02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 12.07.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-12
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19070712025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1907071202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1907071202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-12
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Livaltta« Zeilr als Emaclandt von Dresdner Aniuaaaedern 1 Mk. von auswüriiaen i.sv Mk. sdamilien- nachnchien ^rundeeile rs Pia, — Die Preise d«r g.nrralc sind i»i Moiacn- u»d Adeuddlatte dieselbe», Aus- wärNae Äüinäve nur seaen Vor- «asbuadluua. — BcleobläUer kvlien lv Picunige. Fernsprecher: Rr. 11 und 2006. ,, , und rtaa» nur Marienssrab» s» von ils v, i ui,r D>>« t Ivalii», i'Isuenzeliei' IiLLvrkvUvr- vvr»«Iirei» Ul » >, « v « I» «Inet «n> v«» ««lettiitltr^s ^ d » I « r> « « «ll«n 81«eltl«t>sii sslsitiäjkwxski iibii Vüiiilllki', ». EM» «vaueie« I-a«:«, K«II«,, »« «»«leu. - Tt-lvi»I,v» »s-j i. li«-,»>»»» »Mer «t-tm-MM-ilMM. GH» H OH Llnisasl' Neneste Drahtberichte. Konservativer Verein und Wahlrechtsentwnrf, Hoknachrichten, ülugustttsb,ticke, dlnnrrvrränderungen, VAlrgll.Dresdner Kaufmannschaft. .Lady Windemicrres Fächer". Briese Richard Wagners. Frcitiiii.lÄ.Jiittlv«?. Neueste Drahtmewnnqe« vom 11. Juli, Zur Lage in Frankreich. Parts. Der Marineauöschutz der Kammer hat die Beratung des Gesetzentwurfes betr. die Ruhegehälter der eingeschriebenen Seeleute endgültig fertig- gestellt. Im groben und ganzen hat sich der Ausschuss an den Regierungsentwurs angelehnt, jedoch einige wichtige «enderungen zu gunsten der eingeschriebenen Seeleute an genommen. Paris. In Gravelines beschlossen die Arbeitgeber in folge eines teilweise« Ausstandes der Ablader die Ans- sp« * r u ng. Als sie die Schisse zum Ausladen nach Calais schielen Wollten, widersetzttn sich die Streikenden dem und oersperrten den Hafen trotz des Einschreitens der Gendar merie. AuS Dünkirchen ist Verstärkung abgeschickt worden. Var iS. Aus Narbonne wird gemeldet, dab sämtliche Gemeindeverwaltungen der Unterpräsektur ihre Demission zurückgezogen haben. Paris. Wie aus Auxerre berichtet wird, sollen in -er «erflvssenen Nacht in der Kaserne des 14. Infanterie- Regiments Anschlagzettel angebracht worden sein, die die Soldaten aufforderten, sich vor dem Hause des wegen seines Regimentsbefehls gematzregeltcn Obersten Anger zu versammeln, um ihm eine Sympathiekundgebung darzu- Srtngen. Die Anschlagzettel wurden sofort entfernt. Vvn dem Brigadekommandeur ist eine Untersuchung in dieser Angelegenheit emgeleitet. Raro-ko. Langer. Die Anhänger RaisuliS hatten vor einiger Zeit eine aus der Straße nach Elksar gelegene Ka rawane rei geplündert. 400 Soldaten, die abgesanüt wurden, plünderten den Stamm, der die Leute Naisulis unterstützt hatte, töteten 4 und verwundeten 14 Personen und zerstörten das Dorf. Die Soldaten hatten einen Tvten. Tanger. Nachrichten von Ma clean besagen, -atz der Stamm von Elkmes mit dem Sultan in Verhandlung treten werbe, um für sich und Raisuli Begnadigung zu erlangen. Bodö. Der Deutsche Kaiser ist in der Nacht zum Donnerstag hier etngetrofsen. Das Wetter ist meist trübe. An Bord ist alles wohl. Berlin. Bon zuständiger Stelle wird mitgeteilt, daß die Beschädigung des Linien schisses „Loth ringen" insolge der Kollision mit dem Torpedoboote .8. 10-" geringfügig ist: sic besteht in einer unbedeutenden Verletzung der Autzcnhaut. Die Reparatur wird in drei Tagen beendet sein. «Köln. iPrio.-Tcl.) Zu dem Raube im Kölner Zuge zwischen Lüttich und Soeben wird noch mitgeteilt, daß die Diebe grvbe Beute nicht gemacht haben, da sie an die eigentlichen Wertsäcke nicht herangckvmmcn sind. Die Strecke zwischen Lüttich und Soeben, in der Nähe von Tirlemont, ist mit zersetzten Briefe» besäet, die von den Spitzbuben auf ihren Inhalt geprüft worden sind. Es iwurde ein Taschenmesser «orgefundcn, bas den Dieben offenbar zum Oesfnen der Säcke gedient hat. — Zu -er Bergiftungsassäre in Bensberg, infolge Genusses vo« Konditorsachen, wird berichtet, -atz insgesamt KO Per sonen erkrankten, von denen gestern eine Witwe verstarb. Die Staatsanwaltschaft hat die Obduktion der Leiche unge ordnet. — Zum Baue der geplanten elektrischen Eiselbahn, die unter Benützung der vorhandenen Bahnlinie Saar-Ävtliringcn erreichen, anderseits sich bis in das Saargebiet erstrecken soll, wird mitgeteilt, datz die Vorarbeiten so weit gediehen sind, datz bereits Verhandlun gen mit einer Berliner Firma wegen Lieferung von Ma terial stattgcsundcn haben. Im Dürener Kreistage wurde mitgeteilt, datz die Strecken Eudtkirchcn—Türen und Düren—Ncutz direkt verbunden werden, ohne datz die An- schliitzbahn den jetzigen Dürener Bahnhof berührt. Marienbad. KönigEduard trifft am 10. August zur Kur hier ein und wird am 5. September die Rückreise nach London antreten. Wien. Abgeordnetenhaus. Bei Fortsetzung der ersten Lesung des Budgetprovisoriums tritt -er Abg. Ofner^sür eine Reform deS Strafgesetzes ein und regt die vorläufige Schaffung einer Novelle zum Strafgesetze an. Er stellt ferner einen Antrag aus Schassurig eines Mini steriums für Sozialpolitik. Bremen. Der Dampfer -es Norddeutschen Lloyd „Kronprinz Wilhelm", welcher gestern wohlbehalten in Newyork eintraf, streifte am 8. Juli um Mitternacht auf der Reise einen kleinen Eisberg, erlitt aber keinerlei Beschädigung. R o m. sPriv.-Tel.) In Litta lAngelo) explodierte eine große Fabrik von Feuerwerkskörpern. Es gab zahl reiche Verwundete und viele Tote, darunter den in der ganzen Provinz bekannten u,ld angesehenen Besitzer der Fabrik. Paris. Dem „Echo de Paris" zufolge ist der fran zösische Botschafter in Washington Iusserapd hier eingrtros- sen und hat dem Minister deS Äeukkren Ptchou die amerikanische» Vorschläge eine- Handels abkommens überreicht. Petersburg. Die in ausländischen und russischen Blättern verbreiteten Gerüchte über politische Ver haftungen im Militärlager von Krasnoje Selo entbehren, wie die „Pctersb. Telegr.-Ag." meldet, jeder Begründung. K on sta n ti n o p e l. Der französische Geschäftsträger hat beute die Zustimmung seiner Regierung zu der Er hebung des Zollzuschlagcs von 3 Prozent osfi- zielt bekannt gcgebsn. Newyork. Der Generalstaatsanwalt teilt mit, dab gegen die Consolidierte Gasgesellschaft in Newyork ein neue- Verfahren eingeleitet werde im Hin blicke aus die Beseitigung gewisser Privilegien der ihr zu- gehörendcn Zweiggesellschaften, die als erloschen gelten sollen. Buenos Aires. Der Iustizminister Pinedo hat seine Demission eingcreicht. Bibiloni wird an seine Stelle treten. Marinsk (Gouvernement Tomsk). Der Prinz Borghese kam gestern nachmittag 4 Uhr im Automobil mit noch zwei Begleitern aus Peking hier an und fuhr heute morgen gegen 4 Uhr weiter. Der Konservative Verein zn Dresden über den neuen Wahlrechtsentwurf. Der Konservative Verein zu Dresden hielt gestern abend im Saale des Palmengartens eine zahlreich besuchte Mitgliederversammlung ab zu dem Zwecke, eine Aussprache über den Negiernngsciitwurs sür ein neues GZev über die Wahlen zur 2. Ständekamnier fialtsiiiden zu lasse». Man gewahrte unter den Erschienenen zahlreiche hervor ragende Parlamentarier, hohe Regierungsheauue, Per treter von Landwirtschaft, Industrie und Hansel. Pros. Dr- Grave lins eröftnete die Versammlung und be- grützte insonderheit die Vertreter der bennchhartcn Par tcien. Die Versammlung stelle die Ausführung eines ve reits vor If/r Jahren gefatztcn Beschlusses dar, sobald eine positive Grundlage sür das neue Wahlrecht vorliege, dazu Stellung zu nehmen: wie es die Regierung ja auch erwarte. Das Referat hielt Landtagsabgeordneter Behrens. Er rührte aus: Ohne mit allen Einzelheiten einverstanden zn sein, halte er den Entwurf sür einen gangbaren, guie» Weg zur Herbeiführung eines besseren Wahlsystems für unser Land: die Regierung bekunde damit, datz sie bestrebt sei, den eigenartigen tatsächlichen Verhältnissen des Landes durch die Wahlrechtsreform möglichst gerecht zu werden, auch im Hinblick auf den wichtigsten Faktor eines Wahlgesetzes, datz die daraus hcrvorgegangencn Vertretungen ein richtiges Spiegelbild der wahren Bolksstimmung wiedergeben. Dieses sehr schöne Werk sei natürlich nicht ohne Mängel, und es werde Ausgabe des Landtages sein, gemeinsam mit der Regierung an Einzelheiten die bessernde Hand zu legen. Der Gesetzentwurf verrate eine großzügige, fortschrittliche Tendenz. Ein besonders glücklicher Gedanke fei die Ver hältniswahl, verbunden mit dem Pluralsystem. Die Wahl von 40 Abgeordneten durch Äommunalvcrbüude werde die meisten Bedenken auskommen lassen: er habe aber trotzdem die Ueberzeugnng, -atz aus Lieicr Wahl in den meisten Fällen nur solche Männer hcrvorgehcn wer den, die ganz besonders für die Arbeiten im Landtage ge eignet,sein werden. Sodann hätten die Äommunalverbändc billigenveise ein Anrecht daraus, -atz ihnen ein gewisser Einslutz in der Ständeversammlung einqeronmr werde, Fwglich sei, ob nicht die Zahl 40 im Verhältnis zu 82 Ab geordneten zu hoch gegriffen sei. Wenn aus technischen Gründen eine Verminderung der Zahl 40 nicht gut dnrch- zuführcn sei, dann möge man wenigstens erwägen, ob die 42 Abgeordneten, die durch Verhältniswahl mit Pural- system gewählt werden sollen, nicht aus 48 oder 80 erhöht werden könnten. Die Verhältniswahl halte er für besonders glücklich im Hinblick auf die eigenartigen Ver hältnisse in unserem Lande, weil dabei auch die Stimmen der Minorität zur Geltung komme». Es sei kein Fehler, dab mit dem Mehrheitsprinzip gebrochen werde, denn dieses biete keine Gewahr dafür, datz alles, was vertrctuiigs- berechtigt ist, auch zur Vertretung gelangt. Die Verhältnis wahl mache auch die Stichwahlen und unnatürliche Wahlbündnisse entbehrlich und verhelfe auch klein.» Parteien, sobald sie ein gewisses Matz von Stärke erlangt haben, zur Vertretung. Die prattische Durchführung dieses Systems werde weder für die Wähler noch für die Be hörden besondere Schwierigkeiten bieten und außerdem zu regerer Wahlbeteiligung ansporne». Das Wegfälle» des Unterschiedes zwischen ländlichen und städtischen Wahl kreisen begrüße er als einen Fortschritt — allerdings im Widerspruch mit dem Organ des Bundes der Landwirte. Es widerspreche den Grundsätzen des Konservativismus durchaus nicht, wenn ma» mit der Rcgicriingsvorlaqe der Aufhebung dieses Unterschiedes zustimmc. Tie Berück sichtigung der höheren Steuerlcistnngcn der städtischen Be völkerung könne nicht ausgeschlossen werden, wenn es sich »m die Gewährung von Rechten handelt. Die Gefahr, von der stärkeren Macht Gebrauch z» machen, liege tatsächlich vor, sie werde aber beseitigt durch die Aushebung des Unter schiedes zwischen städtischen und ländlichen Wahlkreisen, Kunst und Wissenschaft. Residenztheater. Gei dem Namen Oscar Wilde schauderten lange Jahre gute Bürgerhäutc in gelindem Entsetzen. Sie kannten von dem Drama dieses Lebens nur -aS befleckte und tragische Schlutzkapitel und Hielten es ohne viel tteberlogung mit der Gesellschaft, die ihn ohne Gnade in die Tiefe eines grauenhaften Abgrunds stieß: ein« Gesellschaft, in der er austauchte wie ein leuchtendes Meteor, deren „Dichter" er gewesen war. In vier Theatern Londons wurden vor Beginn des Skandalprozcsses Stücke Oscar Wildes gespielt, die Direktoren machten die sittliche Entrüstung -es Publikums mit und strichen fic an einem Tage aus den Spielplänen. Der Dichter, dessen geistige Emanationen um- Lebensführung man so bedenklich mit einander verquickte, erlebt jetzt auch im prüden Albion :inc Renaissance, warum auch nicht — los akkairos sank los »ttsiros. Eine Entschuldigung für das grausame Vorgehen der Gesellschaft lag freilich in dem Moment, daß man nicht einen Menschen zum Sittenrichter haben wollte, dessen Lebensführurtg zum mindesten eine bedenkliche war. Und wie hat Wilde die Gesellschaft, deren Oberflächlichkeit, Klatschsucht und Prüderie er geißelte, im Grunde seine- Wesens geliebt. Als junger verwöhnter Liebling berauschte » sich an ihrem Glanz, an ihrem Luxus, an dem Reiz, -er dem Exklusiven gegeben ist. Als er sie gründlich kennen gelernt hatte und die Hohlheit ihres Wesens durchschaute, konnte «r Lennoch nicht von ihr lassen, er schrieb wohl Sa- ttren voll Witz, Laune, geistreicher Paradoxen und amü- sqnter Bosheit, aber ohne Haß und Ekel an ihrem lächer- kichen Treiben. Dt« Bewertung, die Wilde als Dichter und Künstler zukommt, resultiert übrigens nicht aus Liesen Ge- fellschaftSsatiren. Hier war -er Autor gasiz Engländer, wann «r etwa- brauchen konnte» nahm er «S, wo er «S fand. 8»an»»stsche Tinslttff« sind spielend leicht nachzuweisen. Er hatte partser-ische Kultur, war natürlich mit -en Dramen Dumas fils und Sarbous aufs engste vertraut und war als Dramatiker Loch zu wenig Eigener, um sich von diesen Au- tvren frei zu machen. Er lernte von ihnen di« Technik, die er ebensogut beherrschte, wie seine Vorbilder. Aber von Len Sentimentalitäten französischer Dramen machte er nur sehr geringen Gebrauch, er gab dafür etwas vvn feinem eigensten Wesen, die lächelnde -Spottfticht, die Ironie. Und merkwürdig, um wieviel besser sich Ironie hält ivic Sentimentalität. Wildes Schauspiele wirken noch frisch, während aus den meisten Sardous bereits ein leichter Staub liegt, der nicht wegzublascn ist. Während Sardou sich selbst und seine Stoffe für ernst und wichtig hält, nimmt Wilde kaum etwas ernst, weder die Zustände, noch sich selbst. Er ist ein Jongleur, Jongleurs haben bekanntlich aus eng lischen BarILtös eine hohe Stufe der Vollkommenheit er reicht — wie ein Jongleur mit zahlreichen farbigen Bällen spielt und den Zuschauer durch überraschende Tricks ver blüfft, so macht es Wilde mit allem, den amüsanten Ein fällen seines beweglichen Geistes, mit Empfindungen, Charakteren und Situationen. Man langweilt sich ganz gewiß nicht bei diesem bunten Spiel. Gei -chcm Schauspiel „Lady Mindermercs Fächer" hat iSardous „Odette", auch rein stofflich betrach tet, Gevatter gestanden. Dort wie hier handelt es sich um ein« Mutter, die um eine- Fehltritts willen alles verlor, Heimat, Kind, gesellschaftliche Stellung. Bei Odette und MrS. Erlynne erwachen nach vielen Jahren mütterliche Gefühle, beide kommen in die Situation, große Opfer bringen zu müssen und die, die in den Augen der Gesellschaft De klassierte sind» finden, ohne viel Wesens zu machen, von Mut. Odette gibt ihr Leben hin für -ie Ruhe ihrer Tochter. Mrs. Erlynne opfert im kritischen Moment ihre gesell schaftliche Stellung, mit deren Aufbau sie soeben mühsam begann. Sie bekennt sich zu dem Fächer Lady WtndermercS, der tu der Iftnggesellenwohnung Lord Darltngtons gefunden wurde. Die junge Frau, die -es Opfer- auch wert tst, wird ihrem Gatte«, ihrem Kinde und der Gesellschaft tadellos erhalten. WildeS Technik in diesem Drama ist eine raffinierte und seine Ionglierkunft steht auf ihrer Höhe. Aus Wahrscheinlichkeit der Voraussetzungen kommt eS ihm weniger an. Es ist doch, um ein kleines Beispiel anzuführen, seltsam, baß eine so auffallende un interessante Erscheinung wie MrS. Erlynne nach 20 Jahren in der englischen Gesellschaft, der sic dach ehedem angehörlc, von niemand wieder erkannt wird. Wenn man sich ernst haft mit den Charakteren und der Logik des Stückes befähle, würde man viel zu zerpflücken haben. Wilde nimmt cshicr in voller Absicht durchaus nicht genau, er wurde sich selber schwer fällig erschienen sein. Aber eins ist ihm glänzend gelungen, die Satire aus die Urteilsfähigkeit der Gesellschaft über „Gut" und „Böse". Die Allgemeinheit sieht nur die Ober fläche und urteilt darnach, ohne über die inneren Beweg gründe unterrichtet zu sei». Was nicht in ihre Satzungen vatzt, ist „böse" schlechthin, tolerant darf auch der Wissende bleiben, wenn nur kein Skandal entsteht. Der Autor über läßt es dem Zuschauer, seine Schlüsse zu ziehen. Satzungen einer solchen Gesellschaft sind cs wahrhaftig nicht wert, Per sönlichkeiten zum Opfer zu bringen. Stücke dieser Art erfordern einen vornehmen Nahmen und eine elegante» zielsichere» abgeschlifsenc Darstelltingskunft. Es wäre unbillig, eine so glän zende Ausführung» wie sie die reichen Mittel des Hostheaters in der Wiedergabe von Wildes „Ein idealer Gatte" boten, zum Vergleich heranzuziehcn, bei den besten Absichten kann ein aus ein paar Sommer monate zusammengestelltcs Ensemble nichts Aehnlichcs bic ten, deshalb bleiben aber auch gewisse peinliche Empsin düngen nicht aus. Irgendwo an einer kleine» Bühne dokumentierte eine Darstellerin, die auf besondere "Noblesse Anspruch machte, diese Feinheit in einer seltsamen Ans spräche, sie sagte z. G.: „Mein Purinz, sind Sic kurank." An diese Darstellerin habe ich des öfteren denken müssen. Es ist eben nicht leicht, Damen der großen Gesellschaft mit natürlicher Einfachheit und Ueberlegcnheit, ohne Äühneii- allüren zu spielen. Einzelnes war gut gelungen. So über zeugte Nina Landow als MrS. Erlynne namentlich im letzten Akt durch rührende Weichheit unterdrückten Gefühls, hier gab sie etwas von dem „Drama eines guten Weibes", wie Wilde dies Schauspiel bezeichnet. Die unbesonnene kleine Puritanerin Lady Windermere wurde von Frl. Becker gegeben, die besonder» durch die reizend feinen Linien ihrer
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