Delete Search...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-15
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040315016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904031501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904031501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-03
- Tag1904-03-15
- Monat1904-03
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Vie knilarmng arr vri»rgene»n. Ueber da« aktuelle Thema „Entlastung de- Reichsgericht-" kielt ObcrlandeSgerichtSpräsident Hamm-Cöln, der frühere Oberreichsanwalt, am Sonnabend abend in der Juristischen Gesellschaft ru Berlin einen bedeutsamen Vertrag, von welchem der Vorsitzende, der Präsident der Reichsbank, Excellenz vr. Koch, meinte, daß er nicht ohne Einfluß auf die Reichstag-Verhandlungen bleiben werde. Wie bekannt, hat der Staatssekretär de- Reichsjustizamt- vr. Njeber- ding die Vorlegung eine- bezüglichen Gesetzentwurfes in nahe Aussicht gestellt. Der Vortragende betonte einleitend, daß bei der Ueberlastung de- Reichsgerichts und der Verschleppung der Revisionsentscheidungen bi- zu dreiviertel Jahren eine Abhülfe nicht weiter hinauSgeschoben werden könne, die Frage sei nur die, auf welche Weise die- geschehen könne. Es werde vielleicht nicht- andere- al- die Vildung von HülsSsenatrn übrig bleiben. Im Jahre 1879 wurde das Reichsgericht mit 5 Zivifenaten eröffnet, heute seien bereits deren 7 vorhanden. Boa den zu erledigenden Sachen kamen 1894 auf je einen Richter 54 Sachen, während im Vergleiche zu dem französischen Kassationshof auf je einen Richter nnr 6 erledigte Sachen kamen. Die Vermehrung der zu er ledigenden Fälle steigerte sich dann sprungweise, so daß zuletzt auf jeden Senat KOO Sachen kamen. Um dieses Material ordnungsgemäß zu erledigen, müßten zwei neue Senate geschaffen werden und selbst dann wären 50—60 Sachen auf je einen Richter zu viel. Die Zunahme der Prozesse entspreche der Zunahme der Bevölkerung, der Wohlhabenheit, dem Aufschwünge der Industrie und auch dem Sinken des Geldwertes. Als Antwort auf die Frage, wir den Mißständen abgeholfen werden solle, heiße es „schafft neue Zivilsenate! Ganz abgesehen davon, daß die- nicht an den Kosten liege, noch daran, daß wir nicht genügende Richter für diese Zwecke haben würden, liege die Schwierigkeit darin, daß eben ein Gericht da- nicht schaffen kann, was eS soll. E» kommt immer auf daS Plenum an, wo jetzt bei dessen Besetzung mit KO—70 Personen der Zusammenhang verloren gehe und die Entscheidung der Rechtsfrage zur Unmöglichkeit werde. Eine Abstimmung im Plenum, wie sie heute ohne Debatte gescheht, sei ein ganz trauriger Anblick. Bei der Frage, war bezüglich einer Abhülfe zu geschehen habe, zog der Vortragende Vergleiche mit dem französischen Kassation-Hofe an und betonte, daß für unS in Deutschland der Hauptzweck und die Leben-aufgabe der Revision die Erhaltung der Einheit in der Rechtsprechung sei. Heute sei aber die Rechtsfrage bei einem Plenum von 50—70 Richtern nicht mehr voll zu erreichen; aus einem solcken Plenum könne nicht viel herauS- kommen. Wir gelangen so nur zu einer Versteinerung der Rechts- sprechung, wobei man einfach die Bücher ausschlägt, was die Parteien allein besorgen können. Werde eine Abhülfe nicht herbeigeführt, dann sei das Reichsgericht auch nicht mehr wert, daß es existiere. An den Mißständen sei allerdings teilweise dar Reichsgericht selbst sehr viel schuld, indem es sich nicht an die allgemeinen Ein schränkungen gehalten habe, welche in der Zivilprozeßordnung vorgeschrieben sind. Nachdem sich der Vortragende noch des Eingehenden mit der Frage der provisorischen Vollstreckbarkeit der Schadenersatzes und der Urbernahme des Suspensiveffektes durch daS Reichsgericht beschäftigt, gelangte er schließlich zu dem einzigen augenblicklichen Ausbülfsmittel, um die Geschäftslast des Reichsgerichte« zu mindern: der Erhöhung der Revisionssumme, wodurch die Arbeiten des Reichsgerichts um ein Viertel bis ein Mittel herabgesetzt würden und wir dann auf keinen Fall sieben Senate brauchten. Nach überzeugender Widerlegung der gegen diesen Vorschlag eventuell ins Feld zu führenden Bedenken, wie der Schädigung des kleinen Manne- u. a. m. schloß Redner seinen mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vortrag mit der Erklärung, daß allem voran die Einbeit der Rechtsprechung stehen müsse, weiche das Reichsgericht zu hüten berufen sei. Zum dem glänzenden und vielfach überzeugenden Vor trage bemerkte Geh. Rath Professor vr. Dern bürg, daß der Mangel an der RechtSeinkeit auf der unbefriedigenden Organisation der heutigen Plenarbeschlüsse beruhe, die wir au- dem alten preußischen Recht in die größeren deutschen Verhältnisse übernommen haben. Redner regte die Einrichtung eine- geschlossenen ReichsgericktShofeS in der Weise an, dag jeder Senat ein Mitglied für eine bestimmte Zeit in diesen Gerichtshof depu ¬ tiert; ein solcher GerichtShoi wäre geeignet, nicht k nur das deutsche Recht fortzubilden, sondern eS würde ein I Organ sein, daS gewiß einen der besten Gerichtshöfe der 1 Welt abgeben würde. De- ferneren war Redner gar nicht gegen die Vildung zweier weiterer Senate, da man hier den Wünschen de- deutschen Volkes entgrgenkommen würde, ohne die Revisionssumme zu erhöhen. Jedenfalls aber wollen wir, so schloß Redner, daß un- da« Reichsgericht erhalten bleibe. (Lauter Beifall.) Geh. Rat Wilke schloß sich im großen und ganzen den Dernburgschen Ausführungen an, wahrend Präsident Rinteln dem Vorschläge des Vortragenden betr. Erhöhung der Revisionssumme beitrat, bemerkend, daß Stempeljachen von 1,50 überhaupt nicht vor da» Reichs gericht gehören, eS wären dies rein juristische Leckerbissen. Nachdem er noch einige dem Reichsgerichte gemachten Vor würfe auf da- richtige Maß zurüaführte, plaivierte er für die Abschaffung de- mündlichen Vrt- fahren-, da- doch keine neuen Tatsachen zu Tage fördere. AmtSgerichtSrat Jastrow suchte an der Hank von Zahlen nachzuweisen, daß bei dem früheren preußischen Obertridunal nicht nur 50—60, sondern bi« 96 Sachen auf einen Richter kamen und alles gut ging. Der Grund, daß dies heute nicht beim Reichrgerichte gehe, liege einfach an dem veralteten Verfahren. Wenn die Erhöhung der Revisions summe u. a. mit dem Sinken de- Geldwerte- begründet werde, so sei nicht zu verstehen, daß der Fisku» nicht auch die Stempelfreiheit für größere Beträge zulasse. Der russisch-japanische Krieg, der »uffen. Ueber die Konzentration der russischen Truppen am 8iau-ba-fflusse und der Eisenbahn Niutschwang» Mukden-Charbin depeschiert ein russischer Generalstabs offizier au- Aing-tse-kou, den 11. Februar: Die Konzen tration der russischen Truppen auf der Liau-Linie wird mit gesteigerter Energie durchgeführt. Drei neue Regimenter Infanterie und ein Kosaken-Regiment sind nach der Liau- MündungunterwegS. Da-Kommando dort übernimmt General Krijenofsky an Stelle de« Generals Konatorawitsch. Ge neralmajor Mestschinko steht mit 20,000 Mann sibirischer Truppen am Jalu. Diese setzen sich zusammen aus zwei Regimentern Kosaken (4000 Mann von TscherkaSk und NeNjchinkS), 11 000 Mann Infanterie und dem vorher bei Feng-hwang-tschena stationirten Corps <5000 Mann Infante» und Artillerie). Südlich vom Liau-yang ist ein sehr große- befestigtes Lager errichtet, daß sich 5 km weit erstreckt. In demselben befinden sich 12 000 Mann Infanterie und Artillerie mit etwa- Kavallerie, die Tag und Nacht ununterbrochen an den Befestigungen, welche hier aufgeworfen werken, beschäftigt sind. Von Chardin kommen täglich Verstärkungen herunter, die durchschnittlich 1000 Mann pro Tag erreichen. In Cbarbin selbst steht das seit Anfang März dort allmählich zusammengezogene neue Armeekorps, welches ursprünglich nach dem Liau und Jalu bestimmt war, aber in