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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.04.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-13
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040413013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904041301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904041301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-13
- Monat1904-04
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Lri»»tt«t«r Anzeige zufolge ist der für den appr«d. Ar»« Herrn vr. me«i. Frietzr. Ernst Walter Wetze», geb am 27. Ostober 1875 in Leipzig. am 29. Januar ds. IS. hier auSgrfteUle Reisepaß Nr. 530, gültig bis zum 28. Januar 1905, abhanden gekommen. Zur Verhüt»»« von Mißbrauch wird dieser Paß hiermit fiir ungültig erklärt. Leipzig, de» 8. April 190t. Las Polizei»«« »er Lt»tt Leitzzis. I. 1351. Bretsch netder. Dchvllm. Versteigerung. idreita«, tze« 1». April 1»O4, vormittags Ist Utzr sollen im hiesigen amtSacrtchtlichen BerslriarrunaSraume l Laden» täfel, 1 Fenstervorbau, 1 Regqle, 1 lßiaSsqaukaiten, 1 Blechschau- käste», 1 Rohrtisch mit 2 Stühlen, 3100 Stück Cigarren, 40 Kisten mit Cigaretten-, Tgback- und Cigarren-Restern, 1 Uhr u. v. a. A versteigert werden Ätzzig, den 12. April 1904. Der Gericht»vol>»ietzer »es i»,l. Amtsgericht». Rauchwaren-Auktion. Freitag, den 1S.April1VO4, vorn». LO Uhr tollen Rikolaistrahe Ä4, LI., au» der Konkursmasse Mar Rabe Sstr-L vrlntnrger Murmel, Lst dunkle Zadel, 14stL Pfd Fehschweife öffentlich gegen Barzahlung versteigert werden. Die Besichtigung der Waren kann Donnerstag, den 14. April, von 9—12 und 3—6 Uhr in oben bezeichnetem Lokale erfolgen, wo auch Katalog« zu haben sind. Lokalrichter. Heute Mittwoch, deu IS. April, vorn», von Ist Uhr an Möbel, Kleidungsstücke, Wasche, 1 Metzers CouverfationSlertkon usw. Berliner Straße 15, III. Norm, Lokalrichter. veiurchrk sieicbrlag. 64. Sitzung. O Berlin, 12. April. (Telegram m.) Am Bundesratstische der Reichskanzler Graf v. B ü - low, Staatssekretäre Graf v. Posadowsky, Frhr. v. Stengel, l>r. Nieberding, Staatsminister v. Köller. Ter Präsident Graf v. Ballestrem eröffnet die erste Sitzung nach der Osterpause mit einem freundlichen Grutz an die Kollegen. Das Verzeichnis der neueingegangenen Vorlagen wird verlesen und von der Erledigung des Mandats des Abgeordneten Zehnter (Zentrum), der zum Landgerichtsdirektor befördert ist, Mitteilung ge macht. Vom Grafen Oriola ist eine Interpellation über die Vorlegung der neuen Militärpensions-Gesetzent würfe eingebracht worden. Zur ersten Lesung steht zu nächst die Vorlage wegen Aendcrung des Münz gesetzes. Staatssekretär Frhr. vvu Stengel leitet die Beratung der Vorlage ein. Die Schwierigkeit des Unterscheidens eines 50-Pfennigstücks von einem 10-Pfennigstück habe allerlei Mißstände im Geldverkehr ergeben, die ihren Höhepunkt erreicht hätten, als das 20-Pfennigstück in Wegfall kam. In der jüngsten Zeit sei man zu dem Er- gebnis gelangt, das; durch eine Aenderung in der Legie rung den Mißständen wirksam abgeholsen werden könne. Die Bestimmung des Münzgesetzes vom Jahre 1861 sei verfehlt, daß alle Münzen, gleichviel ob klein oder groß, aus derselben Metallegierung hergestellt sein sollen. Je kleiner die Münze sei. desto härter müsse das Münzmetall sein. Deshalb werde jetzr für das 50-Pfcnnigstück eine Aendcrung der Legierung vorgeschlagen, die es stärker und widerstandsfähiger macht, da die Möglichkeit besteht, es dicker zu prägen. Im stalle der Annahme des Gesetz entwurfes würde es dem Bundesrate Vorbehalten bleiben müssen, hinsichtlich der äußeren Form der Münze nähere Bestimmungen zu treffen. Die Gelegenheit, die sich hier biete, solle benutzt werden zur Einfügung einer Bestim mung, nach welcher die verbündeten Regierungen im Interesse des geordneten Geldumlaufs Verfügungen er lassen können. Von der Direktion des Theaters einer größeren rheinischen Stadt seien Reklamemarken ansge- qeben worden, die nach Farbe und Prägung genau einem 20-Markstück glichen, so daß damit Betrügereien verübt werden konnten. Die Möglichkeit des Verbots der Aus prägung solcher Marken müsse fiir die Regierungen be stehen. Er hoffe, daß das Haus dem Entwürfe seine Zn- stimmung nicht versagt. Abg. Spahn (Zentr.) erklärt, daß nach dem ausführ lichen Dortrage des Frhrn. v. Stengel eine Kommissions beratung nicht notwendig sei. Abg. Arendt (RcichSp.): Es scheint nicht über allen Zweifel erhaben zu sein, daß die neuzuprägenden 60- Pfennigstücke allen Nebeln abhelfen. Ich sehe nicht ein, warum alle Münzen rund sein sollen. Wenn man die Modelle der neuen Stücke ansieht, drängt sich einem die Vermutung auf, daß alles blelben wird, wie eS ist. Man sollte also m der Kommission der Frage näher auf den Leib rücken, zumal noch eine Reihe anderer Bedenken gründlich erörtert werden könnten. Ich erinnere nur an die Ausprägung der mißratenen Denkmünze zur 200- Iahrfeier Preußens. Besteht die Absicht, Mr Afrika be- sonderes Kolonialgeld zu machen, so muß das auf Grund einer reicksgesetzlichen Bestimmung erfolgen, die sofort hier getroffen werden könnte. ES wäre endlich ins Auge zu fassen, ob eS sich nickt empfehlen würde, den Taler un verändert oder in 3-Markstücken umgeprägt beigube- haltcn. Frhr. v. Thielmann erklärte bei Beratung des letzten Münzgesetzes, die Taler würden nicht beseitigt werden. Man behielt aber in direktem Widerspruch mit diesen Erklärungen die Taler ein. Es ist anzuerksnnen, daß der fetzige Schatzsekretär die Einbehaltung wieder auf gehoben hat. Die 5-Markstücke sind nur bei Kassenbe amten, nicht beim Publikum beliebt. Ich würde die KommisstonSberatung befürworten, keineswegs darf heute eine zweite Lesung vorgenommen werden, weil eine Reihe von Anträgen dazu vorbereitet werden müssen. Staatssekretär Frhr. v. Gtwigel. Die Umprägung der Nickel- und Kupfermünzen unter Aufgabe der runden Form würde enorme Kosten verursachen. Betreffend die Kolonialmünzen wird dem Reichstage in allernächster Zeit eine umfassend« Denkschrift zugehen. Die Fabrik- und die ländliche Bevölkerung verlangt in steigendem Maße Fünfmarkstücke, fo daß wir die Ausbreitung entsprechend steigern muhten. Abg. Blei (freis. Dp.) spricht sich für die Vorlage a»S und hält die KommisstonSberatung für unnötig. Abg. Wurm (Soz.): E» wäre praktischer, die Sv-Pfennigstücke größer auszumünzen unter Verringe rung des GilbergehalteS. Man müßte sich in der Kom mission noch weiter darüber unterhalten. Abg. Hiebe» (natl.): Denn man die 50-Psennigstücke verbessern will, sollte man auch daran denken, sie zu ver schönern. Die Münzverwaltung eines großen Kultur- staates sollte dem allgemeinen Schönheitssinn auch auf diesem Gebiete Rechnung tragen und Konkurrenzen ver anstalten, an denen unsere Vesten Künstler tcilnehmen könnten. Abg. Raab (wirtsch. Bg.) wünscht, daß mehr Probe stücke vorgelegt würden. ES müßte darauf geachtet wer de«. daß die neuen Münzen sich von denen anderer Staaten unterscheiden. Die Talerstück« seien immer noch Bedürfnis; die Durchlochung der Nickelmünzen wäre wünschenswert. Vielleicht sei die Technik jetzt so weit, um die Einfiilnmng von Aluminiummünzen zu ermöglichen. Abg. Pachnicke ^freis Vp.) hält die Kommlssions- beratung für unnötig; eS zeige sich, daß der Verkehr sich iminer mehr dem Funfmarkstück zuwendet. Mangel an Wechselgeld ist nach Erlaß der Münznovelle nicht vor- Händen. Dagegen sollten mehr goldene Zehnmarkstücke ausgeprägt werden. Ter frühere Schatzsekretär wollte dieser Frage erst nähertreten, wenn wir einen niedrigeren Diskontsatz hätten, WaS jetzt der Fall ist. Staatssekretär Frhr. v. Stengel erkennt die große Be liebtheit der Zehnmarkstücke an. Tic Prägegebühr bei Zehnmarkstücken ist viel höher, als bei Zwanzigmark- stücken. Auch die Abnutzung ist wesentlich höher, fiska lische Rücksichten kommen aber nicht in Betracht. DaS Bedürfnis ist in jedem Falle nicht jo groß, wie man e» darstellt. Wir werden deshalb die Zwei und Fünfmark, stücke im Interesse der Arbeiter und der Gewerbetreiben den in ganz besonderer Höhe ausprägen lassen. Abg. Kirsch (Zentr.): Der Fehler liegt im MUnzgesetz selbst, welches für 50-, 5- und 10-Pfennigstücke dasselbe Münzbild vorschreibt nnd für die Rückseite nur die Wert- bezeichnung. Es müßte also das ganze Münzgesetz ge ändert werden. Damit schließt die erste Beratung. Die Vorlage wird einer Kommission von 14 Mitgliedern überwiesen. Es folgt die Fortsetzung dec zweiten Beratung des Etats des Reichskanzlers und der Reichskanzlei. Abg. Spahn (Zentr.) kommt auf die Prüfung der Wahl des Abg. Priebe in der vorigen Session zurück. In dein Prozesse, der sich an diese Wahl anschloß, wurde die Behauptung ausgestellt, daß gewisse Beamte der Berg werksdirektion Saarbrücken nicht. Zeugnis ablegen durften, weil ihnen Amtsverschwieoenbeit auferlegt war. Diese Angelegenheit berührt dierekt die Befugnisse des Reichstags. Der Reichstag steht als gesetzgebender Faktor über den Regierungen der Einzelstaaten, und es darf nicht von dem Belieben eines Ministers abhängen, ob die vom Reichstage geforderten Erhebungen durch zeugeneidliche Vernehmungen stattfinden können oder nicht, da den Verklagten dadurch der Wahrheitsbeweis abgeschnitten würde. Es müsse die Strafprozeßordnung fo bald wie möglich abgeändert werden. Staatssekretär vr. Nieberding: Ich bin gern bereit, namens des Reichskanzler? die Zusicherung zu geben, daß die letztere Frage bei den schwebenden Verhandlungen über die Aenderung der Strafprozeßordnung zur Er- örterung kommen wird. Was die allgemeine Frage der Vernehmung von Beamten anläßlich der Wahlprllfung betrifft, ist der Reichskanzler ebenfalls bereit, mit den Einzelregierungen in Verbindung zu treten. Abg. David (Soz.): In der Frage der Erhebung von Schiffahrtsabgaben haben wir es mit offiziellen Er- klärungen zu tun, welche miteinander in direktem Wider spruche stehen. Was Minister Budde in der Budget kommission des preußischen Abgeordnetenhauses sagte, steht im Gegensätze zu dem, was der Reichskanzler hier sagte. Die Erklärung des Kanzlers beantwortete die Frage, ob Abgaben für Dertiefunaen der Fahrrinne des Rheins, der Elbe usw. erhoben werden dürften, klar mit „nein" auf Grund des Artikel 54 der Verfassung. Jede Ausnahme vom reichsgesetzlichen Grundsätze bedürfe der Genehmigung durch ein besonderes Reichsaesetz. Die Er- klärung des preußischen Ministers aber lautet genau ent- gegengesetzt. Dieser Widerspruch ist völlig unerklärlich. Ich bin außerordentlich gespannt, wie ibn der Kanzler zu lösen versuchen wird. Im preußischen Abgeordnetenhause erklärten sich die Konservativen eininütig mit der Stellungnahme des Ministers Budde einverstanden und sprachen ihre große Zufriedenheit aus, daß die Regierung endlich die konservative Anschauung als berechtigt an erkannt habe. Offenbar soll die Einführung von Schiff fahrtsabgaben auf dem Rhein der Preis für die Zu stimmung der Konservativen zu den preußischen wasser wirtschaftlichen Vorlagen sein. DaS ist Jnteresscnpolitik, nach der die Verkebrsbedürfnisse befriedigt oder nicht befriedigt werden. Ich hoffe, daß das deutsche Volk nicht bereit ist, diese Rechnung für die wasserwirtschaftlichen Vorlagen zu bezahlen. Die Kanalvorlage kann auch ohne solche Ncubelastung des Verkehrs durchgeführt werden. Staatssekretär Graf v. Posadowskv: Ich bedaure, daß diese nicht nur nach der juristischen Seite schwierige Frage beim Etat des Reichskanzlers vorgebracht ist. Dieselbe Frage liegt der Petitionskomission vor. Wenn man ge wartet hätte, bis die Sache dort verhandelt würde, hätte der preußische Arbeitsminister Geleaenheit gehabt, nach der juristischen wie technischen Seite seinen Standpunkt darzulegen und in o»su oouervtu den Nachweis zu führen, daß zwischen den Erklärungen des Reichskanzlers und des Eisenbahnministers kein innerer und gesetzwidriger Widerspruch bestehe. Wa? die Sache selbst betrifft, fo sieht zwar die Bestimmung des Artikels 54 ziemlich ein- fach au-, das Abgaben nur erhoben werden dürfen auf den natürlichen Wasserstraßen für die Benutzung be sonderer Anlagen. Die Bestimmung würde sehr klar sein, wenn auch in der Reichsverfassung auSgeführt wäre, waS man unter solchen besonderen Anlagen und unter natür lichen Wasserstraßen zu verstehen hat. Ein natürlicher Wasserlauf wird unter Umständen streckenweise eine solche Veränderung erfahre«, können, daß er den Charakter einer künstlichen Wasserstraße annimmt. Die Frage läßt sich weder nach der Reichsverfassung noch grundsätzlich ent scheiden. Die zweite Frage ist, wann ist das Reichsgesetz notwendig, um auf der natürlichen Wasserstraße Abgaben erheben zu können. Man würde in dem Falle, wo die natürliche Wasserstraße den Charakter eines Kanals an nimmt, diese unter Umständen für eine künstliche Wasser straße erklären können. Letzteres war der Fall mit der Unterweser, die man überhaupt kaum noch Fluß nennen kann, die vielmehr eine große Reede oder ein großer Hafen genannt werden könnte. Es können aber Fälle vor- kommen, wo auf den Flußstraßen so hohe Aufwendungen gemacht sind, daß eS finanziell vollkommen ausgeschlossen ist, die Lasten ohne Gegenleistung auf den Staat zu über- nehmen, beispielsweise die Lorelei. Ich kann dem Vor- redner die beruhigende Erklärung abgeben, daß der Ar- beitsminister bisher nicht den leisesten Gedanken gehabt hat, auf dem Rhein oder der Elbe Abgaben zu erheben. Was schließlich die tatsächliche Einführung von Abgaben betrifft, kann ich den Vorredner mit der Versicherung be ruhigen. daß wir auf dem Rhein Lolland, auf der Elbe Oesterreich gegenüber, bezllglich der Freiheit oer Schiff- fahrt gebunden sind. Aus diesen Ausführungen ist zu er- sehen, daß die Erklärungen des Reichskanzlers und des Arbeitsministers vollkommen Übereinstimmen, und da- zwischen nicht der geringste Widerspruch besieht. Aba. Sattler (natl ): Die Angelegenheit wird im preußischen Abgeordnetenhause eingehend erörtert wer den. Ich möchte den Reichskanzler fragen, ob er uns in den gegenwärtigen Verschiebungen der auswärtigen Politik Auskunft -u geben vermag. Ebenso möchte ich fragen, wie weit Deutschland in den Bemühungen über den Abschluß von Handelsverträgen gekommen ist, deren Bedeutung von unS stets betont wurde. Sind neue Nach richten über unsere Kolonialbeweaung in Afrika einge troffen? Die Lage der europäischen Staaten ist heute weit schwieriger als früher. Es ist nötig, daß auch das deutsche Volk feine Kraft zusammeniaßt und die Re- gierung anfeuert, die deutschen Interessen im Auslande genügend wahrzunehmen. Ter Horizont der Politik ist heute viel weiter geworden. Umsomehr ist zu bedauern, daß das deutsche Volk in verschiedene Gruppen zerfällt, die sich aufs heftigste bekämpfen. Es ist aufs tiefste zu be klagen, daß konfessionelle Gegensätze möglichst in den Hintergrund treten zu lassen, und dem Gegner keine tiefe Wunde zu schlagen. Wir dürfen nie vergessen, daß wir in Frieden miteinander leben müssen. (Sehr richtig beim Zentrum.) Wir führen nicht einen Kampf gegen den Katholizismus, sondern nur gegen den UltramontaniS- mus. (Oho! «m Zentrum.) DaS tun wir im Interesse des Friedens. Die Ereignisse haben in letzter ZSeit leider gezeigt, daß man die Gefühle des andern Teils der Be völkerung nicht schonte. Ich spreche von der Aufhebung des Artikels 2 des IefuitenaesebcS. Es hat ein Unstern über diesen Ereignissen geschwebt, denn es bestand in einem großen Teile des Volkes in der Tat das Gefühl, daß Handelsgeschäfte getrieben worden sind. Der Reichs, kanzler hat mit Recht angeführt, daß meine Fraktion teils für die Aufhebung des 8 2 des efuitenaeiedes gestimmt hat, er erinnerte mit Recht an die Abgeordneten von Bennigsen und Bassermann. Das geschah aber nicht im letzten Reichstage, sondern -im vorletzten. Durch den Toleranzantrag wollte man zentralistisch eingreifen in die ganze Gesetzgebung der Einzelstaaten. Man verletzt das Gefühl der evangelischen Bevölkerung. Darum müssen wir mit dem ganzen Ernste unserer Ueberzeugung (oho! in« Zentrum) auf diese Tatsachen Hinweisen. Reichskanzler Graf v. Bülow: Der Vorredner hat auf den« Gebiete der auswärtigen Politik eine Reihe Fragen an mich gerichtet, von denen, wie ich glaube, er selbst zu geben wird, daß es leichter ist, sie zu stellen, als sie zu be- antworten. Der Vorredner hat speziell von der Ver schiebung der europäischen Lage gesprochen. Das kann sich nur beziehen auf das vor einigen Tagen in die Oeffentlichkeit gelangte französisch-englische Kolonial- abkommen. Ich darf den Abg. Sattler darauf aufmerk sam machen, daß sich über dieses Abkommen die englischen Minister erst heute abend im englischen Parlament aus sprechen wollen. Die französischen Minister haben sich über das Abkommen überhaupt noch nicht ausgesprochen. Da wird der Vorredner begreifen, daß ich mich nicht des längeren und weiteren über diesen Vertrag hier auslassen kann, denn ich habe als auswärtiger Minister die Pflicht, wenn ich über auswärtige Politik hier sprechen, solche Sachen zu sagen, die, wenn möglich, das Interesse des Landes fördern, jedenfalls nicht das Interesse des Landes schädigen. Tas aber kann ich dem Abg. Sattler doch sagen, daß wir keine Ursache haben, anzunehmen, das englisch-französische Kolonialabkommen hätte eine Spitze gegen irgend eine andere Macht. Was vorzuliegen scheint, ist ein Versuch, die Differenzpunkte, die zwischen Frankreich und England bestanden, auf dem Wege güt licher Verständigung aus der Welt zu brinaen. Dagegen haben wir vom Standpunkte der deutschen Interessen nichts cinzuwenden, denn ein aevanntes Verhältnis zwischen England und Frankreich dürfen wir schon deshalb nicht wünschen, weil ein solches ein Gefährdung des Welt friedens, dessen Aufrechterhaltuna wir aufrichtig wünschen, wäre. Was speziell den Kernpunkt des Ab- kommens mit Marokko angeht, so sind wir. wie im Mittel- meer überhaupt, speziell in Marokko in« wesentlichen wirt schaftlich interessiert. Deshalb haben wir auch ein er hebliches Interesse daran, daß in Marokko Ruhe und Ordnung herrscht. Wir haben keinen Grund, zu besorgen, daß von irgend einer anderen Macht unsere wirtschaft lichen Interessen in Marokko mißachtet oder verletzt wer den können. Was den Krieg in Ostasien angeht, so ist unsere Haltung gegenüber diesem Krieae sehr einfach. Nachdem es leider nicht gelang, den Frieden aufrecht zu erhalten, tun wir, was möglich ist. damit aus dem Duell im fernen Osten kein Weltkrica sich entwickelt. Das ist ein Hauptgrund für unsere lovale. ehrliche Neutralität. Diese Neutralität geht allerdings schon daraus hervor, daß wir keinen Grund haben, uns in den Krieg zu mischen, welcher die deutschen Interessen nicht direkt berührt, endlich ist das auch das sicherste Mittel, unseren Handel und unser wirtschaftliches Leben zunächst vor Schädigung zu bewahren. Gesten uns ist vielfach der Vorwurf erhoben worden, daß wir durch den Ausbruch des Krieges überrascht worden wären. Ich habe sogar gelesen, daß wir durch übertriebenen Opti mismus andere in unbegründete Sicherheit gewiegt hätten. Darauf könnte ich erwidern, daß die leitenden Minister in Paris, London und Petersburg, ja selbst die japanischen Vertreter in Petersburg und Paris durch den Aiitzbruch des Krieges tatsächlich überrascht scheinen. Ich könnte auch betonen, daß selbst die nichtjapanischen Staatsmänner, die der Ansicht waren, der stark geheizte japanische Kessel würde Dampf abgegeben, nicht vorau-ge sehen haben, daß die Negierung in Tokio fiir den Abbruch der diplomatischen Beziehungen gerade den Augenblick wählen würde, den sie tatsächlich auswählte. Ich will nur darauf Hinweisen, daß in solchen kritischen Augenblicken die Regierung einfach die großen auswärtigen Interessen des Landes wahrzunehmen hat. Wenn wir damals bei dem AuSbruchc des Kriege- eine pessimistische Sprache ge führt hätten, würde man nnS in Petersburg in da« Licht der Kriegstreibern haben ziehen können, würden wir dort gegen uns haben Mißtrauen erregen können. Anderseits hatten wir keine Veranlassung, der japanischen Regierung kriegerischeAbsichten nachzusagen,solangeIapan nicht selbst denKrieg erklärte.Wir sind ebenso ruhig geblieben, wie die anderen Zentren der europäischen Politik, wir sind um so ruhiger gewesen, als wir weniger interessiert sind, als die anderen. Aber ich möchte mich gegen den anderen Vorwurf wenden, daß wir uns interessierten für die Neu- Iralisientna Chinas. Unsere Haltung in dieser Beziehung geht auk sehr klaren einwandsfreien Motiven hervor. ES lag und liegt im Interesse aller Mächte, auch im Interesse der deutschen Politik, daß ans dem Krieae in Ostasten sich nicht ein Weltkrieg entwickele. Dazu trägt wesentlich bei. wenn das große chinesische Reich auS dem Krieae heraus genommen wird. Die Eventualität, in den Krieg hin- eingczoflen zu werden, hätte den chinesischen Hof veran lassen können, Peking zu verlassen, was wiederum eine Bedrohung der Sicherheit der in China lebenden Euro päer nach fick gezogen haben würde. Auch in dieser Be- ziebung glauben wir, durch Eintreten für die Neutrali- sieninq von China, das außerdem der beste Beweis ist, gegenüber der vielfach gegen unS verbreiteten Verleum dung, wir wollten uns ein Stück von China aneignen, — den Interessen des Friedens am meisten gedient zu haben. WaS die Ausführungen deS Aba. Sattler über die kir- chenpolitiiche Frage angeht, so null ich gern anerkennen, daß er sich in oieser Beziehung vorsichtig auSgedrückt ha» nnd daß ich den ersten Teil der Ausführungen über die Notwendigkeit des konfessionellen Friedens Wort für Wort unterschreiben kann. Die Geschichte lehrt, daß keine andere Nation unter dem konfessionellen Hader schwerer gelitten hat als Deutschland, daß kein Volk so sher Veranlassung hat, wie wir, einen konfessionellen Streit zu vermeiden. Wer auch an dieser Stelle sein möge, wird in erster Linie bemüht sein, durch eine Po litik, die sich über den Hader der Konfessionen erhebt, den konfessionellen Frieden und damit die Geschlossenheit der Nation aufrecht zu erhalten. Abg. Sattler hat nun zwar theoretisch die Notwendigkeit deS Friedens unter den sein, wenn Stärke der Parteien de- Hause-, so würde ch dem Abg. Sattler dankbar sein, wenn er mir die Mittel ins Ohr sagte. Er muß ein solches Rezept in der Tasche haben, sonst würde er im höchsten Grade ungerecht sein, wenn er mir einen solchen Vorwurf machte. Wenn es nicht der Fall ist, erinnert mich das an eine bekannte Anekdote die Fürst Bismarck erzählte, von einem Fürsten, der einem Minister befahl, da- Volk glücklich zu machen. Wie der es aber machen sollte, sagte Serenissimus dem Minister nicht. (Große Heiterkeit.) (Die Sitzung dauert fort.) Konfessionen betont, aber doch ein« Reihe von Angriffen gerichtet gegen das Verhalten der Reichsregierung und Königlich preußischen Staatsregierung auf kirchlich-po- litischen Gebieten. Ich würde dem Abg. Sattler dank- bar sein, wenn er mir sagen könnte, welche Zugeständ nisse ich an den Ultramontanismus gemacht haben soll auf Kosten der Interessen des Reiches. Ich bestreite aufs aller entschiedenste, daß ich irgend eine Konzession gc- macht hätte zum Nachteil des Reiches und der evan gelischen Kirche; wenn er aber ein Mittel weiß, wie ich die Geschäfte d,S Reiches in verfassung-mäßiger er- sprießlicher Weise führen kann ohne Rücksicht «ui die Stärke der Parteien de- Hause-, so würde ch dem Abg. ZScdrirchtt rrmatag. T Erste Kammer. 38. öfsentlicheGitzung. 2. Dresden, 12. April. An der Sitzung nimmt Kronprinz Friedrich A u g n st teil. Am RegiernngStische Finanzminister vr. Rüger und Kommissare. Tagesordnung: Etat. Petitionen. Ter Vizepräsident Oberbürgermeister Beutler eröffnet die Sitzung 12 Uhr 15 Minuten. Die Registrande bietet nichts bemerkenswertes. Den mündlichen Bericht zu den Anträgen der zweiten Deputation erstattet der Kronprinz. Die Kammer ge nehmigt bei Kapitel 73 des ordentlichen Etats, Finanz- Ministerium nebst unmitelbaren Dependenzen, die Ausgaben mit 1 295 990 ^iü. Die Deputation nimmt hierbei Gelegenheit dem Herrn Finanzmini st er ihre Anerkennung für die seit Uebernahme der Ge schäfte bewiesene Umsicht und die an den Tag gelegte weise Sparsamkeit auszusprechen. (Allseitiges Bravo.) Auch der Wirkl. Geh. Rat vr. Graf von Könneritz spricht der Finanzverwaltung seinen Dank auS und be- tont dabei zugleich, daß sich die Erste Kammer von dem Vorwurfe freisprechen müsse, an dem seinerzeitigen Niedergänge der Staatsfinanzen mitgewirkt zu haben. Er spreche die Hoffnung aus, daß Sachsen wieder einer ge deihlichen Zukunft zngeführt werde. Finanzminister vr. Rüger spricht seinen Dank aus und erklärt sich über die ihm gewordene Anerkennung be schämt, da er nicht mehr, als seine Pflicht getan habe. Dem Inhaber einer solchen Stelle, wie er sie bekleide, fehle cs sa niemals an Anfeindungen, deshalb sei ihm eine solche Ehrung ans hohen» Munde sehr ehrenhaft und er werde bestrebt fein, sich die Zuneigung deS hohen Hauses zu erhalten. Wenn der Haushaltplan einige Ersparnisse enthalte, so sei das nicht sein Verdienst allein, sondern das Verdienst der Regierung. Er könne sich Wohl einen Staat denken, dec zuweilen seine Pflicht verkannt, aber einen gesunden Staat, der nicht zu einer gesunden Finanz wirtschaft znrückkommen möchte, nicht. Nun höre er unlner wieder Stimmen, daß man es im Lande mit dec Lage nicht ernst nehme. Er glaube immer wieder daran erinnern -n müssen, in den Ausgaben des Staates nicht über das Ziel hinauszuschießen, und er glaube sich damit in guter Gesellschaft zu befinden. Der Minister exem- plifi?,ierte hierbei auf ein Wort seines bayerischen Kol legen, das derselbe in gleichem Sinne an die bayerische Kammer gerichtet. An der Zeit sei es gewesen, den un erfreulichen Zuständen in der sächsischen Finanzverwal- tung ein Ende zu machen und inan müsse darauf bedacht sein, Staatsschuld und direkte Steuerlast zuvermindern. Dabei komme aber in Betracht, daß der Staat heute ganz anderen Anforderungen ausgesetzt sei, als vor 20 Jahren. Man habe sich gewöhnt, den Staat als dazu vorhanden zu betrachten, um in jeüerLage auszuhelfen. ES werde seine Aufgabe sein, die Einnahmen und Ausgaben ins Gleichgewicht zu bringen, entweder durch Erhöhung der ersteren oder Beschränkung der letzteren. Ersteres sei nicht gut möglich, oliebe nur das zweite. Man mache ihn» (dem Minister) den Vorwurf, daß er den Standpunkt vertrete „nur überhaupt sparen". Damit tne man ihm Unrecht, wenn er auch nach Lage der Dinge einzig und allein einer „vernünftigen Sparsamkeit" das Wort rede. Daß die Regierung in diesem Bestreben die Unterstützung des hohen Hauses finden werde, davon sei er überzeugt Er danke nochmals für die ehrende An- erkennung, die er heute wieder in der Kammer erfahren habe. Rittergutsbesitzer vr. Pfeifser-BurkerSdorf wünscht zu wissen, wa» mit dem alten Ständehause und dem ehe maligen botanischen Garten werden solle. Finanzminister vr. Rüger erklärt, daß die Verlegung deS OberlandeSgcrichts in das alte StändehauS gegen wärtig als daS zweckmäßigste erscheine. Eine definitive Entscheidung sei noch nicht gefaßt. DaS Areal deS bota nischen Gartens werde wohl veräußert werden müssen, dabei sei aber ein besserer Zeitpunkt abzuwarten. Eine kurze Debatte ruft die MobiliarauSstattung de- neuen Ständehause« hervor. Den Prachtraum deS Gebäudes hält Kammerherr von Schönberg-Mockritz für geeignet zur Aufnahme über zähliger Bilder aus der Königlichen Gemäldegalerie. Geh. Rat Oberbürgermeister vr. Georgi-Leipzig legt hauptsächlich Wert auf ein« gute Bibliothek, die den Zwecken der Kammer nach allen Richtungen hin dienen soll und bitte bei der Verwendung der znr inneren Aus stattung vorgesehenen Gelder hierauf Bedacht zu nehmen Weiter sprechen noch zum Kapitel Finanzministerium Oberbürgermeister Keil-Zwickau, Domherr Trützschler und Freiherr zvm Falkenstein. «Dir Sitzung dauert fort.) Zweit« Aa«««r. 82. öffentliche Sitzung. 2. Dre-tzeu, 12. April. Au« Regierungstische: Die Staat-minister von Metzsch und vr. Rüger; Kommissare. Der Präsident Vr. Mehnert eröffnet die Sitzung um 10 Uhr vormittags. Auf der Tagesordnung stehen der Etat der staat lichen Fernheiz- und Elektrizitätswer kes in Dresden und zwei Petitionen. Abg. Ehret-Glauchau (natlib.) referiert über den Etat des Fernheizwerkes. Dem Deputationsbericht ist zu entnehmen, daß das Werk mit einer Unterbilanz von 0,80 Prozent arbeitet. Die Deputation beantragt, die Einnahmen mit 197 ISO zu genehmigen, die Ausgaben mit 184068 zu bewilligen. Abg. Güather-Plausn (freis.) erklärt «S für bedauer lich, daß man Jahr für Jahr Mittel für ein solches Werk bereitstellen müsse, daß sich niemals rentiere« könne.
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