02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.06.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-24
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040624024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904062402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904062402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-24
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Reklamen unter dem RedaktionSstrich (4gespalten) 7Ü »z, nach den Femiliennach- richten (6 gespalten) 50 44. Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend hoher. — l-icbühreu für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 -H. Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Aunahmeschlutz mr Aa»eigea: Abend-Ausgabr: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbroche» geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol- iu Leipzig (Jnh. vr. B., R. L W. Kliukhardt). Nr. 318. Vas Wichtigste vom Lage. * König Eduard VN. befindet sich auf der Fahrt nach Kiel, nachdem er gestern abend 11 Uhr 20 Minuten auf der Jacht „Victoria and Albert" Port Victoria verlassen bat. * Durch kaiserliche Kabinettsordre vom 22. d. M. wurde der beim Reichsmarineamt akkredidierte Fregattenkapitän LanS, der tapfere Kommandant des „Iltis" vor den Tatu- forts, zum Kommandanten von S. M. 2. „Kaiser Wilhelm H." ernannt unter gleichzeitiger Zuteilung zur Marinestation der Ostsee. * Der Kanal Rhein-Hannover darf nach dem jetzigen Stand der Verhandlungen in der Kanalkommission als gesichert angesehen werden. (S. Dtsch. Reich.) * Zwischen den einzelstaatlichen Regierungen sind Ver handlungen eingeleitet, um sestzustellen, wie weit das Be dürfnis anerkannt ist, für das Personal des Kranken pfleger-Dienstes eine bessere Vorbildung und die Ablegung von Prüfungen vorzusehen. * Der südwestafrikanische Oberhauptling Witb o i sandte rum Beweis seiner Ergebenheit wiederum eine Abordnung seiner Krieger in daS de pt sch e Hauptquartier. (S. Aufst. d. Herero.) * Der republikanische Nationalkonvent der Ver einigten Staaten normierte einstimmig Roosevelt zum Präsidentschaftskandidaten und Fairbank zum Kandidaten für die Vizepräsidentschaft. Vas Zommilnalpssgramm Oer Zorialäemokralie. Auf dem Bremer Parteitage der Sozialdemokratie soll das Kommunalprogramm der Partei beraten werden. Aus den Veröffentlichungen der sozialdemokratischen Presse über den Inhalt dieses Programmes geht hervor, daß die Sozialdemokratie in Zukunft noch reger als bis- her Kommunalpolitik treiben will, um durch die Be herrschung der Gemeinden ihren politischen Einfluß zu erweitern. Die Herrschaft über die Gemeinden aber soll herbeigeführt werden durch die Forderung des gleichen, allgemeinen, direkten und geheimen Wahlrechts auch für Kommunalwahlen. Das frühere Zentrumsblatt am Rhein bespricht nun das sozialdemokratische Kommunalprogramm, wendet sich aber mit keinem Worte gegen die sozialdemokratische Forderung des gleichen Wahlrechts. Im Gegenteil, das rheinische Zentrumsblatt benutzt die Gelegenheit, um gegen den plutokratischen Charakter des gegen wärtigen Kommunalwahlrechts herzuziehen, der den libe ralen Parteien zugute komme. Wir meinen, daß in der Bekämpfung der sozialdemokratischen Forderung auf gleiches Kommunalwahlrecht alle Parteien, die auf dem Boden der bestehenden Gesellschaftsordnung stellen, einig sein müßten, denn für jede dieser Parteien, auch für das Zentrum, gilt hier das Wort „Ina ros axitur". Wie steht Freitag den 24. Juni 1904. S8. Jahrgang. es beispielsweise an dem Erscheinungsorte der „Kölnischen Volkszeitung"? Hier war das Zentrum der Sozialdemo kratie bei den Reichstagswahlen von 1893 noch um mehr als 6000, 1898 um etwa 4000 und bei den letzten allge meinen Wahlen nur noch um 2500 Stimmen überlegen. Würde also das Reichstags-Wahlrecht für die Kommunal- Wahlen eingeführt, so würden in fünf oder sechs Jahren in Köln die Sozialdemokraten bei den Stadtverordneten wahlen triumphieren. In dem benachbarten Düsseldorf brachten schon diesmal die Sozialdemokraten um 1500 Stimmen mehr auf als das Zentrum, und in den größeren Städten des ganzen Regierungsbe zirkes Düsseldorf wurden insgesamt für die Sozial demokraten 23 000 Stimmen mehr abgegeben als für die Zentrumspartei. In dem so überwiegend katholischen München standen den 17 000 Zcntrnmsstimmcn 47 000 sozialdemokratische Stimmen gegcniiber. So würde also auch das Zentrum bei Einführung des Reichstagswahl rechts für die kommunalen Wahlen wenig Freude er leben — wenigstens in den größeren Städten. Auf dis großen Städte aber kommt es gerade bei den Kommunal- Wahlen in erster Reihe an, denn ob die Sozialdemokratie in Tirschticgel oder Buxtehude herrscht, ist gleichgültig, wenn sie aber Berlin, München, Köln, Düsseldorf usw. in ihren Händen hat. so bedeutet dies eine ungeheure Stär kung ihres Einflusses, denn man bedenke nur, über welche ungeheuren Geldsummen und über welchen gewaltigen Beamtenapparat sie zu verfügen hätte. Die schon heilte nicht geringe Zahl der „Geschäftssozialisten" würde ins Ungemessenc wachsen, zum Schaden aller bürgerlichen Parteien ohne Ausnahme. Es mag sein, daß das Zen trum etwas weniger Nachteil davon haben würde als die liberalen Parteien, aber wenn mir ein Bein abgehackt wird, so habe ich nur einen sehr geringen Trost daran, daß meinem Gegner beide Beine abgehanen werden. Gerade weil die Sozialdemokraten immer zielbewußter auf den maßgebenden Einfluß in den großen Kommunen hinsteuern, scheint cs uns die Pflicht der bürgerlichen Parteien zu sein, auf diesem Gebiete ebenso zusammcn- zuhalten, wie sie auf dem Gebiete der rein politischen Wahlen erfreulicherweise in der letzten Zeit wiederholt zu sammengehalten haben. Es wäre durchaus verfehlt, die Verteidiger des be stehenden Rcichstagswahlreclites auch auf dieselbe Art des Wahlrechts für die Kommunen wie für die Spezialland tage festnageln zu wollen. Tenn auf dem beschränkten Gebiete der Kommunen wie der Einzelstaaten fehlt es an dem Ausgleich durch die Abstimmung in anderen Wahl kreisen unseres Vaterlandes. Für die nationale Wähler schaft der Großstädte würde cs einfach Selbstmord be deuten, wenn sie nur der Theorie zu Liebe auf solche For derungen einginge. Es ist uni so weniger Grund dazu vorhanden, als es auch der Sozialdemokratie gar nicht ein fällt, das gleiche Wahlrecht zu Gunsten des von ihr sonst verlangten Proportionalwablrechts dort einzuführen, wo ihr diese Aenderung schaden könnte. ver Zukrtanä äer Herero. Zur Verstarknngrfrage. Nach einer Meldung der „Schlesischen Zeitung" hat General v. Trotha die Absendung weiterer Verstär kungen nach Südweslasrika gefordert. Von zuständiger Seile ist diese Nachricht bisher weder bestätigt noch bestritten worden. Auf Grund der bis jetzt erfolgten Truppcnsendungen nach dem Schutzgebiete wird, wie das „Militär-Wochenblatt" vom 11. Juni d. I. angab, die Schutztruppe Anfang Juli auf 506 Offiziere und obere Beamte und auf 7100 Mann gebracht sein. Das ist eine ganz stattliche Zahl; in manchen Kreisen dürste die Meinung obwalten, daß diese Zahl zur Niederwerfung des Aufstandes genüge. Indessen wird der Laie verständiger weise nicht beanspruchen, in einer so einschneidenden Frage ans weiter Ferne ein maßgebendes Urteil zu fällen. WaS aber gewünscht werten darf, ist baldige Klarheit darüber, ob wirklich General v. Trotha noch Verstärkungen gefordert Hal und ob solche nach dem Schutzgebiete geschickt werden sollen. Nachrichten nur -eni deutschen Hauptquartier. Die Aussichten aus eine baldige und endgültige Nieder- weriung des Ausstandes gestalten sich von Tag rn Tag günstiger. Die Kunde von einem kräftigen Vorgehen der Weißen scheint sich immer weiter unter den aufgeregten Stämmen zu verbreiten. Der greise Oberhäuptling Witb oi sandte, wie Hauptmann a. D. Dannhaucr dem „B. L.-A." aus Okahandja meldet, abermals 25 seiner Orlog- männer, alles alte erfahrene Kriegsleute, die gestern in Okahandja eintrafen und heute zu Major v. Estorff weitergehen. Man erblickt darin das Bestreben des 80 jährigen Witboiführers, die über ihn umlaufenden Gerüchte von Untreue und Abfall aufs unzweideutigste zu widerlegen. Gouverneur Leutwein reist heute früh nach Windhuk ab, wo Generalleutnant v. Trotha ihn in der nächsten Woche be suchen wird. Die Abteilung des Majors Heyde, die aus den berittenen Kompagnien Puder, Wangenheim, Brentano und den Batterien Hirschberg und Müller zusammengesetzt ist, rückte von Owikokorcro nach Oko- soudusu vor, wo bisher Estorff stand, der nun mit st.ner Abteilung, destebciw aus den berittenen Kompagnien Solms und Ritter nebst der Maschinengewehr- Abteilung Saurina sowie der Batterie Banschuß und den Bastards unter Bottlin, in die Gegend von Osondema vorgeht. Die Abteilung Glasenapp soll von Owikokorcro in der Richtung über Otjire mehr gegen Omaramba vorrücken; sie besteht aus den berittenen Kompagnien Klitzing, die augenblicklich noch in Okahandja weilt, Wilhelm und Gäusser, den Batterien Stahl und Rembe, der Maschinengewehr-Abteilung Dürr und den Witbois unter Berneck. Die Abteilung Volkmanns mit der Kompagnie Zülow, zwei Feldgeschützen und zwei Maschinengewehren bleibt in Otawiet, Hauptmann Franke mit der Kompagnie Welk im Bezirk Omarnru. Sämtliche Abteilungen haben bis zum vollendeten Aufmarsch den Bejebl, jeden Kampf zu vermeiden und nur zuzufassen, wen» die Herero versuchen sollten, von ihren jetzigen Lagerplätzen abzuziehen; sonst aber feste Stützpunkte anzulegen und Vor bereitungen für die kommende Aktion zu treffen. Die Etappenstraßen sind bisher besetzt von den Kompagnien Häring, Schering und den Reftmannschaften des Seebataillons. Das neu berankommende Regiment soll über Karibib und Outjo rücken und von Norden her eingreifen. * Der Pastor der evangelischen Zivil-Gemeinde in Windhuk, I-ie. Anz, hat sich bereit erklärt für die deutschen Soldaten in Südwestafrika, die Mitglieder von Jünglings- oder ähnlichen Vereinen sind, in seinem Heim eine Zentrale für Gesellig- keits- und Bildungsbestrebungen zu errichten. * Bei der Hauptkasse der Deutschen Kolonialgesell- schäft sind, wie die „Dtsche. Koloniatztg." mitteilt, insgesamt 245214,16 ./L an Hülfsgeldern für Südwestafrika ein- gegangen. ver russisch-japanische Krieg. Meldungen Nnrspatkinr und Ssacharorv». Ein Telegramm des Generaladjutan- tcn Kuropatkin an den Kaiser vom Mittwoch be sagt: Die Vorpostenlinie des Gegners er streckte sich am 19. und 20. Juni südlich von Ssenin - tsche n von der Küste bis zu einer schwer passierbaren, bergigen Gegend östlich von der Eisenbahnlinie. Die Vorpostenlinie besteht aus dichten Kavallerieabteilungen und Jnfanteriefeldwachen. Die Pässe im Osten der Eisen- bahn werden vom Gegner ebenfalls sorgsam bewacht. Am 20. Juni wurde um 5 Uhr nachmittags bemerkt, daß starke feindliche Kavallerie- und Jnfanterie-Streifwachen, sowie Infanterie und Kavallerie vorrllcken. Wir hatten in den Scharmützeln keine Verluste. Auf japanischer Seite wur den mehrere Mann getötet und verwundet. Ferner ist eine Vermehrung der japanischen Streitkräfte im Sü - den von Wandsiapudsa festgestellt worden. Bei Hathabei auf dem Wege von Ssinjan nach Tantschi werden Befestigungen aufgefllhrt. Auf den von Ssinjan nachKaitschou führenden Straßen besetzte die Vorhut des Gegners am 20. Juni auf der nördlichen Straße den PaßzwischenPandsiabei u n d P a n t s ch a n , 15 Werst östlich von Ssiahotan, und auf der südlichen Straße den T s ch o p a n l i n p a ß, 12 Werst südlich von Ssiahotan. Wie ein weiteres Telegramm Kuropat kin s meldet, setzt die japanische Armee, die von Kintschou vorrückt, ihren Vormarsch nach Norden allmählich fort. Tie A r m e e K u r o k i s hat ihren Vormarsch vor Ssin- san eingestellt, anscheinend um die Vorhutabteilungen der beiden Armeen in eine Linie zu bringen. Die vorrücken den Streitkräfte der feindlichen Vorhut betragen in der Unigegend von Ssinjan ungefähr 1 Division mit mehreren Schwadronen, und im Süden 9 Schwadronen, die durch eine zahlreiche Infanteriekolonne verstärkt werden. Oest- lich von Ssaimatsi errichten die Japaner auf dem Wege nach Kuandiansian Befestigungen und haben dort gegen 18 Geschütze aufgestellt. Ferner hält eine starke feindliche Feldwache das Dorf Sapingai, 40 Werst nordöstlich von Ssaimatsi, besetzt, das durch Schanzen befestigt worden ist. Ein Telegramm des Generals Ssacha- row an den Generalstab von gestern meldet: Am 21. Juni griff die japanische Vorhut um 8 Uhr morgens unsere Vorposten an, die 6 Werst südlich von Ssenintschen auf beiden Seiten der Eisenbahnlinie standen. Unsere berittenen Feldwachen zogen sich unter dem Andrange des Gegners langsam nach Ssenintschen und weiter nach Kaitschou zurück. Um die Mittagszeit rückten gegen 9 Schwadronen mit einer Batterie und bedeutende Jn- fanterieabteilungen nach Ssenintschen vor. Hierauf wur den nach und nach andere bedeutende feindliche Kolonnen bemerkt und gegen Abend wurde Ssenintschen von einer japanischen Truppenabteilung eingenommen, die aus mehr als 1 Division In fanterie, 1 Brigade Kavallerie und 32 Geschützen bestand. Feuilleton. Die Entgleisten. Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verboten. An einem Nachbartische saßen zwei ältere Herren bei einem Glase Wein, ein höherer Offizier und ein Herr in Civil. Wenn auch nicht auffällig, schienen sic doch mit Interesse dem lustigen Geplauder der jungen Leute zu folgen. „Ist dieser übermütige Husar der Sohn von Viktor Lavadi?" fragte der bürgerlich gekleidete Herr. „Tas kann sein, mit Bestimmtheit weiß ich's nicht, Herr von Molnar", versetzte der andere. „Ter Name von Graf Viktor ist Ihnen doch bekannt, Herr Oberst?" „Gewiß, gewiß, man hat von dem Manne seinerzeit genug geredet! Es ist doch der reiche Lavadi, der solch' große Besitzungen im Banat und in einem der nördlichen Komitate batte. Er hat eine Zeitlang eine große Rollo gespielt." Herr von Molnar nickte. „Ich hab' ihn gekannt, als er jung war", sagte er dann. „Wir dienten in einem Regiments. Er blieb nicht lange in der Armee und trat dann in Staatsdienst über. Er war der glänzendste Geist und der edelste Mensch, den ich jemals gekannt bade. Er wurde sehr bald berühmt, und das Land versprach sich Großes von ihm .... Ta war er eines Tages ans dein öffentlichen Leben ver schwunden, und man hat nie wieder etwas von ihm gehört." „Die alte Geschichte" .. . sprach der Oberst mit einem Achselzucken, jener nichtssagenden Bewegung, die ost in solch schreiendem Gegensätze zu dem Jammer steht, dem sie gilt. — „Er hat unter seinem Stande geheiratet, sich mit seiner Familie überworfen, der frühe Tod der Frau hat ihn für lange Jahre aus der Heimat getrieben." „Ter Husar hier, wenn er dec Sohn ist, scheint das Leben anders aufzufassen", meinte Molnar. „Dieser junge Mann ist der lustigste Offizier der Hauptstadt, leichtsinnig, über die Stränge hauend, aber ein guter Kerl, ein gefälliger Kamerad und beliebt bei Jung und Alt." Tie Herren erhoben sich; denn es war spät geworden. Der Tag graute, als auch die jungen Offiziere das Kasino verließen, alle mit schweren Köpfen und manche mit leichten Börsen. . . . Bethlen fand ein Telegramm vor, das die lebens gefährliche Erkrankung seines Vaters meldete und zu gleich die dringende Bitte enthielt, umgehend nach Hause zu kommen. Hätte sich der junge Mann gleich vom Feste bei dem General in seine Wohnung begeben, wie es Baron Csernh vorgeschlagen, so hätte er noch den Nachtzug benützen können; denn die Depesche war schon am Abend ge kommen, so fuhr aber erst in der Nacbmittagsstunde einer nach der nördlichen Richtung des Landes ab und da zwischen lagen viele Stunden Verspätung II. Der Zug hielt vor der kleinen Station Turdova, und nur ein Reisender stieg aus. Ter Zeit nach war es schon längst Tag geworden, über der Landschaft aber lagerte noch ein fahler Dämmer. Ein feiner, sprühender Regen rieselte nieder, vermischt mit großen Schneeflocken, die grade und schräge, kreuz und guer, in ununterbrochenem Spiel zur Erde fielen. Auf den Bergen ruhten schwere Nebel; sie stiegen aus den Schluchten und breiteten wie mit Geisterhänden graue Schleier über alles, daß in dem wogenden Tunstmccrc bald jede bestimmte Form ver schwand. Bethlen Lavadi wandte sich fröstelnd ab, schritt über den Perron nach der Wartehalle und von da dem jen seitigen Ausgange zu. Er hoffte dort einen Wagen vor zufinden; denn er hatte telegraphisch die Zeit seiner Ankunft angezeigt. Der Platz war noch leer, doch ließ sich aus einiger Entfernung Wagengerassel hören. Es hatte etwas Unheimliches, dies Aufschlagen von Pferdehufen und Rollen von Rädern, ohne daß man einen Gegen stand gewahrte, als habe die Nebelmasse selber Leben an genommen. — Das Geräusch kam näher, die Köpfe und dampfenden Leiber von Pferden wurden sichtbar, und dann hielt eine alte, wacklige Kalesche vor dem Stations gebäude. Vom Kutscherbock kletterte mühsam ein hageres Männchen mit eisgrauen Haaren und verwitterten Zügen; unter buschigen, schneeweißen Brauen jedoch lagen ein paar Helle, jugendklare Augen. Der Offizier trat rasch auf ihn zu. „Janzsi, wie geht's meinem Vater?" „Mein lieber, junger Herr! .... mein lieber, gnä diger Herr! " Dem Alten versagte die Stimme, er neigte sich über die Hand des Grafen und küßte sie. Vor Bethlens Augen verschwamm für einen Augen blick alles. . . . „Warum hast du mich nicht früher gerufen?" fragte er mit unsicherer Stimme. „Ich hab' gleich depeschiert, als das Unglück ge- schehen ... als der Herr Graf krank geworden ist. . . . Heut' vor Tagesanbruch ist er gestorben", versetzte der alte Diener verwirrt. Der Offizier stieg in den Wagen und ließ auch Janzsi darin Platz nehmen, denn dieser war ganz durchnäßt. Tas schwerfällige Gefährt wendete und fuhr den Weg wieder zurück. Ter Nebel hob sich langsam und fing sich zu verteilen an; es regnete und schneite aber ununterbrochen fort. Es ging aber bergauf und bergab, durch unwegsame Schluchten, dann wieder über sumpfige Feldwege. Die Räder versanken oft knietief in dem aufgeweichten Schnee und Koth, und es bedurfte nicht nur der größten An strengung der bereits erschöpften Pferde, sondern auch häufig der Reisenden, um die Kutsche aus der Versenkung herauszubringen. Und wie die graue, schwere Luft drückte! Wie sie den Atem benahm! Die nasse Kälte schien bis ans Herz zu dringen Janzsi streifte manchmal mit einem mitleidigen Blick das Gesicht des jungen Mannes. Es war, als wenn er etwas sagen wollte, aber seine Lippen bewegten sich nur, und er schüttelte leise den Kopf. Nach einer Stunde war Schloß Lavadi erreicht; es lag dicht an dec Landstraße, nur eine halb eingesunkene Mauer trennte es davon. Welch' traurigen Anblick bot es! Welch' trostlose Ver- Wahrlosung sprach aus allem! Das eigentliche Schloß, grau, schmutzig, verwittert, mit schadhaften« Tacb, abge bröckelten Erkern und meist scheibenlosen Fenstern. Auf der anderen Seite halb eingefallene Wirtschaftsgebäude, an denen die Fenster und Türen fehlten und die Dächer teilweise abgetragen waren. Zwischen beiden der weite, leere Hof, wo nur an einem Ende etwas Holz und einige Wirtschaftsgcräte unordentlich umherlagen; an den Stellen, wo die Pflasterung fehlte, hatte sich braunes, schmutziges Schneeweisser angesammclt. Bethlen schritt die ausgetretene, schadhafte Freitreppe zum Schloß hinauf und betrat die Vorhalle. Er hätte am liebsten die Hände über die Augen gelegt. . . . Ueberall dieselbe Verwahrlosung, derselbe Verfall! Risse durch zogen die Decke und Wände, und die reichen Stuckaturen nnd Malereien waren abgebröckelt und verwischt. Auf den Postamenten, die die weite Halle schmückten, fehlten die Marmorstatucii, und das kunstvoll gearbeitete Ge länder, das zum ersten Stockwerk führte, war an vielen Stellen durchbrochen.
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