Delete Search...
Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 15.02.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-02-15
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192802152
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19280215
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19280215
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1928
- Monat1928-02
- Tag1928-02-15
- Monat1928-02
- Jahr1928
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 15.02.1928
- Autor
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
der notwenbtae Fleisckaenuß für unsere wenig bemittelte» Bvlkskretse einfach unerschwinglicher Luxus würde. Angesichts der oben angegebenen Ziffern läßt sich ein derartiges Borgehen in keiner Weise rechtfertigen. Kälber und Jungvieh kommen ftir di« Alcischprodnktion in nur sehr beschränktem Mähe in Frage, einmal, weil diese Vieh» gattung -um Teil noch gar nicht schlachtreif ist und -um an deren, weil die Landwirtschaft Bedacht nimmt und nehmen muh auf die Aus-»cht von Mtlchktihen. Ter Bestand an schlachtreifem Großvieb ist aber nicht nur zu gering, son dern auch dauernd im Rückgang begriffen. Auch der Cin- wand, das, wir heute über einen grohen Lchwrinebestand verfügen, ist nicht stichhaltig. Wohl trifft es -», dast mit einem absolnten Bestand von rund MiNivnen Lchwet- acn der Bestand von 1lsi:> nm lPro,ent überschritten ist. Doch mnst »ran dabei folgendes in Rechnung sehen: 1. Auf den Kopf der Bevölkerung gerechnet bleibt die Ziffer immer noch um N'L Prozent hinter der von tttül zurück. 2. Die starke Steigerung der Tchivetnevrodnktivu ist keine «teige- rnng einheimischer Scholle, sondern geht « Konto der gestei- grrteil Einsubr von Futtermitteln, die gegenüber lNAi um lit» Prozent, d. i. wertmäßig ans Millionen Mark an-, gewachsen ist. :l. Die <§esriersleischeinfnl>r besteht zu fast "7 Pro-cnt aus stiindslrisch, so das, der heimischen «chineinr- -leischvrvdnktivn nberbanvt kein «chaden -ugefügt tvrrden sann nnd 1. endlich ist die Tatsache nicht aus der Weit zu ichaffen, das, durch eine vvltiae und -mar ans gesundheit lichen wie ans Gcschmaclsqründen llmstellung der Ernäb rnngSweisc die Nachfrage nach Rindfleisch weil größer ist als nach «chmcineslrisch. Summa «ummarnm also kann gesagt werden, dast man angesichts der Tatsache, das, der heimischen Landwirtschaft ans der kontingentierten, -oltsreien Gesriersleischcinfnlir nicht der geringste «chaden erwachst, nicht nur das gesehliche Kontin gent wiederherstcitcn, sondern darüber hinaus Sorge tragen must, der notleidenden Bevdikernng in erhöhtem Maste den notwendigen Fleischgenust zugänglich zu machen. Der Fleisch verbrauch bleibt heute pro kovf nnd Fahr immer noch erheb lich hinter dem Bortricgsverbrauch zurück, wobei zu bemer ken ist, das, von mastgeblichsleu Bvlksbngicnikrrn selbst der Borkriegsverbranch von 'd kg weit hinter dem notwen digen Fleischbedars der Menschen -nriictbleibt. Vermischtes. , Blutige Zwiichensälle bei einer Steuer- eretuiion in Polen. In der Ortschaft Zarin bei Sosnowiß kam es zu blutigen liwiftheuruien. weil zwei indische Besitzer von ilcineu (Keschäiteu sich der Steuer- erckiltion mit (Gewalt enizielien wollten. Der (Gerichtsvoll zieher wurde vou einer Menge jüdischer Einwohner in einem Geickuift geiangeugehalten, um ihn an der Durch sülirnng seiner Sbliegeubeiteu zu hindern. Polizei niustte >nit der blauten Waise Vorgehen, um den Gefangenen zu befreien. Einige Personen wurden verhaftet. N a n b ü b c r s a l l in einem polnischen Eise n- bahnrng. Au der Rühe der galizischen Eisenbahn station Przeworsk sand man die verstümmelte Leiche einer Frau, die, wie sestgestellt wurde, aus einem Abteil zweiter Klasse des Eilzuges Lemberg—Krakau auf den Bahnkörper geworfen worden war. Vermutlich handelt es sich um einen Raubüberiall. Ein T cbI ä ch t c r l e h r i i n g verschwunden. Vermißt wird seit dem 6. ds. Mts. der 16 Jahre alte Erscheinung neigte sie sich unwillkürlich ein wenig tiefer, rlS die« sonst ihre Art war. „Mit wem habe ich die Ehre?" Es war eine dunkle, volltönende Stimme, die an Vas Ohr Melanies schlug. Einei Stimme, die voll und ganz zu der dunkelhaarigen Schön heit Marlcnens paßte. „Ich bitte um Entschuldigung, dast ich dem Mädchen meinen Namen nicht nannte. Es liegt wohl in unser beider Interesse, wenn es unterblieb. Ach bin die Gattin des verstorbenen Prozessor Roscher." Es schien, als richte sich Marlene Kersten noch straffet empor. Sic trat einen halben Schritt zurück, dann wies sie auf einen der kleinen Sessel. „Dars Ich bitten, Platz zu nehmen." - ,Hch danke." kam es stolz zurück. „Unsere Unter redung wird kurz sein. Es dürste Fräulein Kersten be kannt sein, das, wein Gatte gestorben ist. Mir, als seine» Ehefrau stand es zu, feinen Nachlatz zu ordnen. Ach geh« wohl nicht sehl, wenn ich annehme, daß sich in Ahrem Besitz einige Briese von seiner Hand befinden. Ich bitte Sie, mir diese Briese zurückzugeben." » „Wenn Sie sich deswegen herbemüht habe«, gnädige Scan, so bedauere ich. Ihnen einen unnötigen Weg ge macht zu haben. Mir sind die Briefe de- Herrn Professor- ein teures Andenken, oie ich niemandem zurückgeb«." > Das ktasstlch schone Gesicht Melanie- veränderte fich nicht. Ruhig schaute sie auf Marlene Kersten nieder.' „Ich bin bereit, diese Briese zurückzukaufen." „Wenn Sie herzekrmmen sind, um mich zu bele digen, gnädige Frau," tönte es in tiefer Erregung zurück, „dann bitte ich Sie diese Unterredung zu beendigen. Ach wiederhole Ihnen, daß ich die Briese unter keine« Um ständen, für keinen Preis hergebe." „Ich glaube, ich kenne die Gründe für diese Weige rung. Ach will Ahnen aber einen andere» Borschlag machen. Vernichten Sw diese Briefe in meiner Gegen- wart." - „Wenn ich Sie recht verstehe, gnädige Fra«, so glau ben Sie, daß mich der Inhalt dieser Briefe kompro mittieren könnte", entgegnete Marlene mit einem spött-i schon Auslachen. „Mich und vielleicht auch Sie, gnädig« grau. Aber seien Sie ohne Sorge, Ihr Herr Gemahl ist mein ritterlicher Freund gewesen, vielleicht sogar «och mehr. Mit Stolz darf ich sagen, er hat mich In manches Dingen zu seiner Vertrauten gemacht." > Die Schultern Melaniens hoben sich verächtlich. „Meit Gatte hatte keine Geheimnisse vor mir, gar keine. A«f kenne sein Innenleben genau so, wie ich da? meine kenne. Ach war über alle seine .egungen unterrichtet. Er hat inir in mancher Stunde auch von seiner — ein leises klingendes Lachen — . ?» seiner Vertrauten gesprochen." „Dann haben Sie ja in bezug auf diese Briese nichts zu fürchten, gnädige Frau." Noch immer hatte sich daS marmorweiste Antlitz Me lanies nicht veränrc 't. In ihrer ruhigen Sicherheit stand sie vor Marlene und mit einer unendlich hoheitsvollen Bewegung wart sie den Kopf zurück. „Unangetastet vor der Welt steht die Person meines verstorbenen Gatten. Es wirb niemand wagen, einen Stein auf ihn zu werfen. Niemand hätte einen Grund. Ach bin jahrzehntelang seine Lebensgefährtin gewesen und Ich hüte sein Erb« nach jeder Richtung hin. Vergessen Sie das niemals, Fräulein Kersten." „Ach kenne Sie sehr genau, gnädige Frau. Ich habe Man« oft bedauert, dem man keine Stunde der SckMchterlehrking Franz Müller, der in Staaken in der Spandauer Straße 112 bei feinen Eltern wohnte und bet einem Meister in Nauey lernte. Sein Verschwinden ist ganz rätselhaft, es siegt nicht- vor, wa« ihn hätte veran lassen können, Elternhaus und Lehrstelle »u verlassen. Das Autounglück am Reichstagsufer. Die Autodroschke, die bei dem Unglück am Reichstagsufer am «onutag iu die Spree gestürzt ist, ist jetzt gehoben und von der Posizc, sichcrgestellt worden. Der Hintere Kotflügel weist an einer Stelle einen Eindruck auf. Ebeni so wurde der Wagen des Droschtenchausseur- näßer unter sucht, der hinter dem verunglückten Fahr-eng Herges obren ist und im Verdarbt siebt, durch Anstreisen an den vpraus- sobrendrn Wagen das Unglück verursacht zu baden. Dicfcv Wagen weist eine Beschädigung der vorderen Stossstange ans. Jedoch erilärt der Ebausfeur, daß diese Beschädi gung schon älteren Datums sti, was auch von anderen Personen bestätigt wird. Der Schaden scheint auch bereits mit Oelsarbe Übeestrichen gewesen zu sein. Der kausmann Tinius, der sich aus dein Unglückswagen hatte retten können, während seine Frau und sein Kind ertrank, ist beute vernommen worden. Er »vor aber infolge seines jeelischen Zustandes noch nicht fähig, eine eingcbendc Dar stellung des Unglücks zu geben. Zu lebenslänglichem Znchtyaus begna digt. Dos onbaltische Staalsuiinistcriuni bat den am k. November I'W7 wegen der Erschießung des Ritterguts besitzers klepp zum Tode verurteilten Kaufmann Erich «chröker ans Leipzig zst lebenslänglichem Zuchthaus be gnadigt. Ein Sfifabrer tödlich verunglückt. Drei Genter Lkifabrcr stiegen nm Freitag zur Montfort Hütte binnuf. wo sie einschiieiken. Am Dienstag morgen ent schlossen sie sich zur Absnbri. Dabei wurde einer von ilnien, der Präsident des Stadtrats von Gens, Grotzrat und Fürsprech Marrell Brnnet, von einer kleinen La wine verschüttet. Seine Kameraden sichren zu Tal, wo sie die Rettnngskolonnr mobilisierten. Brnnet konnte jedoch nur als Leiche geborgen werden. Ein dritter Versuch zur Uebersliegung des N ordvols. Der arktische Forscher Kapitän George Wilkins, begleitet von dein Piloten Leutnant Ben Fileson, bat sich nach Berichten ans Seattle nach Alaska ringe- schisst, um einen dritten Versuch der Urbcrsliegung des NordvolS zu machen nnd nach unentdeckten Gebieten zu sorickien, aus denen die Flagge der Vereinigten Staaten gebitsi werden soll. Kapitän Wilkins erklärte, daß er in, Vorsrübling von Point Barrows in Spitzbergen star ten will. Er sünrt ein neues Flugzeug nnd ansreich.nd Nabrungsmtttel sür sechs Monate mit sich. Der Tvpbus ,n .(vagen. Nacktem am Sonn abend und Sonntag zeqn Personen wegen TnplmSver- dachts ins Krankennaus ringeliesert worden waren, bat sich die Gesamtzabl aller an Titpbus Erkrankten auf 65 er höbt. Die Zalsi der Todesfälle beträgt tl. W itterung s u in schlag i in L chwarzwal d. Die durch starke Schneefälle nnd Wintergewitter ausge zeichnete Witterung der letzten Tage ist im Lause der Nacht umgeschlagen. Die Temperaturen sind im allge meinen stark gestiegen und liegen auch auf dem Hoch- schivarzwald niedrere Grade über Nnll. Der Schnee ist in Regen übergegnngen. Die Wasserläufe des südlichen Schwarzwaldes sind sm Steigen begriffen; auch der Wasserstand des Obrrrycins ist um erneu halben Meter gestiegen. Infolge außerordentlich starker Luftbewegung HM Pie für diese Jahreszeit, milde Witterung km Schwarz- Wald weiterhin aq. Der Feldberg meldet heute früh/ datz die Temperaturen weiterhin mehrere Grade über Null liegen und datz Regen fällt. Dadurch droht die Gefahr größerer Ueberschwemmungen. Starker Frost ,n Schwede» An Schweden herrscht wieder außerordentlich strenger Frost. Aus Dale- karlien werden .'12 Grad Kälte gemeldet. Stürme und Ueberschwemmungen in Frankreich. An der Nordwestküste von Frankreich herrscht weiter stürmisches Wetter. An Brest ist der Hilfe ruf eines englischen Dampfers eingetrofsen, der sich in Seenot befindet. Ein Schlepper ist zur Hilfeleistung abge- gangen. Au» mehreren Orten Frankreichs wird ein be drohliches Steigen der Flüsse gemeldet, die stellenweise über die Ufer getreten sind und große Strecken Landes unter Wasser gesetzt haben. Weingartner aus der Haft entlassen. Der wegen des ErvloswnSunglttcks in Dahlem in Hast ge nommene Generalkonsul Weingärtner hatte am Dienstag in Moabit Hastprüfnngsterniin; die Verteidiger ersuchten, Weingartner gegen Stellung einer Kaution von 20000 Mari auf freien Fuß -u setzen. Nach längerer Verhand lung wurde dieser Antrag vom Gericht angenommen und der Haftbefehl aufgehoben. Wieders reilassung des Pfandleiher- Winter. Der Pfandleiber Winter, der nach Aufdeckung seiner Schwindeleien flüchtig geworden war und sich erst gestern nachmittag auf dem Berliner Polizeipräsidium gestellt bat, wurde auf Grund des gegen ihn vorliegenden Haftbefehls sofort festgenommen und nach Abschluß de- Polizeivcrbörs in das Untersuchungsgefängnis Moabit ein geliefert. Hier verlangte er fosort eine Untersuchung durch den Grsängnisarzt, da er wegen seines leidenden Zu standes — Winter ist außerdem 68 Jahre alt — die Untersuchungshaft nicht ertragen könne. Der Arzt stellte dann bei ihm eine HcrzmuSkelentartung, Bronchial- und Herzasthma fest. Infolgedessen wurde Winter noch gestern nachmittag wegen Haftunfähigkeit wieder sreigelafsen. Ein Walfisch in der Flensburger Föhrde. Am Montag erregte das Austauck>en eines Walfisches in der Flensburger Führ de großes Aufsehen. Der seltene Gast, der wahrscheinlich in Verbindung mit Riesenherings, schwärmen sich dorthin verirrt hat, tauchte einigemal« im Bitmenhafen auf, um dann, nachdem er etwa eine halbe Stunde beobachtet werden konnte, seewärts wieder zu verschwinden. Schmuggel von Betäubungsmitteln. Wesen Verdachtes des Schmuggels mit Betäubungs- und Reiz mitteln sind in Lörrach und Wcil-Leopoldshöh mehr al lo Personen festgenommen worden. Wie verlautet, wurde die Ware durch Grenzgäugcr von Deutschland nach der Schweiz gebracht. Einer, der! sein Leben verkaufen will. „Zum Kauf. Ein gesunder Mann bietet sich -u jeder Untersuchung sür wissenschastliclte Forschungen an." So begann eine Anzeige, die dieser Tage in der Newvork Times erschien. Der Annoncierende rühmt seine Gesund heit und wünscht, sich „zu Vivisektionszwecken" zu ver kaufen. Er will jein Leben zur freien Verfügung einem wissenschaftlichen Laboratorium übergeben, wenn man sich verpflichtet, ibin dafür wöchentlich 50 Dollar sür den Rest seines Lebens zu zahlen. „Wenn man mich tötet, braucht man nicht mehr zu zahlen," so schließt diese merkwürdige Anzeige. Ruhe ließ, wenn es galt, seinen Ruhm vor der Welt zu vergrößern. Es war ein qualvolles Heldentum, das ich ansah, ein Heldentum, das ich nicht begriff." „Ich verstehe Sie nicht. Es liegt mir auch fern, Ihre Meinungen über derartige Angelegenheiten zu erfahren. Mein Gatte wandelte auf den höchsten Höhen des Lebens. Bon einem qualvollen Heldentum ist mir nichts bekannt." Marlenens dunkle Augen blitzten auf. „Noch heute brenne- die Tränen auf meinem Herzen, die dieser von aller Welt beneidete und angebetete Mann bei mir weinte. Ich weiß nicht, gnädige Frau, ob Sie Ihren Gatten je- mal- weinen sahen. Aber ich habe es gesehen. Er weinte, al- er tm Entsetzen von seiner Krau sloh, die ihn zu Handlungen trieb . O nein — nicht doch. — So wett will ich nicht gehen." „Warum sprechen Sie nicht weiter, Fräulein Kersten?" „Weil eS doch zu nichts führt", sagte sie mit matter Stimme. „Ein anderer Richter wird einst mit Ihne« »brechnen. Ich will es nicht. Ob Sie es aber jemals verantworten können, datz Sie den todkranken Mann im mer wieder emporgerissen haben, nur damit er vor der Welt eine Maske zeigte, nur damit niemand wußtq, daß sein strahlender Stern niederging. Ob es recht war, daß Sie sogar die eigenen Kinder im unklaren darüber ließen, wie es mit ihm stand, das weiß ich nicht. Seit jenem ersten Schlaganfall, der ihn betroffen hatte, wäre e- Ihre Pflicht gewesen, gnädige Frau, den Mann, der, wie, Sie sagen, bereits auf den höchsten Höhen de- Leben stand zu betreuen und zu Pflegen. Ach glaube, er hatte wahrlich genug geschasst, aber statt dessen brachte» Sie ihn durch Ihren Ehrgeiz in Not und schuld und er war schwach genug, da hinein sich noch tiefer verstricken zu Sekundenlang herrschte tiefes Schweigen. Melanie rührte sich nickt, nur ihre schmalen Lippen schienen sich noch ein wenig mehr zusammenzupressen. Dann aber Hub sie mit ihrer ruhigen Stimme, durch die kein biß chen Erregung zitterte, wieder an. „Ihre Phantasie treibt wunderliche Blüten, Fräulein Kersten. Ihre Vorwürfe treffen mich nicht. Der Name Roscher steht rein vor der Welt da. Ich glaube nicht, daß Sie es wagen können, denselben anzutasten. Bor der Größe meines Mannes, vor seinem lauteren Charakter haben sich Tausendc gebeugt. Glauben Sie, daß man den Skandalnachrichten eines weageworfenen Modell- Glauben schenkt?'' Wie von einem Peitschenhieb getroffen, zuckte Mar- lene zusammen. „Der Tote ist mir heilig. Um seinet wegen sind diese Lippen hier geschlossen. Hüten Sie sich, gnädige Frau, mich noch weiter zu reizen! Ich bin nur ein Mensch aus Fleisch und Blut. Auch da« weggewor- sene Modell hat seine Ehre. Ich war die Freundin Ihre» Gatten. Sie brauchen nicht so verächtlich die Schultern zu zucken. Ich bekenne eS frei und offon, ich war seine Freundin und eine reinere, edlere Freundschaft hat wohl niemals zwei Menschen miteinander verbunden. Der falt Sechzigjärige hat sich hier bet mir erquickt und erholt und was ich ihm an ehrl her Neigung schenken konnte, ich habe es gern getan. Ich hab« ihn n»cht nur verehrt und geachtet, uh habe ihn auch geliebt, gnädige Krau, und ich glaube, daß er hier in diesen Räumen in den letzten Lebensmona!:» lieber weilte, als daheim bet der ihm seit Aahrzehnten angetrauten Gattin." „Es schmeichelt Ihrer Eitelkeit wohl sehr, sich tm Glanze seiner Grüße zu sonnen." Marlene wandt« lick «b. „Um de- Lote« willen spreche ich jetzt die Bitte aus, verlassen -sie mein Haus, gnädige Frau. Sie waren ihm lieb und wert, das will ich keinen Augenblick vergessen.. Ich will mich um seinet willen zusammennehmen. Unsere Wege sollen sich nicht wieder kreuzen, gnädige Frau. Lassen Sie mir meine Ruhe und meine lieben Erinnerungen an den Toten, so werden Sie nichts von mir zu fürchten haben." „Zu fürchten — von Ihnen?" Wieder klang eine heftige Erregung durch Marlenens Stimme. „Auch ein Ikarus verbrannte sich die Flügel. Bon den höchsten Höhen kann man stürzen." „So wolle» Sie also den Toten mit Schmutz be werfen?" „Ich, den Toten? Den Mann, der mir so teuer ge- Wesen ist, wie mein eigener Bater? Nein, gnädige Krau, ihn nicht. Ich bitte Sie noch einmal, gehen Sie jetzt." Langsam wandte sich Frau Professor Roscher der Tür zu. Dort aber heftete sie noch einen stechenden Blick auf Marlene, und nun wich auch die Ruhe aus dieser Marmorgestalt. „Hüten Sie sich, Fräulein Kersten", klang eS durchdringens durch den keinen Raum. „Hüten Sie sich! Wer es wagt, den Ruf, den Ruhm und die Persön lichkeit meines Gatten anzugreifen, der hat sich selbst die Folgen zuzuschreiben. Ich besitze den eisernen Willen, derartige Verleumdungen — fahren Sie nicht auf, eH find Verleumdungen, ich werde es der Welt beweisen — Niederzuschlagen. Sie kennen meine Macht nicht, Fräu lein Kersten. Noch einmal, hüten Sie sich." Et» leise» Grauen schlich sich an Marlene Hera«. Die Worte Melanien» in ihrer eisigen Kälte, in ihre« durchdringenden Härt« verursachten ihr beinahe physisch« Schmerzen. Welch eine drohende Gewalt sprach schon aus dieser Stimme. Lange schaute sie auf die bereit» go- schlossen« Tür, dann aber schlug sie die Hände vor da» Gesicht. „Schlaf ruhig, teurer Freund! Mein« Lippe« find stumm." , st. Kapitel. ä'Te^" tun mir so weh, mein gnädiges fassen Sie mich ruhig weinen, Herr Doktor. Ich glaube überhaupt, daß ich in meinem Leben nicht- ande res mehr werde tm» können al» weinen. Wohin ich blicke^ alle» erinnert mich an den Bater. Sie sehe«, ich hab« mir hier ein kleine» Tuskulnm zurechtgemacht. Ich hab« zusammengetragen an Kleinigkeiten, wa» ihm eigentlich gehört. So fühle ich mich voll und ganz bei ihm und kann ich da etwa» anderes tun, al» darüber trauern, daß e» nun nicht neben mir sitzt und mir, wie sonst, mit sein« schlanken Sand üb« da» Haar stretcht?" „Es ist «tcht gut, nur der Erinnerung z« lebens ,Lch kann nicht ander». Ich bin vor wenigen Tagen zum ersten Male leit Vaters Tilde durch die Straßen gewandert. Unwillkürlich führte mich der Weg zur Kunst akademie. Dort kah ich seine Büste schwarz umflort. Ich sah bei den Kunsthändlern seine Bilder. Auch dort di« Zeichen der Trauer. Die Welt bat viel an ihm verloren, aper wir noch viel mehr. Und dort," sie wie» auf einig« Hefte, di« auf dem Lisch« lagen, „dort lese ich jetzt auch Ihren Artikel. Mit welcher Liebe, mit welcher Begeiste rung haben Sie dem Bater den Nachruf geschrieben. Auch Sie wissen, wa» in ihm dahtnging. Sie haben ihn je kett Jahren gekannt und wegen dieser herrlichen schöne» Worte, die sie dem Toten in dem letzte« Heft der Kunst revue weihten, danke Ich Ahnen."
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview