02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-28
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040428028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904042802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904042802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-28
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Anzeigen-PreiS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktion-strich (-gespalten) 78 -H, nach den Familiennach« richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Slebührrn für Nachweisungen und Offertrnannahme 25 H. Krtra-Beilagrn sgefalzt), nur mit der Morgen-Au-aabe, ohne Postbeförderung ./« 60.—, mit Postbesördernng -äl 70.—. Annahmeschlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Truck und Verlag von G. Patz in Leipzig (Inh. 0r. V., R. L W. Kliuthardt'. Nr. 215. Donnerstag den 28. April 1904. Var Mchtigrte vom läge. * Der Reichskanzler Graf v. Bülow ist gestern abend zur Begrüßung deS Kaiser- nach Karlsruhe abgereist. * Oberst Dürr ist heute morgen von Südwestafrika in Hamburg eingetroffen. Er ist tatsächlich schwer leidend. * Da- Zustandekommen der Reichsfinanzreform scheint nach den gestrigen Beschlüssen der Budgetkommission gesichert. * Der Senat der Vereinigten Staaten nahm den Gesetzentwurf an, durch welchen Gegenstände, welche für die Ausstellung in St. Louis bestimmt sind, für zollfrei erklärt werden. * Der Senat und das Repräsentantenhaus der Bereinigten Staaten haben den Gesetzentwurf, Aenderung der AuswanderungSgesetze betreffend, angenommen. * Der Statthalter Alexejew übertrug durch einen Tagesbefehl dem General Linewitsch die Obliegenheiten de- Generalgouverneurs des Amurgebietes. verkauf aeutrcher vampker a« Sar flarlaiut. Einigermaßen lakonisch teilt die Hamburg-Amerika- Linie mit, daß sie am Sonnabend ihren 7500 Brutto- Registertons großen Dampfer „Belgia" veräußert hat. Wenn dagegen von privater Seite weiter gemeldet wird, die Verhandlungen wegen eines Verkaufs des Schnell dampfers „Kolumbia" ständen dicht vor dem Abschluß, so möchten wir dem doch einige Zweifel entgegensetzen. Nachdem die Hamburger Gesellschaft erst ganz kürzlich den Dampfer „Fürst Bismarck" verkauft hat, besitzt sie an wirklich modernen Schnelldampfern, d. h. Schiffen non mehr als 21 Seemeilen Geschwindigkeit, nur einen einzigen, die „Deutschland", und es hätte deshalb eines offiziellen Dementis von dem Verkaufe dieses Dampfers gar nicht bedurft. Kein einsichtiger Mensch wird glauben, daß eine Reederei ihren einzigen wirklich modernen Schnelldampfer zu einer Zeit verkaufen wird, wo die be vorstehende Weltausstellung in St. Louis und der davon zu erwartende lebhafte Reiseverkehr über den Ozean ihr eine volle Ausnutzung des Schiffes und damit lohnenden Verdienst in Aussicht stellt. Zieht inan die Grenzen des Begriffes „Schnelldampfer" etwas weiter, so daß man darunter auch Dampfer von mindestens 18 Seemeilen Geschwindigkeit versteht, so besitzt die Hamburg-Amerika- Linie deren noch zwei, die „Auguste Viktoria" und die „Kolumbia". Beide Schiffe sind 1889 erbaut, die 8500 Dons große „Auguste Viktoria" auf der Werft des Stettiner „Vulkan", der sie auch 1897 verlängerte, und die 7200 Tons große „Kolumbia" in England. Von diesen ist aber die „Auguste Viktoria" durch die Fahrt nach dem Nordkap einen Teil des Sommers hindurch dem New Aorker Dienst entzogen, so daß die „Deutschland" tatsächlich der einzige Hamburger Schnelldampfer im