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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-07
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190402074
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19040207
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19040207
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-07
- Monat1904-02
- Jahr1904
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1904
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8S2 ferner je ein Vertreter der Lehrerkollegien der drei jüdischen Hochschulen in Berlin und BrcSlau. Der Verband soll die Ver fechtung der Rechte der Juden in die Hand nehmen, ohne jedoch damit der Stellung der Juden zu den einzelnen politischen Parteien, die jedem freistehen soll, zu präjudizieren. * Des Kaisers Ansprache a« die Truppe«, die nach Südwestafrika von Berlin abgegangen sind, lautete wie folgt: „ES freut Mich, daß ihr euch so zahlreich und opferwillig für die schwere Aufgabe bereit erklärt habt, die euer harrt. Ich habe euch hinausschtcken müssen, damit ihr Ruhe und Ordnung in unserem Schutzgebiete in Südwestasrika wiederherstellt. Wenn auch bessere Nachrichten eirrgetrvffen sind, so bleibt für euch doch noch ernste Arbeit zu tun übrig. Durch da- heldenhafte Verhalten der dortigen Trup pen sind Erfolge erkämpft worden, und Ich erwarte von euch, daß ihr euren Kameraden nachtut. Eure Auf gabe ist aber nicht nur die, zu kämpfen, sondern, wenn die Ruhe wiederhcrgestellt ist, zu trösten und wieder aufzurichten. Haltet treu zu den Deutschen da draußen und lindert ihren Schmerz. Tut eure Pflicht tapfer, selbstlos und hingebend. Ich wünsche euch allen ein herzliches Lebewohl. Adieu!" * Das Kaiserpaar machte gestern nachmittag mit Prinz und Prinzessin Heinrich einen Spazier gang im Park von Bellevue, welchen der Kaiser und Prinz Heinrich durch den Tiergarten fortsetzten. — Heute morgen machten beide Majestäten eine Promenade im Tiergarten. Bei Beendigung derselben hatte der Kaiser eine Kon ferenz mit dem Reichskanzler, empfing später im Kgl. Schlosse den Bildhauer Böge und hörte die Bor träge des Staatssekretärs des Reichsmarine amts und des Chefs des M a r i n e k a b i n e t t S. Zu Mittag folgte der Kaiser einer Einladung des Geh. Re gierungsrates Prof. vr. Paul Güßfeldt. — Im Reichstage haben Mitglieder der konservativen, freikonservarivcn und nationalliberalen Partei gestern über die Formulierung eines Antrages verhandelt, der die in der Budgeikommission abgelehnte Ostmarkenzulage für die Postbeamten in anderer Form, voraussichtlich als wider rufliche Zulage, wieder eingeführt wissen wolle. Der Antrag wird bei der zweiten Beratung des Postetats gestellt werden. — Reichstags Präsident Graf Balle st rem hat nach verschiedenen Meldungen zum Einweibungssesl seines neuen Präsidialgcbäudes auch den Sozialdemokraten Auer als Vorsitzenden einer Abteilung des Reichstages ein geladen. Der Präsident war darob von einigen Blättern an gegriffen worden. Auf diese Angriffe entgegnet die „Disch. TgSztg.": „Unseres Erachtens ist die Kritik unberechligl. Wenn die Einladung erfolgt sein sollte, so würde der Reichstags präsident lediglich korrekt gehandelt haben. Abg. Auer ist Vorsitzender einer Abteilung und gehört als solcher dem Ge- samlvorstande des Reichstages an. Es ist schlechthin unmöglich, ihn gerade bei einer solchen Gelegenheit auszuschließen. Hält man eine solche Ausschließung grundsätzlich für geboten — und üaS ist ein Standpunkt, der viel für sich hat —. dann muß mar» dafür sorgen, daß Sozialdemokraten nicht zu ALreilungsvor- ständen gewählt bezw. bestimmt werden. Im übrigen darf vielleicht daran erinnert werden, daß gerade die sozial demokratische Partei durch ihren Führer Singer mit besonderer Wärme für eine mö^ichst glänzende Ausschmückung des Wohngebäudes des Reichstagspräsidenten eingetreten ist." — AuS Missionskreisen wird nach Münster i. W. gemeldet, daß Pater Pieper der Nachfolger des Bischofs Änzer in China werden solle. — Nach einer neuen Verfügung des preußischen Justiz- Ministers dürfen fortan Gefangene Bücher und Schriften nur aus der Gefängnisbibliothek benutzen. Aus nahmen kann der Gefangenenvorsteher bewilligen. Bei ein fachen Haftgefangenen unterliegt die Auswahl der von auswärts bezogenen Bücher und Zeitungen der Ge nehmigung des Vorstehers. Ob Untersuchungs gefangenen eigene Bücher und Zeitungen zu gestatten stnd, entscheidet der Richter. * Osnabrück, 5. Februar. Die amtliche Feststellung des Reichstagswahlresultats ergab: Wamhoff (natl.) 18 513, v. Bar IW.) 15119 Stimmen. * Aus der Ostmark. Wie auch die polnische Geistlichkeit bemüht ist, die D e u r s ch c n nach Kräften zu bot; koitieren, zeigt folgende Zuschrift, die der „Graudenzer Gesellige" unter der Spltzmarkc „Ein geistlicher Posten" veröffent licht: In einem Torfe der Provinz Posen steht dem Hauptein gange der katholischen Kirche gegenüber das Haus eines Bäcker- mcfflers, der auch das Schankgcwcrbe betreibt Während früher viele Kirchenbesucher von auswärts nach Beendigung des Gottes dienstes eintraten, ist der Verkaufsladen jetzt fast jeden Sonn tag leer. Das hat seinen Grund in folgendem: Zu Beginn des Dorfes hat ein Pole eine Restauration eröffnet. Diesem jungen Anfänger neue Kundschaft zuzutrciben, ist das eifrigste Bemühen des katholischen BikarS. Sobald die Leute aus der I Kirche konnnen, stehl er in der Kirchenpforte und „behütet" den Eingang zum Lokal des Bäckermeisters. Weil nun die Leute wissen, worauf es ankommt, da sie früher schon unterrichtet worden sind, so verschwinden sie in andere Geschäfte, und der Bäckermeister wird boykottiert auf die einfachste Weise der Welt. — Und die Polen klagen über Vergewaltigung! * Karlsruhe, 8. Februar. Staatsminister von Brauer hat sich von ;einer Erkrankung so weit erholt, daß er vorgestern zum ersten Male wieder aufstehcn konnte. Er wird demnächst auf ärztliches Gebciß einen mehrwöchigen Er holungsaufenthalt im Süden nehmen. Alle in letzter Zeit an die Erkrankung des Ministers geknüpften politischen Ver mutungen sind angeblich g e g e n st a n d S l o S; er soll nach der Rückkehr aus dem Süden an den Arbeiten des Land tages teilnehmen wollen. * Aus Bayern. Die tatsächlich erzielten Erfolge auf dem Gebiete der staatlichen Wohnungsfursorge in Bayern ersieht man aus dem soeben veröffentlichten Bericht für das abgelausene Betriebsjahr. Bis 1889 wurden hier nur im Interesse einer geordneten Dienstabwickeluug benötigte Wohnungen errichtet, erst von 1900 ab er richtete die Verwaltung aus Wohlfahrtsgründen Wohnungen für ihr Personal, für welche Zwecke ihr gesetzlich bis Ende 1903 eine Summe von 10500 000 zur Verfügung gestellt worden war. Von dieser Summe wurden 4'/, Millionen Mark für Herstellung bahn- eigener Wohngebäude, insbesondere zur Beschaffung von Miet wohnungen, verwendet, dagegen 6 Millionen Mark zur Ge währung von Baudarlehen an Baugenossenschaften des Eisenbahnpersonals. Die vorhandenen Eisenbahnbaugenossen schaften haben mit diesen Darlehenshülfen bis Ende 1902 den Bau von 1268 Wohnungen unternommen und fast voll ständig durchgeführt. Ende 1902 standen für das Gesamt personal der bayerischen Staatseisenbahnen, das im Jahresdurch schnitt 1902 51113 Personen zählte, 8728 Wohnungen