Delete Search...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.04.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-30
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040430029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904043002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904043002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-30
- Monat1904-04
- Jahr1904
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Sonnabend, 3V. April 1904 Leipziger Tageblatt. Nr. 219. 98. 3ayrg Nuslanü. Frankreich. * Aus Madagaskar. Zwischen dem Generalgouver neur von Madagaskar, General Galliern, und dem Kolonialminister Doumerguc ist eine Meinungsver schiedenheit bezüglich des Baues der Eisenbahn von Tana- narivo nach dem Meere hervorgetreten, die von der nativ- nalistischen „Patrie" aufgebauscht wird. Es handelt sich einfach darum, daß General Galliern mit den ihm zur Ver fügung gestellten 60 Millionen die Kosten der gesamten Anlage nicht bestreiten kann und deshalb ein Aushülfs- mittel gewählt hat, das von dem Minister nicht ganz ge billigt wird. Er hat nämlich von den Eingeborenen, die er zu Frondiensten heranzog, von Tananarivo nach Osten einen Weg anlegen lassen, den er nun als Unterbau der Eisenbahn benutzen will. Herr Doumergue widersetzt sich dem aber mit der Erklärung, daß diese Landstraße ihrer eigentlichen Bestimmung nicht entzogen werden dürfe. Die Eisenbahn müsse neben ihr angelegt werden. Da, wie gesagt, die zur Verfügung gestellten Mittel erschöpft sind, würden bei der strikten Durchführung der ministeriellen Anordnungen die bereits weit gediehenen Arbeiten ein- gestellt werden müssen. Bordeaux. Die Kapitäne, Dffiziere und Maschinisten der Handelsmarine beschlossen, sich mit den Kollegen in Marseille und Havre solidarisch zu erklären und den Ausstand der Schiffsoffiziere in Marseille nicht dadurch zu hindern, daß sie ihre Schiffe nach diesem Hafen schicken, um dort Ladung zu nehmen. Havarie erlitten. An den Quellen des Amur und auf der <vchilka hat der Eisgang noch nicht begonnen, auf der Ingo da hat er am Donnerstag begonnen. An» Lort Arthur ist folgende Drahtnachricht vom 2S. April über Peters burg eingetroffen: Hier herrscht Rübe. Heute vormittag erschien ein auS zehn Kreuzern und sechs Torpedobooten be stehendes japanisches Geschwader in Sicht de- Hasen«. — Au» Wladiwostok wird gemeldet, daß heute früh7Uhr der Feind in der Ufsuribucht erschien. unseres Bildung»- und Erziehung-wefenS"; und erst vor einem Jahre war eS gerade Professor Delbrück, der an der gleichen Stelle, wo er jetze bewegliche Klage erhebt, einer solchen „Klerikalisierung" das Wort redete, indem er sich für die Errichtung der katholisch-theologischen Fakultät an der Straßburger Hochschule beaeisterte, während doch diese Errichtung, nicht nur an und für sich, sondern gerade durch ihre Sonderbestimmunaen die Knebelung und Kastrierung der freien Wissenschaft bedeutete. Wo war damals die Prosessorenschaft, um Einspruch zu erheben gegen deutsches Nachgeben an römische Afterwissenschaft? — Wo war das entschlossene Nein der Profefforenschaft, als die Regierung aus lediglich „handelspolitischen" Gründen zwei Männer in die oberste Leitung der vornehmsten wissenschaft lichen Institute Preußens hineinschob — m da- Kuratorium und in den Beirat des königlich preußischen Histon- fchen Instituts zu Rom — die ausgesprochenermaßen auf dem Standpunkte des SyllabuS stehen? So blutwenig BerständniS für die Gefahr der „Klerikaliste- rung unseres Bildungswesens" war damals vorhanden, daß