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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.07.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-08
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040708028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904070802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904070802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-07
- Tag1904-07-08
- Monat1904-07
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Nr. S44. 98. Jahrg. Leipziger Tageblatt. Freitag, 8. Juki 1904. ver rurrlrch Ispanirche flrieg. Um jss-rt Arthur. Aus Tschifu, der unerschöpflichen Quelle für un zuverlässige Nachrichten von „chinesischer Seite", wird ge meldet: Am -1. Juli fand ein Kampf um die nordöstlich von Port Artlmr gelegenen Hügel statt, bei dem die Nüssen 100 Lote und etwa 50 Verwundete verloren. Zur Aufsammlung der Gefallenen und Verwundeten wurden Chinesen verwandt. Die Japaner, die die zweite Hügel kette um Port Arthur besetzt palten, ziehen jetzt ihre Streitkräfte auf dem östlickzen Teile der Halbinsel zu sammen, offenbar in der Absicht, auf das Marinelager zu marschieren, daß den Hauptpaß durch die Hügelreihen gerade im Rücken von Port Arthur beherrscht. „Man glaubt", daß das Los dieser Festung davon abhängt, ob dieser Platz, -en 20 000 Mann Marine-Infanterie besetzt halten, sich auch als uneinnehmbar erweist. Meldung de» General» Ssacharew. Die General Ssacharow an den Generalstab vom S. Juli meldet, versuchte der Feind am 4. Juli auf der südlichen Front die russischen Feldwachen zurückzu drängen, doch gelangen die Versuche nicht. Am 4. unter nahmen die Russen eine Rekognoszierung in der Richtung aus Sseniutschen und schlugen die Japaner in die Flucht. Eine Abteilung der russischen Freiwilligen be mächtigte sich der Eisenbahnstation, konnte aber nicht werter Vordringen, da Sseniutschen von den Japanern be setzt war. Tie japanische Feldwache steht 6 Werst südlich von Siandian. Auch die Höhen im Süden von Potaitsa hat der Gegner inne. Es wurde festgestellt, daß die Sicherungsabteilungen der Japaner sich im Ge birge östlich der Eisenbahn von den Höhen südlich von Potaitsa bis Chituanusa im Tale eines linken Neben flusses des Thindon erstrecken. Tamirlgon, sowie Madiawaisa, auf dem Wege von Chansa nach Siahotan. räumten die Japaner. Den Tschapalin-Paß hat eine kleine Abteilung des Gegners inne. Nach Aussagen der Ortsbewohner verloren die Japaner am 4. in einem See gefecht bei Ghownan an Toten und Verwundeten 700. Sihejan ist von den Japanern nicht besetzt; ihre Wachen abteilungen stehen aber in der Nähe des Qrtes und zwöls Werst südlich vom Iugulin - Paß. Die Hauptstreit. kräfte des Gegners sind im Fcnschnilin-Paß zu rückgeblieben. Am 5. und 6. EUili regnete es in der Um- gebung von Tascksitschiao nicht, doch herrscht große Hitze. Aurspatkin an den Aalser. Tas neueste Telegramm General Kuropatkins an den Kaiser meldet: Am 4. Juli fand in der Um gebung vonWafangou, 14 Werst nordöstlich von Sseniutschen, und beim benachbarten Dorfe Potaita ein Vorpostengefecht statt. Tie Japaner zogen sich nach Süden zurück. In der Umgegend von Soahstun, zehn Werst südlich von Siandan, verlor eine von unseren Streiswachen in einem Scharmützel mit japanischen Streifwachen zwei Kosaken. Ferner wurden „zwei Koiaken" verwundet. Turch Rekognoszierungen ist fest- gestellt worden, daß in der Umgebung des Torfes Jan- schntan, 7 Werst südlich von Tschajun, sich Abteilungen der feindlichen Vorhut befinden in einer Stärke von etwa 1000 Mann Infanterie, einer Eskadron Kavallerie und vier Geschützen. Im Tale des Tschinstouflusses steht bei Tiannilindsa ein Bataillon mit 12 Geschützen und einer Eskadron Kavallerie. Weiterhin befinden sich bei Uan- fusan bedeutendere Streitkräfte des Gegners. Diese Truppen sind nach den Aussagen von Chinesen bei Tatichjuanbo, 60 Werst südwestlich von Takuschan, ge landet worden. — Am 4. Juli drangen eine Kosaken- streifwache und berittene Freiwillige bis Paliamiatsa im Tale eines linken Nebenflusses des Tbintsau, 9 Werst nordöstlich von Jamulindsa, vor. Südlich von Dalia- miatsa wurden recht ansehnliche Streitkräfte des Gegners gesehen. An demselben Tage verdrängten zwei Kom pagnien und eine Sotnie auf dem nördlichen, nach dem Uidalinpaß führenden Wege eine Abteilung der japa nischen Vorbut aus Liutiantatirl. Dabei wurde „ein Kosake getötet und einer verwundet". Drei Kosaken werden vermißt. Das englische Aanenenbsst „Lspiegle" ist einer Reutermeldunq aus Tientsin zufolge von Nintschwang nack Tschingwangtao in See gegangen. Die Russen haben gegen den dortigen Aufenthalt Widerspruch erhoben. Ein russisches Kanonenboot ist vor der Mündung deS Liao vor Anker gegangen, um, wie man glaubt, dem „Espiegle", falls er zurückkehren sollte, die Durchfahrt zu verwehren. politische lagesschau. * Leipzig, 8. Juli. Der Farmer Klage. Tie Petition einer Anzahl Farmer aus dem Bezirk Gobabis in Teutsch-Südwestafrika an den Reichstag liegt jetzt im Wortlaut vor. In diesem Schriftstück ist beson ders bemerkenswert, wem die Schuld an dem Aufstande zugeschriebcn wird, wie der Aufstand niedergeworfen wer den soll und wie sich die Ansiedler zur Entschädigungs frage stellen. Die Schuld an dem Aufstande schreiben die Farmer vor allein dem Umstande zu, daß von Seiten der Regierung durch intimen Verkehr mit den Herero die Weißen in den Augen der Eingeborenen herabgesetzt wor den wären, und daß man viele Gewehre und reichliche Munition an die Herero verkauft habe, während die Deut schen kaum die notwendigsten Waffen erhalten hätten. Tie Verwaltung habe auch durch die Entblößung des Schutzgebietes von Mannschaften und Geschützen und durch zu milde Behandlung der Herero unverzeihliche Fehler gemacht. Die Herero müßten völlig unterworfen und entwaffnet werden, um weitere Aufstände endgültig unmöglich zu machen. Ihre Großleutc und alle, die Weiße ermordet hätten, müßten kriegsgerichtlich verurteilt wer den. Zum Schluß verlangen die Farmer volle Ent schädigungen, nicht kümmerliche Dar leihe n , da sie ihren Hauptbesitz, das Vieh, verloren hätten. Zu den Entschädigungen sei die Negierung un bedingt verpflichtet, da sie von Amtswegcn die Farmen verkauft und dadurch den Schutz der Ansiedler übernom men habe. Außerdem hätten die Behörden den War nungen der Farmer keinen Glauben geschenkt, sondern den Eingeborenen vertraut. Nur angemessene Entschädi- gung werde es den Ansiedlern, die keine in Deutschland verkrachten Eristenzen, wofür der Abq. Bebel sie gehalten habe, sondern zum größten Teile alte Schutztruppensol daten seien, ermöglichen, in dem ihnen liebgewordcncn Schutzgebiete zu bleiben. Ter Beinch der norwegischen Kriegsschiffe. Unsere Beziehungen zu den vereinigten Königreichen Schweden und Norwegen sind die denkbar besten. König Oscar II. steht bekanntlich von allen Monarchen am längsten » la «uit« der deutschen Marine. Zu der Kieler Woche war das schwedische Schulschiff „Freya" ge kommen; im Herbst wird die deutschen Häfen das norwegische H e r b st ü b n n g s g e s ch w a d c r be suchen. ^ uw. .ii sowohl als Norwegen hat eigentlich große Schlachtschiffe nicht. Die 16 schwedischen .Küsten- Panzerschiffe von 4270 Tonnen und 3650 Tonnen sind zum Teil hochmodern; Norwegen hat vier Küsten- - Panzerschiffe, von diesen kommen zwei, „Eidswotd" und l „Tordenskjöld", nach Deutschland. „Eidswold" ist 1900 s vom Stapel gelaufen, „Tordenskjöld" drei Jahre früher; i das erstere Schiff hat ein Deplacement von 3860 Tonnen, das letztere ein solches von 3500. Beide Schiffe sollen 17 Knoten laufen, sind also doch schneller als unsere acht Küstenpanzerschiffe, die es nur auf 15,5 Seemeilen bringen. An Bord haben die Schiffe 240 und 220 Mann. Zwei kleine Kreuzer und acht Torpedoboote begleiten die Panzerschiffe; der 1877 vom Stapel gelaufene „Sleipner" ist total veraltet, „Frithjof" ist moderner, er ist 1895 ins Wasser gekommen und hat 1380 Tonnen Deplacement, läuft 15 Knoten und hat 156 Mann an Bord. Die norwegischen Torpedoboote sind nur klein, zum Teil sind sic bei Schickiau gebaut, desgleichen die Tor- pcdobootszerstörcr. Der norwegische Admiral Sparre. welcher das nach Deutschland kommende Herbstübungs- geschwader befehligt, gilt als ein warmer Verehrer Deutschlands, der wiederholt diese seine Sympathie öffentlich bekundet haben soll. „DaS ritterliche, katholische, für alle hohen Ideale begeisterte Frankreich." Tas gegenwärtige, von einem kulturkämpferischen Ministerium geleitete Frankreich ist natürlich den Kleri kalen aller Länder ein Dorn im Auge. Wenn die „Köln. Volksztg." das heutige Frankreich mit einem Mont morency vergleicht, der mit Hasenfellen und abgetragenen Beinkleidern handle, so wollen wir ihr diesen Sarkasmus nicht weiter verübeln; wenn sie aber klagt, daß das „ritterliche, katholische, für alle hohen Ideale begeisterte Frankreich" der Vergangenheit angehöre, so müssen wir sagen, daß dieses Frankreich nicht der Vergangenheit, son der P h a n t a s i e angehört. Wenn in der Nacht vom 23. auf den 24. August 1572 Tausende von in ahnungslosem Schlummer liegende Protestanten erschossen und erstochen wurden, so war diese Tat allerdings im Namen des katholischen Frankreichs begangen worden, aber ritterlich und von hohen Idealen Zeugnis ablegcnd war sie doch wohl nicht. Und als etwa 100 Jahre später Lud- wig XIV. die Häuser der Protestanten mit Massenein quartierung belegen ließ, um dadurch die „Ketzer" zum „wahren Glauben" zurückzuführen, da konnte man diese „VOQVSI-Sion gar logvmont" doch auch nicht als ein ganz ritterliches und ideales Mittel bezeichnen. Wenn ein Dutzend Jahre später die Truppen desselben frommen katholischen Königs binnen wenigen Wochen die blühende Pfalz zu einer Wüstenei machten, so war dies weniger eine ritterliche, als eine raubritterliche Handlungsweise. Im darauffolgenden Jahrhundert war cs den im ritter- lichen, katholischen Frankreich herrschenden Elementen nicht mehr ganz so leicht gemacht, das Ausland auszu saugen, und so hielten sie sich denn mit desto größerem Nachdrucke an das eigene Land, das von den Bischöfen, den Bettelmönchen und dem mit der Geistlichkeit verbün deten Feudaladel so systematisch und so erbarmungslos ausgeplündert wurde, daß diesem selben französischen Volke, dessen loyale und gehorsame Gesinnung einst vom Kaiser Maximilian in Gegensatz zu dem in Deutschland herrschenden Geiste gestellt worden war, nichts übrig blieb, als die Revolution. Nach einem Vierteliahrhundert revolutionärer Kämpfe und unausgesetzter Kriege kam das ritterliche, katholische Frankreich wieder ans Ruder. Und als zwei Jahre nach der Restauration in der Tauphi- nee ein kleiner Aufstand ausbrach, da berichtete der Gene ral Donnadieu, eine der Stützen des wiederhergcstellten ritterlichen katholischen Frankreichs, der den Aufstand unterdrückte: „Es lebe Gott, seit drei Tagen hat das Blut nicht aufgehört zu fließenl ES lebe der König, die Leichname seiner Feinde bedecken alle Straßen." Wie ritterlich, wie tief religiös, wie ideal! Und um dn historischen Rückblick mit dem zweiten Kaiser reiche, unter dem Dank dem Einflüsse der frommen Kaise rin Eugenic die Jesuiten das Land regierten, zu schließen, so sei daran erinnert, daß damals gleichzeitig mit der Frömmigkeit nicht die Ritterlichkeit, wohl aber die I n - dustrieritterlichkeitin höchstem Flor stand. Wir wollen uns weder für die erste französische Republik, die über Deutschland 25 Jahre des Krieges und des Ruins brachte, noch für die kurzlebige zweite, noch für die gegen wärtige dritte Republik begeistern, aber wenn in der Ge schichte Frankreichs jemals von einem hohen Zuge idealer und schwärmerischer Politik die Rede sein kann, so war dies sicher nicht der Fall in irgend einer Periode des ritterlichen katholischen Frankreichs. veutschrs fleich. * Berlin, 8. Juni. * Die aktive deutsche Echlachtflotte wird auf ihrer Uebungsreise nach der Nordsee nun doch zwei englische Häfen anlaufen, Plymouth und Devenport. Man ersieht dies aus folgender Londoner Reutermelduna vom 8. Juli: „Admiral Seymour teilte gestern den Bürster- meistern von Plymouth und Devenport, die sich mit ihm über den Empfang deS deutschen Geschwaders besprochen, mit, daß die Gäste keine öffentliche Kundgebung wünschten." Die deutsche Flotte fährt also gewissermaßen inkognito. * Zur Frage der Handelsverträge verlautet jetzt offiziös: In einigen Blättern werden Mitteilungen über den Zeit punkt des Inkrafttretens der neuen Handelsverträge ge bracht. Sie beruhen auf Kombination. Gegenwärtig weiß noch niemand, wann die neuen Berträge und damit der neue Zolltarif in Kraft treten werden. Neue Verträge sind mit Italien und mit Belgien zum Ab schluß gebracht, fihxr einen solchen mit Rumänien finden gegenwärtig Unterhändlerkonferenzen statt. Mit Rußland, der Schwei; und Oesterreich-Ungarn sind Aussprachen zwischen den Unterhändlern erfolgt, haben aber zu einem Abschluß noch nicht geführt. Die Arbeiten an der Erneuerung der Tarifverträge mit diesen Ländern ruhen natürlich nicht, sie werden in den zuständigen Behörden fortgesetzt. Rian wird aber kaum damit rechnen können, daß sie schon in ganz naher Zeit sämtlich zu positiven Ergebnissen führen werden. Dagegen darf im Gegensatz zu anders klingenden Mitteil ungen damit gerechnet werden, daß auf alle Fälle für die Geschäftswelt eine angemessene UebergangSfrist zur Eingewöhnung in die neu geschaffenen und zu schaffenden Handelsbeziehungen gewährt werden wird. Wie lang sie zu bemessen fein wird, ist Sache der betreffenden Regierungen, gegebenenfalls auch der Parlamente der in Betracht kommen den Staaten. * Zur mtnlfteriellen Ltndtenreise wird noch offiziös ge schrieben: Der preußische Minister deS Innern beabsich tigt im Zusammenhang mit seiner Reise nach London auch Paris zu besuchen und die dortigen kommunalen Einrich tungen an Ort und Stelle zu studieren. Man wird sich bei diesem Anlasse auch gegenwärtist zu halten haben, daß es sich bei den in Bezug auf Berlin und seine Umgebung zu lösenden Aufgaben nicht ausschließlich um die kommunale Seite der Sache handelt, sondern daß auch die zweckmäßige Ordnung der staatlichen Aufsicht über Groß-Berlin zu den Aufgaben des Tage« gehört. Bekanntlich hat die StaatS- regierung die Absicht gehabt, für Berlin und die benachbarten Stadtkreise unter Loslösung von der Regierung in Potsdam ein besonderes Oberpräsidium zu errichten und so, unbeschadet der fortdauernden Zugehörigkeit jener Stadtkreise zur Provinz Brandenburg, die Staatsverwaltung und die kommunale Staatsaufsicht über Berlin und die Vorortstadtkreise einheit lich und zweckmäßig zu organisieren. Die Durchführung diese« PlaneS ist seiner Zeit im Abgeordnetenhause insofern auf Schwierigkeiten gestoßen, als man dort wenigstens von nam hafter Seite der Errichtung eine« Regierungsbezirke« Berlin anstatt de« in Aussicht genommenen Oberpräsidiums den Vor zug gab. Die Streitfrage ist damals wegen Schluffes deS Landtages nicht zum Austrag gelaugt, und der Minister de« Innern, der sie bei seinem Amtsantritt in diesem Stadium vorfand, hatte sie zunächst zurückgelegt. Jedoch daS Bedürf nis, das seinerzeit zu dem Vorschläge der Errichtung eines Oberpräsidiums für Berlin und seine Umgebung geführt hat, ist bestehen geblieben. Man wird demzufolge auch damit zu rechnen haben, daß die Aufgabe einer sachgemäßen einheit lichen Ordnung der staatlichen Verwaltung und Aufsicht für Berlin und die Vorstadt- kreise in nächster Zeit wieder ausgenommen werden wird. * Reform des Strafprozesses. Nachdem die erste Lesung von Fragen der Reform des Strafprozesses in der Sach- verständigen-Kommission zum Abschluß gelangt ist, darf die Befriedigung als ein Erfolg bezeichnet werden, mit welcher die Mitglieder der Kommission auf ihre Arbeiten zurückblicken. Als die Kommission berufen wurde, machten sich Stimmen vernehmlich, welche den Weg nicht vollständig zu billigen schienen, der von der verantwortlichen Leitung der Reichsgeschäfte eingeschlagen worden war, um zum Zwecke einer möglichst sicheren Urteilsbildung über die einschlägigen Fragen nützliche Unterlagen zu gewinnen. Diese waren nach Ansicht des Reichsjustizamts am besten dadurch zu beschaffen, daß die Einzelregierungen nicht nur Gelehrte, sondern auch solche Juristen als Sach verständige bezeichneten, welche aus ihrer praktischen Erfahrung heraus die voraussichtliche Wirkung von Reformvorschlägen abmesscn können, die im Lause der Jahre gemacht worden sind nnd fortwährend weiter daS Licht dieser Welt erblicken. Auch auf diesem Gebiete gilt der Satz: Nahe bei einander wohnen die Gedanken, doch bart im Raume stoßen sich die Sachen. Der Austausch von Wünschen und Ansichten zwischen Sachverständigen des Strafprozesses aus den verschiedenen Teilen Deutschlands hat nicht wenig dazu beigetragen, sichere Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, waS in absehbarer Zeit zu erreichen möglich ist, was als mehr oder weniger utopistisch beiseite zu lassen und was allenfalls der Zukunft vorzubehalten ist. * Zur Tttberkuloscfrage haben im Gesundheitsamt in letzter Zeit wichtige Beratungen stattgefunden. Zunächst haben die zuständigen Ausschüsse des Reichsgesundheitürates am 2t. v. M. zu der Unterbringung und Behandlung Schwindsüchtiger in allgemeinen Krankenhäusern Stellung genommen. Nach den Anträgen der Berichterstatter Professor v. Lcube-Würzburg und Generalarzt 1)r. Schaper «ärztlicher Direktor der Charite) hat man sich einstimmig für die ge trennte Unterbringung von Lungenkranken mit vorgeschrittener Tuberkulose und zwar womöglich in eigenen, den erprobten Grund sätzen der Sanatorien angepaßten Krankenhäusern, zum min desten aber in getrennten Gebäuden oder Abteilungen der allgemeinen Krankenhäuser ausgesprochen. Sodann wurde am 25. Juni in Anwesenheit unserer hervorragendsten Fach männer, wie Robert Koch, v. Leyden, Orth, Krauß, B. Fraenkel und Löffler der Bericht des Regierungsrates Kossel über die letztjährigen experimentellen Arbeiten des Gesundheitsamtes zur JdentitätSfrage der Menschen- und Rindcrtuberkiilose entgegengenommen. Die Verhandlungen führten in erfreu licher Weise zu einer nahezu völligen Ucbereinstimmung der Ansichten; nach Abschluß der noch im Gange befindlichen Arbeiten soll von neuem eine Beratung stattsindcn; auch soll die Jmmunisierungsfrage weiter behandelt werden. * Zur Lage auf Lamoa schreibt die Berliner Direktion der Deutschen Samoa-Gesellschaft über die englischen Unruhe- Meldungen: „Die uns zu Gebote stehenden Quellen neuester Zeit bestätigen durchaus die ruhLste und friedliche Auf fassung der Situation, die auch in den offiziellen deutschen Schriftstücken bisher zu Tage trat." — Nach der „Volksztg." darf als sicher angenommen werden, daß der Etat für 1905 LemReichstag noch vor den Weih- nachtSferirn vorgelegt werden wird. — Der „Hannov. Cour." dementiert die Nachricht, daß in Hannover ei» Berbandstag der deutschen Technischen Hochschulen stattgefunden habe. — Zur Mirbach-Angelegenheit meldet die „Brcsl. Ztg.": „Aus wohlunterrichteten Hoskreisen wird uns mitgeteilt, daß Frhr. v. Mirbach, der Obersthofmeister der Kaiserin, trotz aller Dementis doch aus seiner Stellung scheiden wird. Der Kaiser soll seinen Wunsch dadin in unzweideutiger Weise geäußert haben, so daß es nur noch eine Frage der Zeit ist, wann der Hofbeamte zurücktritt. Unter den Nachfolgern, die sein Amt einnehmen sollen, wird in erster Linie der Zeremonienmeisler von Knesebeck genannt. — Ueber die Aussichten für Bremen wird dem „Hann. Cour." geschrieben: Die Sozialdemokratie wählt jetzt ihre Dele gierten für den Parteitag in Bremen. Es geht in diesen Versammlungen ziemlich stürmisch her; jeder Genosse, der nur in dem Geruch des Revisionismus steht, wird abgclchnt, und aus Norddeutschland werden nur strikte Bebelianer kommen. Fast in allen Versammlungen haben die Zielbewußten unter lebhaftestem Beisall ausgesprochen, daß es bedauerlich wäre, daß man in Dresden nicht ganze Arbeit gemacht habe. ES ist mit Sicherheit anzunehmen, daß Genosse Schippet in Bremen „hinausfliegt". Das Chemnitzer Mandat ifl den Sozialdemokraten ganz sicher. — Abgereist ist der Minister des Innern Freiherr v. Hämmer st ein, nach der Provinz Ostpreußen. Angekommen ist der Staats sekretär des Reichspostamts Kraetke. O * Danzig, 7. Juli. Obcrpräsidcnt Delbrück ist zum Kurator und ständigen Staatskommissar des Kultusministers für die neue Technische Hochschule zu Danzig ernannt worden. Lis. Fulda, 7. Juli. Der König von Dänemark wird am Sonnabend auf dem benachbarten Schloß Adolphscck eintreffen, um die Landgräfin von Hessen zu besuchen. * Darmstadt, 7. Juli. Die Zweite Kammer setzte heute die Beratung der Wahlrechtsvorlage fort und nahm die meisten Artikel im Sinne der Regierungsvorlage an, darunter auch Artikel 6, betreffend die Kanteten (dreijährigen Aufenthalt im Großberzogtum, dreijährige Staatsangehörig keit), auf deren Aufrechterhaltung die Regierung nach der Erklärung des Staatsministers Or. Rothe besteht. Die Kammer setzte sich nur bezüglich der Frage der Zusammen setzung der Ersten Kammer m Gegensatz zur Regierung, indem sie die Bestimmung der Regierungsvorlage strich, das; zur Ersten Kammer auch diejenigen Bürgermeister von Städten mit Städteordnung gehören sollen, die der Groß herzog für die Dauer des Landtage« beruft. * Hetdelberg, 7. Juli. Der Finanzminister erklärte in Beantwortung der Denlschrift des Oberbürgermeisters, der noch maligen Prüfung der Frage wegen Wiederherstellung de« Heidelberger Schlosses nähertrrten zu wollen. * Aus Bayern. Wechsel im bayerischen Kriegs ministerium? Wie der „Fränkische Kurier" erfährt, soll der bayerische Militärbevollmächtigte in Berlin, General major von End re ß, dessen Ernennung zum Divisions kommandeur bevorstehen soll, die Division in Augsburg er halten. Der dortige Divisionär Freiherr von Reich lin- Meldegg werde Kriegsminister werden. Der Rücktritt de« jetzigen Kriegsministers Freiherrn von Asch erfolge be stimmt nach Landtagsschluß. Bon anderer Seite wird ebenso bestimmt behauptet, daß der Rücktritt deS Frbrn. v. Asch eine Folge seine« Auftretens im Falle Pichler-Cra« sei. Er werde also dem Zentrum geopfert. flsne. * EchtffShewegungen. Der Transport der abgelvsten Be- satzung von S. M. S. „Condor" ist mittel- Dampfer „Gera" am 7. Juli in Fremantle eingetroffen und an demselben Tage nach Colombo in See gegangen. S. M. S. ,ZltiS" ist am 7. Juli von Tsingtau nach Taku in See gegangen. S. M. S. „Hyäne" ist am 6. Juli von Cuxhaven in See gegangen. S. M. S. „Grille" ist am 6. Juli in Cuxhaven eingetrofseu. S. M. S. „Stein" ist am 6. Juli in Kiel einaetrofsen. Postsendungen für das Kommando und die Schiffe Les II. Geschwader«, die beiden kleinen Kreuzer „Blitz" und „Pfeil" und für die I. Torpedobootsflottille sind vom 6. bis 10. Juli nach Emden, sodann bis zum 7. August an das Kaiserliche Hofpostamt Berlin und vom 8. August ab wieder nach Kiel zu richten. Für alle übrigen Dienststellen der aktiven Flotte sind Postsendungen bis zum 7. August an das Kaiserliche Hofpostamt Berlin und vom 8. August wieder nach Kiel zu richten. Postsendungen sür S. M. SS. „Moltke", „Stein", „Stosch" sind-bis zum 15. Juli nach Kiel, vom 16. Juli ab bis auf weiteres an das Kaiserliche Hofpostamt Berlin zu nchten. * Das Linienschtss „Schwaben" erlitt durch «inen Stoß auf Grund bei Fehmarn erhebliche Beschädigungen. FIusIanZ. Oesterreich - Ungarn. * Magyaren und Kroaten. Sämtliche kroatische Zöglinge der Landwehr-Kadettenschule in Fünfkircheu haben wegen angeblicher Verfolgungen seitens der ungarischen Lehrer und Kameraden ihren Austritt aus der Schule angemeldet. Italien. * Landarbeiterstreik. In Malabergo, Provinz Bologna, brachen ernste Unruhen zwischen streiken den Landarbeitern und Streikbrechern aus. Tie Streik brecher schossen mit. Revolvern und flüchteten in ein Bauernhaus, das vou den Streikenden angezündet wurde; sie wurden von Carabinieri befreit. Von Bologna ist Militär abgegangen. * Zur Finanzlage Roms. Wie die italienischen Blätter berichten, befindet sich die Stadt R o m gegen wärtig in einer Lage, die der bevorstehenden Konkurs erklärung verzweifelt ähnlich sieht. Der Bürger meister F ü r st C o l o n n a hatte in der Ratssitzung vom 11. Oktober v. I. erklärt, es seien mehr als 300 Millionen Lire Schulden ausgelaufen, ohne jede sichere Aussicht aus Deckung, und er sehe keinen anderen Ausweg, als ein Er suchen nm Hülfe an die Regierung, da gerade wegen ihrer hauptstädtischen Pflichten, durch maßlose Bau- und Verschönerungsarbciten die Stadt sich ruiniert habe. Als 1865 der Sih der Regierung nach Florenz verlegt wurde, ging es dieser Stadt nicht besser; die Verwaltung verkrachte nach wenigen Jahren infolge der unsinnigen Bau- uud Verschöucrungswut. Die Hauptstadt des ge einigten Italien hat aus dieser Lehre keinen Nutzen ge- zogen. Schon 1881 mußte der Stadt mit einer verzins lichen Anleihe von 150 Millionen Lire einspringen, und heute wird nichts anderes übrig bleiben, wenn man einen öffentlichen Skandal vermeiden und das ewige Rom nicht in der Konkursliste sehen will. * Zum Verrat Vrcolcsfis. Dem „Giornale d'Jtalia" zufolge kam die Spionagegeschichte dadurch an das Tages licht, daß das französische Kriegsininisterium plötzlich Maß nahmen ergriff, die sich nur durch die Kenntnis der italienischen Mobilisierungspläne erklärten. Da ersichtlich aus dem zsriegSministerium in Rom kein Dokument ent nommen war, konnte der Verrat nur aus Sizilien, auf das sich jene Maßnahmen bezogen, gekommen sein, und die Ent deckung ErcolessiS ergab sich dann von selbst. Auch mit einer gewissen anderen Macht soll Ercolessi in Verbindung gestanden haben. * In Como fand am Donnerstag eine große Volks versammlung statt, verbunden mit einem Umzug durch die Stadt, an dem 4000 Personen mit 40 Fahnen teil nahmen, um gegen die befürchtete Ermäßigung des Einfuhrzolls auf Seidenwaren zu protestieren. Großbritannien. * Zum bcllm stellenden Besuch des deutschen Geschwaders. Admiral Seymour teilte den Bürgermeistern von Plymouth und Devenport, die sich mit ihm über den Empfang deS deutschen Geschwaders besprochen, mit, daß die Gäste keine öffentliche Kundgebung wünschten. Nußland. * Neber die sozialdemokratische Propaganda in Ruß- land machen sozialdemokratische Blätter folgende An gaben: Im Monat April wurden vom Zentralcomit« der russischen Sozialdemokratie, wie die letzte Nummer der „Iskra" berichtet, 60 Pud (rund 1000 Kilogramm) illegaler Literatur verbreitet; darunter 102 250 Exem» plare Maiproklamationen, 30 400 Exemplare den Krieg betreffende Aufrufe und 4900 andere Flugblätter und Agitationsbroschüren. Tw Redaktion der „Iskra" er ließ 13 verschiedene Aufrufe über den Krieg, welche dann von verschiedenen Parteicomitös in geheimen Druckereien neuerdings aufgelegt nnd im Lande verbreitet wurden; außerdem wurde« etwa 70 verschiedene Proklamationen über den Krieg von den Parteieomitös selbst heraus- gegeben und in Tausenden von Exemplaren verbreitet. Von der jüdischen Sozialdemokratie, dem sogenannten „Bund", wurden über den Krieg mehr als 50 000 Auf rufe in jüdisch-deutschem Jargon und etwa 25 000 in Russisch verbreitet; zum 1. Mai wurden vom Zeutral- conntö etlva 96 000 Mai-Flngblätter und bis 36 000 andere von verschiedenen Eomitvs verbreitet. Geheime Massenversammlungen waren in mehr als 23 Städten, an denen in einigen Städten bis 900 Personen teilge nommen haben. Zu bedeutenden § Umgebungen kam es nur in Warschau, Homel und Riga. In Warschau war die Demonstration vom „Bund" gemeinfam mit der polnischen sozialdemokratischen Partei „Proletariat", organisiert, in Riga vom „Bund" zusammen mit dec lettischen Sozialdemokratie; in Homel nahmen an der Demonstration auch viele russische Arbeiter teil. In allen andern Städten haben die jüdischen Arbeiter, für die Sonntag ein Arbeitstag ist, durch Streik den 1. Mai gefeiert, an dein insgesamt etwa 15 000 Arbeiter teilge nommen haben; in einigen Städten haben sogar alle jüdischen Arbeiter an diesem Tage die Arbeit eiugestellt. In vielen Städten, z. B. in Lodz; hat die Arbeitslosig keit die jüdischen Arbeiter verhindert, einen allgemeinen Streik zu veranstalten. * SchaumanS Grab. Ein Mitarbeiter des Stock holmer „Aftonbladet" berichtet aus Helsingfors, das Grab Schaumans, der den Generalgouverneur Bobrikow erschoß, auf dem Kirchhofe zu Malm, etwa eine Meile von Helsingfors entfernt, fei seit der Beerdigung fortgesetzt von Freunden des Toten mit frischen Blumen geschmückt. An den ersten Tagen — so heißt es weiter — beschränkten sich die aufgestellten Polizisten darauf, die Namen der Spender zu notieren. Später sind schärfere Maßnahmen hmzugetreten, und vor einigen Tagen wurden einige Damen, welche die Absicht bekundeten, das Grab zu schmücken, mehrere Stunden in einer Wachtstube in der Nähe des Kirchhofes unter Bewachung durch sieben Poli zisten festgehalten, woraus sie ebenfalls unter polizei licher Bewachung nach Helsingfors ins Polizeigefängnis befördert wurden. Lier wurden sie unter Verhör ge nommen und einige Lage festgehalten. Ms sie euültch
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