der Ver waltung und rund 1150 Wohnungen der Eisenbahnerbaugenossen schaften, also im ganzen 9878 Wohnungen zur Verfügung. Hier nach war für rund 19 Proz. des gesamten Eisenbahnpersonals die Wohnungsfrage unter Beihülfe des Staates als Slrbeitgebers günstig geregelt. * München, 5. Februar. E i n F r e u u d d e r B e r u - fung in Strafsachen ist der bayrische Mi ni st e r v. M i l t n e r. Er erklärte am Mittwoch bei der Beratung des Justizetats im Münchner Landtage, er habe bei seiner Tätigkeit als Mitglied des Reichsge richts häufig Strafsachen gesehen, bei denen es besser gewesen märe, die tatsächliche Seite der Sache sei noch ein zweites Mal geprüft worden. Eine solche neuerliche Prüfung liege im Interesse der Strafrechtspflege. Nur müsse die neue Konstruktion des Rechtsmittels dafür sorgen, daß das Verfahren nicht zu sehr verlangsamt und die Kosten nicht zu sehr vermehrt würden. Weiter sprach sich der Minister für Beibehaltung der Schwur gerichte und dafür aus, daß in der Frage des Zeug niszwanges ein Weg gesunden werde, auf welchem die Stellung eines Redakteurs seinem Ge währsmann gegenüber berücksichtigt werden könne. — Schade, daß nicht alle Minister solche Anschauungen haben! — Wie die Sozialdemokraten es mache n, wenn sie dieOberhand haben, zeigten sie in der seit kurzem zentralisierten Ortskrankasse München Tort haben sie alle Lieferungen, an denen bis jetzt zahlreiche Firmen beteiligt waren, an einige wenige Firmen von „Genossen" verteilt. Tic bisher an der Lieferung beteiligten wurden nicht ein mal benachrichtigt. Ans Borhaltung deswegen erwiderte ein sozialdemokratisches Vorstandsmitglied kalt lächelnd, da die Arbeiter die Majorität im Vorstand hätten, sei be schloßen morden, nur an Firmen Arbeiten zu vergeben, die den Forderungen der Arbeiter in weitestgehendem Matze entgegengekommen seien. So zeigt sich der Terro rismus der Sozialdemokratie auf jedem Gebiete! Der Aufstand in Südwestafrika. * Vom Oberst Lentwci«. Die überraschende Meldung, daß Oberst Leurmein Port Nolloth nicht rechtzeitig er reichte, um auf dem Dampfer „Eduard Bohlen" nach Swakopmund zu eilen, mußte auch die Frage auslösen, warum denn der „Eduard Bohlen" nicht wenigstens auf Lcutweins verspätete Ankunft wartete. Der Grund dafür ist nach der „Nat.-Ztg." wohl folgender: Der erste auf dem Dampfer „Ernst Wörmann" unter Oberleutnant Winklerin Swakopmund eingetroffene Schutztruppen tranSport, dessen sofortiger Aufbruch ins Innere dringen nötig war, hatte bei seiner Ankunft unter erheblichem Mangel an Munition zu leiden. Nun war „Eduard Bohlen" mit MunittonSersatz von Kapstadt her unterwegs. Da die Sendung unter -en gegebenen Ver- hältnissen überaus eilig war, so konnte „Eduard Bohlen" natürlich nicht auf ungewisse Zeit in Port Nolloth warten. Gouverneur Leutwein, welcher bei seiner Nffiteilung an den Generalkonsul in Kapstadt, der dann seinerseits die Meldung nach Deutschland weitergab, wohl die Dauer und die Schwierigkeiten des Marsches auS dem pazifi- zierten Gebiet der Bondelzwarts nach der Küste unter schätzt hat, wird nach der vorstehenden Meldung in den allernächsten Tagen wirklich in Swakopmund eintreffen. * Der zweite Truppentransport für Lüdwestafrika traf am Sonnabend früh inHamburg ein. Zunächst wur den die Mannschaften nach Infanterie, Kavallerie, Ar tillerie, Seesoldaten und Eisenbahntruppen abgeteilt, dann zu drei Kompagnien formiert und hierauf an Bord der „Lucie Wörmann" gebracht, wo ihnen ein Frühstück gereicht wurde. Der Stab -es Expeditionskorps traf mittags ein. Preußischer Landtag. Abgeordnetenhaus. D Berlin, 6. Februar. Die Abgeordneten berieten Len Landwirtschaftsetat bei den landwirtschaftlichen Lehran st alten weiter. Im Laufe der Debatte erklärre «.in Regierungskommissar auf eine Anfrage, gegen die Gefahr der Reblaus sei ein Reichs reblausgesetz in Aussicht ge nommen. Ueber das in Vorbereitung befindliche Kreistier arzt-Gesetz bedauert Landwirtschaftsminister v. Pod - bielsky, noch keine nähere Auskunft geben zu können, da der Entwurf daö Staaisministerium noch nichr passiert habe; jedenfalls warne er die Kreistierärzte, ihre Hoffnungen zu hock zu spannen. Es entspann sich sodann eine lebhafte Debatte zwischen den Abgeordneten des Kreises Simmern und dem Mi nister wegen der Maul- und Klauenseuche in jenem Kreise. Tie Abgg. Hackenberg (natliü.), Engels mann (natlib.) und M a r x (Zentr.) warfen dem Minister vor durch zu strenge Maßnahmen die Bevölkerung des KreijeS geschädigt und er bittert zu haben. Der Minister rechrfertigte die Strenge seiner Maßnahmen damit, daß die Bevölkerung der Regierung ent- gegenwirkl und viele Fälle verheimlicht habe. Bei dem Etats popen „Verstärkung des Prämienfonds für P f c r d e r e n n e n" enispinnt sich eine lebhafte Debatte. Abg. Wiemer (freis. Vp.) will die Verstärkung gestrichen sehen, da die Rennen für die Landespserdezucht bcoeutungslos seien. Abg. Brümel sfreis. Vg.) schließt sich dem an. Der LandwirtsmaftZminisker v. Podbielski sowie mehrere Redner der Rechten und des Zentrums treten für den Werl der Rennen zur Bemessung der Schnelligkeit und Ausdauer der Vollblüter ein, die für die deutschen Armeepferde gebraucht würden. Nach weiterer un wesentlicher Debatte über die Förderung der Zucht anderer landwirtschaftlicher Tiergattungen speziell der Fischzucht, ver tagt das Haus die Weilerberatung auf Montag 1r Uhr. Ausland. Die Arisis im fernen Osten. * Petersbnrg, 6. Februar. (Tel. Nachmittags 2 Uhr 40 Min.) Bei der „Russische« Telegr. Agentur" ist soeben die Nachricht eiugegangcu, -atz Baron ». Rose« die russische Antwortnote der japanischen Negierung überreicht hat. Die Note ist dem Admiral Alexejew am 4. Februar telegraphisch mit« geteilt worden, der sic dem Baron v. Rosen, übermittelte. * London, 6. Februar. (Eigene Meldung.) Tie „Times" erklären nach einem Drahtbericht aus Tokio die Lage für hoffnungslos. Dagegen behauptet „Daily Telegraph", der Inhalt der Note sei von heißer Friedensliebe diktiert und werde sich für Japan als annehmbar erweisen. * London, 6. Februar. Die Post und Telegraphenvrr- waltung gab heute vormittag bekannt, daß Privattele gramme in einer Geheim spräche nach irgend welche, Plänen Japans nicht mehr angenommen werden können. * Port Arthur, 6. Februar. (Telegramm der „Russischen Telegr.-Agentur".) Die Gerüchte über eine Verstärkung der russischen Truppen in der Mandschurei veranlassen die hiesigen Chinesen, sich offen gegen ein Bündnis Chinas mit Japan auszusprechen und dem Wunsche nach völliger Neutralität Chinas Ausdruck zu geben. Mit dem Dampfer „Kasan" der freiwilligen Flotte sind hier 1800 Rekurten eingetroffen. Oesterreich - Ungarn. * Todesfall. Graz, S. Februar. (Tel.) Der ehe- malige Landesoerteidigungsminister Frhr. v. Horst ist g e st o r b e n. Orient. * Balkanwirreu. Konstantinopel, 6. Februar. (Tel.) Auf die gestrigen Erklärungen der Bot. schäfter der Ententemächte erwiderte die Pforte vorläufig mündlich, daß das von ihr vorbereitete Reglement für die Gendarmerie der makedonischen Vila jets nach , dem Muster des seiner Zeit von den fremden Militärs für Kreta ausgcarbeiteten Entwurfes vom Sultan bereits genehmigt sei. Es werde übersetzt und vervielfältigt, um dem Gendarmeriekommandanten und seinen Gehülfen mitgeteilt zu werden. Die Schwierig keiten, betreffend den chiffrierten Depeschenverkehr zwischen den Civilagenten und Konsulaten in den drei Bilajets seien nach deren Angaben gehoben. — Die fremdländischen Gehülfen des makedonischen Gendarmerie, kommandanten wurden von ihren Botschaftern dem Kricgsminister vorgestcllt. — Die Beziehungen zwischen der Pforte und Bulgarien sind infolge der Amnestiefrage und der Aufrechterhaltung von Aus- nahmemaßnahmen in letzter Zeit ungünstig geworden. Die Abreise der bulgarischen Agenten Natschowitsch ist jedoch unwahrscheinlich. Er steht vorläufig noch in regem Verkehr mit dem Itldiz. — Die von der Pforte gestern beantwortete Erklärung der Botschafter der Entente. Mächte lautet folgendermaßen: „Da der General de Georgis und die von den anderen Staaten entsandten höheren Offiziere, die an der Reorganisation der Gen- darmeric für die drei makedonischen Bilajets aktiv be teiligt und gegenwärtig in Konstantinopel versammelt sind, sich entsprechend der ihnen übertragenen Reform, die die Regierungen der Mächte in möglichst kurzer Frist durchgeführt wissen möchten, mit der Ausarbeitung eines Dienstrcglements beschäftigen, so halten die Botschafter von Oesterreich-Ungarn und Rußland sich für verpflich tet, dies zur Kenntnis der Pforte zu bringen, damit diese, sofern sie eö wünscht, zur rechten Zeit ihre Ansichten über den zur Beratung stehenden Gegenstand bekannt geben kann." — In der Antwort der Pforte au? das Promemoria der Ententemächte vom 28. Januar heißt es bezüglich des Punktes 1, daß eine Begleitung der Civilagenten durch türkische Beamte im Interesse der Sicherheit der Civilagenten liege an deren Wirken nicht beeinträchtigt werde; ein anderes Verfahren würde gegen das Ansehen der Pforte ver stoßen, was auch bei den Verhandlungen des Ministers des Auswärtigen mit den Botschaftern der Ententemächte besprochen worden sei. Zu Punkt 2 erklärte die Pforte, daß für die Reorganisation der Gendarmerie ein italienischer General engagiert sei und baß die neue Kompagnieorganisation im richtigen Verhält nis zur Bevölkerung erfolgen werde. Bezüg lich des 3. Punktes bemerkt die Pforte, daß nach Eintritt der Ruhe eine neue administrative Unter einteilung den Botschaftern der Ententemächte bekannt gegeben werde. Zu Punkt 6 besagt die Antwort, daß für die Notleidenden bereits 30 000 Pfund abgeschickt seien und daß die Civilagenten über die Verteilung der Beträge auf dem Laufenden gehalten würden. — Diese Antwort der Pforte wird besonders hinsichtlich der Re organisation der Gendarmerie für unbefriedigend ge halten. Es dürften in dieser Beziehung weitere Schritte erfolgen müssen, um die Pforte zur richtigen Auffassung einer gründlichen Reorganisation der Gendarmerie im Geiste des Mürzsteger Programms unter der Mitwirkung von Offizieren der Großmächte zu veranlassen. * Serbische Ministerkrise. Belgrad, 6. Januar. (Tel.) Gruitsch und Pro titsch haben die Bildung eines neuen Kabinetts abgelehnt. Der König hat Zivkowitsch in den Konak berufen. Feuilleton. Land und Leute in DtUM-äüdweKajrika. Altes und Neues aus dem Aufstandsgebiet Von Oberleutnant (Eisenbahn-Regiment Nr. 2) Kcl l. Swakopmund. H Nachdruck verboten. Beim Reiten in den Dünen der englischen Walfischbai fand ich etwa 1000 Meter vom Strande eine alte, rostige Kanone. Wo war die wohl hergekvmmen? Hatte sie vielleicht einmal eine gewaltige Sturmflut ausgeworfen oder hatte sich der Meeresstrand früher bis hierher er streckt? Die Küste ändert sich ja fortwährend durch Ein flüsse der Meeresströmungen. Auch mögen vulkanische Hebungen und Lenkungen stattfinden, die die Grenzen des Meeres verlegen. Erdstöße — leichte, zitternde — sind hier nicht selten, und von vulkanischen Kräften zeugen ja auch die heißen Quellen, die im Schutzgebiete in einer bestimmt zu verfolgenden Linie entspringen: Omapin bei Omaruru, Groß-Barmen im Lwakoptal, Groß-Windhoek (mit 7 bis zu 70 Grad heißen Quellen), Rehoboth usw. bis in die Kapkotonie hinein. Aus der Fahrt nach Kapstadt sieht man eine steile und hohe Klippe mit unzugänglichen Felswänden, auf der obenauf gleichfalls ein altes Geschütz liegt. Man er zählt sich, daß dieser hohe Felsen eines schönen Tages plötzlich bemerkt wurde — vorher hatte ihn niemand ge sehen. Auch diese Klippe mag wohl von vulkanischen Kräften emporgetrieben worden sein und hat so die alte Kanone ckffeder mit ans Tageslicht gebracht, die vielleicht Jahrhunderte auf dem Meeresboden lag. Vielleicht stammt diese von demselben untergegangenen Schiff wie jene in den Dünen. Das Bett -e- Swakop überschreiten diese Dünen nicht, die deutsche Küste ist hier srei von Dünenbilduug. Der Swakop (eigentlich ü'soaek staui) -- Schmuymaffer) führt hier nur unterirdisch Wasser, in etwa 1 Meter Tiefe im Winter. Diese Entdeckung führte znr Anlage der Niederlassung Swakopmund an dieser Stelle. Früher war die englische Walffschbai auch für unser Schutzgebiet der einzige Eingangshasen, der jedoch den Fehler hat, daß es da kein Trinkwasser gibt. Man bezog daher früher das Trinkwaffer fünf bis sechs Tage über See mit einem Dampfer von Kapstadt. Eine größere Entwickelung dieses Platzes ist somit ausgeschloffen. Neuerdings soll allerdings ein Kondensator in Walffschbai ausgestellt sein. Da ist man doch in Swakopmund besser gestellt. Hier gibt es gegenwärtig sogar eine Wasserleitung mit einem weitverzweigten Anschlußnen! Ein großer Wind motor, der bei eintretendcr Windstille durch einen Petroleummotor ersetzt wird, drückt das Wasser des Flusses in ein Reservoir, das auch die höchstgelegenen Häuser mit Leitungswasser versorgt. Welcher Unter schied gegen früher! Noch 1900 sah man des Morgens große Kolonnen von Eingeborenen mit Fässern, die sie an Riemen nach sich zogen, hinunter zum Swakop wandern. Dort wurden die Fässer teils an kleinen Abessinierpumpen gefüllt, teils schöpften die ein geborenen Diener dort aus schnell ausgcworsenen Löchern ihre Gefäße voll Wasser. Welche Mühe es unter diesen Umständen in Swakopmund machte, ein ordent liches Vollbad zn bekommen, das ist leicht einzusehen! Schön schmeckte das damals aus offenen Gruben ge schöpfte Wasser nun gerade nicht, und ein Chemiker hatte davon eine Analyse gemacht, die ein haarsträubendes Resultat ergab (ich glaube Schwefelsäure war ein Hauptbestandteil!); jedoch es gab eben früher nichts anderes, und auf -er Reise im Innern trinkt man manch mal noch ganz andere Sachen! Wie ist das so ganz anders geworden seit dem Beginn des Hasenbaues, der ja die Wasserleitung unmittelbar zur Folge hatte, denn man brauchte enorme Massen Stampfbeton für den Bau unten am Strande, und dem gemäß auch viel Süßwasser. Nun findet man fast an jedem Hause ein größeres ober kleineres Gärtchen, in dem Gemüse und Früchte üppig gedeihen. Dabei ist die Voraussetzung die, daß der Garten durch Brettzäune vor dem eisigen Südwest und vor dem glutheißen Ostwinde geschützt ist. Wie fruchtbar der Sand hier ist, davon zeugt der vom Molenbaumeister angelegte Mustergarten. Da kann man Dinge sehen, die für Swakopmund große „botanische Seltenheiten" darstellen, als da sind: frische Radieschen, grünsaftiger Pflücksalat, Kohlrabi und der gleichen mehr. Da grünt's und blüht's rings um die kleine Villa herum und am steilen Uferhange, der vom Hause selbst geschützt wird. Das hier angewendete Zaubermittel ist. . . Wasser und Arbeit. Leiber geben sich auf die Dauer die wenigsten Leute Mühe damit. Alles will möglichst schnell Geld verdienen und dann fort — nach Hause. Deshalb kommen auch keine Pflan- zungen diesseits des Namib zu stände, obgleich z. B. Eukalypten sehr gut fortkommen. Die Ränder des Swakop könnte man nicht nur mit Eukalypten, sondern auch mit Dattelpalmen bepflanzen, um so eher, als man in Swakopmund im Gegensätze zum Innern im Winter Frost nicht kennt. Der Bezirksamtmann sollte da es jedem Einwohner zur Pflicht machen, wenigstens einen Baum zu pflanzen und für sein Gedeihen zu sorgen. Die Dattelpalmen würden dabei noch einen guten Ertrag geben. Aber — wie gesagt — dafür hat keiner Interesse, zumal da eine Dattelpalme wohl erst mit dem 15. Jahre zu tragen beginnt. Ein zweiter, nicht zu unterschätzender Vorteil würde der sein, daß die Dattelpalme durch ihren Schatten dann auch das Ziehen anderer Kulturpflanzen ermöglichen würde. Doch sehen wir uns nun etwas weiter in der Nieder lassung selbst um. Am Strande entlang gehend, treffen wir zuerst auf das Haus des Gouvernemenisarztes, das direkt neben dem Lazarett liegt. Jenes stammt noch aus der alten Zeit und ist aus Holz und Wellblech aufgeführt, während dieses — dank der Wasserleitung — ein großes, in Stampfbeton aufgeführtes Gebäude ist. Wenige Schritte weiter liegt -er alte Landungsplatz, an dem das gesamte Eisenbahwbau- und -Betriebsmaterial gelandet wurde. Bon hier aus steigt das Gelände landeinwärts an. Auf der Höhe des Hügels liegt die stattliche Billa der Swakopmunder Handelsgesellschaft und um sie herum ein ganzer Häuserkomplex, der gleichfalls genannter Ge sellschaft gehört, einer Tochter der Koloniatgesellschaft für Südwestafrika, der Eigentümerin des Landes bis 20 deutsche Meilen von der Küste an landeinwärts. Sie unterhält hier eine Buchhandlung, ein großes Kauf geschäft, eine Bank und beschäftigt sich auch mit Bau unternehmungen. Wir sehen ferner auf der Höhe liegen drei Hotels, drei CafsS, den großen Kaufladen der Damaragesellschaft, sowie noch fünf weitere große Kauf geschäfte, die exportieren und importieren und zugleich meistens Filialen im Innern des Landes unterhalten. (Der Import überwiegt den Export ganz bedeutend, dieser beschränkt sich lediglich auf Häute, Gehörne, Straußen federn, lebendes Bieh und Wolle in kleinerem Umfang.) So ein afrikanischer Kaufladen, hier geschmackvoll „Store" genannt, ist ein ,,^u Kon marcks" im kleinen — und doch noch etwas mehr! Man kann hier eben schlechter dings alles kaufen, was der Ankömmling nur irgend brauchen kann zum eigenen Verbrauch oder für den Handel mit Eingeborenen im Innern. Bei größeren Abschlüssen sind zudem die Preise sehr annehmbare. Brauchst du nun einen Frackanzug, eine Tonne Heringe oder ein Dutzend Eheringe, einen Ochsenwagen, Schweizerkäse oder ein Reitpferd, Tabak oder Seiden- tücher — hier kannst du alles haben. Selbstver ständlich hat jeder „Store" auch Schankkonzession, und es wird kein Geschäft abgeschlossen, ohne den Kauf durch einen Trunk zu bekräftigen. Hat man nun sehr viel in verschiedenen Geschäften einzukaufen, so ist leicht ein zusehen, daß dazu schon eine überaus kräftige Körperkonstitutivn gehört. Der gleichen Sitte — oder Unsitte — begegnet man beim Besuchemachen. Nach der üblichen Begrüßung des Gastes ist die erste Frage: „Was trinken Sie?" Eine ablehnende Antwort würde als sehr unhöflich betrachtet werden. So kann man leider nicht sehr viel Besuche auf einmal sich vornehmen, besonders, da man ja in jedem Hause ein anderes alkoholisches Fluidum zu sich nehmen muß. Findet man daher je manden in Swakopmund bereits am Bormittag in sehr fideler Stimmung vor, so pflegt man ihn zu fragen: „Sie haben wohl Besuche gemacht?" — Glücklich der Mann, dem es seine Geschäfte erlauben, den Alkohol, fluten der Niederlassung zu entgehen, um draußen in der Wildnis einsame, aber weniger von ,„Kater" be- einflußte Tage zu verleben! Bon dem großen Bier- konsnm des Platzes zeugt auch das Pflaster. Es besteht nämlich ans Bierflaschen. (Daß sie leer sind, bedarf wohl nicht der Betonung!) Mit den Hälsen nach unten hat man die zahlreich vorhandenen Flaschen in den losen Wüstensand eingegraben un- so ein haltbares Trottoir hergestellt, auf dem es sich sehr bequem lustwandelt. An anderen Stellen ist seitens der Bezirksamtmannschaft ein Bürgersteig aus Beton — hier das AUcrweltsbaumittel — hergestellt worden. Das Gehen in dem tiefen, losen Wüstensand ist nämlich aus die Dauer überaus ermüdend. Ich habe ferner Bier flaschen als Einfassung von Gräbern hier gesehen. Der Sand der Hügel ist schwer zusammenzuhalten, und so findet niemand etwas in der Berwenüung der Flaschen zu diesem Zweck. Der Kirchhof, der im Südosten der Stadt gelegen ist und einige 120 Gräber umfaßt (1900 waren es erst einige 30!!), macht einen überaus trüb seligen Eindruck. Er liegt offen in der Wüste, und so wächst denn dort gar nichts Grünes. Die gut gehaltenen Gräber zeigen eine Einfassung von Stein oder Holz, ein Kreuz mit dem Namen schmückt jedes Grab — viele Hügel jedoch sind schon ganz zusammengesunken und verweht, — verweht, wie wohl auch die Erinnerung an das unruhige Herz, das hier ausruht vom Kampf ums Dasein. Wie lange wird's dauern, da zerfällt das Holz kreuzchen un- dann ist auch der Name des müden Fremd lings dahin — verweht, vergessen! Die Geschäftsniederlassung, die wir bisher in Ge danken durchwanderten, bildet den südlichen Teil der Stadt. Im nördlichen Teil liegen die staatlichen Ge bäude, die zugleich auch recht stattliche sind: der Leucht turm mit seinen Klügelbauten, das Bezirksgericht, die Kasernen und Magazine, Wohnungen für den Garnison ältesten und Bezirksamtmann, den Eifenbahndirektor und schließlich das große Empfangsgebäude des Bahn- Hofs mit dem Uhrturm. Beide Stadtteile sind getrennt durch eine breite Schlucht, in der entlang die Eisenbahn liegt, die hinunterführt nach den großen, wieder in Stampfbeton ausgeführten Zollgebäuden und der Molenanlage. Um den Frachtverkehr innerhalb des Ortes zu erleichtern, der in dem tiefen, losen Wüstensand überaus anstrengend für die Zugtiere sein würde, wird der ganze Ort von Schienensträngen durchzogen, auf denen die Güter vom und zum Bahnhof und von Haus zu Haus befördert werden. Wir steigen nun hinunter in die Schlucht und klettern an der andern Seite wieder empor, um hinüber nach dem Bahnhofe zu gelangen, der am Nordostende der Stadt liegt. Der Leuchtturm, der hier steht, ist noch nicht in Betrieb genommen, seine Stelle vertritt vorläufig noch der alte Signalmast, an dem die deutsche Flagge tagaus, tagein lustig im Winde flattert. Hier finden auch die Gottesdienste statt, die von Zeit zu Zeit der Missionär Böhm aus Walffschbai abhält; er wohnt nun schon 40 Jahre dort unter den Topnar-Naman. Siva- kopmund hatte bis 1902 keinen evangelischen Missionar, obgleich die Zahl der dort beschäftigten Eingeborenen seit dem Beginn des Bahnbaues, also seit 1897, eine ziemlich große war. Es ist mir unbekannt, ob vielleicht gegenwärtig Swakopmund einen eigenen Missionar er halten hat; es wäre das, auch im Interesse der weißen Bevölkerung, dringend erwünscht.
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