01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.04.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-16
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040416019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904041601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904041601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-16
- Monat1904-04
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BezugS-PretS tu der Hauptexpeditto» oder deren Ausgabe stelle» ab geholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Han- 8.75. Durch die Post bezogen für Deutsch. land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut ZeÜungspreisliste. «edaMo« nn» Uxpepition: JohanniSgasse 8. Fernsprecher 153 u. 822. Filtalerpepttionen: Alfred Hahn,Buchbaudlg ,ckniversität-str.8 (Fernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen straße 14 (Fernsprecher Sir. 2935) u. König-- Platz 7 (Fernsprecher Nr. 7505). Haupt-Filiale Dresden r MarienstraßeS4 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: TarlDuncker, Herzg'.Bahr.Hofbuchbandlg., Lützowstraße 10(FernsprechrrAmtVI Nr.4603.) Morgen-Ausgabe npMtr.TaMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizeiarnles der Ltadt Leipzig. Anzetgen-PreiS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen nnter dem RrdaktionSflrich (4 gespalten) 75 iZ, nach de» FamiUeuuach- richten (S gespaUea) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenaunahme 25 -H. Extra-Veil»,en (gefalzt), «nr mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefvrderung 60.—, mit Postbefvrderung 70.—. Anuahmeschlutz für Auzetgeu: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- au die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von 8. Palz in Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Kltakhardt). Nr. 1S2. Sonnabend den 16. April 1904. 98. Jahrgang. Var wichtigste vom Lage. * Im Streite zwischen Aerzten und Orts- krankenkasse zu Leipzig dürften neue Ver - Handlungen zu erwarten sein. * Die Geschäftslage im Reichstage ist derartig trostlos, daß vor Pfingsten außer dem Etat kaum noch einer der zur Beratung stehenden Gesetz entwürfe verabschiedet werden dürfte. * Der französische Marineminister Pelletan teilte gestern im Ministerrate mit, daß infolge der in der S e e - Präfektur zu Toulon vorgekommenen In diskretionen der Seepräfekt und der Chef desStabesinToulon aus ihren Stellungen ent fernt worden seien. - - vachlvadllrdrr». Seitdem in den Junitagen des vorigen Jahres das deutsche Volk seine Vertreter für den Reichstag gewählt hat, sind schon mehrere Nachwahlen nötig gewesen, und eine eigenartige Erscheinung dieser Nachwahlen war, daß bei ihnen ein Minus von sozialdemokratischen Stimmen gegenüber den Hauptwahlen zu verzeichnen war. Um nur einige Wahlkreise zu nennen: In Mittweida 3000, in Reichenbach-Auerbach 4000, in Osnabrück 1500, in Eschwege-Schmalkalden 3500, in Lüneburg 1500 und in Zschopau-Marienberg 3000 sozialdemokratische Stimmen weniger. Schlechte Propheten vom Schlage derer, die Bebel bereits als Nationalsozialen reklamieren, seitdem der alte Rattenfänger im öligen Biedermannston dem Thema: „Dnlcs st ässorum est pro patria roori" einige nicht neue Variationen abgewonnen hat, fabeln schon von einem Rückgang der Sozialdemokratie und fühlen den Tag nahe, an dem die Internationale sich in eine radi kale Gegenwartspartei gewandelt hat. Die Hoffnung ist trügerisch und die Stilübungen, die die Redaktionen der immer noch freisinnigen Vereinigung daran wenden, sind gegenstandslos: Gewiß hat die Sozialdemokratie in deutschen Landen seit Jahresfrist beträchtlich an Kredit verloren. Auf die Junitage mit der Genossen-Parole: „Unser ist die Welt!" — folgten die amüsanten Schäfer sviele im Dresdner Trianonsaale, und die Reputation der Dreimillionenpartei hat dort einige Flecken erhalten. Die Leichtgläubigen, die an die nahe Zukunft des Revisionis mus innerhalb der sozialistischen Partei glaubten, hat