bürgerlichen Gesell- schäft sein" usw. Was uns damit Neues gesagt sei? Uns nicht-! Ich kenne das Programm der Sozialdemokraten so gut wie Herr Bebel. Bon uns hat aber auch keiner sich gewundert, als ob etwas Neues damit gesagt worden «Ire. Ls ist ja überhaupt nicht an unser« Adresse ge richtet Morde«. Herr ve-et hat «Sen vergessen, hier sagen, was der Gegenstand und Inhalt des Streite- auf dem Dresdener Parteitage war. Abrechnung wurde gehalten mit den Proletariern in der gehobenen Lebens stellung, mit den Akademikern, Revisionisten und allen sonstigen in die Partei eingedrungenen Elementen, die nach der Besorgnis des Herrn Bebel die Partei in den Sumpf bringen würden, weil sie an die Theorien nicht mehr glauben, auf denen das Parteiprogramm sich auf baut, und weil sie da und dort ebenfalls geneigt oder wenigstens verdächtig sind, Kompromisse mit der bürger lichen Welt zu schließen. Diesen Revisionisten galt Bebels Wort von der Todfeindschaft; ihnen sollte es in den Ohren klingen; sie sollten sich zu diesem Worte be- kennen oder „fliegen". Und Goehre ist „geflogen". Herr Bebel sagt, w i r sprächen vom gesunkenen Ansehen seiner Partei, als ob sie in unseren Äugen gesunken wäre; und er fügt stolz hinzu, das fei ihm ganz gleichgültig. Immer sollen wir herhalten. Nein, die sozialdemo - kra tische Presse ivar es doch, die in allen Tonarten vom gesunkenen Ansehen der Partei jammerte, und Herr Bebel war es doch, der in Dresden selbst schon sagte, er teile das Gefühl des Ekels über die dortigen Verhand lungen. Davon hat er hier kein Wort gesprochen; nun sollen wir dafür herhalten, daß in Dresden alles schief gegangen ist. Das will ich nur kurz zurückweisen. Die Hauptsache ist mir: das revolutionäre Programm hat Herr Bebel heute auch hier ausgepackt und als maß gebend für diese Wahlbewegung entrollt: Umgestaltung der EigentinnSordnung, Abschaffung der Monarchie usw. Nun wohl, dann ist es in der Tat Sache der Wähler, sich die Ab stimmung neu zu überlegen. Am 10. Juni wurde ein Re visionist gowählt, jetzt soll ein Bcbelianer gewählt werden — Bcbelianer im Sinne des unerbittlichen Fcsthaltens am revolutionären Kern des Programms. Das möge sich jeder erst mal klar machen Revolutionär soll aber nicht im Dreschflegelsinne zu verstehen sein. Wir sollen keine Gänsehaut bekommen. Ich bekomme keine, ich kenne diese Ausreden schon so lange, wie das Programm. Ich weiß aber auch aus den Aufzeich nungen von Karl Marx, daß -um Uebergange vom alten in den neuen Staat die Diktatur deS revolutionären Pro letariats durchgekostet werden muß. Für mindestens eine Generation bedeutet das namenloses Elend. Und ich weiß aus dem stenographischen Berichte des Frankfurter Partei tages, daß der neu einzurichtende Zukunftsstaat bis auf weiteres weder die Schutzzölle, noch die Soldaten und die Kanonen entbehren kann — Schutzzölle, um die Differenz der Produktionsbedingungen solcher Länder auszu gleichen, die weniger Arbeiterschutz gewähren, oder die Rohprodukte bei sich im Lande selbst haben, also ohne er hebliche Frachtkosten verarbeiten können und dergleichen mehr —; und Soldaten und Kanonen, um die Errungen schaften der Diktatur gegen das Ausland zu schützen. Zu- nächst sieht also der Zukunftsstaat ganz und gar nicht so aus, wie Herr Bebel das Endziel geschildert hat — Frei heit, Gleichheit, Wohlfahrt an allen Ecken und Enden, und wie man eS au- -er herben Kritik des Herrn Bebel über Heer und Flotte, über Zölle und indirekte Steuern heraus folgern möchte, als ob kein Zoll und kein Milita rismus sein sollte. Sondern es muß auch mit unserem Wasser gekocht werden, nur mit dem Unterschiede, daß an Stelle der Monarchie die Diktatur stände. Nun frag« ich bloß: Sind denn wirklich die Verhält nisse so bei uns, daß man die überlieferten Ordnungen je früher, desto besser -erschlagen sollte? Wir können uns die Zukunft nicht anders denken, als zusammenhängend mit Vergangenheit und Gegenwart. Wir kritisieren auch die Gegenwart nicht so, als lebten wir auf einsamer Insel, wo wir oben erst alles neu und bis zur Unerträglichkeit lästig eingerichtet hätten. Sondern wir betrachten die Gegen- wart als Produkt einer Jahrhunderte alten Vergangen- heit. Und da muß ich dann sagen: Es ist so wesentliche« schon geschehen und und es sind solche Fortschritte zum Besseren erzielt (Widerspruch der Jugendlichen), der ocntsche Staat und die deutsche bürgerliche Gesellschaft hoben auch so viel in neuester Zett getan, um die sozialen Gegensätze zu mildern, daß es Verbrechen wär«, diese Ent- Wicklung nicht fördern zu wollen, sondern dem Zukunfts- staate nachzujagen, -er nichts Entwickeltes vorfindet, alles erst neu organisieren will. Wie viel von unserer Wohl fahrt müßte da geopfert werden, und um was zu er reichen? Für die erste Generation, die die Macht an sich gerissen hat, nicht Befreiung, sondern Elend, nicht Ord- nung, sondern Zwang -und Verfolgung, die beiden Detter- -eich«n der Diktatur (Widerspruch). Herr Bebel klammert sich an die Konzentrationstcheorte, als ob sie aus den Ziffern der Berufszählung sich ergäbe. Die selbständigen Existenzen hätten abgenommen. Aber was will es gegen die geringen Ziffern, um die «S sich hier handelt, bedeuten, daß der Staat durch sein Zugretfeu in die wetten Schichten der Arbeiter hinein nen« wirtschaft- ltch« Kraft gelangen läßt, lade» er sie de« Versicherung!» zwange unterwirft, sie gegen Erwerbsunfähigkeit und für den Fall des hohen Alters sichert, ihnen Ärbeiterschutz gewährt usw.? Entwickeln sich doch auf diese Weise neue und stärkere Mittelschichten, als -die verfallenden sind — neue, die einen unendlich größeren Raum einnehmen, alS ihn die etwa versinkende Schicht je eingenommen hat. In diese neue Mittelschicht kann jeder hinaäfwachsen, jeder, der fleißig und sparsam sein will. (Widerspruch und Geschrei.) Ja, soll es etwa nicht mehr wahr sein, daß Fleiß und Sparsamkeit und Intelligenz die Voraussetzung des besseren Fortkommens sind? lGeschrei und Gejohle.) So können Sie es weit bringen! Muf: Den sollte der Gendarm abführen!) Da ruft einer: Mich sollte der Gendarm absühren! Recht geeignete Bauleute für den Staat der Freiheit und Gleichheit! lGeschrei und Höhnen.) Ich sehe. Sie wollen mich nicht zu Ende reden lassen. Sobald man Ihnen nichts verspricht, sondern von Er fordernissen redet, die Sie selbst erst erfüll«« sollen, ist es aus mit der Diskussion. lGeschrei.) Aber eines will ich doch noch ausgesprochen haben, ehe ich schließe. Herr Bebel ist auch heut« noch -es Glaubens, daß eS un möglich sei, auf -er Grundlage -eS neuen Zolltarifcs «Höhnen und Schreien) zu Handelsverträgen zu kommen. Und er hat Ihnen bestätigt, was auch das Wahlprogramm schon sagte, -aß er gegen solche Verträge, wenn sie doch kommen sollten, mit aller Entschiedenheit protestieren würde. Ich sage, man kann schlimmer in diesem Augen blicke an den Wohlfahrtsinteressen des Volkes un namentlich der Arbeiterschaft sich gar nicht vergehen. (Ge schrei und Höhnen.) Ja, wie anders sollen wir denn auS dem Zustande der Unsicherheit in handelspolitischen Dingen heraus, als daß wir neue Handelsverträge ab schließen? lHöhncnde Zwischenrufe.) Natürlich auf der Grundlage des neuen Tarifs, eine andere gibt es doch nicht, die Mehrheit hgt gesprochen, warum wollen Sie hier -en MehrhettSntllen nicht gellen lassen? (Vrot- Wucher!) Ach, meine Herren, damit verschonen Sie mich. Den Noggenzoll von 5 haben mir schon 1887 bis 1891 gehabt und damals war der Gctreidcpreis niedriger als heute. (Großer Lärm.) Es steht doch auch lange schon fest, daß die fremden Staaten auf der neuen Grundlage mit Deutschland verhandeln. (Geschrei.) Wenn die Sozial demokratie tatsächlich die neuen Verträge ablehnt, nun, dann beweist sie eben, daß sie das Wohlergehen der Volks gemeinschaft hinter di« Parteiinteressen zurückstellt. (Der Lärm wird so, daß zusammenhängend nichts mehr -u ver stehen ist.) Sic haben die Wahl: ob Sie der friedfertigen, dann aber gesicherten Fortentwickelung, der stetigen Weiterführung insbesondere der sozialpolitischen Für sorge dienen oder die Gegensätze zwischen den BolkS- klassen, zwischen Arbeitgeber und Arbeiter verschärfen, ob Tie die Sozialdemokratie und die Staatsgewalt zum Zusammenstoß führen wollen. Wem sein Vaterland lieb ist, der stimmt gegen die Sozialdemokratie, für -en Kan didaten der bürgerlichen Ordnung. (Die letzten Sätze sind nur -en Nä'chststeheNden noch teilweise verständlich geworden.) Nachdem das Geschrei der Jugendlichen seinen Zweck er füllt hatte und Bebel wieder die Tribüne bestieg, wurde es zwar etwas ruhiger, so daß man von einiger Ent fernung wenigstens verstehen konnte, wie Bebel die Partei deS Herrn Patzig als die erbärmlichst«, elendeste, ver logenste, niederträchtigste usw. beschimpfte. Herr Patzig rief dem Abgeordneten Bebel etwas zu, was man im Ge johle der Burschen nicht verstehen konnte. Bebel wurde nur noch erregter und schimpfte weiter. Patzig drehte ihm dann den Rücken und ging ab. Aber auch die Versamm lung war dann bakd zu End«. Deutsches Reich. * Leipzig, 16. November. Für die Wieder-efetzlmg -er durch den Heimgang des Herrn ReichSgerichtSrates Hor ten freigewordcncn NeichSgerichtSratSstelle hat Preu ße n tm VundcSrate das Vorschlag-recht. 6. 8. Berlin, 16. November. Die Krankenhäuser, welche Praktikanten annehmen können, sind vom Reichskanzler bekannt gegeben. Es ist eine lange Reihe von medizinischen Instituten und Krankenhäusern; die Zahl der anzunebmenden Praktikanten beträgt im Höchstfälle 21. Diese Zahl erreicht das städtische allgemeine Krankenhaus München l. I.; 20 kann da« Krankenhaus St. Jakob in Leipzig aufnehmen, 18 das allgemeine Krankenhaus Eppendorf in Hamburg. Die Mehrzahl der Krankenhäuser darf nur einen Praktikanten aufnrbmen; die Krankenhäuser am Fried richshain, in Moabit, am Urban und da» Kaiser- und Kaiserin- Friedrich-Krankenhau« dürfen zusammen 50 Praktikanten be- schäftigen; eine ebenso hohe Zahl ist den Knappschafts lazaretten in Beuthen zugestanden; die Bodelschwingbschea Anstalten in Gadderbaum dürfen 8 Praktikanten aufnehmen, da» städtische Krankenhaus in Wiesbaden 12, das in Frankfurt a. M. 20, das Bllrgerhospital in Köln 5, daS Augustabospital daselbst 6, das städtische Krankenhaus Sudenburg-Magdeburg 8, das städtische Krankenhaus Altstadt daselbst ebenfalls 8, das städtisch« Krankenhaus Augsbura 2, das herzogliche Krankenhaus Braunschweig 7, die städtische Krankenanstalt Bremen 6, das St. Marieu-Krankenhaus m Danzig 2, das Kraul«u- hau» zu Allerheiligen in Breslau 15. So ist den jungen Medizinern reichlich Gelegenheit gegeben, am Krankenbette ihre Kenntnisse zu bereichern. Es ist zugleich mit Freude zu begrüßen, daß ihre Tätigkeit in der Hauptsache nicht eine ausübende, sondern nur eine betrachtende, aaschaueude und hülfeleistende sein soll. Berlin, 16. November (Ein Nationalliberaler?) Das welsische Hauptorgan berichtet triumphierend von einem „verständigen Nationalllberalen", der in einer Wahlversamm lung erklärt habe, er sei nationalliberal, aber wenn er zwischen einem preußischen Landrat und einem Welfen zu wählen habe, so halte er letzteren für da» kleinere Hebel. Zunächst scheint e» uns sehr fraglich, ob der Urheber dieser merkwürdigen Aeußerung sich wirklich selbst für nationalliberal halt, oder ob er meint, besser für die Sache de» Welfen- tums zu wirken, wenn er öffentlich seine welsische Gesinnung abstreitet und eine Aeußerung tut, durch die der NationalliberaliSmns kompromittiert werden soll. Hält er sich aber wirklich für nationalliberal, so kann doch die Partei nichts dafür, daß der brave Mann keine Ahnung von dem Wesen deS Nationalliberalismus hat, denn sonst müßte er wissen, daß die Unterstützung eines Welfen gegen einen preußischen Landrat für einen Nationalliberalea unter allen Umständen ausgeschlossen ist. * Berlin, 16. November. (Die kirchlichen Wünsche der Berliner Polen.) In seiner Eigenschaft als Ber- treter deS erkrankten Delegaten hat Dekan Frank in Berlin die Vertreter der polnischen Parochial-Comits» in Berlin empfangen, die dem Dekan, wie der „Dziennik Berl." mitteilt, die „berechtigten Wünsche der Polen" vor gelegt haben. Im Namen der Deputation wie- deren Vorsitzender, Schneider- meister Berkan, auf die den Berliner Polen auf kirchlichem Ge biete angeblich zugefügten Unbilden hin und gab dem Wunsche Ausdruck, daß die Rechte der polnischen Bevölkerung endlich die ibnen gebührende Berücksichtigung finden möchten. Redakteur Krysiek legte sodann dem stellvertretenden fürstbischöflichrn Delegaten folgende Wünsche vor: In allen Berliner Kirchen müßten prinzipiell die Taufen, Trauungen, Beichte, Beichtunterrtcht, Begräb nisse usw. in polnischer Sprache erfolgen. Dir polnische Be völkerung bitte um Einführung polnischer Bormittags- Gottesdienste in den katholischen Kirchen Berlins, ferner in Weißensee, Rixdorf, Schöneberg und Eharlottenburg. Die polnische Bevölkerung habe daS Recht, in den Kirchengemeinde-Ber- tretungen und «Vorständen, in denen die polnische Bevölkerung mindestens 200 Seelen zählt, vertreten zu sein. Die polnische Bevölkerung Berlins und der Umgegend spreche den Wunsch aus, daß die Geistlichkeit sich „in innere politische und nationale Angelegenheiten der Polen nicht hineinmlsche". Die deutsche Geistlichkeit solle aus die polnischen Arbeiter keinen Einfluß dahin ausüben, daß sich die Arbeiter den polnischen Vereinen nicht anschließen sollen. Die Berliner Polen wünschten, daß ihre Sprache in den Kirchen ebensolche Berücksichtigung findet, deren sich die deutschen Katholiken in der Provinz Posen zu erfreuen haben, wo die Äirchenbehörde bestimmte Normen eingesührt habe. Durch Bescheidenheit zeichnen sich die Berliner Polen da nach nicht aus. Ein starke« Stück ist es, daß sie sich zur Begründung ihrer Forderungen auf die Berücksichtigung be rufen, „deren sich die deutschen Katholiken in der Provinz Posen zu erfreuen haben". Welcher Art diese „Berücksichtigung" ist, erhellt au- den zahllosen Klagen über die polonisierende Tätigkeit der Geistlichkeit in der Provinz Posen, wo die deutschen Katholiken nur unter den schwersten Kämpfen ihre Stellung gegen polnische Uebergriffe behaupten können. — Dem Vernehmen nach hat Dekan Frank ver sprochen, alles zu tun, wa» in seiner Macht stehe, um die Wünsche der polnische« Parochianen zu erfüllen. (-) Berlin, 16. November. (Telegramm.) Da« „Mili- tärwochenblatt" meldet die Ernennung de« könttz» Nou Däne mark zum Generalobersten der preußischen Armee. (-) Berlin, 16. November. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht eine Verfügung deS Reichskanzler« vom 12. November zur Ausführung des Abschnittes S der kaiserlichen Verordnung über die Enteignung »on Grund eigentum tn den Schutzgebiete» Afrikas uns ber Lnbsee vom 14. Februar 1903. — Der großbritannische Botschafter Sir Frank Laseelles Lat am Sonntag Berlin verlassen und sich mit Urlaub nach England begeben, von wo « am 15. Dezember zurückkehrrn wird. Während seiner Abwesenheit leitet der Botschaftsrat Buchanan die Geschäfte. (. Rostock, 16. Nvvember. (Telegramm.) Der Großberzog von Mecklenburg-Schwerin traf heute mittaa mit Gefolge hier ein und begab sich direkt vom Bahnhof nach der Universität, an deren Portal er vom Rektor und den vier Dekanen empfangen wurde. In der Aula überaab ber Großberzog nach emer Ansprache des Rektors der Studentenschaft ein neue-, von ihm gestiftetes Banner, wobei er da« Interesse betonte, das seine Vorfahren und er der Universität entgegengebracht hatten. Er werde stet bemüht sein, den heutigen Stand der Universität zu er- halten und sie weiter fortzubilden. Die Bedeutung der Universitäten sei von Jahr zu Jahr gestiegen, in «och höherem Maße aber auch die Verantwortung, die die Lehrer in der Ausübung ihre» Amte» übernähmen. Die größte Mehrzahl der zukünftigen Beamten und Staat-angestellten erhalte den Abschluß ihrer Ausbildung auf den Universitäten. Wa» sie dort hören und sähen, sei maßgebend für ihre ferneren LebenSanschauungen. Er richte daher an die Professoren und Studenten die erneute Bitte, sich stet» der ver antwortungsvollen Aufgabe, sowie der Endziele ihrer Lehre» und Studien voll bewußt zu sein. Der Vorsitzende der Rostocker Studentenschaft übernahm daraus da» Banner mit Dankesworten. Sein« Ansprache schloß um «ine» Hoch auf du» Großherzig.
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