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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.03.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-14
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030314014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903031401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903031401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-03
- Tag1903-03-14
- Monat1903-03
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Anzeigen «Preis die «gespaltene PctitzeUe Kd H. «ettume, arrtrr dm» NedaktiouSstrich säge,palte») 7» vm de» Kamtllmmach- richleu («gepalte») 50 Dabell-rlschrr aud «iffrrusas eutsprecheud hoher. — Geblldreu für Nachweisung»» und Offerteaauuaym« SS lexcl. Port») Ertra-ivetlage» lgesalzt^ »«, «u d-, Morge».«u«aat>e, »hu, PoftbesSrderuug SV.-» o»tt Poftbesarder»og ^g 70.—. Jiauahmeschluß für Äuzrigeu: >b»»d-kl»«gab,, vorurttlag« W Uhr. Wrvrge»-U»«gab«l Nachmittag« 4 Uhr. Anzeige» stad stets « dt» Expedttto» P» richt»». Die Srpedttto» ist Wochentag« »urmterbrvche, geöffnet vo» früh 4 bi« aLeud« 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Pul, tu Leipzig. 97. Jahrgang. Frankreichs „natürliche Greinen". Es gibt wohl in Deutschland keinen Menschen, der nicht eine Verständigung mit unserem Nachbar jenseits der Vogesen wünschte. Man braucht auch die Hoffnung nicht aufzugeben, daß im Laufe der Jahrzehnte durch den Druck der Ereignisse Frankreich genötigt werden kau», die Hand zu ergreifen, die der Lieger von Ledan so oft schon freundlich über den Wasgcnwald hin ausgestrcckt hat. Alles indes, was hierüber hinausgeht, ist vom Uebel. Vom Uebel sind die zahllosen Schmeicheleien, in denen Frank reich nur ein Nachläufen unserseits sieht, schlimmer aber noch sind die Würdelosigkeiten, mit denen man Frankreichs Freundschaft erkaufen will. Durch einen deutsch-franzö- fischen Ausgleich hätte Frankreich wett mehr zu gewinnen als wir: cs ist daher ebenso unklug als national kläglich, überhaupt eine Revision des Frankfurter Friedens in den Bereich der Möglichkeit zu ziehen. Mit einer solchen wäre gar nichts gewonnen, und die guten Leute, aber schlechten Musikanten, die derartige Ratschläge machen, zeigen nur, daß sie vom innersten Wesen der Franzosen gar keine Ahnung haben. Diese Optimisten, die alles Unheil nur in den „geraubten Provinzen" sehen, könnten, falls sie über haupt belehvbar wären, ans den Ereignissen der letzten Tage viel lernen. Herr Deschanel, der eitle Sohn eines gelehrten Vaters, hielt da eine Rede, in der er von den unverjährbaren Rechten Frankreichs — nicht auf die Revanche fiir 1870, sondern — „auf die natürlichen Grenzen Frankreichs" sprach. Hier liegt der Kern der ganzen Frage. Man sagt, die Franzosen haßten uns, weil wir Deutsche seien, weil sie unsere Rasse verabscheuen. Das ist ganz falsch: sie hassen den augenblicklichen Niedergang ihres Volkes, das Schwinden ihres Ruhmes und weil mir im Kriege von 1870 ihrer alten .Gioiie" ein Ende machten, deshalb über tragen sie ihre Abneigung auf uns auch als Menschen. Zweiunddrcißig Jahre sind seit dem großen Kriege ver flossen, stärker als je ist der Verkehr zwischen den Nach barn, die letzte Weltausstellung brachte einen neidlos aner kannten Sieg Deutschlands, Tausende von Fäden der Ver wandtschaft und Freundschaft verbinden wieder'Deutsche und Franzosen. Der Deutsche ist an der Seine mit Wagnerschcr Musik und bäuerischem Bier zum zweiten Male Sieger geworden, die Menschen haben sich ver tragen: die deutsche Nation hat Ludwig XIV. und Jena zu vergessen gesucht, das französische Volk als solches aber kann nicht vergessen. Jede noch so sanfte Berüh rung der Wunde läßt den brennenden Schmerz wieder neu werden, den Schmerz — nicht Elsaß-Lothringen ver loren und fünf Milliarden gezahlt zu haben — sondern den Schmerz, nicht mehr die herrschende Nation des Fest landes zu sein. Gäben wir Frankreich heute die beiden Provinzen zurück, wir wären der inneren Verständigung der beiden Staaten nicht einen Schritt näher gekommen. Die französischen Ansprüche sind unersättlich, sie koznmen jetzt mit der Forderung nach den „natürlichen Grenzen", womit sie den Rhein meinen. Sic wollen in unerhörten neuen Wafkentatcn Wörth und Sedan vergessen machen, das Reich Ludwigs XIV. und des ersten Napoleon soll Wiedererstehen. Nichts hindert sie, die heute den Rhein als Grenze ansehen, morgen die Weser und Elbe als natür liche Grenzen zu beanspruchen. Weil Tacitus von dem Rhein als dem Grenzfluß zwischen Galliern und Ger manen sprach, weil der Revolutionskonvent vor 110 Jahren diese Angaben als Staatstheorie aufstelltc und weil Napoleon im Verkennen historischer Werte Lübeck zur französischen Hafenstadt machte, deshalb sollen wir diese nene französische Monroedvktrin anerkennen? — Was würden denn die Herren in Paris sagen, wenn wir mit der Festlegung unserer geschichtlichen und „natür- lichen" Grenzen anfingcn? Wir brauchten uns gar nicht mit dem alten Burgund, Lothringen, Belgien und den Niederlanden, der Schweiz und Oesterreich zu begnügen, wir könnten Dänemark, die Ostseeprovinzen beanspruchen und könnten mit dem Reich der Karolinger und Ottoncn enden und zu allem andern auch noch Frankreich selbst und Italien verspeisen. Auch England könnte mit seinen unverjährbaren Rechten auf Nordfrankrctch kommen und Italien den Franzosen Lavonen und die ganze Provence wieder nbnehmcn. Frankreich selbst könnte mit demselben Rechte, wie das linke Rhcinufer, die noch immer im eng lischen Besitz befindlichen normännischcn Inseln und weiter das durch Wilhelm den Eroberer erworbene Bri tannien fordern. Bei dieser Art der Festsetzung histo rischer und natürlicher Grenzen, wie sie Deschanel und seine Freunde vorznschlagen belieben, hört eben schon die politische Spielerei und Phantasterei auf und der gemein gefährliche Wahnsinn beginnt. Und Herr Deschanel will nicht nnr ernst genommen sein, sondern gilt für die gaieze Rechte im Palais Bourbon als der kommende Mann und als zukünftiger Präsident der Republik. Herr Deschanel ist außerdem auch Mitglied der Akademie und i» Vinter 1906 hielt e< bei seinem Antritt eine Rede, in der er das Zusammengehen der Weltmächte, das heißt die Entente mit England nach dem Muster Napoleons III., pr>»s Man sieht, dieser Wahnsinn hat Methode, und die gefährlichsten Feinde Deutschlands und des europäischen Friedens sitzen nicht bei den offenen Nationalisten, die mit Rußland zu sammen gegen England losschlagen wollen, sondern im Lager der Deschanel und Ni bot, die sich mit dem von Tag zu Tag dcutschlandfeindlicher werdenden England einigen wollen, um über Deutschland herzufallcn. Rußland ist für Abenteuer nicht zu haben, wohl aber könnte eines schönen Tages die trübe Schlammflut des englischen Jin goismus das Kabinett Balfour wegschwemmen und ein ehrgeiziger Staatsmann oder General den Kreuzzug gegen Deutschland an Frankreichs Seite predigen. Nein, Herr Deschanel ist leider bitter ernst zu nehmen. So, wie er, denken alle die kleinen Gernegroße, die, um ishren Ehrgeiz und ihre kindische Herrschsucht zu be friedigen, ihr Vaterland in eilten Krieg mit unabsehbaren Folgen stürzen möchten. Das französische Volk ist heute überwiegend des Krieges müde, aber die Trompetenstöße der Glvire und der Revanche, von einem geschickten Dema gogen zur rechten Zeit herausgcschmettert, haben noch immer die schlimmen Jnstikte in dieser sonst so liebens würdigen Nasse geweckt. Noch immer hat der Durst nach Kriegsruhm, der Frankreich so reich zu teil geworden ist, den wirtschaftlichen nnd inncrpolitischen Niedergang des schönen Landes zur Folge gehabt. Die Republik erkennt wohl die Gefahr der Riästung Deschanel. Was helfen aber ihre kalten Wasserstrahlen gegen die kleinen Bvna- partenachäffer im Smoking und mit parfümiertem Taschen tuch, wenn der Armee fortwährend die Leidenschaft für Kriegsruhm eingeflößt wird? Herr Andre, der große Demokrat, ist in dieser Beziehung genau ebenso Chauvinist wie Deschanel oder Döroulöde. An der französischen Kriegsschule silidkst wir ffkutc noch Lehrbücher, in denen Sätze wie folgender zu lesen sind: „Wie die Franzosen seit Jahrhunderten zuerst gegen Spanien, dann gegen Oester reich um den Besitz des Rheins gekämpft haben, so wird auch stets der Erbfeind Frankreichs der sein, der das linke Rheinufer inne hat. Das einzige Ziel der französischen Politik, der Zweck der großen Rüstungen, in welchen Frankreich Deutschland nachahmt, ist einzig und allein die Rückeroberung der nns von Deutschland geraubten Länder, und es steht hierbei Frankreichs ganze Zukunft als große Nation, auf die wir niemals verzichten dürfen, auf dem Spiele." (Hauptmann Molard in Paris, „Die Militärmacht der europäischen Staaten.") Diese Geständnisse sind die eines echten Franzosen: wir können unseren Nachbarn diesen Standpunkt nicht einmal übel nehmen, denn cs ist der Standpunkt einer großen, selbstbewußten und in Dingen der patriotischen Ehren über alle Matzen empfindlichen Nation. Dieser Stand punkt ist eine beständige Bedrohung für alle, die am linken Rheinufer sitzen, und Herr Deschanel wird mit seiner un vorsichtigen Rede den Vertretern der öffentlichen Meinung in Brüssel und Amsterdam zu Gemüte geführt haben, wo die wahren Feinde der Selbständigkeit Belgiens und der Niederlande seit der Intrigen Napoleons III. sitzen. — Auch wir wissen jetzt, was für Gedanken sich hinter der Sptelerct mit den „natürlichen Grenzen" Frankreichs verbergen. Herr Deschanel hat in späteren Erklärungen die Wirkungen seiner Worte abzuschwächen gesucht, die ganze nationalistische Presse hat in peinlickwr Verlegenheit geschwiegen, als der kleine Paul, das entani tevriblv der Rechten, so ans der Schule schwatzte. Der rvnalistische „Gaulois" allein war ehrlich genug, Herrn Deschanel zu zustimmen und offen durch Waffentatcn das zu fordern, was Herr Deschanel von einem internationalen Areopag, wie etwa dem im Haag, erwartete. Der o,finöic „Temps" sah sich veranlaßt, das schwere Geschütz aufzufahren und Deschanel in aller Form zu desavouieren, und wir sind ihm dankbar dafür. Wir glauben an die Friedensliebe der Loubet und E o m b e S. Wie lange aber wird ihre Herrschast bauern? Heute klatscht man dem Freunde der Abrüstung JaurvS Beifall, morgen dem Apostel der „natürlichen Grenzen" Frankreichs. Für uns gibt es nach wie vor nur eine Politik Frankreich gegenüber: das langsame Abktthlcn des Glotre- und RevanchcficberS, das noch Jahrzehnte währen kann, abzuwarten, bis dahin aber aus alle Fälle, und zwar so stark wie möglich, gerüstet zu bleiben, und unser gutes Schwert nie aus der Hand zu legen. I'. IV. Vr. Äpalm und das Neichsgericht. Unter dieser Ueberschrift schreibt die „Köln. Ztg."r In einem erst jetzt veröffentlichten Vvrtrag, den der NeichSgerichtSrat Vr. Spahn, der bekannte ultramontan« ReichStagSabgcordnete, über „Die Schaffung eines ein- heitlichcn Rechtes für das Deutsche Reich" in der Görres- gcsellschast gehalten hat, hat der Vortragende sich nicht gescheut, folgendes zu sagen: „Ihr Präsident war Pape, von dem erzählt worden ist, baß Fürst Bitmarck ihn nicht zum Präsidenten des damals errichteten Reichs gerichts habe ernennen lassen, weil es ihm als unan gängig erschienen sei, daß ein Katholik Erster Präsident des Reichsgerichts werde." Diese Beschuldigung des Fürsten Bismarck beruht auf einem Irrtum. Die katholische Konfession Papes hat, wie uns bekannt ist, in der Frage der Besetzung des Reichsgerichts nicht die ge ringste Rolle gespielt. Pape erfreute sich der höchsten Wertschätzung des Fürsten Bismarck. Fürst Bismarck hat nie ein Hehl daraus gemacht, daß er ihn für einen der ausgezeichnetsten Juristen hielt. Er hat ihn dem gemäß zum Präsidenten des Reichsoberhandelsgerichts vvrgeschlagen; er hat ihm die Stelle des Präsidenten des kaiserlichen Disziplinarhofes anvertraut; er hat ihn vor allem der Auszeichnung gewürdigt, ihn zum Vorsitzenden der zur Ausarbeitung des deutschen Bürgerlichen Gesetz buchs nach Berlin einbcrufcnen Kommission zu machen, und als solcher hat sich Pape Verdienste um die Einheit des deutschen Bürgerlichen Rechts erworben, die weit höher einzuschätzen sind, als alle Verdienste, die er sich etwa als Präsident des Reichsgerichts hätte erwerben können. Für die Stelle des Ersten Präsidenten des Reichsgerichts ist aber Pape tatsächlich niemals in Be tracht gekommen, nnd zwar sowohl aus sachlichen, wie aus persönlichen Gründen. Als Präsident des Rcichs- oberhandelsgerichts konnte Pape noch bequem von Leipzig nach Berlin kommen, um den Vorsitz der Kom- missivnssitzungen zu führen, da diese damals nicht täg lich, sondern mit vielfachen Unterbrechungen stattfandcn. Das wurde unmöglich, als das Reichsgericht in seinem ganzen Umfange ins Leben trat und nahezu gleichzeitig die Sitzungen der Gesetzbuchs-Kommission sich häuften nnd eine andauernde Anwesenheit der Mitglieder in Berlin erforderlich machten. In der Kommission war Pape unersetzlich, im Reichsgericht nicht. Die Mitglieder der damaligen ersten Kommission für das Bürgerliche Gesetzbuch haben zudem aus ihrer Ueberzcugung niemals Hehl gemacht, daß nach der Feststellung der damals ihrem Abschlüsse entgegcngehenden Teilentwürfe der von der Kommission gewählten Redaktoren, die Anfang der achtziger Jahre erschienen, eine Verbindung zwischen dem Amte des Reichsgerichtspräsidentcn und dem Vorsitze in der Kommission, die sich in fortlaufenden Sitzungen mit der Dnrchbrratung der Entwürfe zu befassen haben würde, nicht mehr.möglich sein würde. Das sind noto rische Tatsachen, die anch Herr Spahn hätten kennen müssen. Zu diesen durchschlagenden sachlichen Erwägungen kamen aber auch noch persönliche Gründe. Fürst Bismarck hat aus denselben kein Hehl gemacht. So sehr er Pape schätzte — der übrigens niemals ein Ultramon taner gewesen ist —, so vermißte er doch an ihm die Gabe liebenswürdiger Repräsentation und jede volks tümliche Vergangenheit. Pape war nicht geschickt im Auftreten und überaus trocken in der Rede. Fürst Bis marck aber suchte für die Spitze des nationalen Gerichts hofes eine Persönlichkeit, die im Norden wie im Lüden Deutschlands hohe geschichtliche Ziele und nationale Er innerungen wachzurufcn und den Reichsgedanlcn zu fördern geeignet war, und er fand dieselbe in der Person Simsons, der, gleichfalls ein ausgezeichneter Jurist, durch die wuchtige Art feines Auftretens und den Glanz seiner Rednergabe durchaus befähigt war, dem obersten Gerichtshof die ihm gebührende Stellung zu verschaffen und auch auf die aus allen deutschen Landen zusammen geführten Mitglieder einen wirkungsvollen Einfluß zu üben. Heute, nach nahezu 25 Jahren, kann cs keinem Zweifel unterliegen, daß Fürst Bismarck auch in dieser Frage das Nichtige getroffen und sich als ausgezeichneter Menschenkenner bewiesen hat, indem er Pape da beließ, wo er unentbehrlich war, an der Spitze der Gesetzbuchs kommission, und Limson zum Präsidenten des Reichs gerichts vorschlug. Herr Spahn hat übrigens in Bezug auf das Reichs gericht auch noch jüngst im Reichstage, am 5. März, eine Nolle gespielt, um die wir ihn nicht beneiden. Er schil derte in den lebhaftesten Farben die Geschäfts überlastung des Reichsgerichts, er warnte, nicht all zuviel der Gesundheit der Neichsgcrichtsräte zuzumutcn, und bat dringend, in der Uebcrbürdung schlennigst Wan del zu schaffen. Wie nehmen sich nun diese Klagen, deren Berechtigung wir wiederholt hervorgchoben haben, in dem Munde eines Richters aus, der seinerseits kein Be denken trägt, seine Kräfte zwischen Reichsgericht und Volksvertretung zu teilen? Für ihn darf verfassungs mäßig kein stellvertretender Hülfsarbeitcr ernannt wer den; wo er fehlt — und seine Tätigkeit hat sich nicht nur au den Siyuugstagcu abzuspielcn —, können allein seine schon sowieso genugsam belasteten Kollegen einsprtngen. Will Herr Spahn mit seinen Klagen Eindruck machen, so würde es uns als eine selbstverständliche Voraussetzung erscheinen, daß er die Zwiespältigkeit seines Wesens und das Hin- und Herpendeln zwischen Leipzig und Berlin aufgibt und entweder auf sein Amt als Neichsgerichtsrat oder ans seine Würbe als Reichstagsabgeordneter Ver zicht leistet. Vielleicht machen ihm die kommenden Reichs, tagswahleu einen derartigen Entschluß, der schon allein durch die Rücksichten auf seine Kollegen geboten erscheinen sollte, besonders leicht. Was übrigens die widerliche ParitätSschnüf- felei alles anrichtet, das lehrt ein Znsatz, mit dem eine ultramontanc Zeitung jenen falschen Angriff Spahns gegen den Fürsten Bismarck begleitet. In diesem Zusay heißt eS, daß, soweit bekannt, bisher ein Katholik nicht einmal Senatspräsidcnt geworden sei. Wir lehnen es ab, die Mitglieder des Reichsgerichts überhaupt auf ihre Konfession zu prüfen Aber aus früheren Nachrufen können wir allein drei Senatspräsidenten als Katholiken seststellcn, Vr. Hoche der, Vr. v. Benerle und den berühmten Handelsrechtslehrer Vr. Hahn. Ebenso brauchen wir nur daran zu erinnern, daß von den im Range der Senatspräsidenten gleichstchenden Oberreichs- anwältcn jedenfalls der zweite, Vr. Hamm, unser jetziger Kölnischer hochverdienter Oberlande-gerichts- Präsident, katholisch ist. Wir unserseits können die maß. gebenden Staatsmänner nur immer und immer wieder davor warnen, solchen leidenschaftlichen und einseitigen Paritätsschnüffeleien des Zentrums Beachtung zu schenken; es gilt vielmehr, immer nur die tüchtigsten Be amten zur Beförderung auszuwählen, gleichgültig, welcher Konfession sie angehörcn. Deutsches Reich. -i- Berlin, 13. März. (Aus der preußischen Unter- ricktSverwaltung.) Ueber die Verhältnisse der böberen Lebrer Preußens ist soeben eine amtliche Statistik veröffentlicht worden, die in vielfacher Hinsicht Beachtung verdient. Da« Lebensalter der an sämtlichen böberen Lehranstalten Preußens angestellten Kandidaten betrug im StaaiSdurchscbnitt im Jahre 1895/96 z. Zt. der Ablegung der Reifeprüfung 19 Jahre 7 Monate, im Jahre 1900/vt 19 Jahre 3 Monate. Zur Zeit der Ablegung der ersten Lehramtsprüfung war da« Durchschnitts- alter im Jahre 1895/96 25Jabre 11 Monate, im Jahre 1900,01 24 Jahre 5 Monate. Zur Zeit der Erlangung der An stellung stäbigke i t war bas Alter im StaatSdurckschnilt 27 Jahre 10 Monate im Jahre 1895/96, 26 Jahre 7 Monate im Jahre 1900/01. Zur Zeit der ersten festen Anstellung war bas Aller im StaatSdurcbschnitte im Jahre 1895/96 34 Jahre, im Jabre 1900/01 31 Jahre 11 Monate. Das Bejolvungsbienstalter hatte im Jahre 1895/96 zum Ausgangspunkte ein Alter von 33 Jahren 3 Monaten, im Jabre 1900/01 30 Jahre 7Monate. AuS diesen Zahlen ergibt sich eine nickt unwesentliche Besserung in den AnstellungSverhältnisien ker Lehrer. — In einer S chu lve r säu m n is - St ras t'ach e, bei der es sich um die Versäumung eines Schulfestes Handelle, halte der Strafsenat des KammerzerichteS vor einiger Zeit die gegen das freisprechende Urteil eingelegte Revision zurückgewiesen, weil nach der betreffenden Regierungs verordnung dre Versäumnis des Schulunterrichts mit Strafe bedroht sei, ein Schulfest aber nickt zum Schul unterricht gerechnet werden könne. Der Strafsenat deS Kammcrgerickts hat dazu angeführt, daß diese Entscheidung nicht im Widerspruch stehe mit dem Kammergerichtsurteil vom 28 März 1892; denn die dort in Rebe stehende Ver ordnung bedrohe nickt Versäumnis des Schulunterrichts, sondern allgemein die Versäumung der Schule mit Strafe. Der preußische Unterricklsminister hat infolge- cesscn durch Erlaß vom 8. Januar dieses Jahres bestimmt, daß die Verordnungen über den Schulbesuch, soweit sie nur die Versäumung des Schulunterrichtes und nicht all gemein die der Schule mit Strase bedrohen, entsprechend abgeänderl werden. — Wenn bei einer UnterrichtSstalion die Zahl der Schulkinder unter 12 berabgeht und voraus- zuiehcn ist, daß sie sich dauernd auf diesem niedrigen Stande erhallen wirk, so erklärt der UntenicklSminister es für un bedenklich, die Erteilung des Religionsunterrichts auf Kosten der Staatskasse (bezw. unter Gewährung staatlicher Bcihülfe) e i n z u st e l l e n und es den be treffenden Kirchenzemelnden zu über lassen, evenl. für die Fortsetzung des Unterrichtes unter Bereitstellung kirchlicher Mittel Sorge zu tragen. Der Kultusminister macht aber dabei der Regierung zur Pflicht, in der Aushebung von UnlerrichlSstationen möglichst schonend zu verlabren und von dieser Maßnahme ferensalls überall da abzusehen, wo ein Steigen der Zahl der Schulkinder auf 12, bezw. über 12 hinan« für die Zukunft zu ei warten oder wo eine entsprechende Vc> Mehrung der Schülerzahl durch Zuweisung der Minderheiten aus anderen benachbarten Schulen oder durck Vereinigung zweier oder mehrerer Unter- iichlöslationen zu einer Station möglich ist. * Berlin, 13. März. (Die Sicherung der ge heimen Wahl.) Der Nachricht, daß das sogenannte „Klosett-Gesetz", das vor einiger Zeit durch offizielle An kündigung ganz unerwartet auf die politische Bühne trat, ebenso unerwartet wieder in die Versenkung verschwinden werde, treten die „Bert. N. N." mit folgender Darlegung entgegen: Regierungsseitig scheint nur beabsichtigt, den Reichstag nicht nochmals mit der Sache zu befassen, son dern die Regelung durch Verordnung des Bundesrates durchzuführen. Zwar bestimmt der 8 15 des Wahlgesetzes vom 31. Mai 1869, daß das Wahlrcglement nur unter Zu stimmung des Reichstages abgeändert werden könne; der Bundesrat nimmt aber an, daß diese Zustimmung schon erfolgt sei, da die geplante Abänderung des Reglements weiter nichts wäre, als die Ausführung eines Antrages, den der Reichstag mehrfach mit großer Mehrheit an genommen hat. Dann müßten allerdings die vom Bundes rate nunmehr genehmigten, in ihrem Wortlaute noch nicht bekannten Vorschriften mit dem vom Reichstage an genommenen Anträge genau übereinstimmcn. Doch ist diese Formfrage, ob der Reichstag nochmals Beschluß fassen und bei dieser Gelegenheit lange Wahlreden halten soll, nebensächlich. Im Grunde muß der Zweck, wenn ein mal das Gesetz für den Reichstag geheime Wahl be fiehlt, auch ehrlich mit allen guten Mitteln für Möglichkeit und Durchführung deS Geheimnisses zu sorgen, überall gebilligt werden. Bisher ist die Geheimhaltung durch die Verschiedenheit der Stimmzettel und durch die besonders auf dem Lande unschwer erreichbare Kontrolle oft illuso risch — ein Mißstand, über den z. B. in Frankreich gerade so wie bei uns geklagt wird. Anderseits besteht behufs wirksamer Sicherung des Wahlgeheimnisses in vielen Ländern die Einrichtung, daß sich neben dem Wahllokal ein isolierter Raum befindet. Daher hat man jetzt in Deutschland den schönen Namen „Klosett"-Gesey erfunden. In England und den englischen Kolonien, in sämtlichen Einzelstaaten der nordamerikanischen Union, in Belgien, Holland, Luxemburg erhält der Wähler erst am Wahltage im Wahllokal den amtlichen Stimmzettel, der die Liste sämtlicher Kandidaten enthält, geht damit in den Isolier- raum, wo er bei dem Kandidaten seiner Wahl das vor geschriebene Zeichen anbringt, faltet ihn zusammen und -egt ihu eigenhändig im Wahllokal in die Wahlurne. In Norwegen, Rumänien, Chile, in einigen schweizerischen Kantone«, sowie in Baben und Württemberg empfängt
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