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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.09.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-29
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040929029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904092902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904092902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-29
- Monat1904-09
- Jahr1904
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muß es das Bestreben sein, vom Alten so viel als möglich zu erhalten und dabei doch möglichst Praktisches zu schaffen. . .. * St» Änbiläu«»»tner veranstalten die Mrtalreder des Reichsgericht- am Sonnabend, den 1. Oktober cr., nach» mittag» 5 Uhr au» Anlaß de» 25 jährigen Bestehen- de- Reichsgerichts, im Palmengarten. Das Diner wird einen intimen Charakter haben; es nehmen außer vielen früheren und den jetzigen Mitgliedern des Reichsgerichts nur wenige Vertreter anderer Behörden, u. a. Herr Oberbürgermeister Dr. Tröndlin, sowie die juristische Fakultät der Leimiger Universität, daran teil. Den Borsitz de- Ausschusses ^sür die Vorbereitungen zu dieser Veranstaltung hat Herr SenatS- präsivent Dr. Loewenstein übernommen. 6. Personalien von» Landgcricht. Zum Vorsitzenden der Kammer ll für Handelssachen wurde an Stelle des zum ÄmtSgerichlSpräsidenten ernannten Herrn Lanvgerichlsdirektor Dr. Siegel Herr LandgerichiSrat Dr. Reppchen bestimmt. lq Rataly von Vschstruth hat sich längst einen angesehenen Rainen erworben. Ihre gemütvolle CrzählungSkunst hat sich in den weitesten Kreisen Anerkennung zu erringen gewußt. ES wird darum jedem unserer Leser Freud« machen zu hören, vaß der neueste Roman -der bekannten Schriftstellerin „Am Ende der Welt" im „Leipziger Tageblatt' mit dem heutigen Abendblatt zu erscheinen beginnt. Das Werk be handelt die Sehnsucht nach dem Treiben der großen Welt, die der Mensch empfindet, der sein Leben fern der Großstadt führt. Mit der ihr eigenen Feinheit zeigt un- Nataly v. Eschstruth, wie verderblich dieser Hang für gewisse Naturen werden kann und wie man bald da» verwünscht, was man so beiß ersehnt hat. Bon ungefähr berührt sich der Inhalt des Romans mit dem Gedankengang in d'AlbertS „Tiefland", das den Leipzigern von den Aufführungen im Neuen Theater her bekannt ist. —«. Für Jäger. Am kommenden Sonnabend geht die Jagd aufHascn und Fasanen auf und vom 15. Oktober ab ist auf den Jagdrevieren des Königreiches Sachsen auch der Abschuß von Ricken gestattet. Schonung erfahren vom letztgenannten Zeitpunkte ab nur noch die Schmalricken und Rehkälber, sowie die nur im Januar erlegbaren Spießcrböckc und die Ziemer, welche erst vom 16. November an geschossen werden dürfen. Die Hasen jagd läßt nach den bisherigen Beobachtungen gute Er folge erwarten. Die Landwirte sehnen den Beginn der Hasenjagd in diesem Jahre herbei, denn der von den Hasen angerichtete Schaden an Feldfrücksicn ist angesichts der infolge der Trockenheit teilweise eingetretenen schlechten Ernte doppelt fühlbar. »8. Mission-fest i» Leipzig. Sonntag, den ll. Oktober, feiert der Leipziger Zweigverein für evangelisch-lutherische Heidenmission fein Iabre-fest. Abends 6 Uhr findet in der Nikolaikirche Festgottesdienst statt. Die Festprebigt wird Herr Hofprediger Kretzschmar-DreSden halten. In der Nach versammlung, die >/«9 Uhr im großen Saale des Zentral- lbeaterS beginnt, wird Herr MisponSdirektor D. v. Schwartz über die afrikanische Mission sprechen. 3. Mtssionsfeter für Kinder. In der Thoma-kirche soll Sonntag, den 9. Oktober, vormittags si«12 Uhr eine Missionsfeier für die die hiesigen Kindergottesdienste besuchenden Kinder unter Leitung de» Herrn Pfarrers Dr. Jeremias und mit einer Ansprache des Herrn MisstonS- inspektorS Dr. Siedel abgehalten werden. * Tie Tätigkeit de- Baupolizeiamtes ist in den letzten Jahren in wesentlich erhöhtem Maße in Anspruch genommen worden. Es betrug die Zahl der 1901 1902 1903 Gutachten 6905 7 234 8221 Revisionen, Lokalbesichtigungen u. Erörterungen 56800 61145 63 617 Da auch das gegenwärtige Geschäftsjahr eine weitere Steige rung der Geschäftstätigkeit mit Sicherheit erwarten läßt, so soll, La die jetzt angestrllten drei Bauinspektoren zur Begutachtung der größeren Baupläne nicht mehr aus reichen, eine neue Bauinspektorstelle begründet werden. Ferner ist in Aussicht genommen, die Zahl der Baurevisionsbezirke (jetzt 9) um einen zu vermehren und dementsprechend auch einen weiteren BezirkSbaurevisor anzustellen. Eine erhöhte Kontrolle wird übrigens in letzter Zeit namentlich denjenigen Bauten zugewendet, bei denen es sich um reine Spekulationsobjekte handelt und deren Erbauer keine Gewähr für die ordnungsgemäße Herstellung und die Befolgung der gegebenen Vorschriften bieten. * Jubiläum. Am 1. Oktober begeht die Firma A. La It zendorf, Buchbinderei, Leipzig, Mittelstratze 2/4, ihr 25 jähriges GcschärtSjubiläum und der bei dieser Firma beschäftigte Wertführer .Herr Ed. Genscher sein 25 jähriges Arbeitsjubiläum. * Scheues Pferd. In der Lindenthaler Straße in Gohlis scheute gestern Mittag daS Pf e rd eines einspännigen Geschirres vor einem vorübersahrenden Eisenbahnzuge und ging durch. In der Wahrener Straße gelang eS Passanten, daS Pferd aufzuhalten. Zu Schaden war zum Glücke bei der tollen Jagd Niemand gekommen. * spottzeibevicht. Abhanden gekommen ist am 27. d. M. in der Berliner Ltratzc ein Kriegshund, Airedale-Tcrrier, auf den Damen „T c d" hörend, 5lh Monate alt, braun, mir dunklen Rückenflcckcn, im Werte von 800 Auf die Wiedererlangung des Hundes, der rotes Halsband trägt, ist eine Belohnung aus gesetzt. Gestohlen wurde aus einem Bade ein braunes Sport. Portemonnaie, das außer einem Geldbeträge 4 Fahr- Eintel--Ausgabe 1904/05 Al» Teil II. des Verkehrsbuches und um diesem nicht die Handlich keit zu nehmen besonders gebunden wird in einigen Tagen das Wart rttlikeilig sm 1. Skioder rvr-urgslm. rrdsllmüleMuuovteil äer fsMstlu grslir. E. Pol; Verlag (Leipziger Tageblatt). Kleine Leipziger -lllrerzbucd - - fjjs 1--4 05 — ... —— UttkelmbuO MiltellielMchläiiij erscheinen und allen unseren Abonnenten kostenlos zugestcllt werden. Da bisher ein derartiges kleines Handbuch sür das Leipziger Hrioatpublikum gesehlt hat, so wird dieses „Taschen-Adreßbuch" bald jedem Leipziger unentbehrlich sein, denn in der Regel können doch nur größere Geschäftsleute an die Anschaffung eines großen und teuren Adreßbuches denken. Vas vom Leipziger Tageblatt herausgegebene „Kleine Leipziger Adreßbuch" wird alles Adressen material enthalten, das dem jllrivatpnblikum unbedingt zur Band sein muß, damit cs nicht, nm die Adresse eines Arztes oder Ge schäftsmannes zu erfahren, erst in die Nachbarschaft zu einem Kaufmann oder Gastwirt schicken muß. Die Eintragung in dieses „Kleine Leipziger Adreßbuch" ist für jeden Geschäftsmann hochwichtig und daher nicht zu versäumen, wer die Eintragung bisher versäumt hat, wolle dies sofort nach holen. Eintragungsformulare sind in der Expedition des Leipziger Tageblattes zu haben. Inserate haben besten Erfolg da sie 7 Monate lang täglich von Tausenden gelesen werden. Leipzig, Iohannisgasse s. karten 3 Klasse Pirna-Dresden und 4 derartige Karten TreSdcn-Leipzig enthielt; eine goldene Damcn-Remontoiruhr, Nr. 49 083,«mit goldener zweiilrängiger Kette mit Quasten; ans einer Wohnung in der Windorfer Straße eine goldene Damen-Remontoire-Savonetruhr im Werte von 120 aus einem Kontor in der Querstraße ein Sparbuch der Leipziger Sparkasse, ausgestellt für Ernst Scheiding, mit 50 c.6 Einlage. Verhaftet wurde ein 19 Jahre alter Hausbursche aus Eislebcn, der zu wiederholten Malen EinbruchSdicbstähle in Lokalen in der Dresdner Straße verübte und dabei Geldbeträge und Konditorciwaren entwendete. Zur Verantwortung gezogen wurde eine 44 Jahre alte, schon bestrafte Arbcitcrsehefrau aus Gefell, die aus einem Restaurant in der inneren Stadt, wo sie beschäftigt war, eine Anzahl Wäschestücke entwendete. Gewaltsame Entwendung. In einem Grundstück der Querstraße lauerte gestern abend ein aus Waldau ge bürtiger 31 Jahre alter Kaufmann eine daselbst wohn hafte Frauensperson auf und nahm ihr unter Anwendung von Gewalt ein Portemonnaie mit 17 ab. Der schon wiederholt bestrafte Dieb drohte der Bestohlenen mit Erstechen und entfloh nach verübter Tat, wurde aber später von zwei Schutzleuten festgcnommcn. Wegen eine» Gelddiebstahls kam eine 42 Jahre alte Plärterin aus Glauchau in Haft. Mr aller Mit. --- Isadora Tuncan al» Klägerin. Man schreibt uns au» Nürnberg: Unter großem Andrang« des Publikums fand am Mittwoch vormittag vor dem Schöffengericht unter dem Vorsitze des König!. Amtsrichters Löffler die Verhandlung in der Privatklagesache der ameri kanischen Tanzkünstlerin Miß Isadora Duncan gegen den früheren Redakteur der „Fränkischen Tages post" Konrad Eberhardt und den Redakteur Georg Gärtner aus Nürnberg statt. Die beiden waren be schuldigt, durch einen Artikel des genannten Blattes die berühmte Barfußtänzerin beleidigt zu haben. Sie hatten über einen Kuppeleiprozeß berichtet, in dem es zur Sprache gekommen war, daß eine in einem hiesigen Varists auftretende Barsußtänzerin von mehreren reichen Nürnbergern in ein anrüchiges Lokal verschleppt und dort zu einem antiken Tanze unsittlicher Art veranlaßt worden war. Dadurch, daß diese Tänzerin sich einen englischen Namen zugelegt batte, der in der Aussprache dem der Miß Duncan ähnlich klang, war der Berichterstatter zu dem folgen schweren Irrtum verleitet worden, es handele sich dabei um Isadora Duncan. Diese wurde daraufhin von dem damali gen Leiter des Blattes, Redakteur Gärtner, in heftiger Weise angegriffen und ebenso von einer ganzen Anzahl weiterer Blätter, die der Meinung Ausdruck gaben, daß die gegen hohe Gage auf tretende Künstlerin die eigenartige Form ihrer Darbietungen anscheinend nur deshalb gewählt habe, um unter dem Vor geben, die Tanzkunst der Antike wieder sil Ehren zu bringen, unlautere Geschäfte betreiben zu können. Nach dem inzwischen die Feststellung gelungen War, daß man die vielgenannte Miß zu Unrecht beschuldigt hatte, handelte cs sich in dem Prozeß nur noch um die Frage, in welcher Form die Urheber des Ge rüchts zur Rechenschaft gezogen werden sollten. Miß Isadora Duncan, die bekanntlich ihre Mitwirkung bei den Bayreuther I Festspielen vorzeitig eingestellt hat und gegenwärtig wieder in Soireen, zur Zeit in Karlsruhe, ihre Kunst zeigt, hatte nach längeren Verhandlungen in Vergleich-Vorschläge gewilligt, die ihr von den beiden Beklagten unterbreitet worden waren. Sie war deshalb zu der heutigen Verhandlung vom Erscheine» ent bunden worden. Sie wurde durch Recht-anwalt Fried mann-Nürnberg vertreten, während den Beklagten Rechts anwalt Dr. Süß heim zur Seite stand. Nach kurzer Ver handlung kam der Vergleich auf nachfolgender Grundlage zustande: 1) Der Beklagte Redakteur Gärtner erklärt, daß er zwar sich au der Verbreitung de» in allen Teilen unwahren Gerüchts, daß Miß Isadora Duncan in einen Nürnberger Kuppeleiprozeß verwickelt gewesen sei, beteiligt hat, vaß er aber hierzu nur durch von dritter Seite ihm gewordenen Mitteilungen veranlaßt worveu ist. 2- Ter Beklagte Eberbardt erklärt, daß da« von ihm weitergetrageue Gerücht durch ein bedauer liches Hörverseben dadurch veranlaßt wurde, daß er in dem er wähnten Kuppeleiprozeß den englischen Namen einer darin ver wickelten Barfußtänzerin irrtümlich als den der Miß Duncan verstanden hat. 3) Beide Beklagte bedauern lebbaft, an der Verbreitung jenes unwahren Gerüchtes sich beteiligt und hier durch Miß Isadora Duncan grundlos beleidigt zu haben. 4) Sie gestatten gleichzeitig, daß diese ihre Erklärung je ein mal auf ihre Kosten in den „Münchener Neuesten Nach richten" und dem „Fränkischen Kurier" veröffentlicht wird, desgleichen tragen sie gemeinsam alle der Miß Duncan er wachsenen Anwalts- und Gericht-kosten. Darauf zog Rechtsanwalt Friedmann die Klage der Miß zurück. * Neutgkeiten. Die Cholera in Ruhlanp. Nact^ amtlicher Meldung sind in Saratow vom 17. bis 27. September 9 Personen an verCholcra erkrankt, von denen 3 gestorben sind. Im transkaspischen Gebiet und in Baku hat die Cholera in der vorigen Woche zugenommen; in Baku sind seit dem Auftreten der Cholera 67 Personen erkrankt und 38 gestorben. Durch l-inftur; eines Gewölbe- in einer Tuchfabrik in Biella (Piemont) sind fünf Personen umgekommen, darunter der Mitbesitzer der Fabrik. Mehrere Personen haben Verletzungen erlitten; dir Arbeiter waren abend- noch nicht unter den Trümmern hervorgezogen. Giuc Typhusept-emte ist in Dirschau (Provinz West preußen) ausgebrochen. Bisher sind dem „B. L.-A." zufolge 27 Erkrankungen konstatiert worden; Maßnahmen zur Bekämpfung der Seuche sind beschlossen worden. Der flüchtig geworbene Beamte Fran, Traschltk, welcher die Defraudation an der Kunstgewerbeschule de« öster reichischen Museums in Wien begangen hat, ist nicht Kanzlei offizial für Kultus und Unterricht, sondern Kanzleiosfi- zial der genannten Kunstgewerbeschule. itzin Pestkranker auf dem „BiShopSgate". „Daily Tele graph" berichtet, daß an Bord des an der Tyne-Mündu ng eingetroffenen englischen Dampfers „BiShopSgate" ein Fall von Beulenpest vorgekommen sei. Der Dampfer sei kürzlich in Hamburg ausgeräuchert worden, weil nach seiner Ankunft von La Plata tote Ratten auf ihm vorgefunden worden feien. Ein dort an Bord ge gangener deutscher Bootsmann sei jetzt in Iarrow als pestkrank auSgeschikst worden. Schweres Grubenunglück. Auf Schacht V der Zeche General Blumenthal in Recklinghausen in Westfalen stürzte gestern abend infolge Durchbruchs de» Schachtholzes eine Maurerbühne mit 10 darauf befindlichen Personen über 40 m in die Tiefe. 8 Arbeiter wurden getötet, die anderen beiden schwer verletzt. Sie sind sämtlich Familienväter. Letzte Depeschen unö JernsprechmeL'örrngen. VÜIou» und Gislittt. * Frankfurt a. M., 29. September. (Eigene Mel- düng.) Der Reichskanzler versicherte einem Gewährs- manne der „Frkf. Ztg.", daß Giolittis Besuch rein per sönlichen Beziehungen galt. Eine Intervention im russisch-japanischen Kriege fei deutscherseits vollständig ausgeschlossen. Die deutsche Regierung nehme den Standpunkt der französischen ein, die kürzlich offiziös entschieden eine Intervention zurückgewiesen hat. Der Krieg könne noch lange dauern, es gebe aber kein Mittel, seine Fortdauer zu verhindern. Mit versiegelter Order. * Hamburg, 29. September. (Eigene Meldung.) Zehn im hiesigen Hafen liegende Dampfer der Hamburg-Amerika-Linie gehen innerhalb einer Woche mit versiegelterOrder nach Ost- asien ab. * Wien, 29. September. Der König von Rumänien ist mit dem Prinzen Karl, dem Sohne des rumänischen Thronfolgers, zu kurzem Aufenthalt heute früh hier eingetroffen. Leitung: Adolf Schiebt. Verantwortliche Redakteure: Für Politik l)r. Friedrich Purliy, für sächsische Angelegenheiten Rudolf Szallie», für Feuilleton Paul Zschorlich, für Spott Julius Haarfeld. Sämtlich in Leipzig. — Für den Inseratenteil verantwortlich Emil Abigt, Gautzsch-Leipzig. Die vorliegende Nummer umfaßt 8 Seiten. schwach, aber seine Augen folgten Elisabeth unaufhörlich, wenn sie durch das Zimmer ging, in ihrer leichten schwe benden Art, wenn sie seine Suppe brachte, ihm die Medizin reichte oder mit dem Kind auf dem Arm zu sammen saß, alles in immer gleicher sanfter Geduld tuend. In seinen Augen lag dann ein stilles Staunen. Sie war ganz wie einst und doch so verändert, aus dem kindlichen Mädchen war ein ernstes zielbewußtes Weib geworden, Las tiefe Leid hatte sie gereift, nicht verbittert, ihr nur einen eigenen herben Reiz verliehen. Von Tag zu Tag wuchsen seine Kräfte, aber seine Apathie blieb. Trat Elisabeth zu ihm und legte die Hand auf seine Stirn, dann lächelte er glücklich, wie ein Kind, was sie ihm sagte, tat er, aber nie sprach er von seiner Kunst und von der Zeit, da er wieder arbeiten wollte. Es '.vqr als hätten die lange Krankheit und die schweren Jahre variier alle Kraft und Energie in ihm getötet. Elisabeth sah mit unsäglicher Trauer dies müde lächelnde Lahindänunern, sic fürchtete manchmal der Geist des Kranken l>abe gelitten und immer wieder mußten Doktor Erler und Vera sie beruhigen und auf die Zukunft vertrösten. Auf der Newa war längst das Eis gegangen und der Frühling gekommen, kein deutscher Frühling, der lang sam seine Freuden weise verteilt, in wenigen Tagen prangten die Anlagen und Gärten im Blätterschmuck und Blütenpracht. Wolfgang Stritt konnte bereits das Bett verlas'en, still, fast teilnahmslos saß er Tag für Tag am Fenster, Parzival spielte neben ihm und plauderte mit dem Vater, obgleich er ost genug keine Antwort erhielt. Ter Kleine war, feit cr im Sonnenschein von Elisabeths Liebe stand, gar nicht so verschüchtert, sein herzliches, frohes Kinderlachen erscholl oft genug und seine Bäckchen begannen sich zu runden, er blühte auf wie ein Blümchen, das inan aus dem Schatten ins Licht getragen hatte. Nun die Sorge um das Leben Wolfgangs von Elisa beth genommen war, begann die Sorge für sein Leben sie zu quälen, die Sorge um das tägliche Brot. Sic hatte rasch genug eingesehen, daß Wolfgang beinahe mittellos war. Ihre eigenen Ersparnisse, die ihr Vater nachge sandt, ivaren auch gering, wenn die Krankheit noch lange währte, wenn es vielleicht noch Monate dauerte, ehe dec Mann fähig war, seinen Beruf wieder aufzunehmen. loie sollte es dann werden, wenn sie ihr kleines Kapital jetzt verbrauchte? Auch verlor sie, je länger sie von Königsberg fort blieb, mehr und mehr ihre Schüler. Wolfgang mit nach dort zu nehmen war auch unmöglich, man hätte in der Stadt der reinen Vernunft, ebenso wenig an die Reinheit ihrer Liebe geglaubt, wie man dies wo anders tun würde. Jetzt Wolfgang verlassen konnte sie nicht, sie kvar sein einziger Halt, das fühlte sie, ging sie von ihm, würde er bald zu Grunde gehen. Sie faßte daher den Entschluß, den Versuch zu machen, in Petersburg Stunden zu erlxilten, uud diesen Ge danken teilte sie sogleich Vera Strogonow mit, denn wenn ihr jemand bei der Ausführung ihres Planes behülflich sein konnte, so war es die Aerztin. Elisabeth hatte sich nicht in der Freundin getäuscht, diese erging sich nicht in LobesauSbrüchen über dell tapferen Entschluß: „Wenigstens ein vernünftiger Ge danke Kind, ich will sehen, was sich tun läßt", sagte sie und sprach dann nicht weiter davon, bis sie nach einigen Tagen Elisabeth die Nachricht brachte, daß sic ihr, in der Familie eines hohen Beamten, Stunden verschafft hätte. Auch Doktor Erler bemühte sich für seine Landsmännin und da er viele Beziehungen in deutschen Familien hatte, gelang cs ihm leicht, seinen Schützling einzuführen, uno Elisabeth hatte nach kurzer Zeit eine ganze Anzahl Schüler. Offiziell galt sic als eine nahe Verwandte Wolfgangs und diese Verhüllung der Wahrheit war ihr unsäglich nicderdrückend und bereitete ihr viele bittere Stunden, aber die Sorge und die Klugheit hießen sic schweigen, denn die Welt will immer um außergewöhnliche Verhält nisse ein Mäntelchen umgchängt haben, mag jeder auch noch so genau nusien, was sich darunter verbirgt, der Schein muß gewahrt bleiben. Nun gab es viele Stunden des Tages, an denen Elisa- beth fort war, sie ging stets mit Angst und kehrte mit Sorge heim, denn immer mehr fand sie, daß Wolfgangs Stimmung sich verdüsterte. Vera und Doktor Erler Hatter) gehofft, Elisabeths aufopfernde Liebe, ihre Arbeit für ihn würden den Kranken aus seiner Apathie erwecken, es würde in ihm der Wunsch nach Tätigkeit rege werden, statt dessen versank er mehr und mehr in seine grübelnde Schwermut. Wenn es so still um ihn herum war und nur Panivals Plaudern, der mit all den hübschen Sachen spielte, die seine liebe Mami ihm geschenkt, ertönte, dann kamen die Schatten und umdrohten den einsamen Mann. Immer wieder sah er das Bild Irenes neben Elisabeth stehen, sah das Weib mit den lüsternen Augen, die frechen Lieder aus den Lippen, neben Elisabeths reiner, stolzer Mädchen gestalt und er sah sein Leben in den Jahren seiner Ehe und ihn erfaßte heiße Scbam, er fühlte sich so unwert, so tief gesunken. Was war er dock; für ein jämmerlicher Wicht geworden, so schwach, so kraftlos, so bar jeden Selbstvertrauens! Seine Kunst! — Der Gedanke an sie entlockte ihm nur ein bitteres Lachen, er war ja lein Künstler, seine Kraft hatte versagt, er stand so tief, tief unten. Warum lebte cr eigentlich noch, er, der niemand etwas nützte, er, der ncb von einem Weibe ernähren ließ? Dieser Gedanke marterte ihn nomenlos und immer wieder sagte cr es sich, „du muht fort, du bist überflüssig, eine Schmarotzerpflanze, weiter nichts." Als eines Tages Elisabeth von ihrem Stundcngang zurückkain, mit von der Luft geröteten Wangen und so vor ihm stand, so schön, kraftvoll und mutig, ein starker Mensch, da brach jäh seine Verzweiflung hervor, cr wcintc wie ein Kind, er demütigte sich selbst, nannte sich einen Verlorenen und beklagte, daß er noch lebe. „Wofür, wo zu?" rief cr leidenschaftlich aus. ..was will ich noch. ich. der ich nichts kann, nichts bin, als dir eine Last, ein Hemmschuh, ivaruin hielt man mich zurück, in dieser Welt, einen lebendig Toten? Meine Kunst ist eine lächerliche Farce, weiter nichts, tausende können mebr wie ich, ich glaube, ich war — nie ein Künstler! Wem nützt mein jammervolles Dasein noch, was soll ich noch hier?" (Fortsetzung folgt.)
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