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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 13.06.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-06-13
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193106137
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19310613
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19310613
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1931
- Monat1931-06
- Tag1931-06-13
- Monat1931-06
- Jahr1931
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 13.06.1931
- Autor
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Monat der Rosen. Zwei Monate, nach dem Volksglauben die beiden schönsten im Jahreslaufe, folgen unmittelbar aufeinander: Mai und Juni, jener der „Wonnemonat", dieser der „Rosenmonat". Zwar hat der allzeit launische Wettergott die viel und auch mit Recht gepriesenen Schönheiten der beiden Monate oft genug gründlich „vermasselt" mit Regen, empfindlicher Kühle und „Eisheiligkeiten" u. dergl. m., so daß die geplagten Menschenkinder viel mehr Ursache und Lust zum Schelten denn zum Loben und Jubeln hatten. Diesmal freilich hat Se. Majestät der allmäch tige Wettergott vieles, was er sonst gesündigt, wieder gut gemacht — soweit der Mai in Frage kommt. Er war wirk lich — von einigen Kleinigkeiten, die keinen großen Geist genieren, abgesehen — schön, und in seinen letzten Tagen sogar hundstagsmätzig heiß. Wenn nicht alle Anzeichen trügen und die Wetterpropheten sich nicht allzu sehr ver rechnen, wird der Juni seinem schönen Bruder Mai diesmal nichts nachgeben. Indessen vorsichtshalber doch: Unberufen — toi — toi! Man kann doch nie wissen! Sollte der Juni halten, was der Mai versprochen hat, dann wird er uns eine verschwenderische Fülle von Rosen bescheren und also seinem poetischen Namen „Rosenmonat" Ehre machen. Wer sollte das nicht wünschen oder nicht gern haben? So unpoetisch wird doch kaum jemand selbst im Zeitalter der nüchternen Sachlichkeit sein wollen, daß aus ihn die berückende Pracht der „Königin aller Blumen" in unseren Breiten keinen Eindruck mehr machen könnte! Man vergißt, daß selbst diese stolzen Kinder Floras Stacheln haben. Aber das ist Naturgesetz: Auch die stolzeste Schönheit ist nicht vollkommen. Wenn man nun neben die Fülle von Farben und Formen der veredelten Rosen ihre Stammutter — dieHecken - oder Hundsrose — stellt, dann will man's kaum glauben, daß sie so viele Kin der hat, die ihr in nichts mehr gleichen. Die Stammutter ist die Schlichtheit und Einfachheit selbst. Und dennoch ist sie in ihrer natürlichen Zier schön — besonders dann, wenn die Knospen eben sich öffnen. Begreiflich, daß sich um die Rose die zarteste Poesie geschlungen hat — die von edler Freundschaft, zartester Liebe, jauchzender Freude, hoff, nungsfroher Jugend — aber auch von schmerzlichem Weh. Wenn es im Liede auch heißt: „Noch ist die blühende, goldene Zeit, noch sind die Tage der Rosen" — eben diese selben „Tage der Rosen" erinnern daran, daß das Jahr wieder auf der Höhe steht, und abwärts zu steigen be ginnt, wenn der „Königin der Blumen" die Krone ent blättert. IV. Vermischtes. Famrliendrama in Neumünster (Holstern). Nus bisher ungeklärten Gründen schoß der Handelsver treter Christoph Müller seine Mutter nieder, erlvartete dann in der Wohnung seinen aus oer Stadt heimkehren- den Vater und tötete diesen durch einen Revolverschuß in den Hals. Der Täter richtete daraus die Waffe gegen sich selbst und machte seinem Leben durch einen Schuß rn die Schläfe ein Ende. Die schwerverletzte L?utter konnte noch lebend ins Krankenhaus gebracht werden, jedoch ist ibr Zustand hoffnungslos. Die gestohlene Lutherbibel wiederge funden. Der im März 1929 erfolgte aufsehenerregende Diebstahl des wertvollen Neuen Testainents aus dem Jahre 1522 aus einer Ausstellung von Luther-Bibeln in der Eansteinschen Bibel anstatt bei den Franckeschen Stif tungen hat jetzt nach zweijährigen schwierigen Ermittlungen ferne restlose Aufklärung gefunden. Die Luther-Bibel, die einen Schätzwert von über 100000 RM. hat, konnte un- s versehrt wieder herbeigeschafft und der Eansteinschen Bibel anstalt zurückgegeben werden. Der Täter ist ein früherer Angestellter der Franckeschen Stiftungen, der sich nachts i in den Aufbewahrungsraum des Testaments ein geschlichen hatte. Angeblich hat er den Diebstahl aus Liebhaberei für alte Lutherwerke ausgeführt. Er bestreitet, Verkaufsab fichten gehabt zu haben. Er hat an dem Buche einige Ver änderungen vorgenommen, z. B. Deckel Und Rückseite mit silbernen Beschlägen versehen und einige Bilder erngeklebt. Es handelt sich um das wertvollste Stück der Sammlungen in der Eansteinschen Bibelanstalt. Versenkung eines Alkoholschmuggelschiffs. Der englische Dampfer „Shubenacadia", der eine Sprri- tuosenladung an Bord gehabt haben soll, ist bei Kap Montauk nach einem Zusammenstoß mit einem Küstenwacht schiff gesunken. Die Besatzung wurde gerettet. Unterseeboot „Poseidon" wird gehoben. Das amerikanische Unterseebootmutterschisf „Pigeon" ist gestern in Weihaiwei eingetroffen. Seinen Tauchern ge lang es gestern vormittag, ein Drahtseil um den Rumpf des „Poseidon" zu schlingen und man wird heute ver suchen, das Unterseeboot zu heben. Scheunen-Einstur». — Ein Todesopfer. Ueber dem Aussiger Bezirk (Tschechoslowakei) ging gestern nachmittag ein schiveres Gewitter nieder. Durch den Gcwittersturm wurde eine Scheune in Karbrtz eingedrückt und begrub einen Feldarbeiter und eine Arbeiterin unter sich. Das Mädchen war sofort tot, während der Arbeiter schwere Verletzungen erlitt. Mehrere Stück Vieh wurden getötet. Neubestellungen für das Riesaer Tageblatt ans halben Zfnni D nehmen jederzeit entgegen di« ZeitnngSboten und die Taaeblatt - Geschäftsstelle Preis für halben Juni 1.SO Reichsmark frei Haus. Jagd auf einen tollwütigen Hund. In der Jungstraße im Osten Berlins wurde gestern nachmittag der in dieser Straße wohnende Friseur Jbisch und seine Frau von ihrem tollwütig gewordenen Hund zerfleischt. Jbisch hatte sich, wie „Tempo" meldet, diesen Hund, einen großen Schäferhund, erst vor acht Tagen zur Be wachung seines Geschäftes angeschafft. Als er das Tier gestern nachmittag auf der L>traße spazieren führte, fiel der Hund plötzlich über ihn her und richtete ihn derart zu, daß er bewußtlos und blutüberströmt zusammenbrach. Auch seiner hinzueilenden Frau brachte das Tier Bisse an den Armen bei, durch die eine Pulsader zerrissen wurde. Der Hund lief dann zähnefletschend und Schaum vor dem Maul die Straße entlang, bis Polizeibeamte ihn schließlich erschießen konnten. Jbisch und seine Frau werden sich einer Schutzimpfung gegen Tolllvut unterziehen müssen. Während Frau Jbisch leichter verletzt ist, mußte khr Mann mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus ein- geliefert werden. Paddelbootunglück auf dem Rhein. — Zwei Brüder ertrunken. Auf dem Rhein in der Nähe von Warnheim gerieten gestern abend drei iunge tigen Menschen halten und mit Hochachtung an ihm Hinauf seyen. — Die Kathrine möchte nuch zu gerne verheiraten. Meine ihr augenscheinliche Unkenntnis tut ihr jedenfalls leid. Sie wiße eine gute Frau für mich. Ein reiches Bauernmädchen von fünfundzwanzig Jahren. „Die paßt für Sie, sie ist gebildet und kann Klavier spielen. Und was sie alles hat, Herr Quindl Da machen Ne sich keinen Begriff davon. Ihr Koffer ist so voller Leinen, daß sie ihn nicht mit den bloßen Knien zudrücken kann, und das ist heutzutage etwas wert. Sie brauchen nur ein Wort zu lagen, und ich ziehe gleich meine Schuhe an und gehe zu ihr Die sagt nicht nein! Keine Angst! Und dann haben Sie auch was Komplettes, die hat Speck auf den Rippen, da kann ein Mannesmensch schon seine Freude d'ran haben!" Ich wehre mit beiden Händen ab .Hören Sie auf, Kathrine, und bleiben Sie ja dort weg. Oder meinetwegen gehen Sie alle Tage hin, aber sprechen Sie nicht von mir Hören Sie, ich verbiete Ihnen das!" Sie sieht mich verständnislos an. Dann tippt sie mit dem Zeigefinger vor die Stirn und sagt im Umdrehen: „Der ist reif für Lengerich." Das ist mir doch ein wenig zu stark. In energischem Ton« fahre ich sie an: „Kathrine, ich bitte mir aus, in einer manierlichen Weise zu mir zu sprechen, und fürs Lengericher Irrenhaus sind Sie reifer als ich " Sie reiht das Maul weit auf und staunt mich an. Dann wendet sie sich mit zornrotem Antlitz ihrer Arbeit zu und schruppt wütend über die Dielen hin. „Das haben der Herr der alten Schachtel gut gegeben. Das war allright Der gnädige Herr müssen mehr Gentleman sein, nicht mit dem Plebs reden," mischt sich Bachmann teils erfreut, teils vorwurfsvoll ein und streicht sein graues Borstenbärtchen „Bekümmern Sie sich gefälligst um andere Dinge, und ver schonen Sie mich mit Ihren englischen Brocken," ist meine gereizte Entgegnung. „Wie schwer ist es doch, mit Leuten aus dem Volke umzu gehen," seufze ich, „da meint man es immer so gut mit ihnen und bekommt Streit!" Kathrine ist manchmal sehr mitteilsam Dann erzählt sie mir Episoden aus ihrem Leben, und die höre ich lieber als ihr Heiratsgeschwätz Mit den Heiratsgeschichten will sie sich auch nur, wie mir nachträglich zu Ohren kam, Geld verdienen Sie ist nämlich in dieser Gegend so eine Art Kupplerin. Alle jungen Mädchen, denen es nicht flott genug in den Ehehafsn geht, kommen zu ihr und verheißen ihr klingenden Lohn, wenn sie eine Ehe zustande bringen wird. Wer weiß, viel leicht hat jene Bauernmaid mit dem übervollen Linnenkoffer bereits Absichten auf mich, und die Kathrine ist instruiert? Dann hätte ich ja also hier schon «ine geheime Eroberung gemacht. — Ich muß lachen. — «Ja, Herr, ich hab's gar nickt so leicht gehabt," seufzt Kathrine einmal, als ich wieder in flotter Unterhaltung mit ihr begriffen bin. „Mein seliger Heinrich war ja seelensgut, aber er mochte den verfluchten Schierhölter zu gerne " „Das ist traurig," entgegnet« ich und sehe das alte Weib lein mitleidig an. ! »Und doch'bin ich immer so gut zu ihm gewesen. Das hat s sogar Pastor Boßhard zu ihm gesagt. »Heinrich Teepe," hat er gesagt, „Sie sind ein alter Saufaus, und der Teufel wird ' Ihre Seele holen, wenn Sie den vermaledeiten Schnaps nicht meiden/ „Och, Häär Postohr, vörr den Düwel bin ich nich bange," sagte Heinrich da, »so lang« äße ich düssen platten Buddel no vull häwwe, kann de Schwalle mi« nix/ Und dann fing Heinrich an zu fingen: „Ich hab's ja immer gesagt, es mutz fortgesoffen werden." ! Sie schüttelte den Kopf, wie in tiefem Sinnen und fuhr - fort: ! „Es war ja ein Jammer und eine Schande, daß er so was zu dem frommen Herrn Pastor sagte, aber er war in seinem j Tran, und unser Herrgott wird s ihm nicht angerechnet , haben Er hat chm doch auch den Durst gegeben, und darum ! bin ich auch immer gut zu Heinrich gewesen." „Sonderbare Auffassung," denk« ich. Aber ich will dem Weiblein seinen Glauben nicht nehmen. Ich kann nicht grau sam sein und ihr die mit aller Kraft ihres liebenden, ver gessenden Weibesherzen festgehaltenen letzten Ideale nicht rauben Ich schweige und lasse sie weiter erzählen. „Und dann zuletzt," fährt sie fort, „als Heinrich auf dem Totenbette lag, da habe ich mit ihm was ausgestanden! Er hatte ja keinen Branntwein mehr bekommen, und darum lttt er fürchterlich. Und das ging mir über alles nahe. Ganz zuletzt, als er am Sterben war, da hatte ich feinen Kopf im Arme „Heinrich," sagt« ich, „soll ich beten?" „Iau, Kathrine, bitte," gab er schwach zur Antwort, „mver giff mie no erst einen Halben." „Da habe ich ihm die Hände zusammengefalten und mein« Hände darumgelegt und laut das Vaterunser gebetet. „Heine- rich, kannst du nu guot stiärwen?" fragte ich ihn dann, und die Tränen liefen mir nur so über die Backen. Da richtete er sich nock einmal halb auf und sagte: „Kathrine, do mi« no einen Halben!" Da habe ich aufgeheult wie eine kleine Blage und bin an den Wandschrank gelaufen, wo di« Flasche mit Branntwein stand: „Hier Hüfte oee ganz« Flasche," sagte ich und war froh, chm diese letzte Bitte noch erfüllen zu können, und dann habe ich ihm die Flasche an den Mund gesetzt. Sie war noch über die Hälft« gefüllt, aber er hat alles auf einen Zug aus getrunken Dann legte er sich hin, lachte noch einmal über s ganze Gesicht, kniff voller Dankbarkeit den Daumen ein und ließ mir den Segen auf Erden. So ist mein Heinrich selig gestorben. Alle, die selig sterben, kneifen den Daumen ein und hinterlassen dadurch den Angehörigen den Segen auf Erden Auf den Daumen muß man immer achtgeben, wenn sie den letzten Schnaufer tun. Nach dieser Geschichte war's mir eigen zumute. Es war zum weinen, und ich mußte trotzdem lachen Wie fürchterlich naiv diese Leute sind! Aber man muß sie fast beneiden um ihren unerschütterlichen Gleichmut Wenn ich nur etwas von dieser Gleichmütigkeit mithätte, würde ich nicht em so ein- iamer, unglückseliger Mensch i«in. — Leute mit ihrem Paddelboot in eme starke Strömung. Das Boot kenterte. Von den drer Insassen ertranken zwei Brüder. Der dritte Insasse wurde gerettet. Die Leichen der Ertrunkenen konnten geborgen werden. Hitzewelle in Südsraitrerchund Spanien. Seit drei Tagen lagert über Frankreich eine Hitzewelle, die sich besonders in den süolichen Provinzen stark aus wirkt. In der Gegend von Tarbcs wurden gestern nicht weniger als 35 Grad im Schatten und 50 Grad in der Sonne gemessen. Seit 40 Jahren hat man hier eine der artige Hitze nicht mehr erlebt. — In Sevilla wurde gestern mit 44 Grad im Schatten die höchste Temperatur der Pyrenäen-Halbinsel verzeichnet. Frauen als chwere Jungens". Die Lon- doner Polizei hat in der letzten Zelt eine große Anzahl von Einbrüchen im Westen fcstgesrellt, die zweifellos von Frauen ausgesührt worden sind. Schon die Auswahl der mitgenommenen Gegenstände läßt auf einen weiblichen Geschmack schließen. Daß bas zartere Geschlecht sich nun auch in der Rolle der „schweren Jungens" erfolg reich betätigt, ist immerhin eine Neuheit. „Die moderne Frau, die sich dem Verbrechen widmet, tut das mit offenen Augen", sagte darüber ein Kriminalfachmann. „Sie hat Verstand und weiß ihn zu benutzen. Sie könnte auch auf ehrliche Weise ihr Brot verdienen, aber sie bevorzugt den Weg des Verbrechens, weil er ihr mehr Sensa tionen verschafft. Die neueste Epidemie in Einbrüchen kommt sicherlich zu einem beträchtlichen Teil auf Rech nung der Weiblichkeit. Biele der Frauen arbeiten mit Männern zusammen, aber wir haben Grund zu der An nahme, daß auch sehr häufig eine Frau oder zwei gemein sam die Einbrüche verübt haben. Unter diesen weiblichen „schweren Jungens" darf man sich nicht etwa verwahrloste Vagabundinnen vorstellen, wie sie so ost bei der Polizei eingeliefert werden, sondern es sind elegante und ge bildete junge Damen, denen man keine verbrecherischen Neigungen zutrauen würde, wenn man ihnen begegnet. Deshalb ist es auch schwer, ihnen auf die Spur zu kom men." Bon anderer Seite wird für diefes Verbrechertum der Frauenwelt das Erziehungsshstem verantwortlich ge macht, das heute vielen Mädchen eine höhere Bildung ermöglicht, so daß sie sich sür zu gut halten, um Nied rigere Arbeiten auszuführen. Auch die Arbeitslosigkeit trägt dazu bei, in den Mädchen in den langen Mußestunden den Gedanken an Verbrechen zu erivccken, und ebenso die Lektüre von Kriminal- und Abentcurergeschichten. Ein Sofa zum Schlan kwerden. Unter den vielgestaltigen „Folterinstrumenten", deren sich die mo derne Frau bedient, um die auch heute noch für modern gehaltene „schlanke Linie" zu erzielen, genießt in den Bereinigten Staaten ein Apparat besondere Beliebtheit, der jetzt auch nach der Alten Welt eingeführt worden M. Es ist dies ein geräumiges Sofa, auf dem die „Mär tyrerin" festgeschnallt wird.. Durch elektrische Motoren wird dann das Sofa, das au- sechs verschiedenen Teilen besteht, derartig in Bewegung gesetzt, daß sie alle nacht verschiedener Richtung hin- und herwackeln. Die auf dem Sofa Liegende erhält dann Erschütterungen, wie sie etwa der unglückliche Reisende aus sich nehmen muß, der zwölf Stunden lang in einem Abteil 3. Klasse eines Schnell zuges fährt. Während der eine Teil des 'sosaS die Schultern in heftige Bewegung versetzt, zerrt ein an derer die Hüften nach der entgegengesetzten Seite, und zu gleich werden die Beine nach verschiedenen Richtungen auS- einandergezerrt, während der Magen den heftigsten Er schütterungen ausgesetzt ist. Wie ein englischer Schön- tzeitsdoktor, der diesen Apparat bei fernen Patrentinnen benutzt, erklärte, verschwindet auf diese Weise daS überflüssige Fleisch „geradezu sichtbar", und die Dame steht schlanker von dem -L-ofa auf als sie sich niedergelegt hat. Diele Benutzerinnen haben sich an diese Erschütte rungen und Drehungen so gewöhnt, daß sie schlafen, während die „Höllenmaschine" an ihrem Körper dre für notwendig gehaltenen Massagen vornimmt. 4. Gestern lernte ich den Doktor Jonathan kennen. Er ist gar kein Doktor, heißt auch nicht Jonathan. Aber die Leute nennen ihn so. Weil er ein« Brille trägt und ein lebensgroßes Skelett in seiner Stube stehen hat. Das gehöre zu einem Doktor, meinen die Leut«. Den Namen Jonathan hat er von feinem Hund«. Das heißt, indirekt. Der Köter hört nämlich auf diesen schönen Namen, den ihm sein Herr zugelegt hat. Das ist den Leuten spaßig vorgekommen, und darum nennen sie den Besitzer de» Hundes Doktor Jonathan. Das klingt ja auch gar nicht üb«l für den alten Kacu, aber er will es nicht hören. Sein richtiger Name ist Müller, Rentier Müller. Er hat Geld und kann sich darum einen guten Tag machen und wohnt fett einigen Jahren als Junggeselle in der hiesi gen Gegend, nicht weit von meiner Behausung, und darum ist «r eigentlich mein Nachbar. Er laßt sich hauptsächlich nur in Begleitung seiner beide» Schäferhunde sehen, eben jenes Jonathan, und einer Hündin, die er mit dem ebenso merkwürdigen Namen RebekLa belegt hat. Ausgenommen auf der Jagd: da nimmt «r seinen Jagd hund mit. — Ich traf Doktor Jonathan im Walde an der Grenze meiner Gemarkung Wir waren beide mit Schießeisen versehen, doch hatten wir noch nichts geschossen. Daß ich keinen Antrittsbesuch gemacht hatte, nahm er mir übel. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, daß ich keinen Verlor wolle. Aber ich sah ein, daß das nicht ging, und darum sagt« ich irgend ein paar Wort« der Entschuldigung. Ich kam übrigens mit ihm in eine sehr gute Unterhaltung. Er ist auf seine Werse gar nicht dumm, und mit Staunen hörte ick, daß der alt« Knabe noch Privatstudien betreibt und naturwissenschaftliche Werke liest. Früher war er Verwalter eines Gutes mit Brennereibetrieb. Dann war ihm «in« Erb schaft zugefallen, di« es ihm ermöglichte, sich hier zwischen den Bergen «inzukaufen. „Wir wenigen Gebildeten hier im Wald« müssen zusam menhallen und an einer Leine ziehen," sagte er zu mir. »Da im Dorfe sind noch der Pfarrer und der Lehrer. Das ist alles. Mit dem Pastor läßt sich aber nur so oberflächlich ver kehren. Bei dem muß man sich sehr verstellen, sonst hängt er einem seine blödsinnigen Ermahnungen auf den Nacken. Daran ist mir nichts gelegen. Der Lehrer ist ein auskömmlicher Mensch Er trinkt gern Kümmel, aber seine Kasse reicht nicht sehr weit. Schade, er ist verheiratet. Es ist überhaupt «in Jammer, wenn «in ehr- sicher, fester Kerl mit Eiavovaia und Kindergeplärr sein« Zeit totschlagen muß. Da sind wir Junggesellen doch besser dran. Man ist doch wenigstens sein freier Herr und braucht sich nicht durch die Fürsorge einer treuliebenden Gattin tyrannisieren lassen. Da müssen Sie einmal zu Lehrer Findeis gehen. Sieben Göhren hat der Mann, und vor lauter Sorge und Besorgnis um sein leibliche» Wohlergehen - läßt ihn seine eheliche Hälfte keine halbe Stunde allein. Das ! ist doch ein Skandal, und der arme Kerl muß dabei doch total versauern. Sie haben ihr Kreuz, dies« <uoaven Ehe- ' trüvvett"
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