transatlantischen Dienst sein würde, wenn die „Kolumbia" verkauft werden sollte. Aus den angeführten Gründen glauben wir aber, wie gesagt, an einen solchen Verkauf nicht. Zutreffend erscheint uns dagegen die Meldung, daß der vor mehreren Monaten an eine japanische Gesell schaft vercharterte Dampfer „Lydia" endgültig in den Besitz derselben übergehen wird. Der Dampfer, der in letzter Zeit den Frachtdienst zwischen Kobe und Formosa versah, soll von der japanischen Regierung als Truppentransportschiff verwendet werden. Da der Dampfer bisher gleichfalls der Hamburg-Amerika- Linie gehörte, so wird natürlich von sozial demokratischer Seite wieder das Geschrei über „Neutralitätsverletzung" losgehen. Abg. Bebel hat dies ja bereits in der Sitzung des Reichstages vom 14. April mit mehr Breite als Sachkenntnis getan. Der Reichs kanzler ist ihm zwar die Antwort nicht schuldig geblieben, hat sich aber auf diesem Gebiete wohl aktenmäßig orientiert, jedoch nicht im eigentlchen Sinne sachverständig gezeigt. Er hätte sonst vor allen Dingen dem Abg. Bebel mit dem Hinweise entgegentreten müssen, daß bei solchen Verkäufen in der Regel derVer- käufer gar nichtweiß, wer derKäufer ist. Der Abschluß erfolgt vielmehr fast ausnahmslos durch Makler, und zwar sind es größtenteils englische Firmen, welche diese Verkäufe vermitteln. Graf Bülow nannte selbst eine solche Firma. Diese versenden monatlich zwei mal Listen der ihnen von den einzelnen Gesellschaften als verkäuflich aufgegebenen Schiffe an die Interessenten, und wenn Herr Bebel sich die Mühe nehmen wollte, sich an einen Schiffsmakler in einem Hafenplatze zu wenden, so würde er ohne weiteres ein solches sehr reichhaltiges Verzeichnis erhalten, worin die Schiffe aber nicht mit Namen, sondern nur unter Nummern aufgeführt, im übrigen aber nach Gattung, Material,' Erbauunhsjahr und — bei Dampfern — auch nach Art und Stärke der Maschinen genau bezeichnet sind. Kommt ein Verkauf eines Schiffes zustande, so handelt es sich vor allem mit darum, wo das betreffende Schiff übergeben werden soll. Ist hierzu der Liegehafen vereinbart, so wird das Schiff einfach dem Makler übergeben, im anderen Falle erfolgt die Anmusterung der nötigen Besatzung zu einer Reise „nach einem europäischen Hafen", Abmusterung durch das dortige deutsche Konsulat, das gemäß der Seemanns ordnung auf Kosten des Verkäufers für Rückbeförderung der Besatzung nach dem Hafen der Ausreise sorgt. Auf diese Weise kann dem Verkäufer wie auch der Besatzung des Schiffes gegenüber der Bestimmungshafen bis zu dem Augenblick geheim gehalten werden, in dem der Kapitän auf hoher See die ihm versiegelt übergebene Ordre öffnet. So ist man auch bei den Verkäufen des „Fürst Bismarck", „Kaiser Friedrich" und der „Kaiserin Maria Theresia" verfahren. Daß man übrigens in keiner Weise in dem Verkauf von Schiffen an Firmen kriegführender Länder einen Neutralitätsbruch sieht, beweist der Fall der „Kaiserin Maria Theresia", die durch eine englische Maklerfirma an eine russische Reederei verkauft wurde. Nach Herrn Bebels Auffassung hätte also hier England dem Gegner seines Verbündeten Hülfsguellen zugeführt. Man hat aber nicht das geringste davon ge hört, daß Japan sich durch dies Vorgehen irgendwie ver letzt gefühlt habe. Daß der „Daily Telegraph" aus dem Verkauf der „Kaiserin Maria Theresia" wieder gegen Deutschland Kapital zu schlagen sucht, kann nur insofern überraschen, als gerade ein englisches Blatt doch über die bei der Schiffahrt in Betracht kommenden Verhältnisse orientiert sein sollte. ver rumänische LoMarilentMrk. Ans Rumänien erhalten wir mit Verspätung infolge des ungarischen Eisenbahner-Ausstandes folgende Zuschrift: 8. Bukarest, 19. April. Der Zolltarifentwurf ist nunmehr in der von der Depu tiertenkammer beschlossenen Fassung dem Senate zugegangen, welcher die Vorlage einer Kommission zur Vorberatung über wies. Sehr wahrscheinlich wird sich im Senate das Schau spiel wiederholen, das wir in der Deputiertenkammer gesehen haben, nämlich, daß der Tarifentwurf mit Hast durchgebracht werden wird. In der Rede, mit welcher der Finanz minister CostineScu in der Kammer auf die An griffe der oppositionellen Redner antwortete und welche auch Eingang in der deutschen Presse gefunden hat, suchte er die große Erhöhung der Zollsätze zu rechtfertigen, indem er ansührte, daß bei einer Einfuhr rm Werte von 283 Millionen Francs im Jahre 1902 im ganzen nur 26 Millionen Francs an Zöllen erhoben worden seien, was kaum 10 Proz. des Wertes der fremden Jndnstrieprodukle ausmache und ein Mißverhält nis darstelle, das sich volkswirtschaftlich nicht rechtfertigen lasse. Dem gegenüber ist es interessant, an einigen Beispielen zu zeigen, wie sich nach dem Wunsche des Herrn CostineScu dieses Ver hältnis in Zukunft gestalten soll. Nach den Berechnungen, welche die früheren Minister FilipeScn und Take JoncScu, sowie der, der gegenwärtigen Regierungsmehrheit angehörige Deputierte Porumbaro angestellt haben, wird da« Zoll erträgnis auS dem neuen Tarife zwischen 6 t und 63 Millionen Franc- schwanken. Nehmen wir einige Beispiele von Artikeln, an denen der rumänische Import ganz besonderes Interesse hat, so finden wir z. B. eine ganz auffälligeZollerhöhungauf Baumwolle und Baumwollgewebe, die 1902 einen Wert von 70 Millionen von der 283 Millionen betragenden Einfuhr repräsentierten, d. h. 25»/« der gesamten Einfuhr. Greift man hiervon nach Belieben 10 Artikel heraus — und sie sind sich hierin alle gleich — so findet man, daß diese Ware in: Wert von 48 Millionen einen Zoll von t 887 000 Francs erzielte, also IO»/«. Nach dem neuen Tarif aber, und zwar den Minimalanschlag genommen, werden sie von einem Auf schlag von 100 chg getroffen, oder 4 939 000 Francs, was für den Gesamtimport dieser Waren 9 826 000 FrcS. anS- macht. Und wenn man bedenkt, daß diese Berechnung auf der kleinsten Zollbasis beruht, daß darunter aber Artikel sind, die noch einer viel bedeutenderen Erhöhung unterworfen werden sollen, so kommen wir sogar noch aus 2 Millionen Francs mehr Zolleinnahme, d. h. auf 150 Proz. für ganz notwendige Gebrauchsartikel. Es wird dies noch deutlicher durch die folgenden Zollsätze auf Banmwollwareu: Art. 333. Gegenwärtiger Zoll: 12 Frcs., wurde erhöht auf 35, 44, 55, 65, 100, 150 und selbst 200 FrcS. Art. 358. Gegenwärtiger Zoll: 50 FrcS., erhöht auf 75, 100 und 125 FrcS. Art. 362. Gegenwärtiger Zoll: 45 Frcs., erhöht auf 90, 120 und 150 FrcS. Art. 363. Gegenwärtiger Zoll: 45 FrcS-, erhöht auf 97, 130 und 162 FrcS. 98. Jahrgang. Art. 164. Gegenwärtiger Zoll 60 und 160 FrcS., erhöht auf 105 und 350 FrcS. usw. ES erhellt daraus, wie oben gesagt, daß schlecht gerechnet der neue Zolltarif eine Erhöhung von mindestens 150 Pro;, bedeutet. Auf alle Fälle kann Finanzminister CostineScu nickt behaupten wollen, daß sein Tarif ein Werk der Vergeltung sei, da gerade betreffs der Baumwollwaren das freizöllneriscke England, welches unserem Getreide freie Einfuhr gewährt, an diesem Einfuhrartikel mit 80, 74, 70 Proz., mindestens aber mit 61 Proz. beteiligt ist. »er fluktana Orr Herero. Mehr Lieht! Die Klagen über mangelhafte, ja dürftige und lang same Berichterstattung wollen nicht verstummen, treten vielmehr mit verstärkter Nachdrücklichkeit auf, und werden auch an der Tagesordnung bleiben, wenn sich die Regie rung nicht zu einer durchgreifenden Aenderung des Systems entschließt. Mit den paar Einrichtungen für drahtlose Telegraphie, die man so schön deutsch-lateinisch „Funkspruch-Stationen" getauft hat, ist es allein nicht getan — die Meldungen, die durch sie, den Heliographen und auf andere Weise übermittelt werden, müssen auch wirklich veröffentlicht werden. Was nützt das Nach richtenmaterial, wenn es, fein säuberlich dechiffriert, registriert und rubriziert, lediglich dazu verwendet wird, die Akten über Südwestafrika um so und so viel Num mern stärker zu machen? Der Einwand, eine promptere Berichterstattung sei nicht möglich, ist nicht stichhaltig. D a s i st e r w i e s e n. Heber die Gefechte bei Onganjira (9. April) und Okatumba (13. April) sind, wie allgemein anerkannt, die Verlustlisten mit größter Promptheit ver öffentlicht worden, dagegen wurde die offiziöse Bericht- erstattung über das Gefecht bei Okaharui (2. April) von der privaten Nachrichtenübermittelung eines Berliner Lokalblattes um volle zwölf Stunden geschlagen, und nachher kam die „Nordd. Allg. Ztg." mit der lahmen Ent- schuldigung, inan hätte nicht voraussehen können, daß eine Zeitung sich eine Verlustliste telegraphisch aus Siidwestafrika übermitteln lassen werde. Dieser Mangel an Voraussicht ist es, der den verant wortlichen Stellen zum Vorwurfe gemacht werden muß, und er hat denn auch glücklich dahin geführt, daß unsere amtliche Berichterstattung mal wieder arg ins Hinter treffen geraten ist. Amtlich wurde vorgestern lediglich mitgeteilt, daß unter der Kolonne Glasenapp Typhus ausgebrochcn sei, der in 7 Fällen einen tödlichen Ausgang genommen habe. Am Abend war der „Berliner L.-A." bereits in der Lage, mitznteilen, daß auch unter den übri gen Marinetruppen der Typhus in bedenklichem Umfange grassiere, und ebenso war bereits bekannt, daß Oberstabs, arzt Ur. Schian vom 85. Infanterie-Regiment in Süd westafrika die Leitung des Sanitätswesens in die Hand nehmen werde: die offiziöse Berichterstattung kam ge treulich im Krähwinkler Landsturmtempo hinterher. Und wie um zu beweisen, daß rasche Nachrichtenübermittelung möglich ist, veröffentlicht jetzt das erwähnte Lokalblatt folgende, zum Teil mit Namen belegte Einzelheiten aus: Otjiharnena, 25. April. Da bei den schleckten Wasierver- hältnisscn in Onjaku die TvphuSerkrmikungen zunahmen — eS starben außer den bereits gemeldeten nock Feldwebel Kammolz und Seesoldat Lenz von der 1. Kompagnie, Seesoldat Fingerle von der 4. Kompagnie des Seebataillons und die Soldaten der Schutztruppe Nester und WanSlcr —, so marschierte das Detachement Glasenapp am 21. von Onjatu nach Otjihaenena, wo wir gestern eintrafen. Sofort wurde heliographisch die Verbindung mit Okahandja vis Seeis und Windhoek hergestellt. Feuilleton. 2sj Das Testament des Lankiers. Roman von A. M. Barbour. Nachdruck Verbote«. DerSchreiber. Während dieser Zeit saßen in ihrer Wohnung im Waldorf-Hotel der alte Skott, Herr Barton und Harold im eifrigen Gespräch. Letzterer hatte den beiden soeben ausführlich über seine Zusammenkunft mit Frau La Grange berichtet, und der alte Herr sagte: „Du hast dich sehr richtig benommen, mein Junge! Ich kann dich nur loben. Dein Anerbieten ehrt dich, es war aber ganz gut, daß sie es ausschlug, denn nun bist du in keiner Weise durch Verpflichtungen gebunden, und das ist immer das beste. Nun sag' aber, was vertraute sie dir denn Geheimnisvolles an?" Harold rückte mit ernster Miene seinen Stuhl dicht an die beiden heran. Er sprach im leisesten Flüsterton, und was er sagte, war nur kurz, aber als er geendet, sahen die beiden anderen sich starr vor Staunen an. „Und Sie glauben, daß sie die Wahrheit sprach?" fragte Herr Barton erregt. „Unzweifelhaft. In der Stimmung, in der sie sich be fand, lügt man nicht." „Ich denke auch, daß nian ihr in diesem Falle trauen kann", äußerte der alte Skott gedankenvoll. „Was hätte sie veranlassen sollen, so etwas zu sagen, wenn es nicht wahr wäre?" „Ganz recht", sagte der Anwalt. „Sobald Fixson nach Hause kommt, muh er sofort auf die Spur gesetzt werden. Zunächst wollen wir Sutherland verständigen. Ich werde ihm gleich selbst telephonieren." Als Pflegevater und Sohn allein waren, sahen sie sich fast wehmütig in die Angen, und der erstere sprach in warmem Ton: „Harold, mein Junge, ich fühle niit dir. was dich bewegt, aber mag auch immerhin deine Zusam- menkunft mit der Frau, die dir das Leben gab, eine schmerzliche Erinnerung für dich bleiben, so ist das, was du dabei erfahren hast, doch nicht hoch genug anzu- schlagen." Herr Barton trat wieder ein. „Sutherland wird auf der Stelle hier sein. Ich wünschte nur, daß Fixson uns nicht lange warten ließe!" Gleich darauf erschien Sutherland. „Ich bin hierher geflogen", sagte er nach gegenseitiger Begrüßung, „denn der Ton Ihrer Stimme im Telephon, Herr Kollege, ließ mich Wichtiges vermuten." „Und da haben Sie sich nicht geirrt", antwortete Herr Barton. „Es ist uns ein Geheimnis enthüllt worden, das nicht allein unseren Fall tief berührt, sondern auch das Dunkel über dem Mord Hugh Mainwarings lichtet." Barton erzählte, und Sutherland rieb sich frohlockend die Hände. Lebhaft reichte er seinem jungen Klienten die Hand und sprach mit einer gewissen Weichheit: „Herr Mainwaring, ich begreife vollkommen, was Sie empfinden müssen, trotzdem aber werden auch Sie mich verstehen, wenn ich sage, ich gratuliere Ihnen." Harold nickte ernst, und der Anwalt fuhr zu seinem Kollegen gewandt fort: „Das erklärt alles! Jetzt haben wir gewonnenes Spiel! Ohne Verzug müssen wir alles in Bewegung sehen, um des Mannes habhaft zu werden. Um jeden Preis müssen wir ihn haben. Donnerwetter, stellen Sie sich vor, was für einen Zeugen er abgeben wird!" „Ganz meine Meinung. Und Fixson ist der Mann, der ihn finden und bringen wird, sollte er chn auch vom Monde herabholen müssen. Ich denke übrigens, er wird nun bald kommen. Inzwischen wollen wir beraten, wie wir die Saä-e angreifen, denn natürlich muß sie als tief stes Geheimnis und mit äußerster Vorsicht behandelt werden." Die Besprechung hatte schon über eine Stunde ge dauert, als endlich der mit Ungeduld erwartete sogenannte Schreiber des englischen Advokaten znrückkehrte. Er war ein Mann in Mittelgröße von unbedeutendem, beinahe schläfrigem Aussehen, der scheinbar seiner Um- gebung wenig Interesse schenkte; schlug er jedoch gelegent- lich die Augen auf, dann glaubte man ein Licht im Dunkeln aufblitzen zu sehen. Nur in solchen Augenblicken konnte ein scharfer Beobachter erkennen, welch waches Leben hinter diesem anscheinend so teilnahmslosen Wesen verborgen lag. Er war ziemlich wortkarg und bedurfte immer eines gewissen Anstoßes zum Erzählen. Herr Barton kannte das und sagte deshalb: „Sie waren natürlich bei Ihrem Freunde, den, so- genannten Kutscher Ralph Mainwarings? Hatten Sie Glück?" „O ja, Matthicsen alias Matthews zeigte sich wieder recht redselig. Er beichtete, was ich nur wissen wollte und mehr noch. Jetzt ist es aber aus mit uns." „Warum denn?" forschte Herr Barton. „Er wird vermutlich nicht mehr so übermäßig der- trauensselig sein, da Merrick ihn vor mir gewarnt hat." „So ist der Schlaufuchs also wieder da?" rief Herr Sutherland belustigt. „Seit wann denn? Und wie er- fuhren Sie, daß er Sie verriet?" „Er ist heute nachmittag gurückgekehrt und lüste mich unmittelbar bei Matthews ab. Ich hatte diesen gerade verlassen und war auf den dunklen Flur getreten, als ein kleines Männchen die Treppe heraufkam und an mir vor über in die Kutscherstube huschte. Mehr als seine Gestalt hatte ich nicht zu erkennen vermocht, schloß aber nach der mir von ihm cjemachten Beschreibung, daß es Merrick ge wesen sein müsse. Mich erfaßte der Wunsch, wenigstens seine Stimme zu hören, um ihn gelegentlich wieder zu er kennen. Ich tappte deshalb recht hörbar die finstere Stiege hinunter, unten aber zog ich mir die Stiefel aus und schlich in Socken schnell wieder hinauf." „Verstanden Sie, was er sagte?" fragte Herr Barton. „Jedes Wort, denn zuerst sprach er laut und dann schrie er. Gerade wie ich an die Tür kam, fragte er scharf: „Wer verließ Sie da eben?" „Ein gemütlicher Kerl, dessen Bekanntschaft ich zu ¬ fällig machte. Er heißt Coy und ist der Schreiber des eng lischen Advokaten, den Herr Harold Mainwaring " „Schreiber!" brüllte nun auf einmal der andere. „O Sie bodenloser Einfaltspinsel! Der ist ebensowenig Schreiber wie Sie Kutscher sind, oder sogar noch viel weniger, denn Sie werden Ihre Lebtage zu nichts anderem zu brauchen sein, als Pferde zu striegeln. Wissen Sie Tölpel, von wem Sie sich haben nasführen lassen? — Don einem der geriebensten Kriminalbeamten Londons, der nicht Coy, sondern Fixson heißt und Sie einfach, wer weiß warum, ausgehorcht hat." Das war mir genug und ich machte, daß ich fortkam." Alle lachten und Herr Barton fragte: „Woher kennt Sie dieser Merrick?" „Er kennt mich nicht, hat nur von mir gehört." Und mit einem verstohlenen Blick auf Harold fuhr er fort: „Ein Auflauf vor dem Hotel „Wellington" führte mich in dieses. Unter den dort Versammelten erkannte ich Merricks Stimme, und da ich prüfen wollte, ob er mich kennt, sprach ich ihn an, er hatte aber keine Ahnung, wer lch war." „Und wie hat er von Ihnen gehört?" drängte Herr Barton weiter. „Durch einen ihm befreundeten hiesigen Kollegen, der jemand in London aufspürcn sollte und seine Fahrt dort hin mit Ihnen, .Herr Mainwaring, auf der „Campania" machte. Sie nebenbei im Auge behielt und über all Ihr Tun an Merrick berichtete. Diesen Mann lernte ich in London kennen, und durch ihn erfuhr Merrick auch von mir und meiner Reise hierher als Schreiber Herrn Bartons." „So, so", machte Herr Barton. „Knd nun, mein lieber Fixson, wollen wir auch Ihnen etwas erzählen, was Sie interessieren wird." Die halbgcschlossenen Augen des Detektivs öffneten sich einen Augenblick, und ein Blitz schoß hervor, gleich darauf aber lauschte er, ohne irgend ein Zeichen von Ueberraschung über die Mitteilung, die ihm im Flüster-
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