sich Mitglieder der königlichen Akademie der Wissenschaft zu Berlin ohne mit der Wimper zu zucken, neben diese Zentrumsführer und SyllabuSanhänger als Kuratoren und Beiräte setzten! Ja, ein gerütteltes und geschütteltes Maß von Schuld an der fortschreitenden „Klerikali- sierung" hat die deutsche Profefforenschaft, und wenn letzt dasjenige ihrer Mitglieder, das mit am weitesten gegangen ist in der Konnivenz, in der Anpassungsfähigkeit an den UltramontaniSmuS über „Klerikalisierung" klagt, so fordert die- eigentlich Spott heraus. Doch auch hier: besser späte Erkenntnis, als gar keine. Was könnte die Profefforen schaft in der Abwehr der Klerikalisierung nicht leisten, wenn sie konsequent jedem Versuchender Unterbindung des geistig wissenschaftlichen Leben- — der Versuch möge kommen, woher auch immer — energisch entgegenträte, wenn sie fest und bestimmt jede Gemeinschaft mit der SyllabuS-Wissenschaft ablehnte!" — Die Gefahr, auf die Graf HoenSbroech hmweist, besteht und ist nicht zu unterschätzen. Trotzdem halten wir von Protesten, denen vielleicht keine Taten folgen, nicht viel. Und schließlich möchte man auch eben so wenig wie eine Klerikali- sirung eine fortgesetzte Hineinziehung der Wissenschaft in die politischen TageSsragen sehen. Pensum«, welche gleichbedeutend ist mU einem Mehrverbrauch von mindesten» zwei vollen Arbeitswochen. Die Kosten würde in erster Linie die Wasserstrabenvorlage zu tragen haben, und e? ist sogar sehr wohl möglich, daß infolge dieser Vorbelastung der Wer Kom- Mission gerade die eigentliche Kanalvorlage in dieser Session un- erledigt bleiben mutz. * Die parlamentarische Geschäftslage. Der Senioren- konvent des Reichstages ist zu beute 12»/» Uhr ein berufen worden, um über die weitere Erledigung der Geschäfte und die eventuelle Vertagung des Reichstages zu be schließen. — Die PfinLstferien deS Abgeordneten hauses sollen vom 18. Mai bis 13. Juni dauern. * Die vudgctkommisfton »e» Reichstag- hat am Freitag die Einnahmen so erhöhen können, daß nur ein Betrag von 18 Millionen Mark verbleibt, der aufMatrikular- beiträge übernommen wurde. Ein weiterer Restbestand von 5 Millionen Mark wurde auf Anlrihrtitel überschrieben, und soll als Ausgabe für Südwestafrika auf den außerordentlichen Etat übertragen werden. — Kriegsminister v. Einem begab sich Freitag abend nach Mainz, um auf Einladung des Kaisers daselbst der Einweihung resp. Eröffnung der neuen Eisenbahn-Rheinbrücke betzuwohnen. * * * * Düsseldorf, 29. April. Zur Eröffnung der Garten bauausstellung trifft der Kronprinz, wie nunmehr feststeht, am Sonntag hier ein und bleibt bis etwa gegen 2 Uhr. Der Reichskanzler hat seine Teilnahme an der Eröffnungsfeier absagen müssen, da er an der Einweihung der neuen Brücke in Mainz teilnehm«, ebenso ist Minister Möller verhindert. Bestimmt haben zugesagt die Minister Studt und v. Rheinbaben. * Altenburg, 30. April, 12 Uhr 25 Mn. Norm. (Eigene Drahtmelvung.) Nach dem bis jetzt bekannten Ergebnis der RrichStagSwahl sind für vr. Porzig 17 876, für Buch wald 17 629 Stimmen gezählt. Es fehlen nur noch einige kleinere Ortschaften des westlichen Kreises. Porjigs Wahl scheint gesichert, da im westlichen Kreise die Mehrzahl der Stimmen zu Gunsten des reichstreuen Kandidaten ausfallen dürften, so daß für Porzig auf eine Mehrheit von etwa 60 Stimmen zu rechnen ist. Das energische Zusammen gehen aller bürgerlichen Parteien hat also den erhofften Erfolg gehabt. * Altenburg, 29. April. Herzog Ernst hat seinen Adjutanten Oberst z. D. Iwan Baumbach in den erblichen Adelstand erhoben. Derselbe ist Besitzer des Rittergutes Kaimberg im Reußischen und hat deshalb den Namen Baumbach von Kaimberg erhalten. * Karlsruhe, 30. April. Der gestrigen Fcstvorstelluug von Saint-Saöns „Samson und Dalila" im Hoftheater wohnten vom zweiten Akte an der Kaiser und die Kaiserin, sowie der Großberzog und die Großherzogin und der Erb- großberzog mit Gemahlin bei. Die Majestäten wurden mit begeisterten Hochrufen empfangen. Deutscher Keich. * Leipzig, 30. April. * Jur Maifeier. Einen ziemlich plumpen Versuch, die nichtsozialdemokratischen Arbeiter zur Teilnahme an der Marfeier nr veranlassen, macbt die „Sachs. Arbeiterztg". Das Dresdner Sozialistenblatt behauptet nämlich in einem bombastischen, auf Fettdruck angelegten Leitartikel: „Jeder Arbeiter, der der Maidemonstration fern bleibt, jeder Einzelne, der gleichgültig und ohne Teilnahme ist, wo Millionen seiner Brüder bekunden, daß sie Kämpfer im Befreiungskämpfe des Proletariat- sein wollen, versündigt sich gegen sich selbst, versündigt sich gegen alle, die den Kampf auch für ihn mitkämpfen. Wer den ersten Teil desselben Artikels der „Sächs. Arbztg." gelesen hat, muß sich darüber klar sein, daß kein nichtsozialdemokratischer Arbeiter sich irgendwie „ver sündigt", wenn er nicht an der Maifeier teilnimmt. Denn der Charakter der Maifaier als einer reinen Partei demonstration wird dort unumwunden durch das Ge ständnis festbestellt: „Unsere Demonstration gilt den Zielen des proletarischen Befreiungskampfes, dem Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung." Mithin wird sich jeder Arbeiter, der von emer neuen Gesellschaftsordnung nichts wissen will, sich gerade dadurch „versündigen", daß er an der sozialdemokratischen Demonstration zu Gunsten einer neuen kommunistischen Gesellschaftsordnung, an der Maifeier, teil nimmt. Ein schwarzer Präsidentschaftskandidat. Es gibt in den Vereinigten Staaten gebildete und intelligente Neger, welche ihren RaffeHenossen im Kampfe ums Dasein treue Freunde und verständige Berater sind, wie der bekannte Booker Washington und Professor vr. Burghardt Dubois u. a. m., aber eö fehlt auch nicht an farbigen Phantasten, welche die amerikanischen Neger ganz gehörig m die Tinte reiten würden, wenn sie ihren Willen durchsetzen könnten. Einer dieser schwarzen Wirrköpfe, welche sich die Neger gar nicht weit genug vom Leibe halten können, ist ein gewisser W. T. Scott, der sich selbst einen „prominenten farbigen Bürger von East St. Louis, Illinois, in seiner Proklamation nennt. In diesem bombastischen Schriftstück erklärt er, es sei nun endlich an der Zeit, daß der Neger als selbständiger Faktor in die nationale Politik eingreife, wodurch er nicht allein volitischeS Ansehen gewinne, sondern auch seine materielle Lage verbessere. Darum sollen also die farbigen Bürger in dem bevorstehenden Wahlkampfe weder für den republi kanischen noch für den demokratischen Präsident schaftskandidaten eiutreten, sondern ein eigenes „schwarzes Ticket" aufstellen. Den ersten Platz darauf als „schwarzer" Präsidentschaftskandidat bean sprucht natürlich dieser „prominente" farbige Bürger von East St. Lonis. Wie keine Dummheit so groß ist, daß sie nicht auch ihre Verfechter und Anhänger hat, so verstand Scott einer ganzen Anzahl seiner Raffegenossen seinen verrückten Plan so plausibel zu machen, daß die armen Narren Feuer und Flamme dafür sind. Tatsächlich ist dieser Tage die Organisation dieser „National Civil Party" bereits in Gang gekommen. Die neue Partei soll ihre Nationalkonvention in St. Louis abhalten, wo am 6. Juli auch die Demokraten tagen, und nach Scotts Behauptung werden sich dort gegen 2000 farbige Delegaten versammeln, um ein Ticket aufzustellen, mit welchem die farbige Raffe „Ehre einlegen" wird. Die „Platform" (Wahlprogramm) ist auch schon fix und fertig: Verstaatlichung aller Transport mittel, Pensionierung aller früheren Sklaven und ähn liche gute Dinge stehen darauf. Die 9>/r Millionen Neger in den Vereinigten Staaten können aber gar nichts törichteres tun, als auf diesen Vorschlag des Herrn Scott einzugehen; denn die Aufstellung eines „schwarzen" Tickets würde sofort auch diejenigen Südstaaten noch mobil machen, welche bisher das Stimmrecht des Negers noch nicht angetastet haben, die politische Entrechtung der Neger würde damit vollständig werden. * * * * Berlin, 30. April. * Zur Entschädigung für unschuldig erlittene Unter suchungshaft ertönt in den „Berl. Pol. Nachr." folgende offiziöse Stimme: Es darf angenommen werden, daß der Gesetzentwurf, betreffend die Entschädigung für un schuldig erlittene Untersuchungshaft, für den jetzt der Bericht der vorberatenden Kommission vorliegt, im Reichstage in nächster Zeit zur Erledigung gebracht werden wird. Voraussetzung dafür wird allerdings sein, daß im Plenum nicht auf die in erster Lesung der Kommission an genommene, in zweiter wieder verworfene Gleichstellung der vorläufigen Festnahme und Vorführung mit der Unter suchungshaft zurückgekommen wird. Eine solche Erweite rung der Vorlage kann aber auch um so eher zurückgestellt werden, als es sich dabei nur um kaum den sechsten Teil aller nicht verurteilten Verhafteten handelt, und bei der in Aus sicht stehenden Reform der Strafprozeßordnung eine erneute Prüfung der Materie erfolgen soll. Diese Prüfung ist regie rungsseitig zugesagt. Eine Wiederaufnahme der Erweite- rungSbestrebungen in dem angedeuteten Sinne würde das Zustandekommen der Vorlage gefährden. Das würde aber zu bedauern sein. Die verbündeten Regierungen sind schon mit der Begrenzung des Umfanges der Entschädigungspflicht'' weiter gegangen, als die wenigen größeren Staaten, die eine ältere Gesetzgebung auf diesem Gebiete besitzen. Das Reich würde also mit dem Gesetze, falls es zu stände käme, an die Spitze der ganzen Reformbestrebung auf diesem Gebiete treten. Umsomehr liegt auch für das Reichstagsplenum Ver anlassung vor, das Erreichbare anzunehmen. Man sollte auch hier nicht vergessen, daß die Politik die Kunst des Möglichen ist. * Berkaus deutscher Dampfer. Die „Frkf. Ztg." meldet ans Hamburg: Der Schnelldampfer „Columbia" der Hamburg-Amerika linie ist hierher beordert worden und bleibt auf der Unterelbe liegen. Die ganze Besatzung wird am Sonnabend abgemustert, da der Abschluß der Verkaufsverhandlungen mit russischen Käufern bevorsteht. Wir möchten gleichwohl an unfern vorgestern geäußerten Zweifeln festhalten. Daß die „Columbia", die bis jetzt in der Route Genua-New Bork beschäftigt war, am 21. April nach der Elbe gehen soÜte, war schon längst bestimmt, wie auch die offiziellen Fahrpläne ergeben. Daß die Besatzung zum Teil (nicht ganz) abgemustert wird, erklärt sich sehr ein fach daraus, daß die „Columbia" wie alljährlich so auch diesmal auf der Werft von Blohm L Voß ins große Dock genommen wird, um einen neuen Bodenanstrich zu erhalten und auch sonst den üblichen Jnstandsetzungsarbeiten für die Cuxhaven-New Aork-Fahrt unterzogen zu werden. * Die Kanalvorlage und Herr v. Zedlitz. Herr v. Zedlitz scheint wegen der Ablehnung seiner Vorschläge für die Be handlung der wasserwirtschaftlichen Vorlagen arg verstimmt zu sein und prophezeit deshalb der eigentlichen Kanalvorlage ein ungünstiges Geschick. Sein Leib organ, die „Post", schreibt nämlich zu der Verweisung des Gesetzentwurfs betr. Ergänzung des Deichgesetzes an die 28 er Kommission:, Daß ihr zu der Fülle dieser Aufgaben auch noch das erwähnte Gesetz überwiesen wurde, führt zu einer Vermehrung des Arbeits- politirche cagerrcdau. * Leipzig, 30. April. Da- Solloesen tu deu Schutzgebieten. Nach einem mitaeteiltea Briefe der „Täglichen Rundschau" find unsere nach Sudwrstafrika gesandten Offiziere sehr über rascht gewesen, als sie mitgebrachte Büchsen, Lebensmittel :c. verzollen mußten. Auch wer in Deutschland gehört hat, daß beispielsweise die für Südwestafrika bestimmten funkentelegra phischen Apparate verzollt werden mußten, wird in nicht wenigen Fällen darüber erstaunt gewesen sein. Aber nach dem geltendenRechte konnte gar nicht ander-verfahren werden. (Das geltende Recht konnte freilich, wie tatsächlich auch geschehen, für diesen Kriegsfall aufgehoben werden. Nur, daß diejenigen, die es am ersten anging, die Zoll beamten, es nicht früh genug erfahren haben.) Eine Zoll union zwischen dem Deutschen Reiche und den Schutzgebieten (vergl. die neueste Darstellung des deutschen Kolonialrechts von Prof. vr. O. Köbner in der soeben erschienenen Schluß lieferung der 6. Auflage der Holtzendorffschen „Encyklopädie der Rechtswissenschaft") besteht eben nicht. Ebenso wie da- Reichsgebiet den Kolonien gegenüber ein abgeschlossenes Zollgebiet bildet, so stellt auch jede der letzteren für sich ein solche- dar. Speziell für Deutsch - Südwest afrika bestimmt die Zollverordnung vom 31. Januar 1903 in § 1: „Als Zollausland werden alle nicht zu Deutsch- Südwestafrika gehörenden Gebiete angesehen." — Es gelten also für Deutsch-Südwestafrika sowohl das Mutterland wie die anderen Schutzgebiete als Zollausland. Derselbe Grundsatz herrscht in den Zollordnungen der andern Schutzgebiete, soweit sie überhaupt Zölle erheben. Eine Ausnahme bildet Kiautschau, welches ein Frei- bafengebiet ist, und wo demgemäß von deutscher Seite keinerlei Zölle, abgesehen von einer zollähnlichen Abgabe auf Opium, erhoben werden; ein chinesisches Seezollamt ist hier zur Er leichterung des Durchgangsverkehrs von und nach dem chinesischen Hinterlande zugelassen. Was die Erzeugnisse unserer Kolonien anbelangt, so werden auf Grund des BundeSratSbeschluffes vom 2. Juni 1893 im deutschen Zollgebiete die „vertragsmäßigen Zollsätze" erhoben, daS beißt die Zollsätze, welche Deutschland in seinen Handelsverträgen mit andern Mächten vereinbart hat. Desgleichen sieht § 1 Abs. 3 des neuen Zolltarifgesetzes vom 25. Dezember 1902 vor, daß der Bundesrat auf die Erzeugnisse der Schutzgebiete die vertragsmäßigen Zollsätze anwenden kann. Damit genießen die Schutzgebiete gegen über dem deutschen Zollgebiete die Meistbegünstigung in demselben Maße wie die Auslandsstaaten, welche mit dem Deutschen Reiche entsprechende Verträge abgeschlossen Hatzen. Die Behandlung unserer Schutzgebiete als Zollausland steht, wie Köbner betont, nicht im Widerspruche zu ihrer grund sätzlichen völkerrechtlichen Stellung als deutsches Gebiet, da auch einzelne Teile des Reichsgebietes, nämlich die Frei häfen, als Zollausland behandelt werden. Ob dieser Zustand freilich nützlich ist, soll hiermit nicht entschieden werden. - Klerikalisierung »er Wissenschaft. In der neuesten Nummer der Zeitschrift „Deutschland" (Mai 1904) schreibt Graf HoenSbroech in seinen politischen „Streiflichtern" ein scharfes Wort über die