Charbin ans Befehl des Admiral« Alexejeff zurückgehaltcn wurde, um sofort nach denjenigen Punkten geworfen werden zu können, welche von den inzwischen an der Nordostküste angeblich gelandeten japanischen Truppe» bedroht werden. Die bei Tschön-Dschu (südöstlich vom Jalu) gestandenen Truppen sind nach Widschu zurückgezogen worden und werfen dort starke Befestigungen am linken Ialuslusse auf. Läng« der chinesischen Eisenbahnlinie kontrollieren gleichzeitig russische und japanische Spione alle Vorgänge und durchsuchen sämtliche Züge. An euro päischer Kavallerie steht nur eine einzige Schwadron. In Cbarbin sind soeben noch 5000 Mann mit irregulärer kauka sischer Kavallerie eingetroffen, während 12 000 Donsche und Kubansche Kosaken, fowie 4000 Mann gemischter asiatischer Kavallerie unterwegs sind. In Wladiwostok stekt ein Regiment europäischer Kavallerie, die Primorski- Dragoner. General Ventri« inspiziert mit seinem Stabe sämtliche Posten von Tientsin bis Schan-bai-Iwan. Auf der ganzen chincsifchen Eisenbahnlinie und dem Golf von Petschili sind nicht nur japanische Spione, sondern auch Olfi- riere des englischen KundsHafterdiensteS eifrig beschäftigt, alle Vorgänge zu überwachen und sich über sämtliche Truppen bewegungen zu unterrichten. Die rulsischen Militärbehörden senden von Mulden aus offizielle Nachrichten nach Shanghai für die dortige Presse durch Vermittelung des hier befindlichen Generals Dessino. Diese Berichte sind natürlich, obwoh nicht falsch, doch einseitig russisch gefärbt. Ver Ba« der SSul-wibfchu Eisenbahn wird nach einer heutigen Meldung aus Söul von der japa nischen Regierung mit außerordentlicher Energie betrieben. Nach dieser Meldung sind bereits über 500 japanische In genieure, tatsächlich alle Eisenbahn-Ingenieure, die überhaupt aufzutreibeu waren, bei den einschlägigen Arbeiten beschäftigt. Die nötigen Eisenbahnschienen, Schwellen und das sonstige Material wurde den vorhandenen japanischen Eisenbahn ¬ betrieben entnommen. Um den Bau zu beschleunigen, werde» Ponton-Brücken provisorisch errichtet uub Tunnelbauten mög lichst vermieden. Die endgültige Bahnlinie wird erst ipäter erbaut und zum Teil anders gelegt werden. Der Bahnbau wird so betrieben, daß jede fertige Strecke sofort für die augenblicklichen militärischen Zwecke benutzt werden kann. * Lsudou, 14. März. (Del.) Die Ruffen sollen Port Arthur tatsächlich geräumt haben, und zwar, weil sie fürchteten, daß sie von den Japanern, welche die Eisenbadn zerstören, abgeschnitten werden. Die Räumung sei am 11 März, nach dem Treffen der «pantschen Flotte, erfolgt. Voss. Ztg.) * vlagoweschtschent», 14. März. (Del.) Dir hiesigen Japaner überreichten beim Verlassen der Stadt dem Militärgouverneur eine Adresse, in der sie ihre Dankbarkeit aussprachen für die liebenswürdigen und freundlichen Maßnahmen, die er ihnen gegen über in dem gegenwärtigen mißlichen Zeitpunkt getroffen hab«. Deutsches Deich. * Halle a. S., 14. März. * Der Evangelische Bund und Vie Verstümmelung VeS Jesuitcngesetzcs. T)er Vorstand des Evangelischen Bundes zur Wahrung der deutsch-protestantischen Inter essen erläßt unterm 12. März folgende Erklärung. Der Bundesrat hat den 8 2 des Jesuitengefetzes durch seinen Beschluß vom 8. März dieses Jahres aufgehoben. Die Millionen evangelischer Christen Deutschlands in zahl losen Eingaben, Kundgebungen, Protesten haben umsonst ge redet. Der preußische evangelische Oberkirchenrat, die preußische Generalsynode, der deutsch-evangelische Kirchenausschuß, diese Ver tretung sämtlicher evangelischer Landeskirchen im Reich — man hat ihre Warnungen vor den weltkundigen Zerstörern des kirchlichen und nationalen Friedens, den Vätern der Gesellschaft Jesu, miß achtet. Um augenblickliche Vorteile auf staatlich-politischem Gebiete zu gewinnen, hat man den Schlag ins Angesicht de- deut schen Protestantismus und seiner organisierten kirchlichen Vertretung nicht gescheut. , ' ' Wir haben dieser erschütternden Tatsache, der in Preußen die ministerielle Zulassung der Marianischen Kongregationen eben voraufgegangen war, nichts weiter hinzuzusügen. Auch dem Blindesten sind jetzt wohl die Augen aufgegangen über die Ohn macht des deutschen Protestantismus, s o lange seine innere Zer klüftung, die religiöse Gleichgültigkeit von Hunderttausenden in feinen Reihen, der Mangel eines festen und zielbewußten Zu sammenschlusses fortbesteht. Der Evangelische Bund zur Wahrung der deutsch-protestäntischen Interessen hat durch die Wege, welche die leitenden Staatsgewalten nunmehr eingeschlagrn haben, die glänzendste Rechtfertigung für sein Dasein, feine Bestrebungen und seine Wirksamkeit gefunden. Wir können angesichts der sich häufenden bitteren und immer bitterer werdenden Erfahrungen nur in unser evangelisches Bolt hinein rufen : „Kommt und füllt unsere Reihen, stärkt unsere Kraft und helfet mit, daß unser geliebtes Vaterland unter den Wunden, die ihm geschlagen werden, nicht verblute!" * Berlin, 14. März. * Die Aeneralkvmmissiou -er sozialdemokratischen Ge werkschaften erstattet soeben ihren Rechenschaftsbericht für die Zeit vom 1. Juni 1902 bis 31. Dezember 1903. Trotz der in einzelnen Industriezweigen ungünstigen Konjunktur hebt der Bericht hervor, daß die gewerkschaftlichen Organisationen in ihrer Gesamtheit sich günstig entwickelt haben. Die Zahl der Mitglieder sei nicht nur bedeutend gestiegen, sondern es hätten auch die Organisationen ihre Finanzkraft wesent lich gestärkt. Soweit nach den Abrechnungen der Verbände eine Uebersicht möglich sei, lasse "sich für das Jahr 1903 eine Zunahme von mehr als 100 000 Mitgliedern feststellen. Wenn die Zunahme in den Verbänden, für welche Abrechnungen noch nicht vor liegen, sich in gleicher Weise gestalte, wie in den Organi sationen, für die bereits Angaben gemacht sind, so werde die Zunahme i. I. 1903 140 000 betragen. Die General kommission verweilt eingehend bei dem Umstande, daß daS Reichsstatistische Amt die Mitarbeit der Central verbände für die Statistik der Arbeitsvermittlung und der ArbeitSlosen-Unterstützung durch die Gewerkschaften in An spruch genommen hat, um hieraus zu folgern: „Das eine ist sicher, daß, wenn die Hülfe der Gewerkschaften von Reichsbehördrn in Anspruch genommen wird, man diesen die sozialdemokratische Obstruktion niederzuschlagen, da durften die verbündeten Regierungen nicht mit An kündigungen kommen, die wir als einen Schlag ins Gesicht empfinden »nutzten, und mit uns weite Kreise der Wählerschaft, die wir vertreten, namentlich gilt dies vom tz 2 des Je suit e n g e s e tz e s." Das ist zweifellos richtig, und den Gewinn von dem Vorgehen des Reichskanzlers wird also hauptsächlich die Sozialdemokratie haben. Der Abg. vr. Spahn hat in der bereits erwähnten Sitzung vom 23. März 1903 davon ge sprochen, daß der Herr Reichskanzler seine Würde „als Hausmeier-desUltramontanismus'inder „Nordd. Allg. Ztg." kursfähig gemacht habe. Die Würde wird ihm wohl niemand mehr streitig machen. Der Herr Reichskanzler scheint bei dieser Würde vielleicht zu glauben, daß daS evangelische deutsche Volk die Rolle der wahren Mutter im salomonischen Urteil spielen werde, daß er auf die nationalen Parteien keine Rücksicht zu nehmen brauche, weil diese ja doch unter Selbstverleugnung für deS Reiches Wohl und Bedürfnisse jederzeit einstehen werden. Gewiß wird er sich darin nicht täuschen, aber die rechte Mutter wird doch vor allem auch darnach trachten müssen, daß die falschen Mütter beseitigt werden, und ein Ruf wird doch nun vor allem aus evange lischer Brust kommen: FortmitdemHausmeier- tum deS UltramontaniSmuS! Da der Verfasser diese Zeilen schließt, spielt ihm ein eigentümlicher Zufall eine Medaille in die Hände: Sie trägt auf der einen Seite das Bild deS Kaisers, auf der andern Seite die Schlotzkirche