das Pronunciamento Bebels gegen die bürgerliche Gesell schaft doch decimiert, und manchen Ehrenmann, der sich von den Spiegelfechtereien des „Vorwärts" zu trost reichem Vertrauen auf das „Ethos" des Genossentums verleiten ließ, hat die cynische Nonchalance empört, mit welcher derselbe Bebel Eid und Schwur behandelte. Und nach Dresden kamen noch mehrere für den Sozialismus peinliche Affären: Es begab sich, daß der „Vorwärts" sich verleiten ließ, die Öffentlichkeit mit der Pichelswerder- Märe zu regalieren, und es begab sich, daß bei Gelegen heit der preußischen Landtagswahlen sich das radau mäßige Böotiertum der Genossen in seiner ganzen Glorie enthüllte. Und so ging es weiter: Wir erlebten die graus- liche Geschichte vom „Russenkurs" und wir sahen, daß bei Gelegenheit der ersten Hererodebatte sich die Typen des roten Alphabets, vom Bebel bis zum Zubeil, das Prä dikat von Ehrenkaffern erwarben. Ohne jede Folge auch für die Wahlen sind aber diese Vorgänge gewiß nicht ge blieben: der oder jener Mitläufer ist zur Erkenntnis seiner Torheit gekommen; er hat cingesehen, daß auch bei der Sozialdemokratie mit Wasser, und sogar mit sehr üblem, gekocht wird, und, wenn ihn noch bei der Haupt wahl Unzufriedenheit oder Wahlkampfhitze oder auch die skrupellose sozialistische Agitation bestimmt hatte, durch Abgabe seiner Stimme für den sozialistischen Kandidaten gegen die Regierung zu protestieren; die ruhigere Ucbcr- legung der Nachwahl und ein schärferer kritischer Blick für die Auswüchse des Sozialismus haben ihn veranlaßt, sich entweder der Wahl zu enthalten oder es mit diesem oder jenem bürgerlichen Kandidaten zu versuchen. So mag fick das Minus an sozialistischen Stimmen erklären, so und auch — besonders in den sächsischen Nachwahlen — durch Vorkommnisse lokaler Natur, die doch eine wichtige Nolle gespielt haben. , Was die Sozialdemokratie aber durch die angeführten Vorkommnisse an Kredit verloren hat, ist ihr anderseits auch wieder durch Fehler auf bürgerlicher Seite oder von Seiten der Regierung wicdergewonnen worden. Der Fall Arenberg hat ihr doch gewiß genützt, die manchmal schwer verständliche Rechtsprechung hat ihr gewiß nicht geschadet, und daß die vielfachen Liebesdienste, die die Regierung der katholischen Hierarchie erweist, derSozialdemokratie täglich frische Rekruten in Hellen Haufen zuführen müssen, wird nur der bestreiten, auf den die Lektüre der „Gazeta Bachemska" nnvertilgbar abgefärbt hat. Nein, von einem Rückgänge der Sozialdemokratie kann noch nicht die Rede sein, und wer ein solches Fazit aus dem sozialistischen Erne rvichtige Neuerung hat das Leipziger Tageblatt soeben eingeführt, die dem Interesse tausender seiner Leser begegnen wird. In dem Bemühen, seinen Nus als grohe Tageszeitung zu wahren, bringt das Leipziger Tageblatt nunmehr als einzige Zeitung Biitteldeutschlands bereits in der Abendnummer neben den ausführlichen Kursen der Leipziger Verse einen umfangreichen halbseitigen telegraphischen Rursbericht der Berliner B8rse. Der hervorragend ausgestattete volkswirtschaftliche Teil des Leipziger Tageblattes erfreut sich von jeher besonderer Wertschätzung der Industrie-, Finanz- und Handelskreise Deutschlands und steht in Bezug auf schnelle und zuverlässige Verichterftattung init an erster Stelle der deutschen Presse. Das Leipziger Tageblatt vereinigt damit noch die Eigenschaften einer grehen msbernen Jeitung, der ihre unab hängige und gründliche Behandlung aller politischen Angelegenheiten, die eingehende Berichterstattung aus allen Gebieten der Aunst, Literatur und Wissenschaft re. in gewählten Familienkreisen hohes Ansehen verschafft hat. Ein Avsbeabsnnement kann mit jedem Lage begonnen werden. Bestellungen nehmen entgegen: Alle Postanstalten und Briefträger, unsere Ausgabestellen, die Zeitungsspediteure, sowie unser Trägerpersonal. Prdbenrrnrnrern gratis und portofrei durch die Haupt- Txpebition, Leipzig, Iohannisgasse 8. Stimmenverluste zieht, bei dem mag der Wunsch des Gedankens Vater sein, — den Nachwahlen entnimmt er aber nicht die richtige Lehre. Wenn die seit dem Juni vorigen Jahres vorgenomme- ncn Wahlen nachdenkliche und lehrsame Wahrheit pre digen, so ist es die, daß die bürgerlichen Parteien sich über die Gefährlichkeit der Sozialdemokratie endlich klar ge worden und daß sie anscheinend zum Bewußtsein der richtigen Taktik für den Kampf gegen das Genossentum gekommen sind, daß sie endlich verstehen, daß alle bürgerlichen Parteien dem Sozialismus und seinen Affilierten gegenüber die Pflicht der Solidarität haben, daß sie gut tun, ihre kleinlichen und nichtigen Streitig- keiten beseitigen zu lassen und, unbeschadet ihrer etwaigen Differenzen in. selbst grundlegenden Fragen Wirtschafts., sozial- oder kirchenpolitischer Natur, dessen eingedenk zu sein, daß sie Gegenwartsparteien sind, die auf dem gleichen gesellschaftlichen Boden stehen. Daß sie wissen, daß eine so starke sozialdemokratische Reichstagsfraktion eine Erschwerung der parlamentarischen und politischen Geschäfte bedeutet und daß sie deshalb bei Entscheidungs wahlen einmütig und ohne einschränkende Bedingung ihre Stimmen dem bürgerlichen Kandidaten geben, der mit dem Sozialdemokraten in Stichwahl kommt. Manchem bürgerlichen Wähler wird die Befolgung dieses Grund satzes schwer fallen: Er wird in die Lage kommen können, für einen Kandidaten zu stimmen, dessen Tendenzen ihm nicht zusagcn. Das sollte ihn aber nicht verhindern, doch zur Niederlage der Sozialdemokratie beizutragen. Dieser ist der Reichstag nur ein Agitationsmittel: Die Rednertribüne ist ihr nur der beste Ort, die Massen auf- zustackeln, und eine starke Partei benutzt sie nicht, um an ihren? Teile soziale Gegenwartsarbeit zu verrichten, son- dern sie sieht darin nur ein Lockmittel für weitere sozial demokratische Wähler, eine Etappe auf dem Wege zu dem Ziele, das die Revolutionierung der Massen und die Er langung der Gewalt heißt In Zschopau-Marienberg wurde der Antisemit Zim- mermann in der Stichwahl gewählt. Diesen Erfolg dankt er nicht allein, wie ein antisemitisches Blatt glauben machen will, der Werbekraft der antisemitischen Idee, sondern dem Umstande, daß viele bürgerliche, nicht anti semitische Wähler ihm als dem bürgerlichen Gegner des sozialdemokratischen Kandidaten ihre Stimme gaben. Viele von ihnen hätten vielleicht an Stelle der sehr be triebsamen Persönlichkeit Zimmermanns einen anderen Kandidaten gewählt, aber sie ließen ihre persönlichen Sentiments schweigen und begnügten sich damit, praktische Politik zu machen. Und in dieser Praktischen Politik liegen die Lehren der Nachwahlen. U. I-. für Es Der rurrirch-japanirche Krieg, ver Zustand der russischen Flotte vor Port Arthur. Nachdem nunmehr auch der „Petropawlowsk" zugrunde gegangen ist und „Pobjeda" offenbar schwer beschädigt wurde, so verfügt die russische Flotte vor Port Arthur — die „Poltawa" mit inbegriffen, von der es wiederholt hieß, daß sie außer Gefecht gekommen sei — nunmehr nur über drei große Kampfeinheiten: „Sebastopol", „Pereswjet" und „Poltawa". Ueber den Bestand der kleineren Einheiten herrscht Unklarheit. Von den Torpedobooten sind früher „Neregutschij" und neuerlich eines bei Port Arthur zugrunde gegangen. Unter den Kreuzern wurden die „Diana" und der „Askold" wiederholt als stark havariert angeführt; der Unter gang des „Bajan" hat sich nicht bestätigt und die Havarien des „Nowik" waren rasch gutgemacht. Das Linienpanzer- schiff „Popjeda" ist ein noch moderneres und größeres als der „Petropawlowsk". Es lief ebenso wie der „Retwisan" im Jahre 1900 vom Stapel, hat eine Wasserverdrängung von 12 880 Tonnen; eine Länge von 130 Meter, eine Breite von 21,8 Meter, einen Tiefgang von 7,9 Meter, 15 500 indi zierte Pferdestärken, eine Geschwindigkeit von 18 Seemeilen in der Stunde und eine Besatzungsstärke von 732 Mann. Nach der Liste Alexejews vom 18. Februar waren aktions fähig: Panzerschiff „Petropawlowsk", Flaggschiff des Vizeadmirals Stark, Kommandant Kapitän Jakowljew. Panzerschiff „Sebastopol", Kapitän Tschernyschow. Panzer chiff „Poltawa", Kapitän Uspjenskij. Panzerschiff „Pereswjet", Flaggschiff des Kontreadmirals Uchtomski, der jetzt nach dem Tode Makarows provisorisch das Oberkommando als Rangältester übernommen hat, Kapitän Brißmann. Panzerschiff „Pobjeda", Kapitän Sazarenj. Kreuzer erster Klasse „Bajan", Kapitän Wiren. Kreuzer erster Klasse „Diana , Kapitän Zaleskij. Kreuzer erster Klasse „Askold", Kapitän Gramatschikow. Kreuzer zweiter Klasse „Bojarin", Kapitän Sarytschew. Kreuzer zweiter Klasse „Nowik", Kapitän Jessen. Unter diesen Umständen muß Rußland schleunigst Verstärkung seines Port Arthur-Geschwaders sorgen, muß auf den Versuch Spaniens, seine gegenwärtige lieber macht zu einem entscheidenden Schlage auSzunützen, ge faßt sein. Deutsches Deich. * Berlin, 15. April. * Ausdehnung der päpstlichen Unfehlbarkeit ans das politische Gebiet. DaS führende Zentrumsblatt Bayerns, der „Bayr. Kurier", führt in einem umfangreichen Leitartikel u. a. Nachstehendes aus: „Unter der Unfehlbarkeit, die nach der dogmatischen An schauung der katholischen Kirche und ihrem Oberhaupte verliehen ist, stehen politische Direktiven, die von der geistlichen Autorität kommen, nach der bisher in katholischen Kreisen verbreiteten Anschauung nicht. Es ist nicht falsch, wenn von liberaler Seite aus diese Lücke im klerikalen Systeme von antiklerikalen Politikern benützt werden, »m dir katholischen Wähler den klerikalen Führern zu ent fremde». Aber außer dem unfehlbaren Lehramte der Kirche gibt es auch ein Hirtenamt, und man kann al- Deutscher kaum anderer Meinung sein, als daß da- Papsttum und der gesamte deutsche Episkopat oder wenigstens die weit überwiegende Mehrheit desselben, ihr Hirtenamt in dem Sinne ausübrn wollen, daß die Katholiken sich dem Zentrum anschliehen sollen. Durch die Allokution Pius X. werden nun sogar ausdrücklich die politischen Dinge als untrennbar von den Sachen des Glaubens und der Sitten, für welch letztere das vatika nische Konzil die Unfehlbarkeit des Papstes festsetzte, bezeichnet; der Allokution selbst braucht das fernere Kennzeichen der Unfehlbarkeit — die Verkündigung ex catdoära — nicht zuerkannt zu werden; sie hat aber diese Kennzeichen, sobald der Papst erklärt, daß sie sie habe; jedenfalls hat Papst Pius X. die Allokution nicht zum Spaße gehalten und für Katholiken kann heute kaum ein Zweifel sein, daß es der Wille des gegen wärtigen Papstes ist, die politischen Dinge untrennbar mit den Sachen des Glaubens und der Sitten verbunden zu halten oder mit anderen Worten: Das unfehlbare Lehramt auf die Politik auszudehnen. Daß dies ganz und gar unlogisch ist, kann ich nicht finden, denn die Politik bezieht sich auf das Handeln der Menschen, berührt mithin das Sittengebiet." Ein Kommentar hierzu dürfte überflüssig erscheinen. Ob wohl bereis solche Ausführungen in den leckenden ultramon- tanen Blättern Raum und Verbreitung finden, sehen unsere Staatsmänner im UltramontaniSmus den Gipfel der Harm- und Arglosigkeit. Die Augen werden ihnen vielleicht einmal aufgehen, wenn der unfehlbare Papst, welcher jetzt aus be greiflichen Gründen für „nostra KermamL" schwärmt, in gleicher Unfehlbarkeit die Devise ausgeben sollte: „Avis (-örmLuiue!" Nach dieser Richtung hin ist eS schon äußerst bezeichnend, wenn in demselben Artikel behauptet wird: „Die Protestanten in Bayern haben es z. B. leicht, national zu fühlen, weil das Kaiserhaus protestantisch ist." „Wer lebhaftes Gerechtigkeitsgefühl hat, muß an- erkennen, daß, wenn ein orthodoxer Katholik treunational fühlt, dies ein stärkerer Beweis für nationale Gesinnung ist, als wenn ein gläubiger Protestant zu Kaiser und zu Reich hält..." Ob wohl schon die Medaillen für „orthodox-katholische Reichstreue" geprägt werden? * Zur Aufhebung des 8 2 »e» JrsuttengesetzeS findet sich in Nr. 10 des „Meckl. Kirchen- und Zeitblatte»" u. a. folgende sehr bemerkenswerte Auslassung: „Es ist ein Schlag, wie er empfindlicher dem eben begründete» Ausschuß der evangelischen Kirche Deutschland- nichtver- setzt werden konnte. Wäre «r nicht so traurig, so wäre e- zum Lachen: auf Betreiben des deutschen Kaisers ist dieser Ausschuß ins Leben gerufen; ausgesprochenermaßeu sollte seine Aufgabe vor allem auch darin bestehen, die evangelischen Interessen zu wahre». Und das erste Mal, da er in Aktion tritt, um diese seine Aufgabe zu erfüllen, wird er mit offenbarer Nichtachtung seitens der Re gierung behandelt. Er wird sich schwer von der Erschütterung, die seine Autorität sowohl in regierenden Kreisen wie auch im evan gelischen Volke erfahren hat, erholen können. Man räumte Preußen die Leitung im Ausschuß ein, weil mau meinte, die Verbindung des preußischen Oberkirchenrates mit der kaiserlichen Regierung werde den Bestrebungen des Ausschusses zum Schutze der evangelischen Kirche förderlich sein: die Quittung hat die Aufhebung de- §2 des Jesuitengesetzes ausgestellt". * Juristischer Formalismus. Der Beschluß der Strafkammer in H e r f o r d, ein beschlagnahmtes Exem plar des Bilseschen Rom ans wieder freizugeben, verdient ganz besonderes Interesse in diesem Augenblick, da die Kommission über die Strafprozetzreform sich mit der wichtigsten aller Fragen, der Zusammensetzung der erkennenden Gerichte, zu befassen hat. Das Herforder Gericht motiviert den Beschluß damit, daß durch das kriegsgerichtliche Erkenntnis des 16. Armeekorps ledig- lich die Einziehung des in dem Verlage von Richard Sattler in Braunschweig erschienenen Bilseschen Romans verfügt sei, während das in Herford beschlag nahmte Buch im Verlage eines Wiener Buchhändlers er schienen sei. Diese Motivierung wirkt etwa so, als wenn ein Gendarm einen Mann, auf den sonst alle Merkmale eines steckbrieflich verfolgten Verbrechers passen, nicht ver- haften wollte, weil in dem steckbrieflichen Signalement steht „kleiner Schnurrbart", während der Verdächtige keinen Schnurrbart trägt; er hat ihn eben abnehmen lassen. Dem Kriegsgericht des 16. Armeekorps war cs an sich absolut egal, ob der Bilsesche Roman bei Richard Sattler in Braunschweig oder bei Gottlieb Müller in Buxtehude erschienen war. Die Entscheidung des Gc- richts in Herford ist durchaus formalistisch. Wenn irgend etwas die Notwendigkeit des Zusammenwirkens von Laienrichtern und Berufsrichtern beweist, so ist cs dieser Strafkammerbeschluß. * Maifestznge werden in Preußen nicht geduldet werden. Das Verbot der Maifestzüge erfolgt, weil auS ihnen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung befürchtet werden. * Detmold, 15. April. Eine ausfällige Mitteilung brachte Mittwoch die lippische offiziöse „Lippische LandeSzeitung". Sie schrieb: „Erbgraf Leopold hat, wie uns mit dem Ersuchen um Veröffentlichung mitgeteilt wird, an den Beisetzungsfeierlichkeiten i» Karlsruhe (für die Fürstin-Witwe Sophie von Lippe-Tetmoldl nicht teilgenommen. Der Hobe Herr hat sich gestern für einige Tage nach Berlin und Potsdam begeben." Auffallend ist diese offenbar aus der Umgebung des Graf regenten stammende Notiz deshalb, weil Erbgraf Leopold tatsächlich nach Karlsruhe gereist war, um an den Trauer feierlichkeiten teilzunehmen. Das andere in Detmold er scheinende Blatt, die „Lipp. Tagesztg.", die es nicht mit den Biesterfeldern, sondern mit den Schaumburgern kält, verrät jetzt den Grund der Nichtbetciligung des Erbgrafen. Es bandelte sich danach um Etikettestreitigkeiten. Graf Leopold beanspruchte, bei der Trauerfeicr seinen Platz unter den an wesenden Fürstlichkeiten einzunchinen, während ihm tat sächlich als dem Abgesandten des Grafregenten nur ein Platz unter den Abgesandten von Fürstlichkeiten angewiesen war. Graf Leopold batte sogleich nach seiner Ankunft in Karlsruhe eine ganz kurze Audienz beim Großl,erzog unk reifte vor der Trauerfeier wieder ab. Bei der Feier blieb sein Platz und der seines Begleiter- leer.
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