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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 07.11.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931-11-07
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193111076
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19311107
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19311107
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1931
- Monat1931-11
- Tag1931-11-07
- Monat1931-11
- Jahr1931
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 07.11.1931
- Autor
- Links
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Da jetzt leise naht der Winter Und daS Christfest schon in Sicht, Bitt' ich euch: vergeßt die Kinder. Unsre armen Kinder nicht! viele gibt'S in unsrer Mitte, Deren Eltern arbeitslos. Ihre Not, o helfet bitte. War bis heut' noch nie so groß: Diese müssen Hunger leiden, Mutters Schrank ist ständig leer. Jene können sich nicht kleiden, Haben kaum ein Hemdchen mehr. Helsen muß man da, muß schenken» Deshalb bitt' ich: Seid so gut. Schaut mal nach in euren Schränken, WaS da unbenutzt drin ruht. Da den Mantel, der vor Jahren Eurem Sohn so herrlich saß. Weshalb wollt ihr ihn verwahren. Heben aus als Mottenfraß'? Tort hängt noch das warme Röckchen, Tas die Tochter abgelegt. In dem Schiebfach liegen Söckchen Die das Fritzchcn nicht mehr träg* Auf dem Brett in süßer Ruh» Tiesversteckt im vollen Spind, Stehen ungetragne Schuhe, Die noch gut zu tragen sind Also, was da unverwendet Liegt noch in den Schränken drin, Tas, ich bitte dringend, sendet Eurer Sammelstelle hin! Oder sagt ihr telephonisch, Oder schreibt ein Kärtchen ihr: Hier ist der und der, da wohn ich, Holt euch etwas ab bei mir! Wenn das Suchen alter Sachen Euch als unbequem mißfällt. Schickt, es wird viel Freude machen. Für die armen Kinder Geld. Etwas könnt ihr schon entbehren. Keiner darf hier geizig sein. Helft dem Christkind mit bescheren Alle armen Kinderlein! Frau Bubbelkamp, Frau Wumba und ihre Freundinnen aben, um den armen Kindern zu helfen, einen Nähklub «gründet, in dem sie bis Weihnachten täglich zwei Stirn en auS ihren abgelegten Sachen Kinderkleidchen schnei- ern. Auf ihr gewohntes Kaffeekränzchen verzichten sie iS dahin und legen das ersparte Geld für Kuchen und Örtchen in eine besondere Büchse, deren Inhalt vor Weih achten den armen Kindern zur Verfügung steht. Herr Wumba sagte spöttisch gestern, Als in ihr Zimmer leis er trat: „Was macht ihr da, ihr Kaffceschwestern? Näht wieder ihr für euren Staat?" „Komm nur herein, du alter Tllnver?, Rief seine Frau ihm bittend zu, „Wir nähen hier für arme Kinder, Komm, gib mal einen Taler, du! Das kommt in unsre Kindcrkasse. Nun zier' dich nicht, du loser Held Recht tief in deine Taschen fasse, DaS arme Christkindchen braucht Geld!" Da sprach der Dicke: „Oh, ihr Raben! Nun ia, ich kann ja nicht so sein! Hier diesen Taler sollt ihr haben. Den stifte ich dem Christkindlein!" Nun will ich hoffen, daß das gute Beispiel, das Frau Bubbelkamp, Frau Wumba und ihre Freundinnen geben, eine recht gute Wirkung bei' allen andern hat. Der Näh klub und die Sammelbüchse für die armen Kinder dürfen vor Weihnachten in keinem Haushalt fehlen! Nicht nur in den Kreisen der Arbeiter, sondern auch in den Kreisen der geistigen Berufe, so wie in den Kreisen der ihre Kunst ausübenden Künstler und Künstlerinnen, hat die große Not ihren Einzug gehalten. Mancher, der bisher sein gutes Ein- und Auskommen hatte, ist auf die Mildtätigkeit seiner besser gestellten Mitbürger angewie sen. So sah man vor einigen Tagen in der Großstadt Düsseldorf eine Opernsängerin, die für den kommenden Winter kein Engagement fand, durch die Straßen Düssel dorfs gehen. Oper—Arien singend. Auf diese ehrliche und anständige Weise verdiente sie sich ihr tägliches Brot. Daß die Not aber auch manchen bisher anständigen Charakter verderben kann, erlebte ich selbst vor einigen Tagen an einem sehr schönen Beispiel. Kommt da zu mir ein arbeitsloser Anstreicher, der sich anbot, für nur 25 RM. meine ganzen Möbel aufzufrischen. Da ich das sehr billig fand, gab ich ihm den Auftrag dazu. Er gab sich sofort daran, die schadhaften Stellen abzuschaben, er kratzte hier, er schabte da, und dann sagte er plötzlich: „Jetzt muß ich Lack und Politur kaufen, wollen Sie mir eben schon mal 10 RM. geben?" Ahnungslos gab ich ihm den Betrag. Er ging damit fort und — bis heute ist er noch nicht wiedergekommen! Die 10 RM. ließen sich ja schon verschmerzen. Aber die abgeschabten und ange kratzten Möbel, die ärgern mich bald zu Tode. Wißt ihr, was meine Frau zu mir sagte: Sie sagte: „Mann, bist du ein dummes Luder, Ich hätt' sowas nicht gemacht! Denk dir nur, wie jetzt der Bruder Ueber deine Dummheit lacht! Hatt'st du sie nicht all beisammen. Als das Geld du gabst dem Mann? Sieh die Kratzen dir, die Schrammen, An den guten Möbeln an! Mir könnt' sowas nicht passieren. Eine Frau ist viel zu klug. Aber du läßt an dich schmieren. Dafür warst du dumm genug!" Wehe, wenn mir der verflixte Anstreicher einmal wie der über den Weg läuft! so geladen, wie ich bin! Für allen Aerger, allen Groll, Weil so er mich gekränkt, Hau ich ihm dann die Hucke voll Daß stets er an mich denkt! Wie ihr gesehen habt, verdirbt die Not bei manchem den Charakter. Bei manchem jedoch macht sie auch er finderisch. Auch hierfür erlebten meine Frau und ich ein nettes Beispiel. Kommt da dieser Tage ein Scherenschlei fer zu uns ins Haus und fragte: „Haben Sie nichts zu schleifen? Scheren, Messer oder so?" „Gib dem armen Mann etwas zu verdienen!" sagte ich zu meiner Frau. Sie gab ihm eine Schere und ein paar Messer zum Schleifen. Eine Viertelstunde verging, eins halbe Stunde verging, der Mann kam nicht wieder. „Sie doch mal nach, wo der bleibt!" sagte ich zu meiner Frau. Sie ging vor's Haus und suchte Mit ängstlichem Gesicht. sie wurde blaß, sie fluchte. Den Schleifer sah sie nicht. Jer owe MM» »er M»lSn»mn. Kühne Jeesahrerinnen. — Die Schwedin zwischen Berns «. Hauswesen. — Ein weiblicher Chefredakteur. Politische Erziehung. — Los vom Haushalt. Ganz zufällig war die hell« hübsche Nacht der Nord- nderinnen, die der Insel Äunö einen Besuch abstatten ollten, an die estnische Küste geraten. Führerin war eine chwedin: «ine zweite nebst einer Finnländerin und einer orwegerin bildeten Besatzung und Passagier«. Lauter oasfe, hohe, gut anzuschauende Gestalten, jung, ernst, be- ußte Zugehörige eines neuen nordischen Frauentyps, di« > durchaus nicht als Ungewöhnlichkeit ansahen, sich s«lb- lndig auf kühne Fahrten zu begeben. Der neue Frauen- P des Nordens ist erfüllt von manchen phantastischen nternehmungen, dabei überlegend und weiblich. Ber- enerin will man um jeden Preis sein und man klügelt rbeitszweige aus. Der heutigen Schwedin ist es bestim- end klar geworden, daß der Weg zu jeder beruflichen elbständigkeit unmittelbar vom Haushalt ausgeht. Das deutet: die vor nicht langem verachteten hausfraulichen rbeiten verrichtet sie jetzt willig, betrachtet sie als Bor- mle, in der man lernt, was einem später in jedem Beruf «r Gewerbe Vorteile verschafft. Dienstboten sind in chweden teuer und wegen ihrer Ansprüche und der Be ugungen, die sie der Hausfrau stellen, nicht immer leicht halten. Da dient nun manches junge Mädchen der In- lligenz zunächst in der eigenen Familie, vielleicht ein Jahr, der sie übernimmt mutig die Stelle einer Hausange- llten in einem begüterten Hause, verdient gut, sichert sich re bestimmten Freistunden oder freien Tage, um ihre gei gen Fähigkeiten zu fördern und ihren geliebten Sport zu riben. Der Zug der Mütterlichkeit ist in der modernen -wedin wieder wach geworden. Glück wie Leid der Mut- cschaft überragen als Letztes und Höchstes doch selbst den gesehensten und einträglichsten Beruf. Ein Kiud, «ein, mehrere Kinder! Dies gilt ihr mehr als erleichtertes, sorgenloses Leben in Kinderlosigkeit . . . In Finnland gibt es eine kleine Stadt, in der ein werb licher Chefredakteur «in« alt angesehene Zeitung redigiert. Das Seltsame: dieser Redakteur stellt kein« weiblichen Ar beitskräfte ein. Der Redaktionsstab besteht aus Herren, er fahrenen Zeitungsmenschen, die es gelassen, vielleicht als Zufallsspiel hinnehmen, unter einem weiblichen Kollegen zu arbeiten. Politisch keine Stürmerin, doch folgerichtige, ge ruhsame Denkerin, schreibt die Hauptschristleiterin gute Leitartikel, die in jedem Kall ihrem Verleger Abonnenten zuleitcn. Außerhalb des Rahmens ihrer Zeitung stehen Frauensragen. Denn dringende Forderung der Zeit scheint eS ihr zu sein, in den jungen Mttschwestern politisches Ver ständnis wachzurufen, das Begreifen der schwierigen Ge staltungen eines moderneü Staatskürpers. Die heutigen finnischen Mädchen lesen aufmerksam den politischen Teil einer Zeitung, sie lesen sogar umfangreiche Bücher der Politiker. Gewissenhaftes Zeitungslesen gehört überdies zur Tagesaufgabe der Finnin aller Klassen. Mann, Frau, erwachsene Kinder in einer Familie halten sich häufig eine Lieblingszeitung. Dies erklärt die für deutsche Begriffe unerwartet hohe Auflage kleiner Provinzblätter. Töchter selbst aus begütertem Elternhause suchen nach Arbeit und Einkommen uud sind ost ihren männlichen Kollegen gegenüber rücksichtslos im Erwerbsleben. Allen mit dem Hauswesen verflochtenen Pflichten möchte di« heu tige Finnländerin beinahe entwischen, denn sie nennt sie einfach zeitraubende, rückständige Beschäftigungen, die das Geistige in -er Frau abtöten. Gar nicht selten schlägt sie daher üte Ehegemeinschaft aus, wo sie annehmen muß, Liese Arbeiten leisten zu müssen. Sinn für Heimstatt-Kultur ist ihr nicht darüber verloren gegangen: doch sie will dies« — vielleicht einstweilen nur — als Junggesellin genießen. Sogenannte kühne Frauentaten mit männlichem Schwung, ivie sie etwa die junge schnelle Amerikanerin vollbringt, schweben ihr im Geiste vor. Aber zwischen Wollen und Sie lief zur nächsten Ecke, In einer Seitenstratz' Der Mann zu ihrem Schrecke Aus einem Bordstein saß. Er, der sich Schleifer nannte. Der das bestimmt nicht darf. Schliff auf des Bordsteins Kant« Die guten Messer scharf. „Mein Gott, die guten Messeri" Rief scheltend meine Frau. Sie wurde noch viel blässer. Es wurde ihr ganz flau. Sie rief mit strenger Miene: „O Mann, wo haben Sie Denn Ihre Schleifmaschine? Sind Sie denn littiti?" „Frau Minchen oder Stinchen", Erwiderte der Mann, „Ich hab' noch kein Maschinchen, Ich fang erst heute an!" „Kerl, du Verdienst ja Schläge!* Rief sie, die so geprellt. Jed' Messer war 'ne säge. Mein Gott, ist daS 'ne Welt! «Senn man unsre heutigen Vergnügungsstätte«, Kino» und Tanzlokale besucht, merkt man allerdings noch nicht» von der Not, die uns mit harter Faust, gepackt hat. Dort lacht, trinkt, raucht und tanzt man in den Tag hinein, ohne an den morgigen Tag zu denken! Man denkt nicht daran, die Vergnügungen abzubau'n, sondern man ist be strebt, immer wieder etwas Neues zum Kitzeln der Nerven zu erfinden. Besonders auf dem Gebiete der Tanzkunst ist man bemüht, überkanditelten Lebejünglingen und Mode dämchen in jeder Saison einen neuen Modetanz vorzusetzen. Für den kommenden Winter ist es der Rumba, der au» Kuba, wie man mir erzählte, zu uns herübergekommen ist, um uns in dieser schweren Zeit zu beglücken. Der Rumba ist was Feines! so hat man mir erzählt. Der Rumba hat, ich mein' eS» Uns grade noch gefehlt! Won Kuba kam der Rumba Hierher in unser Land. Ein Nigger, namens Bumba, Im Urwald ihn erfand. Er sah ihn bei 'nem Affen, Der tanzte mit 'ner GanS. Für unsre jungen Lassen, Ist daS der richt'ge Tanz. Wer zu den Hochmodernen Sich zählt in dieser Zeit, Ter muß den Rumba lernen. Am besten ist's, noch heut! Sonst müßt er rein vergehen Vor Wut, wenn's ihm fällt ein. Ein Affe könnt im Drehen Des Rumbas besser sein! Ernst Lächerlich. Tun tritt ihre unverwan-elte Langsamkeit — ober ist e» Vorsicht? N. Kaulitz—Nie-eck. Mill MU? Schönheit soll man schützen, man soll sie Pflegen und sie kann den Menschen begeistern. Aber schließlich ist sie nur ein flüchtig Ding, das vergänglich ist. Einen realen Wert stellt die Schönheit nicht dar. Niemand soll sich der Schönheit wegen den klaren Verstand, die nüchterne Ur teilskraft und leine Energie rauben lassen. Niemand soll ein Gut Preisgeben, für das die Schönheit keinen aus« gleichenden Gegenwert darstellt. Gewiß, wir verehren die Schönheit, wir feiern und lieben sie, aber wir können ihr nicht leibeigen werden, weil die Schönheit eines anderen unser eigenes Leben nicht sorgenfrei macht, weil die Schön heit des anderen niemals unser geschäftliches und beruf liche» Wirken vertreten kann. Vielleicht darf man deut licher sein: ES wird jetzt vielfach unter den Pärchen davon gesprochen, fich Weihnachten zu verloben und dann bald darauf zu heiraten. Der eine sagt: DaS Mädel ist schön — was sie tann und ist — das will ich nicht wissen, nur weil sie schön ist, darum heirate ich sie mir. Der andere hat Bedenken, er ist sich noch nicht einig, weil er plötz lich sein Mädel nicht schön genug findet, weil ihre Grüb chen und Augen nicht so ichön sind, wie die ihrer Freundin! WaS ist die Schönheit? Koetzbue wird es Euch sagen: „Um der Schönheit willen heiraten ist eben so viel, alS um der Rose willen ein Landgut kaufen. Ja, da» letztere wäre noch vernünftiger, denn die Rosenzeit kommt doch jährlich wieder!" Deutlicher konnte es der Dichter Wohl nicht sagen. Ein Landgut kostet zuviel Schweiß und Mühen, als daß cs sich einer einzigen Rose wegen lohnte. Das Leben aber tostet nicht minder Schweiß und Sorgen, die Schönheit de- anderen stellt keinen Gegenwert dar! Are di.
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