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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.06.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-06-30
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040630020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904063002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904063002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-06
- Tag1904-06-30
- Monat1904-06
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Nr. 329. SL Sahrg. Leipziger Tageblatt. Donm * . 30. Juni 1904. die alten Zollsätze, und kamen dann nach ihren Be stimmungshäfen „aus dem Jnlande". Nicht das geringste stellte sich uns auf der Fahrt bis Aokobama in den Weg. Wir sahen nicht einmal ein Kriegssckstff. Man hatte befürchtet, die Japaner hätten die Küsten feuer gelöscht. ES war Nacht, als wir die japa nische Küste erstmalig in Sicht bekamen. Kein einziges Feuer war gelöscht worden, Japan fühlte sich also ab solut sicher. Dir „Artemisia" ging von Hongkong aus direkt nach Yokohama, ohne Nagasaki und die Häfen der In landfee zu berühren. Ueberhaupt das erste Mal wur den wir hasidgreistich an den Kriegszustand erinnert, als wir uns dem Eingang« in die Tokiobucht näherten. Hier liegen mehrere Forts auf kleinen Inseln, und die Fahr rinnen zwischen ihnen find mit unterseeischen Minen ver legt, ausgenommen eine schmale Straße. Nm sicher durch diese hindurch zu gelangen, ist es Vorschrift, zu warten, bis sm Lotsenschiff, em sogenanntes Führungsschiff, das unter Kriegsflagge fährt, herankommt und den Kapitän beordert, ihm in seiner Fahrrinne zu folgen. Go gelangen wir sicher und ungefährdet zwischen den Forts hindurch und ankern wenige Stunden später im Hafenbecken von Yokohama. Obwohl es Abend ist, kommen noch die Behörden an Bord, der Hafenmeister und der Arzt. Gesund find wir alle. Unserer Ausschif fung steht nicht- im Wege. Wir verschieben sie auf morgen früh. Ein lang ausgedehnter Lichterkranz, der sich über dem Wasser hinzieht, bezeichnet die Stadt Noko- hama. Wir bekommen die neuesten Nachrichten zu er fahren, japanische Siege! Am anderen Morgen kommt der Verftauer und der Ageuturbeamte an Bord. Was gibt's Neues? „Wir in Uokohama wissen wahrscheinlich noch viel weniger, als Sie zu Hause", antwortete man mir. „Wir bekommen Nachrichten selbst am schnellsten auf dem Wege über Europa!" Mein armes Journalisten herz ivare mir in die Stiefel gesunken, wenn ich einen angehabt hatte. Na, ganz so schlimm wird's nicht sein! Aber so bald wie möglich wieder fort von hier, weiter nach Korea! Das steht fest; nur steigen mir schon setzt Bedenken auf, ob das Wörtchen „bald" nicht ein recht dehnbarer Begriff ist, und so tue ich also zunächst das, was in solchem Falle am praktischsten ist, ich steige an Land. Regen strömt bindfadendick vom Himmel herunter . . . just das rechte Wetter für meine Laune! Mein Rikshakuli setzt mich vor dem Hotel ab. Der erste Auftrag, den ich dort erteile, ist der, im Kamin Feuer anzuzünden. Während ich davor sitze und meine frostigen Füße zu erwärmen versuche, nähert sich ein Helles Geläute, das wie Schlittengeläute klingt, auf der Straße. Es ist ein Dienstmann einer japanischen Zei tring. Er läuft durch die Straße — das Schellengeläute bat er sich oberhalb des Körperteils, der bei sitzender Lebensweise unentbehrlich ist, festgebundcn — und ver teilt das neueste „dempo", die neueste Depesche vom Kiegsschauplatze, als Extrablatt. In Tokio aber harren, wie ich bald darauf aus einer der englischen Tages zeitungen von Yokohama ersehe, teilweise schon seit Mo naten an die 80 ausländische Kriegskorrespondentcn, in der Hoffnung, „bald" zur Front gehen zu dürfen. Einige, die auf eigene Faust losgezogen waren, hat man schon zurückgeholt. Soviel wurde mir jedenfalls sofort klar: Mit der Befürchtung, ich wäre schon zu spät cingetroffen und die anderen hätten mir womöglich schon den Rang abgelaufen, hatte ich ganz und gar unrecht! ver flutttana <lrr sieter». Aur dem Lager -er Herero. Einem englischen Händler und zwei deutschen Frauen, die bisher als Gefangene von dem Oberhäuptling der rebellischen Herero auf seinen Kreuz- und Querzügen mit geführt wurden, ist es gelungen, zu entfliehen und sich unter deutschen Schutz zu begeben. Der im Hauptquartier des Generalleutnants v. Trotha weilende Hauptmann a. D. Tannhauer berichtet im „Berl. L.-Anz.": Der Händler Wallace, ein Engländer, der durch Heirat nahe mit dem Oberhaupt der aufständischen Herero, Samuel, verwandt ist, und der bisher gezwungen wurde, den Rebellen ¬ häuptling überallhin z« begleiten, traf mit den von Samuel ebenfalls gefangenen Frauen Bremer aus Oljusooaatu und Roloff au« GobabiS vom Waterberg kommend in Omaruru ein. Ihre Vernehmung hier dürfte Interessante« ergeben. Hilfsleistung für Veutfclf-AÜ-weftafvika. Zur Hülfeleistuag für die vom Aufstande geschädigten Ansiedler m Südwestafrika sind bei der Deutschen K"lonial- aesellschaft bisher 24V 822 eingegangen. Weiter < sind angekündigt. Ursachen einsolttger Verichterftat/n, ' Einem Briefe au« dem Schutzgebiete ist zu nu daß in den Anfangswochen des Ausstandes die E über dessen Ursachen darum einseitig sein mußte- deutschen Siedler zu den Waffen gerufen wo und eine Berichterstattung sich daher für sie a verbot. spfer-e für Südweftafrika. Zur Berittenmachung der Infanterie in Südwestafrika finden jetzt auch in Ostpreußen, wie kürzlich in Oberschlesien und Südposen, öffentliche Remontemärkte statt. Die anzu kaufenden Pferde sollen nicht unter 1,42 w und nicht über 1,55 m Stockmaß (---- 1,50 bi« 1,63 m Bandmaß) haben, gute Rücken, gesunde Beine und Hufe besitzen. Hengste sind vom Ankauf ausgeschlossen. Die gekauften Pferde werden sofort abgenommen und bar bezahlt. Die Schwänze der Pferde dürfen nicht gestutzt werden, um den Pjerven dre Ber- scheuchung der Fliegen und Hornisse zu ermöglichen. ver r«irrirch.fspattisÄe Weg. Gefecht bei Raiping. Wie „Standard" und „Daily Telegraph" aus Tokio übereinstimmend melden, hat am 25. Juni bei Kaiping ein heftiges Gefecht stattgefunden, infolge dessen der lOrt am 2K. besetzt wurde. Kontrebau-e. Während des Krieges zwischen Rußland und Japan gelten, wie die Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin erfahren, bezüglich der KriegSkontrebande folgende Bestimmungen: 1) Nachstehend genannte Waren sollen als KriegSkontrebande be handelt werden, wenn sie im Begriff sind, durch Feindesland zu gehen oder wenn sie für Feindesland oder für die feindliche Armee oder Flotte bestimmt sind: Waffen, Munition, Explosivstoffe, sowie deren Rohstoffe (einschließlich Blei, Salpeter, Schwefel usw.) und der Apparate zu ihrer Herstellung; Zement, Uniformen und Aus rüstungen für Land- und Seesoldaten; Panzerplatten; Material zum Bau und zur Ausrüstung von Kriegs- und anderen Schiffen; alle anderen lediglich zu Kriegszwecken brauchbaren Gegenstände. 2> Die folgenden Gegenstände sollen als KriegSkontrebande be handelt werden, wenn sie für das feindliche Heer oder für die feindliche Flotte bestimmt sind, oder wenn aus der Natur der Gegend im Feindesland, nach der sie bestimmt sind, angenommen werden kann, daß sie zum Gebrauch für das feindliche Heer oder die feindliche Flotte bestimmt sind: Mundvorräte, Getränke, Pferde, Geschirre, Futter, Fahrzeuge, Kohlen, Nutzholz, Gold, Gold- und Silberbarren, sowie Material für den Bau von Telegraphen, Tele- phonen und Eisenbahnen. 3) Können die vorstehend genannten Gegenstände ihrer Be schaffenheit oder Menge nach als augenscheinlich für den Gebrauch des Transportschiffes bestimmt erachtet werden, so sind sie nicht als Kontrebande zu behandeln. Vie Stirnrnung in Rutzla«-. Dte Art und Weise, wie man in Rußland die Nach- richten aus dem fernen Osten aufnimmt, ist, wie ein Korrespondent der „Daily Mail" aus Odessa meldet, je nach der Volksklasse sehr verschieden. Die Offiziere und Beam 1 en beklagen zwar die Tatsache, daß man so wenig auf den Krieg vorbereitet war, halten dabei jedoch an der optimistischen Anschauung fest: „Wir müssen schließlich gewinnen." Am unzufriedensten sind die Kaufmannskrcise. Man klagt allgemein über Handelsstockung. Die Fabriken sind entweder geschlossen, oder sie arbeiten mit verringertem Personal. Die ar- beitendenKlassen sind verbittert, sie haben die Leute gestellt, die zu Hunderten in der Mantschurei ster ben, und dabei hat der Arbeiter, der in Rußland, wie überall, von der Hand in den Mund lebt, durch den Krieg seine Einnahme verloren. Die Zahl der politisch Wider- willigen wird immer größer und die Leute selbst werden immer kühner. Populär sei der Krieg überhaupt nicht. Man erzählt sich, daß die Frauen und Kinder der letzthin mobilisierten Reservisten sich vor die Züge warfen, die die Gatten und Väter in den fernen Osten führen sollten, und daß die Züge erst abfahren konnten, nachdem man die unglücklichen Weiber mit Gewalt beiseite geschafft hatte. Ver Arzt a«f -em Ariegsschauplatze. Der Londoner „Lancet" macht in seiner letzten AuS- gäbe eine ganze Reihe von Mitteilungen über den Stand der ärztlichen Verpflegung auf japanischer und russischer Seite. Obgleich zugegeben wird, daß von ärztlicher Geste der Krieg in Rußland in großem Stil vorbereitet worden sei, wird andererseits die Nachricht verzeichnet, daß am 19. und 20. Juni 3500 russische Verwundete den Ort Taschitschou auf der Eisenbahn nach Chardin passiert hätten, für deren Versorgung fast nichts zur Stelle ge wesen wäre. Allerdings ist dieser Umstand wohl durch den übereilten Rückzug nach der Schlacht bei Wafangou zu erklären. Nachdem die Regenzeit mit großer Heftig- '"it Tonnen hat, müssen die Schwierigkeiten für den > . Verpflegung der Verwundeten selbst- ; ver-ö-i-s'-.h na. utend gestiegen sein. Eine be- s . .:d wird auf der andern Seite von der l ? Kreuz-Gesellschaft in Japan ent- wundert, so heißt eS in dem - e, l. sie außerordentlichen Leistungen der > > die nach der Abreise der meisten : , im ' Schauplatz in den Hospitälern daheim 7 ; rgen müssen. Auch Ausländer geben zu, daß oie assigkeit und Zweckmäßigkeit, wie diese Japanerinnen ihren Dienst verrichten, auch in euro päischen Ländern nicht zu übertreffen wären. Tausende von Frauen aus jeder Gesellschaftsklasse finden sich zu dieser Liebesarbeit zusammen, und zwar ohne Rücksicht auf irgend einen Entgelt. Tic Pflegerinnen der japa nischen Gesellschaft vom Roten Kreuz haben eine treffliche Ausbildung erhalten, da sie drei Jahre lang in einem Krankenhaus gelernt haben müssen. — Aus Rußland wird berichtet, daß demnächst ein Sanitätszug mit voll ständiger Ausrüstung ^um Transport von 240 Ver wundeten nach Ostasien abgehen wird. Die Einrichtung wird dazu bestimmt sein, die Verwundeten von einem Punkt in möglichster Nähe des Haupttrefsens nach dem nächsten Lazarett zu schaffen. Die Krankenbetten sind so eingerichtet, daß sie in znsammcngclegtem Zustand jedes in eine Holzkiste verpackt werden können, während sie aus- einandcrgeuommen mit ledernden Haken an dem Dach des Eisenbahnwagens aufgebängt oder auch einfach auf den Boden gestellt werden können. Zu jedem Krankenbett gehört ein kleiner Feldstnhl, eine vollständige Ausstattung von Leinenzeug für den Verwundeten und andere Ge räte. Alle 240 Betten sind in einem besonders gebauten Güterwagen untergebracht, in dem sich auch ein Küchen raum, ein Sterilisierapvarat und Wasserkessel befinden sollen. Die Federn dieses Wagens sind derart, daß die Beförderung auch mit einem Schnellzug geschehen kann. In gebrauchsfertigem Zustand verlangen je 12 solcher Betten einen Eisenbahnwagen, wenn sechs an der Decke aufgchängt und sechs auf den Boden gestellt werden. Auf diese Weise kann ein Güterwagen in zwei Stunden für den Transport von Verwundeten fertig eingerichtet wer den. Die Gräfin Schuwalow hat die Absicht, auf dem Kriegsschauplatz ein Hospital mit 100 Betten zu stiften und auf ihre eigenen Kosten zu unterhalten; letztere wer den auf monatlich 12 000 .st geschäht. ?sMirche cage;;cbau. * Leipzig, 30. Juni. Frankreich und die Kieler Feste Man sieht e« nicht gern, wenn ein geschätzter Freund und Gönner auch mit solchen Leuten verkehrt, die man im Grunde seine« Herzens nicht leiden kann. Es regt sich dann immer Mißtrauen und Eifersucht. So ergeht es auch Frankreich angesichts der Kieler Ereignisse. Da sich aber bei ihm zum eifersüchtigen Mißtrauen eine lebhafte Eitelkeit gesellt, so darf es uns nicht Wunder nehmen, wenn wir die französische Presse zunächst bemüht sehen, Deutschland als den um Gunst Werbenden hinzustellcn. Den französischen Lesern wird erzählt, die Rede des deutschen Kaisers sei übertrieben schwungvoll gewesen und die Antwort König Eduards ein kalted Wasserstrahl. So etwas liest der Franzose gern und noch williger glaubt ers. Die Stelle von dem Nebeneinanderflattern der deutschen und der englischen Wimpel wird übergangen. Sehr ausführlich werden die englischen Preßstimmen wiedergegeben, soweit sie nicht etwa ein gutes Einvernehmen mit Deutschland be fürworten. Mit Behagen werden die hochmütigen Ergüsse von Blättern wie „Times" und „Daily Mail" wörtlich mit- aeteilt, al« einzig wahre öffentliche Meinung Englands. Ver schwiegen aber werden die wohlwollenderen -stimmen der „Morning Post", „Daily News", „Daily Graphic" und anderer Londoner Blätter. Die deutschen Zeitungen aber, so stellen es die meisten französischen dar, wüßten gar nicht, was sie vor Verlegenheit sagen sollten, weil die Hoffnungen, ein englisch-deutsches Einvernehmen nach dem Muster des französischen zu Stande zu bringen, so kläglich ins Wasser der Kieler Bucht gefallen seien. Es ist geradezu belustigend, wenn selbst angesehene französische Blätter die schlaue Ver mutung aussprechen, die deutsche Presse sei deshalb so wort karg in Bezug auf den Kieler Besuch, weil Graf Bülow ihr noch nicht den Ton angegeben habe. Gleichzeitig ärgert man sich aber auch in Paris darüber, daß sich Deutschland nicht dermaßen um die englische Freundschaft bemüht, daß seine guten Beziehungen zu ' darunter leiden. Den Fran zosen scheint doch allmä b ,e Ahnung von der Schwierig- leit de« Kunststückes auf- :d -:;u :rn, wie man mit dem einzigen Verbündeten Japans st i. nu, kann, ohne Rußland zu ver stimmen. Nachdem sich die Pariser Boulevardpresse tagelang darin aefail-r hat, Deutschland al« ver schmähten TogHenburger und krank vor Liebe zur schönen Britanrna zu schildern, befürchtet sie jetzt, daß da« heimtückische Deutschland doch die harmlosen Engländer um- garnt haben könnte. Diesen Umschwung hat allein die Tatsache bewirkt, daß Deutschland dieselben Rechte in Egypten erlangt hat, wie Frankreich. Die chauvinistischen Patrioten bekommen wieder Wasser auf ihre Mühle, denn sie haben e« ja immer gesagt, daß die Aniüiherung an England em Fehler war. Der „Patric" gibt es als ausgemacht, daß zwischen London und Berlin ein geheimes Abkommen zum Nachteile Frank reichs getroffen wurde, und die Kieler Tage sind ihr ein Beweis, daß Deutschland und England die arme Republik wieder einmal gründlich hineingelegt haben. So jauchzt man in Frankreich bald himmelhoch, und bald ist man wieder zum Tode betrübt, Herbe Kritik wurde auf der hessischen Landesversammlung des BundcsderLandwirte an der Reichsregie-- rung geübt. Nach einem Bericht der „Deutschen Tages zeitung" aus Hungen sagte der Bundesvarsitzende l)r. Rösicke u. a.: „Wir tanzen uns durch's Leben, wir feiern uns durch's Leben und wir reden uns durch's Leben." — Die Vielrederei haben auch wir wieder- holt aufs lebhafteste zu beklagen Ursache gehabt. Wenn aber die Mitglieder irgend einer Organisation mit die Schuld an dieser bedauerlichen Erscheinung trifft, so fällt sie sicherlich schwer auf die Schultern der verehrten Bundesleitung. — Ein anderer Redner, Herr Major von Kloeden, sprach über Heimatpolitik und mackste (nach der „Deutsch. Tagesztg.") die Bemerkung, es wäre angezeigt, das industrielle Absatzgebiet in der Heimat zu stärken, statt den Herero nachzulaufen, deren ganzer Haus bedarf noch nicht einmal einer Badehose gleichkomme! — Wie wird sich Herr Bebel freuen, im Ton seiner Kritik über unsere Kolonialpolitik in Südwestafrika einen Gleich klang bei Herrn Major v: Kloeden zu finden! Grundsätzliche Forderungen für die Kolontalpoltlik. Der Kommissar für Britisch-Ostafrika, Sir CbarleS Eliot, ist zurückgetrelen, weil er mit der Kolonisierungs politik der Regierung nicht einverstanden war. Dazu be merkt ein rheinisches Blatt : „Für die deutsche Kolomalpolitik sind aus dem Vorfall mehrere Lehren zu ziehen. Besonders ist zu wünschen, daß die Gouverneure unserer Schutz gebiete sich ihrer Stellung als politische Beamte mehr bewußt werden und frei und frank zurück treten, wenn sie ihre Ueberzeugung mit den Befehlen von Berlin nicht in Einklang bringen können. Auch ohne sich die von Sir Charles Eliot gewählte Form anzueiguen, können sie dafür sorgen, daß die Ursachen ihres Rücktritts, falls sie politischer Art sind, auch bekannt werden. In solchen Fällen hat die Oeffentlichkcit Anspruch darauf, unterrichtet zu werden, und die geeignete Form hierfür ist, was jetzt in Eng land geschehen wird: die Veröffentlichung der Aktenstücke. Ueberhaupt ist darauf zu dringen, daß die kolonialen Fragen dem diplomatischen Halbdunkel, das die alte Dame Traditwn über sie verbreitet, entrückt werden. In erster Linie ist die« gegenwärtig notwendig mit bezug auf die Behandlung der Eingeborenen und die heimliche Einfuhr von Waffen in Süd westafrika. Ein Weißbuch über diese Fragen sollte dem Reichstag die nötige Aufklärung bringen." ttNUgc Ziffern über »te SntwiUlun« -vpuu». Die Bevölkerung Japans vermehrt sich jährlich um 400 000 Seelen. Die Einkünfte des Staates haben sich in 20 Jahren verdreifacht. Die Schuld des Reichs belastet das Volk mit etwa 25 pro Kopf. Für da- Militär hat Japan ausgegeben von 1888 bis 1896 372 Millionen, in der Zeit von 1896 bis 1903 1 Milliarde und 520 Millionen Mark, der Tonnengchalt der Segelflotte hat sich in 11 Jahre» ver- sechSfackt, der Außenhandel in 12 Jahren vervierfacht. Die japanische Landwirtschaft erstreckt sich beute auf 13 Millionen Hektar des Bodens und liefert Werte im Betrag von fast 2 Milliarden. An Wäldern besitzt Japan eine Fläche von 1 600 000 Hektaren. AuS seinen Kohlenlagern zieht eS jährlich etwa 8 Millionen Tonnen. Die Länge der Schienen wege hat sich in 13 Jahren verdreifacht und jetzt 10 000 Kilometer überschritten; die Zahl der Eisenbahnwagen ist von 130 im Jahr 1870 auf 21 000 im Jahr 1900 ge stiegen. Die Zahl der metallurgischen Werkstätten betrug 1880 erst 20 und jetzt 3200, die der darin beschäftigten Arbeiter damals 3200, heute 380 000; die der Fabriken ist von 24 auf 7000 gestiegen. An Baumwollspinnereien besaß Japan 1893 erst 40, im Jahre 1901 s^on 81; sie stellten 1893 für 24 und 1901 für 75 Millionen Mark Waren her. Dementsprechend bezog Japan im ersteren Jahre für 32, im dem Strome, in dessen Mitte der junge Lavadi sich be- findet .... in diesem Punkte werden sich ihre Wege nie mals im Leben berühren." — VH. Frau von Tormas Besitztum war eine Musterwirt schaft ersten Ranges, und kein Fremder kam nach Turdova oder den benachbarten Gutshöfen, der nicht einen Ab- siecher dahin machte, um die modernen landwirtschaft lichen Einrichtungen kennen zu lernen. Ihre Felder gaben den besten Ertrag, die Wälder waren die stattlichsten, die Schafheerdcn die gesuchtesten auf den Märkten und die große Sägemllhle und Ziegel brennereien versorgten mit Baumaterial weit und breit die Gegend. Frau von Torma beschäftigte zahlreiche Arbeiter, sie hatte Ober- und Unterbeamte, aber alles ging durch ihre Hände, sie übersah und leitete alles. Charlotte war die Tochter eines Fabrikanten aus der Hauptstadt. Ihr Vater, ein Patriot aus dem achtund vierziger Jahre, der in dem Freiheitskriege Gut und Blut für sein Land gewagt hatte, war gegen die Heirat mit dem adeligen Manne. Er hätte einen Bürgerlichen vorgezogen, der nach ihm die Fabrik weitergeführt hätte. Auch nahm er an, daß nickst Liebe den Freier in sein Haus geführt, sondern daß er den Ruin seiner Familie damit aufhalten wollte. — Es gab harte Kämpfe, aber die Tochter blieb Siegerin. Ihre Liebe für Baron Torma, den sie in einer Gesellschaft kennen gelernt hatte, war tief und aufrichtig, und ebenso glaubte sie an seine Zuneigung. Denn wenn Charlotte auch nicht als Schönheit galt, so war sic doch vermöge ihrer geistigen Anlagen, ihrer eigen- artigen Erscheinung ein vielbcgehrtes Mädchen. Ein halbes Jahr nach ihrer Hochzeit starben ihre Eltern, und die Fabrik wurde verkauft. Oft in späteren Jahren noch war cs für sie ein Trost, daß ihre Eltern nur jeugen ihrer glücklichen Tage gewesen, daß sie die Zeit ihres Elends nicht miterlebt; denn nach einem weiteren I Jahre hatte sie den größten Schmerz, die größte Ent täuschung ihres Lebens erfahren. — Kurz nach der Flucht des Gatten erfolgte die Geburt eines Kindes, das aber nur wenige Wochen lebte; es war ein Knabe gewesen. So war alles um sie her zusammengebrochen, der In halt ihres Lebens zertrümmert Charlotte war aber stärker als ihr Schicksal, und sie blieb auch in diesem Falle Siegerin. . . . Aus Schutt und Trümmern rang ihr Geist nach neuen Zielen. Sie widmete sich der Bewirtschaftung ihres Gutes, sie baute die Sägemühle, legte Ziegelbrennereien an, und als eine Zeit vergangen war, verwandelte sich das Mitleid und Bedauern der Leute, die Schadenfreude, die mancher empfunden hatte, in Gefühl der Achtung und staunender Bewunderung. Was hatte sie aus ihrem Leben zu machen gewußt! Wie blühte und gedieh alles unter ihren energischen Händen, ihren umsichtigen, weitausschauenden Blicken! — Sie baute keine Besserungsanstalten, sie verfertigte nicht eigenhändig warme Kleider für arme Kinder, aber sie wurde in anderer Weise eine Wohltäterin für den Ort, indcin sie ihm zum Wohlstand verhalf und ihn aus einem ärmlichen Torf nach und nach zu einem gesuchten Markt- flecken machte. Ihre großartigen Unternehmungen und Geschäftsverbindungen kamen der ganzen Gegend zu gute. Und sie sorgte noch in mancherlei Art für Turdova, er richtete eine höhere Schule, machte es möglich, daß sich ein Arzt dort niederließ und eine Apotheke eröffnet wurde. So hatte das Städtchen alle Ursache, auf Charlotte von Torma stolz und ihr dankbar zu sein. Ein einziges Mal war ihr Kunde von demjenigen gekommen, der ihr alles gewesen und alles genommen hatte. — An einem Sommertag war eS . . . fünf Jahre nach- dem jenes Ereignis sich abgespielt hatte Frau von Torma saß in ihre», Arbeitszimmer und sah die einge troffene Post nach, ein Brief fiel ihr in die Hand, dessen Schrift ihr bekannt und wiederum fremd war. Aus einem Kloster war er datiert, und der Poststempel trug den Namen eines kleinen rumänischen Ortes. — Das Schreiben enthielt nur wenige Zeilen, aber die Schrift war entstellt, die Buchstaben so unsicher und hülf- los, als habe eine halb erstarrte Hand die Feder ge führt Es war auch ein totkranker Mann, der sie mit wenigen Worten, aber herzzerreißend anflehte, zu ihm zu kommen, da er ohne ihre Verzeihung nicht sterben könne. — Sie war zuerst wie erstarrt gewesen, dann hatte sie lange geweint .... und am Abend desselben Tages hatte sie die Reise angetreten. — Zwei Tage und Nächte dauerte die Fahrt; denn die Bahnverbindung war eine schlechte und nur streckenweise, und einen großen Teil mußte sie in einem unbequemen Gefährt auf beschwerlichen Gebirgswegen zurücklegen, bis sie den kleinen versteckten Ort erreichte, wo sich das Kloster St. Sebastian befand. Und als Charlotte dann an seinem Lager stand, war sie tief erschüttert. Gemahnte diese abgezehrte Gestalt, dies verfallene Gesicht mit den eingesunkenen Schläfen an den einst so blühenden, kräftigen Mann? ... An ihren Andreas, den sie aus tiefster Seele geliebt hatte? In den Augen, auf der Stirne lagerten bereits die Schatten des Todes Als die erste traurige Begrüßung vorüber war, ver nahm sie von ihm die Geschichte seines kurzen Liebes glückes. — Sie hatten sich unter veränderten Namen in diesem verborgenen Gebirgsort niedergelassen, der dem Baron von seiner Amme her bekannt war, weil sie hofften, da am wenigsten gesucht zu werden, weniger als an jedem andern Ort der Welt. Sie waren auch unbehelligt ge blieben und ein halbes Jahr verging ihnen in einem großen, großen Glücke.... Dann kam die schwere Stunde für die Gräfin ... ein Knabe kam zur Welt, aber sie schloß für immer die Augen. ... Er war zerschmettert, er glaubte, wahnsinnig zu werden ... er hätte sich getötet, aber das Kind war da, um des Kindes willen mußte ec leben. Aber eines war zur unumstößlichen Gewißheit in ihm geworden: Maries Tod war die Strafe für die be- gangene Freveltat. Er mußte büßen, ihre Seele lösen.... Er trat als Mönch in das Kloster St. Sebastian, das sich in der Nähe des kleinen Ortes befand, wo sie, seine arme Marie, begraben lag. Aber, war jene ungeheure Schmerzenszeit, die Rene, die ihn marterte, die Ursache, oder konnte er das kasteiende Leben eines Büßers nicht ertragen? — Ein schweres Leiden stellte sich ein, das seine Lebenskräfte anfzehrte. Die guten Klosterbrüder hatten ihm seinen Knaben gebracht, der bei einer Bäuerin im Orte in Pflege war, weil sie glaubten, der Anblick des Kindes würde ihm Ge nesung, Frieden bringen. ... Er aber wußte, daß es für ihn keine Hülfe gab, und der Anblick des Kindes marterte noch mehr seine Seele.... Nur sie, Charlotte, konnte ihm Erleichterung in der Todesstunde bringen! .... Sein Weib, dem er so Weh getan! ... Und dann bat er sie um Vergebung. „Laß es gut sein, Andreas", sagte sie, und als sie den geliebten Namen wieder aussprach, war es ihr, als ginge ein Riß durch ihr Herz, als stiege die alte Qual auf und schnüre ihr den Hals zu; heiße Tränen stürzten ihr aus den Augen und sie konnte eine Zeit lang nicht weiter sprechen. „Laß es gut sein", wiederholte sie dann. „Wäre dir dein Glück geblieben .... diese Stunde wäre vielleicht nie für mich gekommen. ... Du bist aber unglücklich, bist krank, Andreas, das löscht mein Recht gegen dich aus.... Ich verzeihe dir von Herzen, wenn dir das Er leichterung bringt." (Fortsetzung folgt.)
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