in Wittenberg, bei deren Einweihung der Kaiser die deutschen evangelischen Fürsten um sich sammelte. Eine weibliche Figur hält ein Buch, auf dein die Worte stehen: „E i n e f e st e B u r g ist unser Gott". Darüber steht ein Stern. Ist eS der Abend st ern? Was will der Zufall mit dieser Er- innerung an den unvergeßlichen Tag gerade heute? Da- neben liegt eine andere Medaille, sie ist geprägt zur 250jährigen Feier der Begründung von Johanngeorgen stadt, das von armen Bergleuten und Handwerkern ge gründet wurde, als sie vom österreichischen Kaiser unter dem Drucke der „harmlosen" Jesuiten aus ihrem Vaterlande vertrieben wurden, und um ihres Glaubens willen Haus und Erwerb verließen. Ein Vorfahr des Verfassers war auch darunter. So trüb und dunkel auch die heutige Zeit ist, das, was jene zu leiden hatten, war doch noch ungleich größer, möge ihr Beispiel uns auf richten! Während wir uns erfreuen an den tapferen und kameradschaftlichen Worten, die die Vertreter unseres Heeres über das angeblich uns drohende neue Jena im Reichstage sprechen, führt der Reichskanzler Preußen in ein geistiges Jena hinein, das vielleicht nicht weniger schlimm ist, als jenes Jena des Schlachten unglücks. Wo sind die Männer, die es hieraus wieder zur Höhe hinauf führen? Unter den preußischen Konser vativen dürfen wir sie, tief ist es zu beklagen, nicht suchen; dafür bürgt das Gesetz, das unter dem Namen Lim- burg-Stirum unserem Volke unvergessen bleiben wird. Unter allen den widerwärtigen Erscheinungen der Gegenwart ist vielleicht der durch Getreide- und Viehzoll politik, durch Kanalgegnerschaft und reaktionäre Gelüste auf dem Gebiete der Schule regulierte Protestantismus eines großen Teiles der preußischen Konservativen eine der beklagenswertesten. Und wie günstig wäre der Moment für sie gewesen! Aber wir wollen nicht am evangelischen Volke verzagen, bleiben wir nur treu, wie es jene armen Bergarbeiter gewesen sind, und es wird doch einmal wieder aufwärts gehen, und — Gott gebe es — mit den Hohenzollern! Feuilleton. Wrrstk. tz Vs« -er Anstalt für «ufikaltsches Aufführungsrecht. Di« von Musikdirektor Och- »Bielefeld) einberusene Zusammen kunft einiger selbständiger Kapellmeister, welche am 10. und 11. d. M. tu den Räumen der Genossenschaft Deutscher Tonsetzer tagte, hat wertvolle Ergebnisse zu Tage gefördert und insbesondere erheblich zur Klärung der Lage beigetragen. Bet Eröffnung der Sitzung wurde von Seiten des EinberuferS auf die jetzigen unleidlichen Zustände hingewiesen. Bei dem schroffen Widerstande einer Gruppe von Verlegern — um da- Kind beim rechten Namen zu nennen — gegen die Genoffenschaft Deutscher Tonsetzer werde den Konzert- «lstitntrn die Durchführung ihrer Ausgabe, dem wirklich musikalischen Publikum gute und interessante Programme zu bieten, erheblich erschwert, da die Kapellmeister sich täglich den begründeten Rechtsansprüchen wegen unbefugter Auf- führung ausgesetzt sähen. Es müsse daher unter allen Umständen versucht werden, die Angelegenheit zu klären. An den lebhaften Debatten beteiligten sich vor allen Kapellmeister Baumann (Berliner Lonkünstler-Orchester), der Vertreter des Philharmonischen Orchester- Herr Müller (unter dem Vorbehalt, daß seine Ausführungen rein persönlich seien und da» Orchester in keiner Weise binden), Königlicher Musikdirektor Josef Frischen (Hannover), der Komponist und Musikdirektor Richard Lilenberg und die Vertreter der Genoffenschaft Deutscher Tonsetzer. Bei Besprechung der Beschwerden über die von der Anstalt au-grgrbenen Fragebogen wurde anerkannt, daß die Anstalt nicht rigoros vorgehe, sondern schonend und in jedem Falle individuell abwägend den Vertrags- schließenden Parteien gegenüber tritt. Ferner, daß der Satz von 1 Proz. der Einnahme al- Pauschgebühren bei Unterbilanzen ermäßigt, betauten Ueberschüflen aber auch um ein gerinae» erhöht werd«, keinesfalls aber auf mehr al- 2 Proz. Die von den An- stalt-vertreteru gegebenen Erläuterungen waren derart sachlich, daß alle Anwesenden die Ueberzeugung gewannen, daß der Frage bogen nicht rin SteuerdeklarationSformular sei, sondern nur der Anstalt Gelegenheit geben solle, die Erwrrb-verdSltniffr eine- Orchesters oder eine» Verein» im einzelnen Falle sorgfältig und wohlwollend zu berücksichtigen. Die Vertreter der Anstalt erklärten sich bereit, auf den Fragebogen eine kurze Notiz aufzu drucken, durch welche das Publikum über die für dir Ge- bührenfestsetzung maßgebenden Grundsätze und über den Zweck der Fragebogen aufgeklärt werde. Die eingehenden Infor mationen über dir Berechnung und Verteilung der Tantiemen an die Komponisten, sowie über den übrigen Betrieb der Anstalt weckte in der Versammlung den Eindruck, daß ersten- der BerwaltungSapparat der Anstalt wohl geordnet und aber auch durch die Opferwilligkeit der Genossenschaftsmitglieder derart gut fundiert und vorbereitet sei, daß den Komponisten wert volle Aträgnisse au» dem Betriebe der Anstalt sicher seien. Wenn auch in den ersten Jahren der Bestand der Anstalt die Verwaltungs kosten noch verhältnismäßig höher seien, al- bei einer leit Jahren bestehenden Einrichtung, so sei die- wohl begreiflich. Al» Endresultat hat sich ergeben, daß alle Kapellmeister und . olle Berrinsleiter am besten tun, wenn sie sich mit der Genossenschaft Deutscher Tonsetzer in Verbindung setzen, erstens, um einmal einen Anschluß an die modernen Komponisten, die zumeist Mitglieder der Anstalt sind, zu gewinnen, zweiten» aber um hierdurch ihre Pro gramme ohne große Umstände und Kosten mü den Werken dieser Komponisten au-zustatten. So werden die Gegensätze, die sich jetzt in so schroffer Form herausgebildet haben, am leichtesten überbrückt werden, und Komponisten, Verleger und Publikum werden sich gut dabei stehen. — vam Rhetntfchen Dünger-un-, In der au« den ver- schiedensten Städten de- Rheinlands überaus zahlreich beschickten Delegiertenversammlung des „Rheinischen Sängerbundes",^ die in Köln stattfand, wurde der vom Vorstände des Deutschen Sängerbundes versandte Aufruf besprochen, der zur Stellung nahme gegen da- vom Kaiser ins Leben gerufene Wanderpreissingen auffordert. Es wurde folgende Resolution beschlossen: Der „Rheinische Sängerbund" lehnt einmütig die Stellungnahme gegen da- Wanderprei-singen ab und erkennt die von Sr. Majestät ergriffene Initiative zur Förderung de- deutschen Liede- dankbarst an. Der „Rheinische Sängerbund" hält dafür, daß e» jedem Bundesverein fretsteben muß, an den Wettstreiten teilzunrhmen. ä Eine Erklärung -es Hugo Wolf-Verein- in Wie«. Wir erhalten folgende Zuschrift: Herr Mar Kalbeck hat im Feuilleton de- „Neuen Wiener Tagblatt'^ vom 9. März d. I., Nr. 69, seinen langjährigen, ebenso erbitterten al- fruchtlosen An griffen auf den Künstler Hugo Wolf nunmehr eine Ver unglimpfung des Charakters und der menschlichen Persönlich keit deS toten Tondichter- folgen lassen. Herrn Max Kalbrck» kritische Au«fälle konnten, bei all ihrer Anstößigkeit, angesichts der allgemein wachsenden Begeisterung für Hugo Wolf- Kunst völlig kalt lassen. Die unerhörte Schmähung de» Toten aber fordert die gebührende Abwehr, umsomehr al» der Charakter Hugo Wolfs in einem harten und stet- bedrängten Lebenslauf immer ein untadelig reiner geblieben ist. Hugo Wolf- Geschwister werben durch ihren Vertreter ReichSratSabgeordneten vr. Eduard Wolffhardt, welchem wir den Sachverhalt zur Kenntnis gebracht haben, gegen Herrn Max Kalbeck, seine Gewährsmänner und gegen die Redaktion des „Neuen Wiener Tagblatt" die Ehrenbeletdigungsklage überreichen. Für den Hugo Wolf- Verein in Wien: vr. H. Werner, Schriftführer. Edmund Hellmer, Vorstandsmitglied, vr. M. Haberland, Obmann. W. Der Dheatertzirektor Angelo Reumann in Prag wurde vom König von Sachsen, wie un- telegraphisch mit- geteilt wird, mit dem Ritterkreuz erster Klaffe des Albrecht-orden» au-grzrtchnet. Kunst. Dar Deutsch« V«chgawarbaverei« in St. Loni». Auch der deutsche Buchhandel wird begreiflicher- weise auf der diesjährigen Weltausstellung vertreten sein. Arthur Wörnlcin, der Verwaltungsdirektor des Buch- gewerbevereius, hat eine Ausstellung der für St. LouiS bestimmten Druckwerke veranstaltet, und die zur Schau gestellten Stücke sind derart, daß man mit gutem Ver trauen den Eindruck erwarten kann, den unser deutsche- Buchgewerbe neben dem anderer Länder machen wird. Noch nicht lang« steht <S so um die Buchausstattung tn Deutschland. Die guten Zeiten, wie sie Gutenberg und Dürer gesehen, waren auf lange, lange Jahre ver schwunden. Eist mit dem SnSgange des 18. Jahr hunderts hat Deutschland sich nach dieser Seite hin auf- gerafft, dem Beispiel fremder Länder folgend. Von England ging die neue Bewegung aus, wo Ruskin und William Morris bahnbrechend wirkten. Vor allem aber Morris. 1859 hat er sich sein Haus „Tb« Rsä üousv" gebaut und eingerichtet, und 1861 ist die Firma Morris L Cie. gegründet worden. Sie entwarf und lieferte Glasmalereien, Tapeten, Teppiche, Möbel usw., und das Buchgewerbe erhielt von demselben Morris drei Buch druckschriften, die noch heute benutzt werden. Aber bei den Schriften blieb man nicht stehen. Die gesamte Ausstattung desBuches erfuhr eine Re- form, und seit fjwei Jahrzehnten etwa mehren sich rasch die Verleger, die auch in der künstlerischen Ausstattung ihrer Verlagswerke einen wichtigen Punkt ihrer Aufgabe erkennen. Der Jnselverlag Leipzig, Eugen Diederichs- Leipzig, Schuster L Löffler-Berlin, I. Stargard-Berlin, Breitkopf L Hartel-Leipzig, Fischer L Franke-Berlin, Bruckmann-München, Alex. Koch-Darmstadt und viele andere, die nicht alle hier aufgezählt werden können, haben, wie die von ihnen ausgestellten Arbeiten beweisen, mit der fortschrittlichen Zeit gleichen Schritt gehalten. — Vortreffliche Sammlungen von Exlibris, Buch umschlägen, Accidenzen, Musiktiteln, Dorsatzpapieren (be sonders schöne von Breitkopf L Härtel und Pöschel L Trepte) enthält die Ausstellung, und auch Original- Holzschnitte, Künstlerlithographien, Radierungen usw. in ausgezeichneten Blättern wer den dem internationalen Publikum in St. Louis ge zeigt werden. Die Holzschnitte von I. I. Weber, Braun L Schneider und Delhagen L Klasing verdienen besonders hervorgehoben zu werden. Auch der großen Bewegung der Kunst im Leben de 8 KindeS ist Rechnung ge- tragen. Den bekannten Kinderbüchern aus früheren Jahren mit Illustrationen von Ludwig Richter, Speckter, Oskar Pietsch, den humorvollen Geschichten von Wilhelm Buschs Max und Moritz, Hans Huckebem dem Unglücks raben, Schnurr di Murr die Bienen u. a. haben sich nun noch die lithographischen Vervielfältigungen von neuesten Werken der bildenden Kunst, die Wandbilder für Schule und Haus beigesellt, wie sie von den Firmen Breitkopf L Härtel, R. Boigckliinöer und B. G. Teubner tn so vortreff lichen Reproduktionen ausgegeben worden sind. vr. Imckviz * WreirouSschrei»»« Der ,Staat«an»eiger' meide«: Au« dem für ISO« auf dem Gebiet« der Malerei ausgeschriebenen Wettbewerbe um den -rotzen Stoaispret» von 3300 »u einer rinlährigen «tudienretk« ging al» Sieger der Maler Han» Müller zu Dachau bei München hervor. für LelpsiO. Theater. ret»z««»r «tobitbrutrr. Heut« gelangt t« Neuen Theater .Das «lvckchen de» Eremiten' zur Aufführung, den Velamh singt Herr Erhard vom Nürnberger Stadttheater al» Gaft auf Engagement Zu morgen ist Lebar« Operette .Der Rastelbtnder' angesetzt. fim Alten Dheater wird heute Beverlein« Drama . Zapfen» stretch' und morgen Hauptmann» vielerwähnte« Schauspiel .Kose Ver ad" gegeben. — Nächsten Donner-tag findet tm Neuen »Heater da» «ft, Gastspiel Adolf Soaaeathal» von, wiener Hofburg theater statt. Der Darsteller wird an diesem Abend den Wallenstein in „ W a l I e n ft e i ns Tod" verkörpern. Der Btllettvorverkaus zu dieser Vorstellung wird noch heute und morgen an der Tageskasse sortgesetzt, ebenso zu den zwei weiteren Gastspielen „Fuhrmann Henschel" (am 1V. d. M.) und „Fromont sun. undRtSler «en." (am 22. d. M.). Die geehrten Abonnenten werden gebeten, die neuen Abonnementsbücher zum zweiten Quartal gesl. von heute ad bis mit Donnerstag tn den Stunden don 10 bis 2 Uhr an der Abendkasse des Neuen Theater» in Lmpsang nehmen zu lassen^ Leipziger Schauspielhaus. Dienstag gebt Sudermanns Schauspiel „Johannisseuer" tm Mittwoch-Abonnement in Scene. Fäplcin Hedwig Reicher vom Kleinen und Neuen Theater in Berlin und Fräulein Emmh EberSpächer vom Stadllheater in Strabburg gastieren in den Rollen der Marille und Trude aus Engagement. In den wetteren Hauptrollen sind beschäftigt die Damen WcnkhauS und Winkler sowie die Herren Bornstedt, Mehnert, Mauren und Wirth. Walter Bioems erfolgreiches Schauspiel „ES werbe Recht" erscheint am Mittwoch außer Abonnement wieder aus dem Spielplane. Als Klassikervorstellung zu halben Preisen gelangt nm Donnerstag „Minna von Barnhelm" mit Fräulein EberSpächer als Franziska zur Aus führung. Das Schauspiel „ Luctfer ", deutsch von Otto Erich Hari- icben, wird am Freitag (außer Abonnement) wieder gegeben. Auf das am Sonnabend stattfindende Gastspiel von Frau Albertine Zehme in Björnsons „Laboremus" sei an dieser Stelle nochmals besonders hingewiesen. Die Erstaufführung von „Lady Windermeres Fächer" mit Frau Lindner-Orban tn der Rolle der MrS. Erlynne ist am Sonntag. Zentraltheatrr. Heute wird „Wie man Männer fesselt" zum drei zehnten Male aufgeführt. Konzerte. Agnr» Tullarv gibt heute abend einen Liederabend im Kammermusik saale des Zentraltheaters unter Mitwirkung des Cellisten Albert Kludt. DaS Oratorium „St. Benno" von Thomas Hagedorn wird nm Mittwoch abend tm Festsaale de» Zentraltheaters aufgeführt. Solisten sind grl. Hartung, Herren Ernst Schneider, Hetnrich Ewald, vr, H. W. Egel und Fr. Nicolai, Chor: Mitglieder der katholischen Ktrchenchöre, deS Gesangvereins „Lied hoch" und andere Sänger. Die Kapelle des 7. Künigs-Jnfanterie-Regiments Nr. 106 stellt da- Orchester. Vnul Knüpfer ist infolge Repertotreänderungen der Kgl. Hofoper in Berlin leider verhindert, Donnerstag, den 18. März, tm Prets- ltederkonzert mitzuwirken. An seine Stelle tritt Alexander Heinemann. K««stsalo». Del Vecchio» KunftauSstelluu» In den nächsten Tagen gelangt in Del Vecchio» Ausstellung eine hochinteressante Eonderausstellung des berühmten belgischen Maler» Henrh Luvten zur Placierung. Die Kollektion umsatzt ca. 30 Gemälde, meist größeren Formate», darunter da» 11 Meter lange Tripwchon-Kolofsalgemälde „Der Streik'. ' Ferner stnd mit vertreten: „Tie Witwe', „Allein «us der Welt', „Die Saat", „Da» Erlöschen de» Lebens", „Der Sturm", „Der Mittag', „DaS Abend lied" usw. Wegen der großen Vorbereitung dieser umfangreichen Aus stellung bleiben di« AuSsiellungträum« am Dienstag und Mittwoch ge schlossen. v»rtriige. «udolf Er««««, d«r »«kannte ReisefchriftNeller und Zeichner, hält morgen noch einen »weiten Vortrag tm Festsaal« de» Zoologischen Garten« über seine Reisen in Amerika. Gortbe-Geseaschos«. ES ist dem Letter der Goethe-Gesellschaft ge lungen, Herrn Professor Alexander Strakosch, den auSgezei»- neten Wiener Vortrag-meister, zu einem »weiten Auftreten in unserer Stadt zu veranlassen. Strakosch wird Sonnabend, den IS. Mär», di« „Elektra" de» Sophokles, übersetzt und bearbeitet von Adolf Wilbrandt, »um Vortrag »ringen. Sie zähl» »u den Glanznummern feine» Programms. Der Eintritt ist au» dt«»mal frei, do» sind fär reservierte Plätze Karten » Sä Psg. s»ob von heut« an in der Ltnckeschen Leihbibliothek (Rttterstratze), tn der Kleinlchen Kunsthandlung (Universität-straße) und tn Jost» Musikalienhandlung (PeterSsleimvea) zu haben.
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview