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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.10.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-12
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041012027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904101202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904101202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-12
- Monat1904-10
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den Transport von Kohle und anderer Kontrebandc gestatte, abgesehen davon das; die russischen OrdreS für Kohle zuKardiff mit Begier erwartet und mit größter Befriedigung ausgesührt werden. ?sIMrcbe cagerrcdau. * Leipzig, lr. Oktober. Einer soll König sein! Dor kurzem hat in Berlin zu Ehren des bisherigen Direktors des Wrlhelmsgymnasiums Geheimrat Lr. Kubier ein Festmahl stattgefunden. Bei dieser Gelegen- heit erzählte Lr. Küdler, der den klassischen Unterricht der kaiserlichen Prinzen zum Teil überwachte, daß er nach Beendigung dieser Tätigkeit von dem Kaiser durch die Uebersendung seine Bildnisses ausgezeichnet sei. Unter dem Bilde stand die bekannte Homerstelle, die in deutscher Uebersetzung lautet: „Einer soll der König, einer der Herrscher sein." Diese Unterschrift entbehrt gerade in diesem Augenblick nicht des Interesses. Sie zeigt, daß der Kaiser zwischen zwei Weltanschauungen und Staats auffassungen hin- und herschwankt, denn er hat ja erst kürzlich erklärt, daß er ohne die Zustimmung des Par lamentes in der Entschädigungsangelegenheit der süd westafrikanischen Ansiedler nichts tun könne, und neuer dings hat Graf Bülow wiederum betont, daß dem Kaiser jeder Eingriff in die Angelegenheiten der ein zelnen Bundesstaaten sernliege. So hat das Citat nicht etwa eine realpolitische Bedeutung, zeigt aber die Toppelnatur des Monarchen und kann daher als ein interessanter Zug zum Bilde Wilhelms II. betrachtet werden. Abg. Westermann und die Stillegung der Ruhrzechen. Aus dem Ruhrkohlengebiet wird gemeldet, daß die Stillegung der Zechen lustig weiterschreitet. Wir sagen „lustig", weil die Art und Weise, wie sich auf dem nationallibcralen Parteitage für die Provinz Westfalen der Landtagsabgeordnete Westermann mit dieser Tatsache abgefunden hat. das Adjektivum nahelegt. Herr Westermann erklärte nach berühmten Mustern, die durch die Stillegung der Zechen hervorgcrufenc Erregung sei eine mehr „künstliche", erkannte ober an, daß die Ge meinden doch erheblich geschädigt würden. Daraus zog er aber nicht etwa den Schluß, daß einer brutalen und daS Nationalvermögen schädigenden Wirtschaftspolitik energisch cntgegengetreten werden müsse, sondern er meinte, die Regierung müsse durch Verbesserung der VerkehrsverhAtnisse, durch Schaffung anderer Er werbszweige und durch Uebernahme eines großen Teiles der Volksschullasten helfend eingreifen. Diese Art und Weise, über die Vernichtung zahlreicher Existenzen hin- wegzugehcn, indem man die trügerische morKana der Negierungshülfe hervorzaubert, können wir nur humoristisch behandeln, wenn wir es vermeiden wollen, bitter zu werden. Als ob sich im Handumdrehen andere Erwerbszweige schaffen ließen, als ob selbst die Ver- kehrsverhältnisse so rasch verbessert werden könnten, daß diese Verbesserungen den Geschädigten noch zugute kommen! Herr Westermann ist entweder seiner Zeit sehr erheblich voraus und glaubt schon im Zukunfts staate zu leben oder er ist hinter ihr sehr erheblich zurück und befindet sich noch ganz im Bannkreis des merkan- tilistischen Gedankens. Demnächst soll die in der Ge meinde Schüren belegene Zeche Freiberg, der Bergbau aktiengesellschaft „Mark" gehörig, an die Magdeburger Bergwerksaktiengesellschaft Zeche „Königsgrube" bei Wanne verkauft werden, zweifellos um der bei Wanne gelegenen großen Zeche „Königsgrube" eine höhere Be teiligungsziffer zuzufübren, die für die Zeche „Freiberg" beim Syndikat rund 150 000 Tonnen betrug. Die Zeche „Freiberg" wird dann stillqelegt und die 600 Mann be tragende Belegschaft muß sich ein anderes Unterkommen suchen. Herr Westermann selbst gibt zu, es sei in den Stillegungen „eine Erscheinung in den Vordergrund ge treten, die im Industriegebiete leider eine tief gehende Erregung hervorgerufen habe". Augenschein lich wollte er sagen, es seileider eine Erscheinung in den Vordergrund getreten, die im Industriegebiete Er regung hervorgerufen habe. Wir stehen dem Hibernia- Plane des .Handelsministers vor allen Dingen deshalb nicht sympathisch gegenüber, weil die Art und Weise seiner Realisierung geeignet war. das stärkste Befremden zu erregen. Indessen können wir uns nicht verhehlen, daß die Absickt des Handelministers an Povularität rasch gewinnen wird, wenn die maßgebenden Groß industriellen sich nicht zu einer klugen, von sozialen Ge danken getragenen Wirtschaftspolitik zu entschließen ver mögen. Fahren sie fort, um der Dividenden willen rückstchts>los zu erpropriieren, so wird es niemand Wunder nehmen, wenn schließlich auch die Erpropria- teure selbst crprovriiert werden. Die Kunst der Tenkmalspslege und des — Schweigens. Im „Tag" weist Wildenbruch darauf hin, daß kürzlich in Mainz der Tag für Denkmalspflege zusam mengetreten ist, daß alle künstlerisch Interessierten auf die Besprechung zweier Themata warteten und daß die Geschäftsleitung Äe Beratung über diese beiden Gegen stände von vornherein von der Tagesordnung gestrichen hat. Und welches waren diese Gegenstände? Tas Schick sal des Königlichen Opernhauses in Berlin uird das Schicksal der Heidelberger Schloß ruine. In beiden Fällen handelt es sich darum, Bauten zu erhalten, die mit dem Leben der Nation eng verbunden sind. Wenn das Opernhaus fällt, so wird jeder Preusze und ieder, wie ein Goethe, „fritzisch" gesinnt« Deutsche das Gefühl haben, daß damit eine ganze Tradition zu sammenbricht. Und über den Wert der Traditionen brauchen wir ja wohl nicht zu streiten in dem Zeitalter, in dem Monarchen sogar Regimentern bestimmte Tradi tionen durch Kabinettsordres verleihen. Sachkunde, historischer Sinn und nationales Empfinden konnten in dieser Versammlung ihre Stimme erheben, aber die Männer, die dazu berufen waren, zu sprechen, haben ge schwiegen; geschwiegen, weil eine derartige Debatte viel leicht „oben" Anstoß erregt hätte. Und in der ganzen Versammlung hat sich nicht ein Einziger gefunden, der da aufstand und die fein gesponnenen Fäden zerriß, die Dis kussion forderte und den Höfen bewies, daß die Deutschen nicht gewillt sind, als stumme Hunde dahin zu vegetieren. „Wo leben wir, wenn so etwas geschehen kann?" fragt Ernst von Wildenbruch. „In Deutschland oder in Byzanz?" Wir wissen die Frage zu beantworten: Deutsch- land ist eben byzantinisch geworden. Kolonisation und Kirche. Von mancher Seite wird mit Rücksicht auf die über- seeische Kolonisation der Gegenwart eine überaus gün- süße Anschauung über die Nolle genährt, welche die Kirche bei der Kolonisation des deutschen Ostens im 19. Jahrhundert gespielt habe. Solcher Auffassung ist der berühmte Kirchenhistoriker Albert Hauck im IV. Teile seiner „Kirchengeschichte Deutschlands" nicht beigetreten, und K. H a m p e, -er im neuesten Hefte der „Historischen Zeitschrift" diesen Band der Hauckschen Kirchengeschichte eingehend kritisiert, pflichtet in dem erwähnten Punkte Hauck ausdrücklich bei. Hauck zitierend, führt Hampe aus, daß die Kirche bei der Er- Weiterung ihres Gebietes nach Osten viel mehr gewon. nen als gcleistet habe. Die Cisterzienser „folg- t e n den Spuren der Kolonisten, gingen ihnen aber nicht voran", und die Erfolge der christlichen Religion eüva bei den Pommern wären nicht so leicht gewesen, wenn sich nicht schon vorher der heidnische Glaube in voller Aus lösung befunden hätte. Vollends durch den Wenden- kreuzzug von 1147, „das törichteste Unternehmen, das das 12. Jahrhundert kennt", ist die Mission mehr ge hemmt als gefördert: erst durch die K o l o n i s a ti o n ist bis zum Ende des 12. Jahrhunderts in dem ganzen wen dischen Missionsgebietc der Sieg des Christentums ent schieden. — Dieses Urteil Hancks über die Bedeutung der Kirche für die Christianisierung des deutschen Ostens ist deswegen besonders bemerkenswert, weil Hauck den kul turellen Einfluß der Kirche des 12. Jahrhunderts im all- gemeinen hoch veranschlagt. So führt Hauck z. B. den Ursprung der modernen Geistes- und Naturwissenschaft auf die Klosterschule zurück, ohne dabei, wie Hampe mit Recht einweirdet, des Verdienstes der Muhammedaner zu gedenken. Ter Tritte beim Marokkovcrtrag. Aus Madrid wird gemeldet, in Spanien habe der Ab schluß des UebereintommenS mit Frankreich insofern „all gemeine Befriedigung" hervorgerufen, als dadurch die Gefahr einer Trübung des freundschaftlichen Verhältnisses beider Nachbarstaaten, welche ein Fortbestand unversöhnter Jnter- essenverschiedenheiten in Marokko mit sich gebracht hätte, nunmehr beseitigt erscheine. DaS oicke Ende jedoch kommt nach. Den guten Eindruck sollen nämlich Gerüchte beein trächtigen, baß für das Inkrafttreten der den spanischen Interessen gemachten französischen Zugeständnisse eine mehrjährige Aufschubsfrist stipuliert sei; dieser Be hauptung wird zwar widersprochen, sie gießt aber Wasser in den Wein. Uns besticht vor allem eine Pariser Meldung, daß Frankreich in eine Erweiterung der spanischen Einflußsphäre unter der Bedingung eingewilligt habe, daß Spanien seinen Territorialbesitz in Marokko, falls es sich dessen ganz oder teilweise entledigen wollte, nur an Frank reich abtrete. Die einst gefürchtete „dritte Macht" wäre auf diese Weise betrogen, und frohlockend lagt schon die „Daily Mail", Frankreich habe für immer die Gefahr beseitigt, daß Deutsch land eine für sich unschätzbar wertvolle Kohlenstation an der spanischen Küstenstrecke Marokkos begründe. Damit ist das AcrgerniS, das Herrn Delcassö der ungeschickte Widerspruch zwilchen dem offiziösen Teil des „Temps" und zwischen dessen Madrider Korrespondenten bereitete, ausgewogen. Sie reiben sich die Hände. Wir sind der Dritte, nicht welcher sich freut, sondern der die Schadenfreude tragen muß. Ein moralischer Sieg mehr ist errungen. Deutsches Keich. Berlin, 12. Oktober. * Schönstedts Nachfolger. Als Nachfolger des Justiz ministers Schönstedt, der demnächst in den Ruhestand tritt, wird, der „Kreuzztg." zufolge, der gothaische Minister Hentig bezeichnet. Sehr betroffen schreibt darüber daS Blatt: Von einem Freunde unseres Blattes, der sich neulich längere Zeit im Gothaische» aufgehalten hat, wird uns geschrieben, dort werde offen davon gesprochen, daß der gothaische Minister Hentig zum Nachfolger de- über kurz oder lang in den Ruhestand tretenden preußischen Justizministers Schönstedt ausersehen sei. Wir halten das für müßigen Klatsch. Herr Heutig mag sich um die Verwaltung des Fürstlich Fürstenbergschen Vermögens und, unter der Regentschaft de- Erbprinzen Hohenlohe-Langenburp, auch um die Verwaltung de< Herzogtums Botha Verdienste erworben haben. In der preußischen Rechtspflege war er aber nur in jungen Jahren al- Berliner Rechtsanwalt tätig, und so müssen wir eS für ausgeschlossen halten, daß er in ein Amt berufen werden könnte, in dem die Zierden der preußischen Justiz, die Herren Leonhard, v. Friedberg, v. Schelling und Schönstedt, dem Staate unvergeß liche Dienste geleistet haben. Der Schrecken der „Kreuzztg." erklärt sich leicht, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Herr Hentig als ein liberaler Mann gilt. " Eine richterliche Kritik der Schwurgerichte. In einer vor dem Schwurgericht Bromberg verbandelten MeineidSsache hatten die Geschworenen die Schuldfragen ver neint. Nach Verlesung des WabrspruchS der Geschworenen warf der Vorsitzende ein Aktenstück, das er in der Hand halte, auf den GerichtSiisch mit den an die Angeklagten gerichteten Worten: „Na, einen solchen Spruch von den Geschworenen habt Ihr doch wohl selbst nicht erwartet." Infolgedessen richteten drei Geichworene an ihn je ein Schreiben, in welchem sie gegen eine solche Behandlung Ein sprache erhoben. Der Vorsitzende soll nun erklärt haben, eine Antwort auf diese Schreiben am letzten SitzungStage zu erteilen. Da- hat er getan. Bor Eintritt in die Verhandlung richtete er an die Geschworenen eine Abschiedsansprache, in welcher er einleitend zunächst über das Ergebnis der Verhandlungen in dieser Periode berichtete, dann aber seinem Bedauern Ausdruck gab, daß in einigen Sachen die Geschworenen ein Nichtschuldig ausgesprochen hätten, wo nach der einstimmigen Ansicht de- Gerichtshöfe- ein Schuldig hätte erfolgen müssen. Nachdem er näher auf einzelne dieser Fälle ein gegangen war, bemerkte er mit erhobener Stimme, daß er zu einer Kritik solcher Wahrsprüche der Geschworenen sowohl amtlich, wie auch von anderer Seite berufen sei, und daß er dieses Recht für sich in Anspruch nehme. Diese Kritik richte sich aber nicht gegen die Person der Geschworenen, sondern gegen die Institution der Schwurgerichte. Er sprach sich gegen die Schwurgerichte aus und meinte, wie dies schon vor 26 Jahren geplant worden wäre, daß an Stelle der Schwurgerichte Schöffengerichte kommen müßten. In der Sache stimmen wir dem Vorsitzenden durchaus bei, meinen aber, daß sür derartige Aeußerungen, die doch einstweilen lediglich akademischer Natur sind, der UniversitätS- lehrstubl und die Rednertribüne im Parlament geeignetere Plätze sind, als der Stuhl des Schwurgerichtspräsidenten. * Zur Bochumer LaudtagScrsalzwahl erfährt die „Franks. Ztg.": Sowohl Dr. Schramm und Dr. Haarmann in Witten als auch Geheimrat Kirdorf in Rheinelbe bei Gelsenkirchen haben auf das Mandat zu der Landtag-Wahl, die durch den Tod des Abgeordneten Geheimrat Schulz in Bochum not wendig geworden ist, verzichtet. Von den Nationallibe ralen wird nunmehr Hermann Franken aus Gelsen kirchen das Mandat angetragen werden. * Ter Tank des Abg. v. Eynern. Der Abg. v. Eynern veröffentlicht in der „Nationallib. Korr." folgendes Dank schreiben: „Es sind mir am Tage meines 25jährigen parlamentarischen Jubiläums so vielfache Worte der Anerkennung für mein politisches Wirken in der Vergangenheit und so viele freundliche Wünsche für meine fernere Lebenszeit zugerufen worden, daß ich, wenn auch nur ein kleiner Teil dieser Wünsche sich erfüllen sollte, mit Beruhigung und Zuversicht dem heran- schleichenden Alter entgegensetzen kann. Ich spreche meinen herzlichen Dank für diese Betätigung freundschaftlicher Gesinnung aus und richte diesen Dank insbesondere an die Wähler meines Wahlkreises, die in stets gleicher Treue zu mir gehalten haben und deren nie wankendes Vertrauen mir die Erfüllung meiner Pflichten erleichtert und mir, Seite an Seite mit meinen Partei freunden stehend, die Möglichkeit gegeben hat, in -allen Fragen des politischen Lebens fest und ohne Zagen an dem festzuhalten, was ich sür das Wohl des Vaterlandes glaubte vertreten und anstreben zu müssen." * Tte Ermordung Ser Missionare in Neu-Guinea. Eine mit der neuesten australischen Post eingegangene Meldung aus Brisbane vom 1l. v. M. berichtet werteres über die Ankunft des Dampfers „Prinz Waldemar" mit Einzelheiten über die Ermordung von Priestern und Nonnen in Deutsch-Neu-Guinea. Darnach scheint eS, daß die Sklaverei in dem von den Missionaren bewohnten Distrikte üblich war, und daß die Missionare sich die Feindschaft der umwohnenden Stämme dadurch zuzogen, daß sie befreite Sklaven veranlaßten, sich auf ihren Missionsstationen anzusiedeln. Daß es sich um einen wohlorganisierten Ueberfall gehandelt habe, be weist der gleichzeitige Angriff auf alle drei Stationen. Die Priester und Nonnen wurden entweder niedergeschossen oder mit Aerten und Keulen niedergeschlagen. Schwester Angela fiel, als sie gerade den Altar zu schmücken im Begriff stand. Man nimmt an, daß 30 Menschen ermordet worden sind. Der Sachschaden, der hauptsächlich durch Plünderung herbeigeführt wurde, wird auf 60 000 geschätzt. — Reichsbankpräsident Dr. Koch begab sich am Dienstag nach der Sitzung des Zentralausschusses aus eine Dienstreise nach Süddeutschland, welche dauptsächlich dazu bestimmt ist, die neuen Geschäftsgebäude der ReichSbankstellen zu Darmstadt und Würzburg dem Verkehr zu übergeben. — Dem »riegsschatz der sozialdemokratische» Partei sind im Monat September wiederum gegen 54000 zugefloffr»; die ergiebigste Geldquelle sür die sozialdemokratische Parteileitung war diesmal die „Vorwärts"-Buchhaodlung, welche der Zentral kasse allein 25 000 ablieserte. * Ltetttn, 1l. Oktober. Im Wahlkreise Gtralfund- Franzdura-Rügen ist für die bevorstehende Landtags ersatzwahl von konservativer Seite Graf v. d. Groeben-Divitz als Kandidat in Vorschlag gebracht worden. Die Stellnnanahme des Bunde- der Landwirte zu dieser Kandidatur ist noch nicht erfolgt. * Brrmrrhavrn, 11. Oktober. Nunmehr haben auch die Bautischler beschlossen, den vom Arbeitgeberverband ein gerichteten Arbeitsnachweis anzuerkennen. Di« bis her noch ablehnende Haltung der Zimmerleute ist darauf rurückzusühren, daß auch die zum Verbände gehörigen, in Arbeit stehenden Zimmerer der Wersten und de- Nord deutschen Lloyd sich an der Abstimmung beteiligt haben. * Gera, kl. Oktober. In der heutigen Stichwahl im 6. Landtags Wahlkreis (Wege Reichenfels) wurde der Bürgermeister Barth-NiederböhmerSdorf gegen den sozial demokratischen Kandidaten mit aroßer Mehrheit gewählt. Die Landtagswahl hat den Sozialdemokraten einen Sitz gekostet. Dem Landtag gehören nun an elf bürgerliche, vier sozialdemokratische Abgeordnete und der Fürst Reuß- Köstritz. * München, 12. Oktober. Der deutsche Kronprinz wird, den Morgenblättern zufolge, al- Jagdgast des Herzogs Karl Theodor in Bad Kreuth bis zum 17. Oktober verbleiben und alsdann nach Potsdam zurückkehren. Hurlanü. Oesterreich - UrrgE^» * Ter Bayar» »e» Wiener vberbk» irrmeister». Die „N. Fr. Pr." druckt eine Rede, die Prinz AloyS Lichtenstein, Abgeordneter im „Lueger-Bund", gehalten hat, und worin er das Wirken Luegers von seinen politischen Anfängen bi- auf den heutigen Tag schilderte. Er sagte unter anderm: „lieber jede Erwartung hinaus sind wir von Sieg zu Sieg geschritten. DaS Kreuz, das Zeichen der Erlösung, ist wieder zu Ehren gekommen, und unter seiner Fahne schreitet unser Volk zum Kampfe gegen die Erbsünde. Diesen Umschwung verdanken wir hauptsächlich der Führung Dr. Luegers. Er war der starke Magnet, der die Eilenspäne anzog, er hat seinen Glauben an die Zu kunft der Monarchie selbst der offiziellen Welt einge flößt, die nur vorwärts marschiert, wenn sie weiß, daß sie die Arrieregarde bildet. Lppur si muovs! Auch sie ermannt sich und rückt nach weit hinten, beim schweren Gepäck, wo man die Kugeln nicht pfeifen hört, während sich unsere Ko lonnen im Feuer entwickeln." Diese Stilblüten prinzlicher Opposition verdienen weitergereicht zu werden. Frankreich. -s. Paris, 11. Oktober. (Originalbericht unseres Korre spondenten.) Der radikale und radikal-sozialistische Partei kongreß in Toulouse scheint, trotz deS Banketts, daS die „Dspsche" 2000 Gästen offerierte, keinen sehr vorteilhaften Eindruck hinterlassen zu haben. Die Affäre des ehemaligen Marineministers Lockroy, der mit dem Abgeordneten Doumer gegen die Regierung agitiert hat, war bezeichnend. Man hätte ihn bald ebenso gerichtet, wie die Sozialisten mit Milleranv verfuhren. Bei der Verifizierung der Mandate sür das Exekutivkomitee der Partee war sein Name genannt worden; mit ganz großer Mehrheit wurde seine Wahl abgelehnt, indes sonst die glatte Wiederwahl Regel war. Der Pariser Munizipalrat Patenne mußte den Gemaß regelten und heftig Angegriffenen ersetzen. Die Eintracht ist also nicht sehr stichfest, und prinzipielle Spaltungen werden nur mit Mühe verdeckt. Gleichwohl erklärt in der „Petite Röpublique" Jaurös Adjutant, Görault-Richard, die Taktik sei die alte. Er bezieht sich auf Bourgeois und CombeS und schließt: „Die Meinung ist also einhellig die, daß wir der seit vier Jahren befolgten Taktik treu bleiben, der wir die erhaltenen Resultate verdanken." Auch die „Humanitö" freut sich über CombeS' Anerkennung der „nur zu gerechtfertigten Ungeduld" und seiner Zusage der „vier großen Reformen". Im „Radical" hingegen verwünscht Maujan die dissidierenden Parteifreunde, die er nicht auS- sperren will, deutet aber liebenswürdigst an, sie seien „äs pnrs imböeilo8", nichts als Narren. — Mit der Affäre Dautriche be schäftigt sich M. Desmoulins in sehr deutlicher Weise. Erzieht die öffentlicheVerhandlung dergeheimen Untersuchung vor, meint jedoch schon jetzt, wenn man die Herren verurteilte, dann seien sie nicht die „wahren Schuldigen". — DaS „Journal" hat kürzlich eine Dresdner Unterredung des bekannten Inter viewers Jean de Bonnefon mit dem Prinzen Philipp von Ko bürg, dem Gatten der Flüchtigen, gebracht. Er soll die wütendsten Injurien vor allem gegen Mattasitsch ausgestoßen haben, den er ins Zuchthaus wünjcht: „Ich will nicht, daß mein Geld dieses Individuum durch die Vermittelung eines Weibes aushält, das, trotz allem, vor Gott, zur Schande meine-Hause-, meine Frau ist." Wie weit hier Herrn de BonnesonS Ge schmacklosigkeit sündigte, scheint nicht geklärt; der Interviewer rächt sich sür die schlechte Aufnahme, indem er sür allerlei Vermutungen über sein Privatleben sorgt. Am Montag Der fremde Bursch lachte ein wenig verlegen und trat bei Seite. „Js ja nur a Schnacken 'west, Gendarm, jener Buab da versteht sich nur nit drauf aus!" Toni schüttelte wie ein gereizter Löwe die Haare aus der Stirn. „Bleameln wirst er der Creszenz in' Schoß und ruft: „Wer sie tragt is mei' Schah!" wiederholte er außer sich, wie in himmelschreiender Anklage. „Sell Bleameln?" Der Gendarm nahm geringschätzig die Zitternelken vom Tisch und hob sie musternd dicht unter seine blaurote Nase. Und dann zuckte der graue Lclmauzbart und er sagte mit listigem Augenzwinkern: „No, gut! Danu nimm' dös Strauße! mit und bind's deiner schccketcn Kuh an' Schwanz! Dann tragt sie's und is dem Loisl fei' Hochzeiterin!" Ta erhob sich ein schallendes Gelächter im Kreis, selbst des Tonis Lippen zuckten momentan, der Loisl aber machte gute Miene zum bösen Spiel, faßte die Sckjankin um die Hüften, tat einen Schnalzer mit den Fingern und der Zunge und sang kreuzfidel: „Kei Weiberl, kei Madcrl, kei nix nit dazu — bleibt allwcil zur Tröstung die kmntschcckte Kuhl" Da gab es ein Gejuchz und Gelarm »niemand, und derweil faßte der Gendarm d>n Arm des Toni und blinzte ihm zu: „Fix hinaus mit euch, zur Post! Z-lbeS mal is noch gut ab'gangen; denn der GrieAhübler LoiL^L eilL gutmütiges Mannerleut! Aber drei gegen einen — dös hättst nit geschafft, Toni, und allwcil dumm bist gewest, döß di in so'n schiefen Handel hast einlaßt! I sag's aber schon, — kennst die Welt no nit, Toni! Und wann d' no' lang' dahier drunten verweilst, rennst dein' Schädel ein und gehst ganz und gar verlustig aufs Cenzerl!" Der junge Beckhaber biß die Zähne zusammen und schritt schweigend über die Straße nach der Post, dieweil das Dirndel nach all der ausgestandenen Angst käseweiß aussah und sich so fest an des Toni Hand hielt, als sei es dran angcleimt. Der aber dankte dem Gendarmen mit halb erstickter Stimme und sagte: „Weißt, einmal bin i in der Welt 'west, — aber wiedcrsch'n tut's mich nit, dös soll a Wort sein." „Recht so! Aus'm Wald hast a Herrenleben, hier drunt' aber is schlechte Zeit. Na, da behüt's Gott! Und sagt's dem Beckhaber: I töt ihm fei' Kinder heil und g'sund z'ruck schicken. Das wär' alles fein gut so kommen, wie i's sagt hätt'!" Und der Sprecher schob die beiden jungen Menschenkinder in die Post, welche um solch zeitige Stunde nicht besetzt war, und nickte ihnen noch einmal zu und rief: „Kimmt'S gut über!" — und dann schritt er säbelrasselnd davon und Toni und Cenzerl blieben allein. Schon führte der Postillon — diesmal war eS ein junger, munterer Gesell — die Pferde aus dem Stall, und es dauerte nicht lange, so knallte er hell mit der. Peitjchp, tch»"te noch eümvrl rechts und Üuk», wohl- noch ein Passagier daherkäme, und setzte das Horn zu einem prächtigen Stücklein an die Lippen. Das Cenzerl horchte entzückt auf und auch der Toni hob hoch den Kopf, — dann ruckten die Pferde an und die große, ungeschickte Kutsche holperte die Straße entlang. Mehr und mehr schwanden die Häuser, die Menschen verloren sich, Felder und Gärten dehnten sich bald wieder rechts und links, und der Toni schaute mit brennendem Blick hinaus, atmete tief auf und stieß aus tiefster Brust hervor: „Cenzerl! bet' a Vaterunser, döß ma solch an Teufels, nest hinter uns haben! Weißt, seit Kindesbeinen auf hab' ich mir g'wünscht, die Welt z' schauen und hab's von weitem viel lieb gehabt und denkt: so schön, wie's aus- schaut, muß 's auch wohl sein! Aber a Lug und Trug is damit, — für a offnes Herz und a kindlichen Sinn is die Welt nit eingericht'. — Mir gefallt's schon gar nit, — und fein bester is, mir schauen's uns halt nur von dem Lattenzaun an, — wie a narrisches Gespiel, über dös ma stolz wcgguckt und eins lacht! — Gel, Cenzerl? Nu' sind wir all beid' draußen gewest, weit, weit fort, bis ans End' der Welt, und nu' haben wir a Ruh. — Oder machst z'rück in die Welt?" Die letzten Worte klangen wieder halb zornig, halb angstvoll, das Dirndel aber wischte sich mit dem Schürzenzipfel die Augen auS; denn eS hatte sich alle Schrecken der letzten Stunden von der Seele geweint, und in allem Leid jauchzte es dennoch auf tmd schüttelte stürmisch den Kopf. .DLLsrUdie^tadt? Wann L' Lö» sagst, Toni, nachen bist a Narr! — O mei! Auf'n Knien macht' ich allen Heiligen danken, döß i all das narrsche Zeug nit mehr sich! Ganz damisch is mir in' Kopf und wirbelt durch- einand', — döß ich vermein', so kann's nit bleiben! — Hier aber werd mir schon wieder leicht ums Herz — ich siehch Bäum' und Wiesen .... und Luft und Freiheit!" „Und ganz allein san wir aüzwei —l" Der Toni legte den Arm um das Dirndel und sah plötzlich strahlen froh und glücklich aus, ,,uu' gib dich z'frieden, mei Cenzi, mei lieb's, allwcil gaht's heim!" „Wie der Gendarm dabei war, könnt' ma gar nit um sich schauen!" meinte die Kleine und lachte wieder so lustig wie ehedem. „Nu' gib' fein Obacht, dös ma' nix vergessen! Gleich komm' wir an' Feuerdrach sein Loch, und dort steht das Häuserl, was wir vom Latten zaun immer geseh'n haben, so klein wie a Klötzerl! und bald kimmt der Wald und die grünen und gelben Strich im Land . . . und vor dem Dorf daS Meer mit den Gäns' und Enten drauf!" Ja, nun hatte die Fahrt erst eine Freude für die beiden weltfremden jungen Menschen, alle Angst und Beklemmung vor dem fernen Unbekannten war von ihnen genommen, sie hatten das stolze, selige Empfinden von zwei Reisenden, welche den Erdball gemessen und nach langen Jahren voll Gefahr, Forschen und Er gründen, voll Angst, Entbehrung und Heimweh zurück kehren in daS geliebte Vaterhaus.
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