Gefahr der Klerikali sierung der Wissenschaft. Es heißt da: „Das letzte Mal nannte ich zwei große Schuldige, deren Verhalten die Ultramonta- nisierung unserer Verhältnisse hauptsächlich herbeigeführt hat, zwei Schuldige, die in engster Wechselbeziehung zueinander stehen: Negierung und Wähler. Heute wende ich mich gegen einen dritten Schuldigen: gegen die Vertreter der Wissen schaft, gegen Vic Professorenschaft unserer Hochschulen. Ich sage die Professoren schäft, denn viele einzelne Professoren tun dem großen Kulturgegner gegenüber mannhaft ihre Pflicht. Aber als Körperschaft haben die berufenen Hüter unserer höchsten Kulturgüter vielfach nicht ihren Mann gestanden, haben zum schweren Schaden es oft versäumt, ihre warnende Stimme zu erheben, ja haben selbst mitgewirkt, dem Ultra- montanismus zu Macht und Einfluß zu verhelfen. Heute klagt Hans Delbrück in den „Preußischen Jahr büchern" (Aprilheft, S. 182) über „die Klerikalisierung Feuilleton. Detlev von Liliencron in Leipzig. Vortrag eigener Dichtungen. Zu Gunsten der P e n f i o n s k a f s e deutscher Journal! st en und Schrift st eller hat Liliencron gestern Abend im Saale des Kauf männischen Vereins eine Anzahl eigener Dich tungen vorgelesen. Der Saal war überfüllt, man wollte wieder einmal feinen Liebling unter den modernen Lyri kern sehen. Er hat lange um die allgemeine Anerkennung ringen müssen, nun legt man sie ihm um so bereitwilliger zu Füßen, ja man läuft sogar Gefahr, ihn zu überschätzen. Darauf deutet jene maßlose Verhimmelung, die dem ahnungslosen Besucher von dem Berliner Verleger und einem Leipziger Sortimenter vorgesetzt wurde, die äußerlich die Form eines Programmes trug, in Wirklichkeit aber eine etwas zu dringliche Reklame war. Und dabei lvären diese vielen Worte gar nicht nötigtzgcwescn. Man weiß längst, wer Liliencron ist und was er leistet. Und denen, die es noch nicht gewußt hätten, wäre cs ganz gewiß iin Verlaufe des Abends selbst klar geworden. Tenn wenn der Dichter auch nicht gerade ein Rezitator von Gottes Gnaden ist, und wenn auch nicht alles, was er vorlas, auf der Höhe seiner Kunst stand, so gab er doch immerhin ge nug, um sich als der zu erweisen, den uns sein guter Name erwarten ließ. In der Kunst heimatlichen Gepräges liegt seine Stärke, und wenn er dazu seine Gedanken und Empfin dungen in die Form einer Ballade gießt, so rauscht cs oft an uns vorüber in der ursprünglichen Schönheit wie die Brandung des Meeres, in dem Schwung und dem sprach lichen Wohllaut, wie wir ihn von den Meistern der deut schen Ballade, Schiller, Goethe und Uhland, her kennen. „Ter lange Peter" reckt sich mächtig vor uns auf, wenn er den Amtmann erwartet, der den Zinsgroschen eintrciben will, sein friesischer Dickschädel erhält etwas wie eine Gloriole, wenn wir ihn schließlich das Motto seines Lebens „Lieber tot als Sklave" sprechen hören. Wie herrlich ist das große Bild, das er mit wenigen Strichen im „Hilde brand" entwirft; die dann folgende Erklärung des Un- glücks zeigt uns eine beleidigte Mutter in einem Hasse, wie er vielleicht auch nur dort möglich ist, wo der „lange Peter" aufgewachsen. — Tie Ballade bedeutet die starke Seite Liliencrons, und ganz Dichter ist er nur da, wo er uns den Menschen feiner Heimat zeigt. Da ist er ganz er selbst, ein ursprüngliches Ich. Aber er ist Offizier ge wesen, und die straffe Lebenserziehung dieses Standes hat ihm auch noch eine zweite Saite über die Seele ge zogen, die manchmal mit einer täuschenden Ursprünglich keit erklingt. Ter Offizier, der Mann der Welt und der vornehmen Gesellschaft, hat den knorrigen Friesen derart abgeschliffen, daß stellenweise nur die scharfe Beobachtung das bildet, was den beiden Menschen in Liliencron Ge meinsames bleibt. Wenn er uns in dem „Handkuß" von dem Besuch seiner Fran „bei Zars" und ihr allmähliches Besinnen auf sich selbst und ihren Mann erzählt, so ist nichts mehr vorhanden von dem Dichter, der den Trotz des „langen Peter", die Schrecken des „Haidebrandes" nach empfunden hat, und in dem fein beobachteten Straßen bildchen von der vorbeimarschierenden Regimcntskapelle sehen wir nur noch den lebensfrohen Leutnant, den Offi zier, der in seiner Welt und deren nächster Umgebung auf geht. Liebenswürdig aber ist er stets, liebenswürdig, ele gant, zuvorkommend. Als verbindlich lächelnden Gesell schafter sehen wir ihn, wenn er uns seine Anekdoten und Anekdötchen erzählt, wie „Tas Gewitter", „Ich und die Rose warten", „Der Handkuß" und andere. Es sind Lappalien, Bagatellen, die seine reiche Phantasie ver schenkt, wie ein großer Gärtner ein Veilchen. Wer ihn aber hier noch als Genie preist, der macht sich lächerlich, und jener in dein bereits erwähnten Reklamezettel zitierte Kritiker kommt einem vor wie ein aufgeblasener Gummi mann, der von dem warmen Odem der Liliencronschen Muse willenlos hin und her geblasen wird und der bald mit deni Kopfe, bald mit den Beinen nach dem Himmel ragt. Es ist das alte Gebrechen der deutschen Kritik, daß sie jede Kleinigkeit eines bereits anerkannten Künstlers als eine Offenbarung hinzunehmen geneigt ist, während sie oft gute Werke noch Unbekannter über die Achsel an- sicht. In der „Kriegsnovelle", die der Dichter noch vor- las, hat er sich leider gar nicht ein bischen an die Form gehalten und ist inhaltlich aus dem Hundertsten ins Tausendste gekommen. vr. vuckvix fVebsr. * Wirftk. Neue» Lh-at-r. Herr Soomer vom Stadttheater in Halle, der gestern Peter I. in Lortzings „Zar und Zimmermann" sang, gefällt dem Publikum augenscheinlich. Gestern wenigstens zeichnete es ihn durch lebhaften Beifall aus. Die gesangliche Leistung des Gastes verdiente den herz lichen Applaus durchaus. Weniger befriedigend war hingegen sein Spiel. Herr Soomer gibt durchweg zu hingegen sein Spiel. Herr Soomer gibt durchweg zu starke Accente. Wenn er zu sägen hat „Bin ich entdeckt?", auf dem Gewissen hätte. Sein Spiel ist alte Schule und entbehrt der realistischen Färbung. In diesem Punkte hat der talentierte Sänger geradezu umzulernen. Die Zeiten des Kothurns sind vorbei. Wenigstens bei uns in Deutschland. Neber den zweiten Gast des Abends, der sich als Bürgermeister von Saardam versuchte und tödliche Lange weile um sich verbreitete, schweigt des Kritikers Höflich keit. Oder soll man wirklich eine Leistung kritisieren, der man alles hintereinander absprechen muß? x Nachfeier de» Namenstage» Sr. Majestät des Nenig» Georg im Aenservaterinm. Webers Jubel-Ouverture eröffnete die Nachfeier des Namenstages Seiner Majestät des Königs Georg von Sachsen im König!. Konservatorium der Musik und gab der Veranstaltung ihr festliches Gepräge. Tas Schüler orchester spielte das Werk mit Schwung und schönem Eifer unter der Leitung des Herrn Professor Sitt. Höchstens wäre zu wünschen gewesen, daß die Holzbläser sich noch wärmerer Tongebung befleißigt hätten. Ferner dürfte der Umstand einige Beachtung verdienen, daß die Streicher fast niemals gleichen Herauf- und Herunterstrich haben, wodurch das Klangvolumen zweifelsohne abge schwächt wird. Sehr gut und besonders dynamisch bestens ausgearbeitet war die Vorführung zweier weiterer