02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.08.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-08-09
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040809025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904080902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904080902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-08
- Tag1904-08-09
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Anzeigen-PreiS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (»gespalten) 75 /H, nach den Familiennach richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren jur Nachweisungen und Osfertenannahme 25 Unnahmeschlns, für Anzeigen. Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabr: nachmittag» 4 Uhr. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung .^l 70.—. Anzeigen sind stets an dir Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. V„ R. L W. Klinkhardt). Nr. M. Var lvichtigrte vom lagt. * Ter durch den Brand des Arsenals in Toulon verursachte Schaden ist noch erheblicher, als man annahm; er beläuft sich auf 2 Millionen Francs. * Ein Gerücht, in den Distrikten Musch und Lass un seien 9000 Armenier ermordet wor den, hat k e i n e Bestätigung gefunden. * vr. Jameson, Premierminister der Kapkolonie, tritt dem Gerücht entgegen, datz er den eingeborenen Koloni st en das Wahlrecht entziehen wolle. * Der vom Wladiwostok-Geschwader beschlagnahmte Dampfer „Kalchas" der Ocean-Steamship-Company mit einer nach Aokohama und Hongkong adressierten Ladung, bestehend aus Mehl, Balken und Maschinen- teilen, ist gestern inWladiwostokeingetroffen. ffbantarterrien in lraldolirchen lsteiren. Die „Kölnische Volkszeitung" bringt einige im Pariser „Eclair" veröffentlichte Auslassungen eines französischen Bischofs über die Stimmung an der Kurie in Rom. Diese sei, so meint der Bischof, Frankreich seit langem uwgünstig geworden, man rechne nicht mehr mit einem Umschwung und habe gar kein Vertrauen mehr zuderWiderstandskraft der französischen Katholiken. Das habe man bereits unter der Herrschaft des vorigen Papstes empfunden, aber Leo XIII. habe gegen diese Ansicht stets reagiert und nie ihre offene Bekundung gestattet. Das sei jetzt aber an ders geworden. Die Frankreich feindlichen Kardinäle könnten offen sprechen. Dann heißt es weiter: „Die päpstliche Politik ändert sich mehr mrd mehr zu Gunsten Deutschlands, dessen Kaiser, der stets geschickt aus allen evangelischen Fehlern Nutzen zu ziehen weiß, seine be rechnenden Dicnstancrbietungen dem Obcrhaupte der Kirche gegenüber unaufhörlich wiederholt. Letzthin machte ein fran zösischer Journalist darauf aufmerksam, daß Deutschland 17 Millionen Katholiken gegen 27 Millionen Protestanten zähle und fügte hinzu: Das von Wilhelm H. erstrebte große Deutsch land würde ein katholisches Reich sein. Es ist nun sehr ernst für uns Franzosen, daß die augenblicklich im Vatikan vorherrschende Partei der Kardinäle auf die Verwirklichung dieses Traumes fest rechnet und daß sie tief von der Ueber- zcugung durchdrungen ist, der deutsche Kaiser werde selbst an dem Tage, da der größte Teil seiner Untertanen der katholischen Religion angchören werde, sich offen zum Katholizismus bekennen. Äkan hofft auch, daß die Bekehrung des Kaisers viele andere Bekehrungen nach sich ziehen iverdc, und der Heilige Stuhl würde so in Deutschland, das ein großes katholisches Reich würde, genügende Kompen sierungen für den Abfall der ältesten Tochter der Kirche haben." Die „Franks. Zeitung" fügte diesen Mitteilungen aus dem „Eclair" ihrerseits hinzu: „Im übrigen sind die Hoffnungen auf -Deutschland und auf Dienstag den die Bekehrung Kaiser Wilhelms in den klerikalen Kreisen Italiens nichts neues; sie entstunden schon vor Jahren und gehen wahrscheinlich auf die Unterredung zurück, die Wil. Helm ll. in Neapel mit dem dortigen Kardinalerzbischof Don Felice hatte, der dem Kaiser, wie damals klerikale Blätter be richteten, offen gesagt haben soll, er sei fest überzeugt, der Kaiser werde noch katholisch werden. (Warum hat er ihn nicht zum Schauspiel seines Januariuswunders eingeladen?) Seit, her kann man in klerikalen Blättern Italiens von Zeit zu Zeit lesen, der Kaiser werde katholisch werden, oder sei es heimlich schon geworden." Die „Kölnische Volkszeitung" nimmt an, daß die Kardinäle mit den hier geschilderten Träumereien nichts zu tun haben; es wäre das auch gar zu traurig und würde die bedenklichsten Rechenfehler zur Folge haben, wenn wirklich maßgebende vatikanische Stellen sich in derartigen Illusionen wiegten. Du lieber Himmel! Haben nicht die Kardinäle und der unfehlbare Pontifex selbst an die Träumereien und Gaunereien eines Taxil geglaubt? Geglaubt an die Unterschrift Bitrus, das Klavier spie lende Krokodil, die Luftfahrten des Brautpaares Asmo- däus und Miß Vaughan und die Geburt der Großmutter des Antichrist. Geglaubt an die Teufelsschmiede im Felsen Gibraltar und die monatlichen Freimaurerver sammlungen unter dem Vorsitz Sr. höllischen Majestät des Herrn Satans in höchsteigener Person zu Charleston in Nordamerika usw. usw.? Wer das geistige Niveau und den Tiefstand theologischer und allgemein wissen schaftlicher Bildung römischer Monsignori kennt, der fin det es ganz natürlich, daß sie das tollste Zeug glauben! Sollte die „Kölnische Volkszeitung" das nicht auch wissen? Im übrigen sind ja die Phantastereien des „Eclair" durch aus nicht auf Frankreich und Italien beschränkt, Deutsch land ist darin sogar vorangegan^en. Unter den von dem Jesuiten Tilman Pesch und Genossen im Verlage der „Germania" herausgegebenen „Flugschriften zur Wehr und Lehr" trägt die Nr. 51/52 den Spezialtitel: „Moderne oder christliche Weltanschauung". Der Ver fasser rechnet bestimmt auf die Bekehrung Kaiser Wil- Helms II. und fordert die Katholiken auf, für diese Be kehrung zu beten. Er erwartet ferner, daß der Kaiser nach seiner Bekehrung die evangelische Kirche Deutsch lands dem Papste zu Füßen lege und schlägt das Be denken, daß er dabei die Gewissensfreiheit seiner Unter tanen vergewaltigen könne, mit der schönen Rede nieder: „DisAchtung vor der religiösen Ueber- zeugung Andersgläubiger ist ein Kunst- griff des Teufels." So gedruckt zu Berlin im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Lobt die Jesuiten! Der nittked-iapankebe Krieg. Port Arthur. Der Kommandant des Geschwaders in Port Arthur meldet vom 7. August: „Die zur Beschießung der feind lichen Positionen ausgelaufenen Kreuzer „Bajan", „As- kold", „Pallada" und „Nowik", sowie die Kcmonenboote wurden von den feindlichen Schiffen „Tschin Aen", 9. August 1904. „Jtsukushima", „Matsushima", „Tschijoda", zwer Kreuzer zweiter Klasse und 30 Torpedobooten an gegriffen. Ein achtzölliges Geschoß des Kreuzers „Ba jan" explodierte am Heck der „I t s u k u s ch i m a", die aus der Schlachtordnung ausscheiden mußte, worauf alle feindlichen Schiffe wandten und aufs offene Meer zurückfuhrrn. Dabei stieß der japanische Kreuzer „Tschijoda" auf eine unserer Verteidigunqs- minen und wurde leck. Mit dem Vorderteil tief im Wasser fuhr er in der Richtung auf Talienwan ab. Durch einen Schuß der Batterie Nummer 22 wurde ein japanisches Kanonenboot getroffen. — Am 27. Juli, als die Japaner einen allgemeinen Angriff zu Lande unter nahmen, wurden zur Unterstützung des rechten Flügels auf Bitten des Generals Stößel die Schiffe „Bajan" unter Breitwimpel des Kapitäns 1. Ranges Reitzenstein, „Retwisan", „Pallada", „Askold" und das Kanonenboot „Otwaschin" unter der Flagge des Konteradmirals Le- schinski, „Gremjaschtschi", „Giljak", „Nowik" und 12 Torpedoboote arpsgeschickt. Unter fortwährendem Schießen einiger vorausfahrender Schiffe gelangten sie nach Lungantan und beschossen von dort die japanischen Stellungen bis 3 Uhr. Bei der mit denselben Vorsichts- maßregeln unternommenen Rückfahrt auf die Reede ex plodierte eine Mine unter einem Baggerschiff. — Konteradmiral Withöft zählte am 30. Juli bei Port Arthur 5 Panzerschiffe, 4 gepanzerte Kreuzer, 10 andere Kreuzer und 48 Torpedoboote des Feindes. InTschifuaus Port Arthur eingetroffene russische und chinesische Flüchtlinge, die einen Teil der dreitägigen Schlacht sahen, bestätigen, daß dieselbe nicht ein Werst, sondern je nach dem Terrain 10 bezw. 15 Werst von den inneren Forts entfernt stattfand. Die Japaner seien da- mit beschäftigt, ihre Verschanzungen näher an die Festung heranzulegen. Der Widerstand der Russen beschränke sich darauf, die an den Schanzen arbeitenden Japaner durch die Artillerie zu beschießen. Auf dem Wolfshügel sollen jetzt 60 japanische Geschütze stehen. Ein Flüchtling, der dem Kampfe am Wolfshügel beiwohnte, erzählt, derselbe sei von 4000 Russen verteidigt worden, die auf die an stürmenden Japaner Felsblöcke hinabgerollt hätten. Hierdurch sei eine verheerendere Wirkung aus geübt worden, als-durch das Gewehrfeuer. Auch seien durch geschickt gelegte, zur Explosion gebrachte Minen Felsstücke ein bis zwei Werst n>eit geschleudert worden. Durch solche Minen seien zwei japanische Schwa- dronen aufgerieben worden. Die Flüchtlinge bestätigen, daß die Verluste der Javaner bei den lebten Kämpfen sehrschwer gewesen seien. Das Ge lände unterhalb des Wolfshügels sei mit Leichen bedeckt gewesen. — Zwei französische Kriegsberichterstatter, die versuchten, auf Dschunken nach Port Arthur zu gelangen, erzählen, sie hätten vor der Hafeneinfahrt 24 japanische Kriegsschiffe gesehen, die dort eine halbmondsörmige Aufstellung genommen hätten. Der versenkte Dampfer „Thea". Nach einer brieflichen Nachricht bestand die Be satzung des von dem russischen Geschwader aus Wladi- Wostok in den Grund gebohrten Dampfers „Thea" am 1. Juli aus folgenden Europäern: Kapitän Ohlerich aus Warnemünde, 1. Offizier I. Stoll aus Warne münde, 2. Offizier A. Deppner aus Elbing, 1. In- genieur W. Holtz aus Warnemünde, 2. Ingenieur H. Lussen aus Hamburg, 3. Ingenieur E. Reimers aus Elbing; ferner aus 25 chinesischen und japanischen Ma- trosen, Heizern usw. 98. Jahrgang. Der „Malakka".Lall vor -em englischen Unterhanse. Im englischen Unterhause stellte am Montag Gib- son Bowlos mehrere Anfragen betreffend Wegnahme des Dampfers „Malakka", und zwar besonders, wes halb die Regierung der Prüfung der Ladung zustimmte, die nicht durch ein kompetentes Prisengericht autorisiert war. Der Premierminister erwidert, der Einwand, der gegen die Wegnahme des Dampfers erhoben sei, beruhe gänzlich aus der Annahme, daß Schiffe, die aus dem Schwarzen Meer unter der Handelsflagge kämen, nicht berechtigt seien, sich in Kreuzer zu verwandeln. Die eng lische Regierung erhob daher bei der russischen Regierung nachdrückliche Vorstellungen; letztere zeigte bereitwilliges Entgegenkommen. Wichtig sei für uns gewesen, darauf aufmerksam zu machen, daß es ein ganz neuer Fall sei und daß seit den Pariser und Londoner Verträgen, auf die wir unsere Behauptung gründeten, zum ersten Male ein derartiges Ereignis vorgekommen sei. Wenn die von dec russischen Regierung ausgestellte Behauptung rich tig wäre, hätten die Russen das Recht gehabt, die „Malakka" in einen russischen Hafen und vor ein Prisengericht zu bringen. Wenn jedoch die englische Re gierung recht habe, gäbe es keine Rechtfertigung für die Wegnahme des Schiffes. Der zweite Gesichtspunkt, den wir ins Auge faßten, war, zu verhindern, daß dieser neue Zwischenfall eine Spannung zwischen beiden Län dern verursacht. Ein solcher Zustand der Spannung hätte sich nach meiner Ansicht sehr leicht weiter entwickeln können. Das tatsächlich getroffene Arrangeinent beziig- lich der „Malakka"-Frage hat den Charakter eines Kom- promisses. Die russische Regierung gab die Absicht auf, die „Malakka" nach einem russischen Hafen vor ein Prisen gericht zur Prüfung zu bringen, und auf der andern Seite stimmten wir zu, daß die „Malakka" nach einem neu tralen Hafen gebracht und nach einer rein formellen Prü fung unverzüglich freigelassen werden sollte. Es wurde auch vereinbart, daß die beiden Schiffe der Freiwilligen flotte nicht länger als Kreuzer agieren sollten. Dis wesentlichen Punkte unserer Forderung sind meiner An sicht nach zugestanden. Ich empfinde nicht das geringste Bedauern, daß wir unser möglichstes getan haben, um der russischen Regierung entgegenzukommen, die ihrer seits in dieser Angelegenheit nichts angeregt hat, was nickt einen gangbaren Weg bedeute. Gibson Bowles gibt seiner Zufriedenheit über diese Antwort des Premier- Ministers Ausdruck, erklärt aber, es scheine, als ob das Reckt zur Wegnahme durch die Gestattung der Prüfung zugegeben worden sei Der Premierminister bewickuet dies jedoch als nicht richtig. Auf eine weitere Anfrage erklärt Balfour, daß eine offizielle Mitteilung über eine angebliche Zurückhaltung der Papiere der „Malakka" der Regierung nickt zugegangen sei. Gibson Bowles richtet darauf an die Regierung eine Anfrage über den Fall des „Knight Commander". Der Premierminister erwidert, es bestehe kein Zweifel, daß das Schiff auf Veranlassung russischer Offiziere in Grund gebohrt worden sei, weil es sehr schwierig gewesen wäre, das Schiff nach einem Hafen zu bringen und weil es nach Ansicht der russischen Offiziere zweifellos Kriegskontre- bande an Bord gehabt hätte. Balfour fährt dann fort: Wir halten an unserer Ansicht fest, daß diese Umstände, ob ste wahr sind oder nicht, keine binreiclxmde Bereck tiaung für die Versenkung des neutralen Schiffes bieten. (Beifall.) Wir haben unsere Stellung in dieser Frage nickt im geringsten Grade aufgcgcben. Feuilleton. Der Fall Lelotti. Roman von Woldemar Urban. -raitzdruck verboten. „Eben deshalb kam ich zu dir", fuhr Andr6 fort und rückte seinen Stuhl etwas näher heran. Du hast mir seiner Zeit gesagt, daß er arm sei." „Arm — arm — das habe ich nicht gesagt. Ein Senator von Frankreich ist nicht arm und wenn er ohne größeres Vermögen ist, so ist das eher ein Beweis von Unbestechlichkeit und Ehrlichkeit, als vom Unvermögen, größere Kapitalien zusammcnzuraffen." „Mama, ich glaube, du mißverstehst mich. Ich will ja nichts Nachteiliges über Herrn de Blois sagen. Du brauchst ihn also gar nicht in Schutz zu nehmen und wenn er dein Freund ist " „Mein Freund, mein Freund", warf die Vicomtesse ärgerlich über diesen Ausdruck em. „Was hast du für wunderliche Ausdrücke." „Nun, ich dachte mir dabei nichts." „Das fehlte auch gerade noch." „Ich wollte dich nur daran erinnern, daß du mir vor einiger Zeit erzählt hast, er wohne ziemlich beschränkt in einem Hause der Rue Divienne, im fünften Stock." „Nun, was ist dabei? Wenn er das für angenressen findet?" „Er wohnt aber nicht mehr da." „So? Das wußte ich nicht." „Er wohnt Avenue d'Austerlitz Nr. 26 mit seiner Tochter, der verwitweten Madame Belotti und deren Töchtern, die aber alle den Namen Belotti abgelegt und den Namen ihrer Mutter angenommen haben." „Tas kann ich ihnen nicht verdenken." „Ich auch nicht. Aber Frau de Blois empfängt, hält eine große Wohnung, Equipage, Dienerschaft wer bezahlt denn das alles, nach der Katastrophe, wie sie Madame de Blois durchgemacht und bei der Mittellosig keit ihres Vaters? Tas kostet ihr, wenn's nichts ist, im Jahre fünfzigtausend Francs, Mama. Woher nimmt sie das?" Etwas überrascht sah seine Mutter ihm ins Gesicht, dann spielte ein drolliges, überlegenes Lächeln über ihre schönen, reinen Züge, und ihm mit der weißen wohlge pflegten Hand das aufgeregte Gesicht kosend, sagte sie: „Armer Junge! Ich glaube gar, du fürchtest, daß Frau Belotti de Blois mit dem Geld, das früher einmal dir gehörte, ihren Haushalt bezahlt " „Mama " „Ach, tue doch nicht so böse, Andr6. Du mußt in der Jugend lernen, wie die Welt geht. Wenn du es im Alter lernen mußt, stirbst du daran. Ich will dir einen guten Rat geben, Andre. Willst du ihn hören?" „Du heiratest die Tochter der Madame Belotti de Blois, die schöne Florence — — heißt sie nicht Florence?" „Ja, aber " „Auf diese Weise kommst du ohne Aufregung und Aufsehen wieder zu deinem Gelbe. Das ist besser, als alle Advokatenkniffe", sagte die Vicomtesse leichthin. Aufgeregt stand Vicomte Andr6 auf und schritt hastig im Zimmer auf und ab. „Ich bitte um Verzeihung, Mama, sagte er ernst und vorwurfsvoll, aber das ist nicht die rechte Art, von Made moiselle Florence Belotti zu sprechen." „Aaaah?" machte seine Mutter gedehnt und sah ihn aufmerksam prüfend an. „Wenn ich mir auch den Zusammenhang in diesem Augenblick noch nicht zu erklären >veiß, so bin ich doch darüber klar, daß Fräulein Florence eine reine ehrliche Natur vom Scheitel bis zur Sohle ist, und — ich bitte nochmals um Verzeihung, Mama es ist mir unmöglich, in dieser unwürdigen Weise von ihr sprechen zu hören." „Du hast affo schon daran gedacht, sic zu heiraten?" fragte seine Mutter statt aller Antwort, ihn noch immer scharf beobachtend. „Und wenn das der Fall wäre, Mama, fuhr Andr6 zitternd vor Aufregung fort, würdest du auch nur einen Augenblick daran denken, daß eine derartig belastete Schwiegertochter jemals hier möglich wäre?" „Du meinst im Ernst, Andrei? fragte seine Mutter, nun wirklich betroffen über seine Aufregung. „Im heiligsten Ernst", antwortete er. „Nun dann — natürlich ist daran nicht zu denken, Andr6. Ich sollte meinen, du könntest dir und mir solche Fragen ersparen. Jndustrieritter und ihr Anhang haben bei der Vicomtesse de Saint-Bon nichts zu suchen." „Eben deshalb, Mama, solltest du von Fräulein Florence Belotti de Blois nicht so sprechen. Xnbtsssa odlipe." „Mein Gott, konnte ich denn ahnen, daß du die Aeußerung so tragisch auffassen würdest? Sie ist also hübsch, Andrs, die Kleine? Sehr hübsch?" Der Vicomte antwortete zunächst nicht. Nachdenklich schritt er im Zimmer auf und ab, als ob er die Frage seiner Mutter überhört habe. Der kleine Silvain siel ihm ein und gab seinen Gedanken wieder eine heitere, spaßhaftere Richtung. „Der kleine Silvain will mich bei ihnen einführen — als Asrikaforscher" — erzählte er dann seiner Mutter. „Bei bei wem, Andrö?" „Bei den de Blois, er weiß natürlich von nichts und das ist auch nicht notwendig." „Aber AndrS, das ist dock etwas riskiert." „Wie? Sich bei einem Senator von Frankreich ein führen zu lassen, wäre riskiert?" „So meine ich s natürlich nicht", erwiderte die Vicom tesse hastig. „Es ist der einfachste und klarste Weg, der Sache auf den Grund zu kommen, Mama. Und ich will ihr auf den Grund kommen.' Seine Mutter erwiderte nichts, sondern zuckte nur leicht mit den Schultern XII. Vicomte Andr<§ war von seiner Donnerstags-Visite im Hause der Madame de Blois ungewöhnlich in An spruch. genommen und schon während des Essens bei Silvain so einsilbig und zerstreut, daß sein Freund Hipolyte ganz entschieden der Ansicht war, er habe das Sumpfsiebcr mit aus Afrika gebracht. Gott weiß, was er sich dabei dachte, wahrscheinlich nicht viel oder gar nichts, aber es war eine Tatsache, daß Andr6 von der be vorstehenden Visite so in Anspruch genommen war, datz er kaum hörte, was sein Freund sagte. Er sprang wie gewöhnlich von einem Thema auf ein anderes, kam aber dock so häufig wieder auf Florence zu sprechen, daß es Andr^ auffiel. Ja, es hatte fast den Anschein, als ob der Vicomte unangenehm berührt davon und nervös würde, was Hipolyte von Florence sprach. Wenn er sich nur in Lobeserhebungen über ihre Schönheit erging, wenn er von ihren Augen, ihren himmlischen Augen sprach, von ihrem „Märchen-Teint", von ihrer „graziösen" Gesinn ung, so würde ihn das nicht besonders berührt haben. Tas wußte er ja alles besser, als sein Freund. Aber der kleine Silvain sprach auch, vielleicht weil er glaubte, sich dadurch interessant zu machen, von gewissen Intimitäten, die auf eine vorhergegangenc Verständigung, vielleicht der beiderseitigen Mütter schließen ließ. Er wußte zu er zählen, daß der Senator de Blois seiner Enkelin eine halbe Million Mitgift bestimmt habe — vorläufig. — Wenn nun auch schließlich, wenn es zum Treffen kam, ein paar Sous daran fehlen sollten, fuhr Herr Silvain fort, so würde sein Papa schon Rat schaffen, daß trotzdem die Million voll würde und so ein angenehmer und kom fortabler Hausstand gesichert sei. Tas ließ, wie gesagt, darauf schließen, daß der kleine Silvain ganz ernsthaft auf Freiersfüßen ging und datz in dieser Hinsicht schon rvitraulick-c Besprechungen und
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