Orchesterwerke, des „Melusinen"-Vorspiels von Gramann und des Vorspiels zum fünften Akte des Reineckeschen „Manfred". Vorübergehend wäre auch hier die Frage aufzuwerfen, weshalb man nicht Schülern den Dirigenten stab anvertraut und Gelegenheit gibt, sich dem Publikum als Orchesterleiter vorzustellen. Es würde damit zugleich der Beweis erbracht, welche Früchte die im Unterrichts plan verzeichneten Direktionsübungen gezeitigt haben. Auch der verschiedenen Begleitungen entledigte sich das Schülerorchcster großenteils mit gutem Gelingen. Das - Programm bot zwei Vorträge vokaler Natur: Fräulein H. Lutze zeigte in der Wiedergabe einer Arie aus Marschners „Hans Heiling" lobenswertes künstlerisches Bemühen, müßte aber energisch nach weiterer Ausbildung der Höhe ihres schön timbrierten Soprans und nach weit individuellerer Gestaltung trachten, und Herr O. Semper sang einige Liedervon Gramann mit hübscher Tongebung und treffen dem Gefühlsausdruck. Anfangs hatte fein Ton etwas Flackerndes und Unstetes, was sich aber bald verlor. Volk- manns moII-Konzert fand in Herrn I. Sakom einen tüchtigen Vertreter, der zwar zu Beginn des Werkes den rein melodischen Teil ziemlich trocken abtat, im weiteren Verlaufe aber seinem Violoncello sehr schöne Töne ent lockte. Auch in rein technischer Beziehung ist Herr Sakom bereits recht weit gefördert, nur möge er sich bei Behänd- lung des Passagenwerks vor Ueberstürzung hüten. Fräu- lein A. Cionca gab vier Ehopinsche Etüden, deren drei technisch fein ausgearbeitet erschienen, die letzte hingegen sehr unklar zum Vortrage gelangte. Die junge Dame hat aber sicher viel Spieltalent und wird hoffentlich auch bald dahin gelangen, ihr eigenes musikalisches Ich mehr in den Vordergrnnd treten zu lassen. Die musikalisch und technisch reifste Leistung des Abends bot ein noch in sehr jugendlichem Alter stehender Geiger, Herr Ad. Schkolnick, mit dem ersten Satze aus Vicuxtemps' L äur-Konzert. Sehr leichte, sichere Bogenführung, schöne Tongebung, sinngemäße Phrasierung und echtes Temperament, zu dem sich noch respektable Technik gesellte, zeichneten diesen Vortrag vor allen anderen aus. Luxen Sexuiir. I Deutsche Musik in Paris. Au« Paris wird der „Post" geschrieben: Das deutsche Lied, welches bisher der politischen Kluft hatte weichen müssen, kommt, seit sich dieselbe immer mehr überbrückt, in Frankreich auf» neue zu Ehren und darf in den Konzerten nicht mehr fehlen. In der Salle de» AgriculteurS wurde cs von dem amerikanischen Kouzertsänaer Karl W. Clark in hervorragender Weise gepflegt, der m Paris schon wiederholt Beweise seine» Talente- ablegte. Das Programm be- stand au» drei Teilen, die französische, deutsche und englisch-ameri kanische Lieder boten. Der deutsche Teil enthielt: „Ob ich Dich liebe", „Im Traum" und „Maifrst" von Maddison, „Traum", „Breit Über mein Haupt" und „Wie sollen wir geheim sie halten" von Richard Strauß. DaS Publikum zollte dem Sänger reiche», wohlverdiente» Beifall. — Politische Konzerte. Wie noch erinnerlich sein dürfte, wurde vor kurzem der tschechische Geiger Kubeltk in Linz (Ober- Oesterreich) von lärmenden Deutschen an der Durchführung eine» Konzert» verhindert. Der Auftritt hat Schule gemacht. In Inns bruck wurde da» Konzert de» tschechischen Btolin-Birtuosen Kocian durch stürmische Demonstration im «aal, Lärm und Pfeifen ver hindert. Der Saal wurde von der Polizei geräumt Kocian kehrte unter polizeilicher Bedeckung in- Hotel zurück. Zwei Verhaftungen wurden vorgrnommen.
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview